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klasse gewesen seien, bedarf nach obigem und nach den ausführungen von Löbell, 505, Waitz, 1, 87, Roth, 8 und 16 keiner weiteren widerlegung. Daß auch die proceres oder primores kein adel zu sein brauchen, soll unten, wo vom adel die rede ist, gezeigt werden.

Die begleiter.

Daß die gewählten obersten auch im kriege führer ihrer gaue und gemeinden waren, gibt man ziemlich allgemein zu. Es ist auch natürlich, da hundertschaften und gemeinden die unterabtheilungen des heers und der schlachtreihe bildeten, und wird durch die schilderung des verhaltens der vorsteher in der schlacht in c. 14 der Germania bestätigt. 1

Um die obersten, wie natürlich auch um den herzog oder könig 2, pflegten sich aber auch tapfere, kriegslustige jünglinge zu schaaren, welche sich durch eid zu besonderer treue und theilung aller gefahren verpflichteten. Im kampf stehen sie der person des vorstehers am nächsten, vertheidigen sein leben; ohne ihn aus der schlachtreihe gewichen zu sein, ist ein schimpf für's ganze leben. Dieses verhältnis beruhte auf freier übereinkunft, und hat mit andern abhängigkeitsverhältnissen, wie z. b. das Gallische cliententhum eines war, nichts zu schaffen. Es war für niemand herabsetzend (nec rubor inter comites

1 Siehe auch berits oben s. 6. Daher wird man auch gerade solche gewählt haben, die bereits kriegsgeübt und erfahren waren. Ammianus Marcell. berichtet 31, 2 von den Alanen judicesque etiam nunc eligunt diuturno bellandi usu spectatos.

2 Waitz, 1, 171; v. Bethmann-Hollweg, 62.

aspici). Daher treten selbst jünglinge aus vornehmen und angesehenen familien in die begleitung1 ein; der vorsteher macht solche, auch wenn sie noch sehr jung und ungeübt sind, in der volksversammlung wehrhaft und reiht sie ihrer edlen abkunft, oder den verdiensten ihrer väter zu liebe, den stärkeren und längst erprobten seiner begleiter an; er würdigt sie der ehre, einer schaar vortrefflicher krieger beigesellt zu sein. Daraus, daß der sohn vornehmer oder verdienter eltern in dieser weise geehrt wird, folgt, daß die begleitung keineswegs vorwiegend aus vornehmen bestand.

Sold erhalten die begeiter nicht; sie begnügen sich im frieden damit, wenn ihnen der oberste streit

1 Comes ist ein begleiter, comitatus begleitung. „Gefolge" sollte man schon um deswillen nicht sagen, weil es seither in so unrichtigem verstand gebraucht worden ist. Comes ließe sich auch, ohne beeinträchtigung des sinnes, mit „gefährte" oder "genosse" wiedergeben, namentlich im hinblick darauf, wie gefêra und geneât in den Angelsächsischen gesetzen gebraucht wird (vgl. R. Schmid, glossar). begleiter ist wörtlicher und allgemeiner.

2 Also etwa der ersten klasse der begleiter.

Allein

3 Worin die dignatio (Germ. c. 13) bestehe, besagen die folgenden worte ceteris robustioribus . . aggregantur. Die handschriften lesen alle ceteris; ceteri ist eine der vielen verkehrten conjecturen des alten Lipsius, welcher Gerlach 112, v. Savigny, a. a. o. s. 6 und andere zum schutz einer unrichtigen auslegung folgen musten. Orelli hat die stelle im j. 1819 zuerst richtig ausgelegt, indem er dignatio in activem sinne nahm. Waitz, 1, 149-151, v. Bethmann-Hollweg, 59, Roth 13 sind ihm beigetreten, und haben seine gründe verstärkt. Der einwand Walthers, 4, 36, daß es bei Orelli's auslegung statt principis dignationem vielmehr dignationem principis heißen müsse, ist ungegründet. Vorher sagte Tacitus, der jüngling werde in der volksversammlung entweder von einem princeps oder vom vater oder den verwandten wehrhaft gemacht; nunmehr zeigt er einen der fälle näher an, in welchen ein princeps diese wehrhaftmachung, welche der aufnahme in die begleitung vorausgehen muste, vornimmt; deshalb hat »principis" den nachdruck und steht es vor dignationem.

roß und waffen stellt, und sie an seiner tafel mitspeisen läßt; im krieg wird ihnen antheil an der beute geworden sein. Ohnehin war das verhältnis auf den krieg, nicht auf langen frieden berechnet. Im frieden fehlten dem obersten die mittel zur unterhaltung vieler begleiter, und er muste sie entlassen; dann gingen die meisten vornehmen jünglinge zu denjenigen fremden stämmen, welche eben krieg führten, um sich bei diesen zu beschäftigen. An gelegenheit dazu fehlte es nicht. Schon allein mit den Belgen und Helvetiern führten die Germanen fortwährend krieg. 3

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Man hat diese einfache einrichtung vielfältig sehr misverstanden und mancherlei seltsame theorien auf dieses misverständnis gegründet. Man wollte unter den in c. 13 genannten principes nicht die laut c. 12 gewählten obersten verstehen, sondern selbständige, womöglich adelige "gefolgsführer", "häuptlinge", obwohl Tacitus selbst nirgends für eine solche unterscheidung anhaltspunkte bietet. Man verstand sich dann auch zu der zweiten freilich aufgenöthigten willkür, in c. 15 die principes, welche gefällle erhalten, plötzlich wiederum für vorsteher zu nehmen. Die annahme, daß ein und derselbe ausdruck kurz hintereinander in ganz verschiedener bedeutung gebaucht worden

1 Daß die begleiter immer beritten gewesen, folgt daraus noch nicht; aber ohne zweifel waren sie es bei den Tenctern und andern auf reiterkunst haltenden stämmen.

2 Grundstücke konnten nicht als sold gegeben werden, weil es privateigenthum an land nicht gab. Das bemerkt schon v. Buri, erläut. d. lehenrechts. Gießen 1769, s. 4. Das lehnswesen hat sich daher erst später ausgebildet, wie Paetz, lehrbuch des lehnrechts §. 6 völlig richtig angibt.

3 Caesar 1, 1. Man erinnere sich dabei, wie noch bis auf späte jahrhunderte herab die Schweizer jedem krieg nachliefen, der bei ihren nachbarn entstand.

4 Sogar Orelli hat sich hierzu verleiten lassen.

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sei, läuft gegen alle gesunde auslegung, vornehmlich bei einem so durchdachten und abgewogenen werke wie die Germania des Tacitus. Aber sie führt auch zu resultaten, die sich mit den sonstigen nachrichten über die staatsverfassung der Germanen nicht in einklang bringen lassen. Wenn es gestattet gewesen wäre, sich vom volksheere abzusondern und unter selbständige führer zu schaaren, so würde die ganze heeresordnung erschüttert und vernichtet worden sein; und wenn im frieden jedem, namentlich reichen und mächtigen, freigestanden hätte, eine stehende truppenmacht zu unterhalten, so würde dies das ansehen und die kraft der obrigkeit untergraben haben. Ein beispiel aus Gallien zeigt dies. 2 Zu Caesars zeit hielt sich der reiche Aedue Dumnorix auf seine kosten stets eine große zahl reiter, die er um sich hatte. Die folge war, daß die obrigkeiten gegen ihn ohnmächtig waren, wie sie Caesar im geheimen klagen 3. Etwas derartiges duldete kein Germanischer freistaat; niemand als die gewählten obersten, welche auch den landsturm befehligten, durften kriegerische begleitung haben. Man hat eingewendet, daß sich, wenn die obersten nur auf ein jahr gewählt worden wären, eine begleitung nicht habe bilden können. Allein dies ist nicht der fall. Wurde einer freilich nicht wieder gewählt, weil die hundertschaft oder gemeinde ihn nicht mehr wollte, mit seiner amtsführung, mit seiner einsicht oder tapferkeit nicht zufrieden war, so

1 So dachte auch v. Savigny 5, anm. 4, obwohl er aus diesem grund zu umgekehrten folgerungen kommt als wir.

2 Nach Caesar, 6, 15 war es bei den Gallen allen rittern erlaubt, bewaffnete diener und schutzbefohlene auch im frieden um sich zu haben.

3 Caesar, 1, 27 und 28. Vgl. Roth, 20.

Dieser ansicht waren auch schon Waitz, 1, 94; v. BethmannHollweg s. 62; Roth, s. 17.

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