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unter den ursprünglichen Parteien ein unbedingter Vertrag geschlossen wird. Liegt Vorbehalt vor, so ist nach römischem Rechte der Abschluss eines neuen Vertrags zwischen dem ersten Käufer und dem Verkäufer anzunehmen 1) müsste denn sein, dass die neuen Bestimmungen lediglich den Erlass gewisser Verbindlichkeiten des Verkäufers involviren. Die Consequenz dieser Auffassung ist insbesondere die, dass

a) der überbietende Käufer gleichwohl die bisher bezogenen Früchte u s. w. erstatten muss, soferne nur nicht entgegengesetzte Verabredung vorliegt.

L. 6 §. 1 D. cit.

Si quis extiterit, qui meliorem condicionem afferat, deinde prior emtor adversus eum licitatus sit et penes eum emtio manserit, dubitari potest, utrum fructus ipse habeat, quasi nulla meliore condicione allata; an vero venditoris sint, licet eadem sit persona quae meliorem condicionem attulerit? quod ratio facere videtur; intererit tamen quid acti sit.

b) Wenn mehrere eine Sache gemeinschaftlich kaufen und der eine Socius legt ein höheres Gebot, so wird dadurch auch der Kauf bezüglich seines eigenen Antheils aufgehoben; er hat nicht zwei Verträge je über die Hälfte der Sache geschlossen, sondern einen Vertrag über die ganze Sache.

L. 18 D. eod. (Africanus):

Quum in diem duobus sociis fundus sit addictus, uno ex his pretium adiiciente etiam pro ipsius parte a priore venditione discedi rectius existimatur.

c) Daraus ergibt sich ganz von selbst, dass das Eigenthum an den Verkäufer zurückkehrt, sofort aber durch brevi manu traditio wieder übertragen wird. Nicht ganz so einfach gestaltet sich das Schicksal der vom Käufer bestellten dinglichen Rechte. Consequent muss behauptet werden, dass sie zusammenfallen; ohne Zweifel aber besteht auch die Verpflichtung sie neu zu bestellen. Weiter aber werden wir in Ermangelung positiver Vorschrift nicht gehen dürfen 2).

1) Freilich scheuen die Juristen auch nicht die populäre Ausdrucksweise: emtio remanet penes priorem (L. 6 §. 1 D. cit.)

2) Die Rechtsverhältnisse, welche sich durch die Ueberbietung Seitens des ersten Käufers ergeben, sind in den Quellen nur sehr spärlich erörtert; auch die neueren Darstellungen gehen nicht tiefer ein. Vgl. Sintenis a. a. O. A. 18.

Nach heutigem Rechte wird meist eine blose Modification des ersten Vertrages angenommen werden können 1).

4) Macht der erste Käufer von der ihm angebotenen Möglichkeit keinen Gebrauch, so ist weiter erforderlich, dass nunmehr der Vertrag mit dem zweiten Käufer auf Grund des besseren Gebotes auch wirklich ins Dasein tritt. Das blose Angebot genügt nicht zur Rückgängigmachung. Ist daher dasselbe durch Zeitablauf, Tod, Widerruf u. s. w. erloschen, so bleibt der erste Kauf trotz des ablehnenden Verhaltens des Käufers bestehen 2).

Daraus folgt insbesondere, dass der Verkäufer durch Zurückweisung der Offerte des Kaufliebhabers auch jetzt noch beim ersten Vertrage beharren kann 3).

§. 252.

III. Schliesst der Verkäufer den Vertrag mit dem Dritten ab, obschon die eben besprochenen Voraussetzungen nicht bestehen, so mag derselbe immerhin giltig sein; eine aufhebende Wirkung dem ersten Vertrag gegenüber hat er nicht 4).

Sind dagegen die gesetzlichen Voraussetzungen vorhanden, so hebt der zweite Kauf den ersten auf: abitur, receditur a priore emtione, resolvitur emtio 5).

Die rechtliche Beschaffenheit dieser Aufhebung ist nun genauer in's Auge zu fassen.

A. Bei unbefangener Würdigung der Quellen lässt sich

1) Vgl. oben S. 481. Die Frage wegen des Ersatzes der Früchte hat demnach für uns wesentlich noch eine materielle Bedeutung; es fragt sich, ob dieser Ersatz nöthig ist, damit der Verkäufer günstiger gestellt ist, als bei Annahme der zweiten Offerte.

2) Vgl. L. 1 D. cit.

3) L. 9 D. cit.

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4) L. 14 D. cit. Beim bedingten Kauf liegt also der Fall vor, dass der Verkäufer die Sache doppelt verkauft; beim Vorbehalt verkauft er eine fremde Sache. Selbstverständlich kann sich der Verkäufer dem zweiten Offerenten gegenüber durch Abschluss eines bedingten Vertrags sicher stellen.

5) Vgl. L. 2 pr., L. 4 §. 5; L. 14 §. 2 D. cit.; L. 2 §. 4 D. pro emt. (41, 4).

der Satz nicht in Abrede stellen, dass das Kaufobject selbst mit dinglicher Wirkung zum Verkäufer zurückkehrt 1).

Diesem Satze fehlt es vor Allem auch nicht an der inneren ratio. Soll überhaupt dem Verkäufer die Möglichkeit offen stehen, die bereits verkaufte Sache zum zweitenmal besser zu verkaufen, so ist die dingliche Wirkung gar nicht zu entbehren; ohne dieselbe wäre der Verkehr ohne Zweifel immer bei der suspensiven Gestaltung des Verhältnisses stehen geblieben. Ein Verkäufer, der berechtigter Weise weiter verkauft, dann aber zusehen möge, wie er mit Hilfe der persönlichen Klage wieder zur Sache gelangt, würde sich wahrlich in einer wenig beneidenswerthen Lage befinden. Wer den Zweck will, muss auch das Mittel wollen; sanktionirt die Rechtsordnung jenen Vorbehalt des Rücktritts überhaupt, so muss sie auch dem Verkäufer die rechtliche Macht über die Sache einräumen, ohne welche das Recht des Weiterverkaufs so gut wie illusorisch ist 2).

Kehrt aber das Eigenthum ohne Weiteres an ihn zurück, so ist die nächstliegende Consequenz die, dass auch die vom Zwischeneigenthümer bestellten dinglichen Rechte unmittelbar erlöschen. Denn dass der Verkäufer die Sache überhaupt frei von den inzwischen auferlegten Belastungen zurückerhält, liegt ohne Weiteres im Zwecke des Vorbehalts selbst; wie sollte er leicht ein besseres Gebot erlangen für eine Sache, die inzwischen mit Servituten und Pfandrechten belastet worden ist? nur wenn der Rechtszustand der Sache wesentlich der gleiche ist, besteht unter normalen Verhältnissen innerhalb

1) Dagegen fehlt es an jeden Anhalt dafür, dass diese Wirkung von einer besonderen Beschaffenheit der Willenserklärung der Parteien abhänge (Windscheid §. 323 bei Anm. 4) oder dass die addictio in diem auch mit blos obligatorischer Wirkung vorkomme. Die ältere Theorie unterschied auch hier, je nachdem verba directa oder obliqua gebraucht waren; Glück a. a. O. S. 263.

2) Wir haben also einen auf das Entziehen der Sache gerichteten Nebenvertrag mit dinglicher Wirkung. Insoferne stimme ich hier mit den allgemeinen Erörterungen von Ihering a. a. O. S. 544 durchaus überein (Ueber die in Anm. 182a angeregte Materie wären übrigens Erörterungen in meinem Dotalrecht Bd. II S. 458 fgg. und in demjenigen von Czyhlarz S. 204 zu finden gewesen. Dort sind auch die groben Irrthümer von Bachofen längst widerlegt.)

begränzter Zeit die Möglichkeit günstigeren Verkaufs. Gegenüber der Schwierigkeit und Unsicherheit der befreienden Thätigkeit des Zwischeneigenthümers ist es abermals eine durch den Zweck gebotene Steigerung, wenn die Rechtsordnung das unmittelbare Erlöschen der Lasten anordnet; statt dass der Verkäufer sich an den Käufer hält und dieser mit den Berechtigten verhandelt, gehen ihre Rechte von selbst unter, und ihre Sache ist es, mit Eviktionsansprüchen gegen ihren Auktor aufzutreten. Vom Standpunkte der Rechtssicherheit mag das kein idealer Zustand sein; aber von diesem Standpunkte aus ist überhaupt das ganze Institut der addictio in diem, jedenfalls in Gestalt des Vorbehalts, bedenklich 1); wer es hinnimmt, muss sich auch in die Consequenzen ergeben.

Das positive Recht bietet uns nun folgende Entscheidungen dar 2):

1) der Käufer hat nach eingetretener adiectio nicht mehr die dingliche Klage, die er doch in der Zwischenzeit hatte 3). Ebenso werden die aus dem Eigenthum hervorgehenden Klagen von jetzt an dem Verkäufer erworben 4).

2) Die vom Käufer eingeräumten dinglichen Rechte erlöschen, es müsste denn sein, dass bei ihrer Bestellung auch der Verkäufer mitgewirkt hat. Dieses Zusammenfallen war dem Juristen Marcellus so gewiss, dass er daraus umgekehrt erst auf das Zwischeneigenthum geschlossen hat,

Ulpianus lib. XXVIII ad Sab. L. 4 §. 3 D. de in diem add. (18, 2)

1) Wie es denn auch aus dem heutigen Verkehre verschwunden zu sein scheint.

2) Vgl. zum folgenden insbesondere Vangerow Bd. I S. 152 fgg. (gegen die Interpretationsversuche von Riesser). Karlowa a a. 0. S. 102 fgg.

3) L. 41 pr. D. de r v. (6, 1). Sed et si cui in diem addictus sit fundus, antequam adiectio sit facta, uti in rem actione potest, postea non poterit.

4) L 11 §. 12 D. quod vi aut clam. (43, 24). Plane si posteaquam melior condicio allata est aliquid operis vi aut clam factum sit, nec Julianus dubitaret, interdictum venditori competere; nam inter Cassium et Julianum de illo quod medio tempore accidit, quaestio est, non de eo opere quod postea contingit.

Sed et Marcellus libro V. Digestorum scribit, pure vendito et in diem addicto fundo si melior condicio allata sit, rem pignori esse desinere, si emtor eum fundum pignori dedisset. Ex quo colligitur, quod emtor medio tempore dominus esset, alioquin nec pignus teneret 1).

Paulus L. 9 D. de aqua (39, 3).

In diem addicto praedio et emtoris et venditoris voluntas exquirenda est, ut sive remanserit penes emtorem sive reĈesserit, certum sit voluntate domini factam esse aquae cessionem.

Man kann sich der Beweiskraft dieser Stellen nicht dadurch entziehen, dass man sie auf die formlose Uebereignung von res mancipi bezieht. Keine der Stellen gibt zu einer solchen Interpretation Veranlassung, geschweige denn, dass sie dazu nöthigt. Und welches Resultat bleibt denn für das justinianische Recht? Scheurl übergeht diese Frage ganz mit Stillschweigen 2); Czyhlarz erkennt dagegen hier die dingliche Wirkung ohne Weiteres an 3). Allein wie ist diese Veränderung im Rechte zu erklären? An ein Versehen der Compilatoren ist doch schwer zu glauben; dazu ist die Zahl der Stellen zu gross und ihr Ausdruck theilweise viel zu prägnant. Sollen wir also mit Czyhlarz annehmen, dass eine bewusste Rechtsveränderung stillschweigend stattgefunden habe? Auch diese Annahme ist in hohem Grade unwahrscheinlich. Zu Justinian's Zeiten war die addictio in diem sicherlich kein Institut von hervorragender, geschweige von zunehmender praktischer Bedeutung ); zu einer Veränderung des Rechts im Sinne einer Steigerung der rechtlichen Macht des Verkäufers ist damals schwerlich ein Bedürfniss vorhanden gewesen 5).

1) L. 3 pr. D. quib mod. (20, 6); vgl. (35, 1); L. 16 D. quib. mod. ususfr. (7, 4);

serv. (8, 6).

2) a. a. O. S. 251.

3) a. a. O. S. 37 fg.

auch L. 105 D. de cond. L. 11 §. 6 D. quemadm.

Wir haben nach justinianischem Recht bei der addictio in diem wirklich einen solchen Fall, wo contra rationem iuris durch den in der Resolutivbedingung enthaltenen contrarius consensus das Eigenthum an den Tradenten zurückfällt."

4) Das beweist das Stillschweigen des Codex.

5) Czyhlarz ist überhaupt sehr geneigt, die Fälle des dinglichen Bechmann, Kauf. II.

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