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muste er seine begleiter entlassen, was dem interesse der öffentlichen ordnung auch allein entsprach. Den beliebten und sich auszeichnenden oberten ließ das volk im amt, und dieser konnte dann eine auserlesene, und in vielen feldzügen erprobte begleitung um sich sammeln, die ihm zur ehre und selbst beim ausland zum ruhm gereichte. Daß die begleitung überhaupt nur aus kriegslustiger jugend bestand, niemand also länger als bis zum gereiften mannesalter darunter verblieb, ergibt sich aus der ganzen schilderung des Tacitus. Mit dem vorzugsweise auf überlassung von grundstücken beruhenden und allmählig erblich werdenden lehnsverhältnis hat die begleitung gar keine ähnlichkeit. 1

So aufgefaßt verliert die einrichtung das anstößige, unklare und unverständliche, das ihr seither anklebte; die begleitungen erscheinen als ein wichtiger einflußreicher bestandtheil der volks- und kriegsverfassung, gleichsam als die geschulten grundstöcke des heers, in welchen der kriegerische geist durch fortwährende kriegs- und raubzüge unterhalten wurde. 1. Bei allen deutschen völkern

1 Savigny, s. 4 „Dieses band ist fest durch ehre und kriegslust; sonst beruht es auf freiem willen; auch der austritt scheint frei, und am wenigsten ist es ein erblicher dienst." Freilich beruft sich v. Savigny zum beweis auf eine stelle in c. 22 Germ. die wir anders verstehen; aber es wird dies wohl auch nicht der einzige grund für seine ansicht gewesen sein.

2 Was Caesar 6, 23 sagt, geht auf einen in's ausland zu unternehmenden raubzug, „Räubereien bringen keine schande, wenn sie außer den gränzen des eigenen staates geschehen; und man spricht es offen aus, daß sie zur übung der jugend und zur minderung des müßiggangs geschehen. Und sobald einer aus den obersten in der versammlung sagt, er wolle führer sein, wer ihm folgen wolle, möge sich erklären; so erheben sich die, welchen sowohl die sache als der mann genehm ist, und versprechen ihren beistand, und die menge belobt sie. Wer von diesen dann nicht folgt, wird unter die ausreißer und verräther gerechnet, und es wird ihnen hernach in allem der glaube ent

fand sie sich wohl nicht, namentlich nicht bei dem großen und edlen volksstamm der Chauken, von denen Tacitus, G. c. 35 sagt: „ruhig und zurückgezogen rufen sie keine kriege hervor, wüsten sie mit keinen plünderungen und raubzügen."

An einigen orten erwähnt Tacitus auch clienten Germanischer vornehmen. 1 Segestes, der schwiegervater und gegner des Arminius, wurde magna cum propinquorum et clientium manu“ von Germanicus befreit. Annal. 1, 57. Inguiomerus, des Arminius oheim, ging mit einer mannschaft von clienten (cum manu clientium) zu dem feindlichen Maroboduus über. Ann. 2, 45. Was man unter diesen clienten zu verstehen habe, bleibt freilich ganz ungewiß. Es können freigelassene, oder sonstige diener sein, wie auch parteigenossen, die sich ihm angeschlossen, sich unter seinen schutz begeben haben. Ueberhaupt braucht Tacitus die bezeichnung „clientes" außer bei diesen Cheruskischen führern, nur noch einmal bei Germanen; annal. 12, 30: Vannius, den Drusus zum könig über die Sueben gesetzt hatte, wurde vertrieben, und floh mit clienten zu den Römern (secuti mox clientes). Dieser letzte fall, wo von einem könig und zwar einem durch's ausland eingesetzten könig, die rede ist, kann für Germanische einrichtungen nichts beweisen; aber auch die beiden ersteren stellen verlieren ihre bedeutung gegenüber der thatsache, daß Taci

zogen." Sehr bemerkenswerth ist, daß der vorschlag hierzu von einem vorsteher und in der volksversammlung (in concilio) gemacht wird, also wohl auch von dieser genehmigt sein muß. Das Friesische Asegabuch 7, 7 enthält eine bestimmung ganz ähnlichen inhalts : Kein hausmann darf eine heerfahne aufbinden und in ein anderes land ziehen, mit einem hauptlosen heer: das ist einem solchen, wobei kein graf oder herzog ist wer die fahne in der hand führt, büßt täglich 30 mark, und alle die ihm folgen, 21 schillinge, weil kein hausmann die heerfahne anbinden darf, ohne seines landes rath. Rühs, 242.

1 1 Waitz, 1, 100, note 3. v. Bethmann-Hollweg s. 67.

tus in der Germania, wo er die verfassung und die sitten bis in's einzelne und mit wohlerwogenem ausdruck schildert, nirgends clienten erwähnt, und daß Caesar, der die Gallischen ritter und clienten so scharf kennzeichnet, von beiden bei Germanen nichts weiß.

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Etwas der begleitung ganz ähnliches fand sich auch bei den Gallen vor. So berichtet Caesar, 3, 22 bezüglich der Sotiaten, einer völkerschaft Aquitaniens, indem er damit einen allgemeinen gebrauch schildern zu wollen scheint : 1 Und während der sinn aller der unseren hierauf gerichtet war, versucht es von einer anderen seite der stadt Adcantuannus, der die oberste gewalt besaß, mit 600 gewidmeten welche man dort soldurier 2 nennt, und deren verhältnis das ist, daß sie alle vortheile im leben mit denen genießen, deren freundschaft sie sich hingegeben haben; und wenn diesen etwas gewaltsames widerfährt, entweder denselben unfall mitertragen, oder sich den tod geben; und es ist bei menschengedenken noch keiner gefunden worden, der

1 Atque in ea re omnium nostrorum intentis animis, alia ex parte oppidi Adcantuannus, qui summam imperii tenebat, cum DC. devotis, (quos illi soldurios adpellant; quorum haec est conditio, uti omnibus in vita commodis una cum his fruantur, quorum se amicitiae dediderint : si quid iis per vim accidat, aut eumdem casum una ferant, aut sibi mortem consciscant neque adhuc hominum memoria repertus est quisquam, qui, eo interfecto, cujus se amicitiae devovisset, mori recusaret) cum iis Adcantuannus eruptionem facere conatus etc

2 Pertz, script. 8, 342: militibus quos soldarios vocari mos optinuit. Beschluß des zu Mainz im j. 1256 gehaltenen städtetags : Quelibet civitates et opida iuxta vires eorum semper erunt parati in equis et armis contra pacis et iusticie turbatores, et insuper statuent et tenebunt pro posse suo stipendiarios, qui suldenere dicuntur vulgariter, ut illi ad loca remota horis singulis, quandocunque necesse fuerit, transmittantur. Böhmer, cod. Mf. 97. In der relation darüber (s. 109) heißt es: statuimus ibidem, quod quelibet civitas soldarios et sagittarios haberet. S. 112 j. 1256: quod quelibet civitas solidarios constituat.

Ueber die ableitung dieses worts vgl. Grimm, gesch. d. D. spr. 134.

sich nach dem fall desjenigen, dessen freundschaft er sich gewidmet hatte, zu sterben weigerte mit diesen also versucht es Adcantuannus einen ausfall zu machen."

Eine so große begleitung wird ein Deutscher vorsteher im frieden gewiß nie gehabt haben; höchstens in kriegszeiten bei einem herzog dürfte man sie voraussetzen. Einer von mehreren königen der Alamannen, Chnodomarius, welcher nach der schlacht bei Straßburg im j. 357 von den Römern gefangen wurde, hatte 200 begleiter. Ammian. Marcell. 16, 12: comitesque ejus ducenti numero, et tres amici iunctissimi, flagitium arbitrati post regem vivere, vel pro rege non mori si ita tulerit casus, tradidere se vinciendos.

Die sitte reichte aber auch bis nach Spanien. Valerius Maximus 2, 6, 11: Die Celtiberier halten es auch für einen greuel (nefas), im treffen übrig zu bleiben wenn der gefallen ist, für dessen erhaltung sie ihr leben gelobt haben." Plutarch. Sertorius. 14: Und da es sitte der Iberier ist, daß die um den befehlshaber stehenden wenn er fällt mit ihm sterben, und dieses die dortigen barbaren weihung nennen, so hatten die anderen anführer wenige von den schildbewaffneten und den gefährten, Sertorius aber viele tausend mann, die sich geweiht hatten, im gefolge. Man sagt aber, als sie bei einer stadt geschlagen worden und die feinde auf sie eingedrungen, hätten die Iberier, ihrer selbst nicht achtend, den Sertorius zu retten unternommen, und ihn einer vor dem andern auf die schultern hebend bis zu den mauern getragen und als der befehlshaber in sicherheit war, da habe sich denn jeder von ihnen zur flucht gewendet.“

Staat, gau, dorf.

Caesar nennt die gesammtheit eines volks, welches gegen außen ein selbständiges geschlossenes ganze darstellt, civitas. So 1, 12: omnis civitas Helvetia; 1, 10: civitas Tolosatium; 1, 31 und 7, 32 civitas Aeduorum; 1, 31 civ. Sequanorum; 2, 24: civ. Trevirorum. Den ganzen Belgischen volksstamm, zu welchem die Bellovaken, Nervier, Suessionen, Atrobaten, Ambianen, Morinen, Menapier, Eburonen und sieben andere kleinere völkerschaften gehörten (2, 4) nennt Caesar nicht civitas, sondern vielmehr die einzelnen aufgeführten völkerschaften; 2, 15: Bellovacorum civitas, quae erat magna inter Belgas auctoritate; sie können nach 2, 4 100,000 waffenfähige stellen; 2, 28 civitas Nerviorum, die 60,000 waffenfähige zählen, und nach 2, 4 zu einem gemeinsamen krieg 50,000 zu stellen versprechen; 5, 28: civitas ignobilis atque humilis Eburonum, die nach 2, 4 nicht mehr als etwa 10,000 waffenfähige zählten. Von Deutschen völkern nennt er 4, 3 ausdrücklich die Ubier eine civitas. In demselben sinne braucht er gens; 2, 28: prope ad internecionem gente ac nomine Nerviorum redacto; 4, 1: Sueborum gens.

Bei Tacitus findet sich ganz derselbe sprachgebrauch. 1 Germ. c. 37: Cimbri, parva nunc civitas, sed gloria in

1 Unerweislich ist die meinung von Waitz, 1, 51, daß Tacitus

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