Page images
PDF
EPUB

§. 225.

Nebenleistungen, die der Käufer übernimmt und die auch. als Vorbehalte zu Gunsten des Verkäufers bezeichnet werden, (excipere oder recipere) sind insbesondere folgende.

1) Dem Verkäufer bleibt das Recht vorbehalten, bis zur Uebergabe der Sache Servituten (und Pfandrechte) auf dieselbe zu legen 1).

2) Der Verkäufer behält sich selbst eine Servitut (oder eine Hypothek) am Kaufobject bevor. Wie in diesem Fall die Bestellung selbst rechtlich aufzufassen ist, ob als Abzug bei der Eigenthumsübertragung oder als Constituirung im Augenblicke derselben, diese Frage ist hier ohne Interesse. Jedenfalls wirkt die persönliche Verpflichtung des Käufers nach, auch wenn die Bestellung bei der Eigenthumsübertragung selbst vergessen worden ist 2).

3) Hicran schliesst sich der lediglich obligatorisch wirkende Vorbehalt von Gebrauchs, wohl auch von Verbietungsbefugnissen an, und zwar

a) von solchen, welche an sich auch den Inhalt eines dinglichen Rechtes bilden könnten, z. B. Wohnungsbefugniss 3), die Befugniss bauliche Anlagen zu verbieten 1);

b) aber auch solche, welche sich zum Inhalte einer Ser

1) L. 6 §. 3 D. comm. praed. (8, 4).

2) L 35 D. de serv. praed. urb. (8, 2). Vgl. noch L. 32, 36 §. 1 D. de usufr. (7, 1). Als dingliche Vorbehalte bei der Uebereignung sind diese Deduktionen auch schon im System der Naturalkaufs möglich. Bd I S. 274. Vorbehalt des sepulcrum, unter Umständen selbstverständlich. L. 53 §. 1 D. de a e. v. (19, 1); L. 10 D. de relig. (11, 7).

3) Auch alternativ: Wohnung oder jährliche Entschädigung. L. 21 §. 6 D. de a. e. v. (19, 1).

4) L. 9 C. de pact. inter emt. (4, 54). Dieses Gesetz entscheidet im bejahenden Sinne die Streitfrage, ob der Käufer sich auch verpflichten könne, auf dem Grundstück kein Monument zu errichten noch es sonst dem weltlichen Recht zu entziehen. Die verneinende Ansicht scheint sich auf das mangelnde pecuniäre Interesse des Verkäufers gestützt zu haben. Dass die Verabredung dinglich wirkt, ist mit keiner Sylbe gesagt.

vitut nicht eignen würden. Ein interessantes Beispiel hiefür gewährt Ulpian in L. 13 pr. D. comm. praed. (8, 4):

Venditor fundi Geroniani fundo Botriano quem retinebat legem dederat, ne contra eum piscatio thynaria exerceatur. Quamvis mari quod natura omnibus patet servitus imponi privata lege non potest, quia tamen bona fides contractus legem servari venditionis exposcit, personae possidentium aut in ius eorum succedentium per stipulationis vel venditionis legem obligantur 1).

Ein analoges Verhältniss im heutigen Recht ist es, wenn sich der Käufer eines Geschäfts verpflichtet, gewisse Artikel nicht zu führen u. s. w. 2).

4) Vorbehalt in Beziehung auf die Beziehung der Früchte (s. oben S. 369), sowie auf die Gewinnung von Steinen, Mineralien, die in dem verkauften Grundstück enthalten sind. Hievon handelt Javolenus in L. 77 D. h. t. Aus der Stelle ergibt sich der Interpretationsgrundsatz, dass solcher Vorbehalt im Zweifel nur bezüglich der Objecte wirkt, deren Existenz zur Zeit des Vertragsabschlusses gewiss war oder doch wenigstens vermuthet wurde. An das schlechterdings Unbekannte haben die Parteien nicht gedacht noch auch mit Rücksicht darauf den Preis regulirt.

5) Weiter gehören hieher die vertragsmässigen Veräusserungsverbote und Veräusserungsbeschränkungen. Dass dieselben nach römischem Recht nur obligatorisch wirken, ist heutzutage in Theorie und Praxis so allgemein anerkannt, dass es hier darüber keiner weiteren Ausführung bedarf 3). Ferner

1) Vgl. Ihering in seinen Jahrbüchern Bd. 10 S. 554 fgg. Den dortigen Ausführungen über die legum dictio vermag ich nur eine sehr beschränkte Richtigkeit beizumessen. Bd. I S. 261 fgg. Burckhard die actio a pl. a. S. 337. Oben S. 54. Unter lex stipulationis kann nicht eine blos auf diesen Punkt bezügliche Stipulation gemeint sein dieser Sprachgebrauch ist ohne Beispiel sondern nur die Vollzugsstipulation des Kaufs, die diese Clausel enthält.

[ocr errors]

2) Ein Vorbehalt beim Verkauf des Statuliber war der, dass er das Lösegeld an den Verkäufer zu zahlen hat. L. 15 §. 1 D. de statulib. (40, 7).

3) Im früheren Recht war die verpflichtende Kraft dieser Verabredungen überhaupt bestritten, wegen mangelnden Interesses des Verkäufers. Darauf bezieht sich wohl ursprünglich L. 61 D. de pact. (2, 14) Bechmann, Kauf. II,

25

die Verpflichtung der Rückgabe an den Verkäufer gegen Erstattung des Preises (s. g. pactum de retrovendendo); desgleichen die Verpflichtung, gegebenen Falls diesem die Sache zuerst zum Verkauf anzubieten (das gemeinrechtliche Vorkaufsrecht).

Hermogenianus L. 75 D. h. t.

Qui fundum vendidit ut eum certa mercede conductum ipse habeat, vel si vendat non alii sed sibi distraheret ') vel simile aliquid paciscatur, ad complendum id quod pepigerat, ex vendito agere potest.

6) Verabredungen zu Gunsten dritter Personen; namentlich kann sich der Käufer verpflichten, die Miether oder Pächter zu übernehmen 2); ebenso kann der verkaufende Pfandgläubiger dem Verpfänder die Einlösung der Sache vorbehalten. Im Allgemeinen erzeugen diese Vorbehalte keine unmittelbaren Ansprüche des Dritten; nur für den letzterwähnten Fall besteht eine Ausnahme, die hier nicht weiter zu verfolgen ist 3).

7) Endlich kann der Käufer neben dem Kaufpreise eine beliebige andere zu dem Kaufobject selbst in keiner unmittelbaren Beziehung stehende Leistung an den Verkäufer als Aequivalent übernehmen. Am nächsten liegt der Gedanke an eine Sachleistung; gerade dafür findet sich in den Quellen kein Beispiel. Wohl aber kann nach ausdrücklicher Entscheidung der Käufer die Reparatur eines Hauses oder ein sonstiges „facere" als theilweise Gegenleistung übernehmen.

Pomponius L. 6 §. 1 D. de a. e. v. (19, 1).

Si vendidi tibi insulam certo pretio et ut aliam insulam meam reficeres, agam ex vendito, ut reficias; si autem hoc von Pomponius. (Vgl. L. 11 D. de relig. 11, 7). Justinian hat in L. 9 C. cit. (S. 384) diese Controverse im bejahenden Sinn entschieden, allerdings ohne der Veräusserungsverbote, auf die gleichwohl die Motivirung hinweist, ausdrücklich Erwähnung zu thun Im Sinne der Compilation muss daher in L. 61 D. cit nur die Verneinung der dinglichen Wirkung solcher Verabredungen erblickt werden.

1) Vgl. noch L. 21 §. 5 D. de a. e. v. (19, 4); L. 7 §. 1 D. de distr. pignor. (20, 5); L. 122 §. 3 D. de v. obl. (45, 1); L. 12 D. de praescr. v. (19, 5); L. 3 C. de c. o. c. d. (4, 6). S. 277.

2) L. 53 §. 2 D. de a. e. v. (19, 1) in welcher Stelle mit Huschke statt „aut“ zu lesen ist „ad" -; L. 25 §. 1 D. loc. (19, 2). 3) L. 13 pr. D. de pignor. act. (13, 7); (20, 5).

L. 7 §. 1 D. de distract.

solum ut reficeres eam convenisset, non intelligitur emtio et venditio facta, ut et Neratius scripsit 1).

Auch des in den Quellen öfter erwähnten Falls, wenn der Käufer sich verpflichtet, den Mehrerlös des nächsten Verkaufes oder einen Theil desselben dem Verkäufer zu erstatten 2), ist hier zu gedenken.

§. 226.

Eine besondere Gruppe von Nebenbestimmungen zu Gunsten des Verkäufers sind diejenigen, durch welche der Käufer verpflichtet wird, die Sache ausschliesslich zu einem bestimmten Zwecke zu gebrauchen oder umgekehrt sie zu einem gewissen Zweck nicht zu gebrauchen; Kauf mit Zweckbestimmung oder Zweckbeschränkung.

Hieber gehört

1) der Verkauf des Hauses auf den Abbruch. Dass es sich dabei nicht um das Haus als Immobile handelt, sondern um das Collektivum der Baumaterialien, ist klar; die Nothwendigkeit, die Verbindung derselben zu lösen, überwälzt der Verkäufer auf den Käufer. Es ist im Wesentlichen kein anderer Fall, wie wenn der Verkäufer stehende Bäume (Früchte) oder ungebrochene Steine mit der ausdrücklichen oder stillschweigenden Verpflichtung verkauft, dass der Käufer die zum Zweck des Vollzugs nöthige Trennung besorge, (S. 167) womit dann etwa noch die weitere Verpflichtung verbunden sein kann, den Grund und Boden wieder in Stand zu setzen. (Vgl. übrigens oben S. 113, 121).

2) Verkauf der Sache zum Vernichten oder Umgestalten (eines Thieres zum Tödten, eines Vorraths von Papier zum Einstampfen, Metallsachen zum Einschmelzen u. s. w.). Auch hier überwälzt der Verkäufer eine gewisse Thätigkeit an der Sache, statt sie vor dem Verkauf selbst vorzunehmen, auf den Käufer 3), dieser bestimmt daher auch den Preis nach dem

1) Vgl. L. 28 D. eod. (Julian) Praedia mihi vendidisti et convenit ut aliquid facerem; quodsi non fecissem poenam promisi. Oben S. 148.

2) L. 13 §. 24 D. de a. e. v. (19, 1); L.7 §. 2 D. h. t. Vgl. L. 13 §. 1 D. de praescr. verb. (19,5). Oben S. 343. Entscheidungen des R.Gerichts Bd. 1 S. 357.

3) L. 9, 40 D. de a. e. v. (19, 1); L. 16 pr. D. de praescr. v.

Werth, den die umgestaltete Sache nach Abzug der Kosten der Umgestaltung für ihn haben wird.

3) Eine eigenthümliche Combination kann sich endlich noch ergeben zwischen einer solchen Zweckbestimmung einerseits und der Verpflichtung der Rückübertragung andererseits. Diese Combination, an deren Stelle in der Regel die locatio conductio operis treten wird, kommt in den Quellen bezüglich der Errichtung eines Gebäudes vor; das Grundstück wird mit der Zweckbestimmung des Bauens und mit der weiteren Bestimmung der Rückgabe nach vollendetem Bau verkauft 1).

Hievon handelt Pomponius in L. 6 §. 2 D. de a. e. v. (19, 1).

Sed si aream tibi vendidi certo pretio et tradidi, ita ut insula aedificata partem dimidiam mihi retradas, verum est et ut aedifices agere me posse ex vendito et ut aedificatum mihi retradas; quamdiu enim aliquid ex re vendita apud te superesset, ex vendito me habere actionem constat 2).

Zweckbestimmungen von eigenthümlichem Inhalte und eigenthümlicher Wirkung kommen beim römischen Sklavenkauf vor. Haben dieselben ihre praktische Bedeutung längst verloren und gibt es auch kein Gebiet, auf dem sie ohne Weiteres zu analoger Anwendung kommen könnten, so behalten sie doch eine bleibende Bedeutung als sprechende Widerlegung des Wahnes, dass ein Contrakt schlechterdings und gewissermassen mit aprioristischer Nothwendigkeit nur obligatorische Wirkungen erzeugen könne. Vielmehr lehrt ihre Betrachtung, dass die Römer da, wo ein dringendes praktisches Bedürfniss vorlag, auch vor der gesteigerten dinglichen Wirkung nicht zurückschreckten. Für die systematische Auffassung sind daher

(19, 5); Mommsen Beiträge Bd. III S. 139 A 3; Kohler in Ihering's Jahrb. Bd. 19 S 275. Soferne hier der Verkäufer an dieser Thätigkeit ein selbständiges Interesse hat, kann sich derselben der Käufer nicht dadurch entziehen, dass er auf Empfangnahme der Sache verzichtet.

1) Der normale Vorgang ist behandelt in L. 20 D. h. t.

2) Ein ähnliches Geschäft wird erwähnt in L. 13 §. 1 D de praescr. verb. (19, 5), aber ohne Kaufpreis, so dass lediglich ein unbenannter Realcontrakt vorliegt.

« PreviousContinue »