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pretium als gleichbedeutend mit dem Marktpreis" nimmt. Diesen Sinn kann der Ausdruck haben und hat denselben in L. 28 §. 5 C. de admin. tut. (5. 37) in Beziehung auf marktgängige Waaren '); aber es muss aufs entschiedenste in Abrede gestellt werden, dass er denselben Sinn immer und nothwendig hat 2). — Wir müssen vielmehr sagen, dass das iustum pretium niemals ohne Weiteres solche objective Merkmale bezeichnet, die nur der nachträglichen Ermittlung bedürfen. Was iustum pretium ist, ist in jedem Fall zu bestimmen: die iustitia, veritas, aequitas pretii ist nichts anderes als eine Direktive für das preisbildende Urtheil; und es ist daher das iustum pretium ganz identisch mit demjenigen, welches ex arbitrio boni viri zu gewinnen ist.

Ist daher nach römischer Auffassung das iustum pretium als solches ein pretium incertum, so kommt noch der weitere Umstand hinzu, dass Niemand von den Parteien dazu berufen ist, diese Ungewissheit in Gewissheit zu verwandeln, wie im Falle IV (§. 217). Verständigen sich die Parteien nicht, so bleibt nur der Richter übrig. Aber dieser kann doch unmöglich ein Requisit erst feststellen, welches für die Giltigkeit und damit für die Klagbarkeit des Geschäfts wesentlich ist; gerade damit würde ja das Erforderniss des pretium certum aufgegeben werden. Nicht darin liegt die Schwierigkeit, als ob nicht auch der Richter bestimmen könnte, was pretium iustum ist; gar vielfach kommt er in die Lage dies zu thun; sondern darin, dass diese Feststellung erst den Vertrag perfekt macht und gleichwohl schon aus dem imperfekten Vertrage geklagt werden müsste.

So ist denn auch aus den Quellen des römischen Rechts kein einziges sicheres Beispiel nachweisbar, dass für den Kaufvertrag die Bestimmung des Preises als pretium iustum u. s. w.

1) Uebrigens ist dort lediglich gesagt, dass der Vormund gewisse Sachen des Mündels um das iustum pretium, welches dann als Marktpreis definirt wird, verkaufen könne.

2) Die Behauptung von Thöl §. 252 bei Anm. 17: „das römische Recht nannte den Marktpreis, da dieser nach der allgemeinen Meinung ein angemessener, zu dem Werth der Waare im Verhältniss stehender Preis ist, iustum pretium", ist daher mindestens missverständlich. Justum pretium in Anwendung auf Grundstücke L. 2 C. de resc. vend. (4, 44).

genügend gewesen wäre. Wo dieser Begriff vorkommt, da bezeichnet er entweder

1) den Preis, welchen der Magistrat (nicht der Richter) für einen erst abzuschliessenden Kauf bestimmt 1), oder

2) den Preis, um welchen zu verkaufen eine Vorverpflichtung besteht, sei es eine gesetzliche oder letztwillige, und der eben zum Zweck des Abschlusses des Hauptvertrags erst noch festgesetzt wird 2), oder

3) den Preis, um welchen, ohne Verletzung anderweitiger Verpflichtungen, verkauft werden darf oder hätte verkauft werden sollen 3); oder

4) überhaupt nicht den Kaufpreis, sondern die Gegenleistung (beziehungsweise Entschädigung) bei kaufähnlichen Geschäften und Verhältnissen 4).

Für das Gegentheil wird häufig die L. 16 §. 9 D. de pignor. (20, 1) von Marcian angeführt 5); allein mit Unrecht. Potest ita fieri pignoris datio hypothecaeve, ut si intra certum tempus non sit soluta pecunia, iure emtionis possideat rem iusto pretio tunc aestimandam; hoc enim casu videbitur quodammodo conditionalis esse venditio. Et ita Divus Severus et Antoninus rescripserunt.

Man braucht hier weder mit der Aushilfe sich zu begnügen, dass der Jurist die sämmtlichen Erfordernisse des Geschäfts einzeln aufzuführen keine Veranlassung gehabt habe noch dass eine Singularität für den Pfandverkauf vorliege. Es handelt sich vielmehr ganz im Gegensatze zu Vat. frag. §. 9, gar nicht um einen Verkauf, sondern um eine Nebenverabredung des Pfandvertrags, die daher auch nicht mit actio emti venditi, sondern mit actio pigneraticia directa und contraria geltend gemacht wird. Die Stelle selbst vergleicht

1) So L. 1 §. 11 D. de off. praef. (1, 12); L. 31 §. 4 D. de fideicomm. lib. (40, 5); Ulpian II §. 11; vgl. auch Goldschmidt S. 118 A. 10a).

2) z. B. L. 12 pr. D. de relig. (11, 7); L. 49 §. 8 D. de leg. I, (30); L. 41 §. 8, 9 D. de leg. III (32).

3) L. 28 §. 5 C. de administ. tut. (5, 37); L. 3 §. 5 D. de iure fisc. (49, 14); L. 2, 8 C. de resc. vend. (4, 44).

4) z. B. L. 79 D. de R. V. (6, 1) Litisaestimation; L. 12 §. 1 D. d. j. d. (23, 3); L. 36 pr. D. de donat. i. v. et ux. (24, 1); L. ult. C. de iure dom. impet. (8, 34). Vgl. Goldschmidt a. a. O. S. 121 A. 19. 5) Vgl. Windscheid a. a. 0.

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das Verhältniss nur mit einem bedingten Verkaufe 1). Ganz aus dem gleichen Grund gehört auch L. 35, 36 pr. §. 1 D. mandat. (17, 1) nicht hieher; was der Mandatar hier bezüglich seines eigenen Antheils an der Sache, auf die sich das Mandat zum Kaufe bezieht, zu leisten und zu fordern hat, dafür sind nicht die Kauf-, sondern ausschliesslich die Mandatsklagen zuständig.

§. 220.

Das heutige Recht ist theilweise über diese Sätze der Quellen hinausgegangen.

I. Keine principielle Modification ist es, dass bei uns eine Reihe von objectiven Bezeichnungen eingebürgert sind, die den Römern fremd waren. Dahin gehört der „Markt-“, „Börsen-", "Ladenpreis", „Fabrikpreis" u. s. w.2). Diesen Bezeichnungen gegenüber ist überall lediglich ein ermittelndes Verfahren nöthig, das auch von der Partei besorgt werden kann und dessen Resultat unter richterlicher Controlle steht3).

II. Dagegen liegt ohne Zweifel eine Abweichung vom römischen Begriff des pretium certum darin, dass nach heutigem Recht der Preis auch blos nach künftigen Merkmalen, wenn dieselben nur möglich sind, bestimmt werden kann; ein Theil unserer Speculationsgeschäfte beruht gerade auf dieser Art der Bestimmung. Ist das Eintreten jener Merkmale überhaupt ungewiss, so liegt ein bedingter Kauf vor nach Ana

1) Es handelt sich auch um keinen Vorvertrag, denn der Kauf soll nicht erst abgeschlossen werden. Aber auch keine unwiderrufliche Offerte (S. 280) liegt vor; denn die empirische Absicht geht gar nicht auf Kauf, sondern auf Uebernahme der Sache zum Zweck der Befriedigung auf der Basis von Abschätzung und Abrechnung; gerade der Gegensatz zum reinen Verfall wird durch den Vergleich mit der conditionalis venditio hervorgehoben. Uebrigens würde unsere Ansicht auch mit einer dieser beiden Construktionen bestehen können, das Wesentliche ist immer, dass die Abschätzung nicht mittelst der Kaufklage erlangt wird.

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2) Auch der Selbstkostenpreis" gehört hieher, sofern derselbe ernstlich als Preisbestimmung gemeint ist. Ueber den Marktund Börsenpreis stellt das H.G.B. im Art. 353 Interpretationsgrundsätze auf. Vgl. Goldschmidt a. a. O. S. 99 fgg.; Thöl §. 252. 3) Und zwar selbstverständlich nicht blos mit der Möglichkeit der Cassation, sondern mit der der positiven Abänderung.

logie der Verstellung in das Ermessen eines Dritten. Es ist aber auch möglich, dass nur der Umfang, in welchem der Preis bestimmt wird, ungewiss ist 1); hier ist zwar ein unbedingtes, aber ein noch nicht erfüllbares Geschäft vorhanden; die Behandlung der Gefahr ergibt sich hiernach von selbst. Diese Entwicklung steht insoferne nicht im direkten Widerspruch zu den Quellen, als dieselben, wie schon bemerkt, ein direktes Verbot dieser Art von Preisbestimmung nicht enthalten; und andrerseits insofern im Einklang mit dem römischen Recht, als es das pretium incertum in Form der Verstellung in das Ermessen des Dritten kennt. Für den Kauf der Früchte auf dem Halm hat der Zukunftspreis durch die R.P.O. von 1577 Titel 19 sogar eine ausdrückliche Sanktion erhalten 2).

III. Eine weitere Entwicklung des heutigen Rechts wird ohne Zweifel in Beziehung auf das pretium iustum (angemessener Preis u. s. w.) angenommen werden müssen. Die römische Auffassung, dass diese Art der Preisbestimmung ungenugend ist, liegt uns ferne. Indessen wird hier genauer unterschieden werden müssen:

1) Die Angemessenheit des Preises ist auch für uns noch ein Urtheil, in welchem redliche Männer auseinander gehen können. Daher ist sehr wohl möglich, dass, indem die Parteien den Preis als angemessenen“, „billigen" u. s. w. bezeichnen, jeder Theil sich darüber sein eigenes Urtheil vorbehalten will. Alsdann liegt weder Einigung der Contrahenten noch auch nur Unterwerfung unter die Entscheidung eines Dritten vor; das Geschäft befindet sich noch durchaus im Stadium der Vorverhandlung.

Diese Absicht wird im Zweifel sogar zu vermuthen sein 3).

2) Es können aber die Contrahenten auch das iustum pretium als den den objectiven Verhältnissen entsprechenden und insoferne nur noch der Ermittlung bedürfenden Preis ernstlich zu Grunde legen; sie verpflichten sich dann, unter Verzicht auf das einseitige eigene Urtheil, bei dieser Ermittlung mitzuwirken und

1) Vgl. S. 342 A. 4.

2) Goldschmidt a. a. O. S. 28, 29.

3) Bietet mir Jemand sein Haus um angemessenen Preis zum Kaufe an und ich antworte bejahend, so liegt weiter nichts vor als Eintreten in Vorverhandlungen.

sich dem Resultat derselben zu unterwerfen. Alsdann ist der Vertrag mittelst dieses also bestimmten Preises fest abgeschlossen.

Ein Anhaltspunkt für diese Absicht wird namentlich darin zu erblicken sein, dass der Vertrag sofort bezüglich der Sache in Vollzug gesetzt wird. Insbesondere ist an den Fall zu denken, wenn die Sache erst noch zu bearbeiten ist. Hier tritt auch die Analogie der Preisbestimmung bei der Miethe hervor.

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Kann es nun hier schliesslich die Aufgabe des Richters werden, den Preis festzustellen, so ist diese Thätigkeit ders als nach römischer Auffassung nicht als constitutive, sondern als wesentlich deklaratorische zu betrachten, und der Vertrag ist daher auch nicht bedingt. Die Grundlage der richterlichen Ermittlung ist dabei keine andere als in den Fällen, wo schon nach römischem Recht das iustum pretium auf diesem Weg zum Ausdruck in einer Zahlengrösse gebracht wurde.

Es ist noch der Zeitpunkt zu bestimmen, in welchem hier das Perikulum übergeht. Die Ermittlung des Preises erfolgt zunächst auf dem Wege, dass die eine Partei der andern einen darauf bezüglichen Vorschlag macht 1); und da in dieser Beziehung keine Reihenfolge besteht, so ist der Käufer nicht gehindert, die Initiative bezüglich der Empfangnahme der Sache zu ergreifen. Sofern daher nicht ein anderer Grund des Aufschubs vorhanden ist, geht die Gefahr sofort über. Darin liegt kein unbilliger Nachtheil für den Käufer; nimmt der Verkäufer den angemessenen Vorschlag nicht an, so ist er sofort in mora solvendi.

3) Nur eine Modification des vorigen Falles ist es daher, wenn die Ermittlung des iustum pretium vertragsmässig zunächst dem Urtheil des einen Contrahenten anheimgestellt wird. Weder ist hier die Arbitrirung selbst und damit die Perfektion des Geschäfts in seiner Willkür noch ist die Entscheidung der Controlle entzogen. Das Besondere ist nur,

1) Der für sie selbst — der Nachweis des Irrtums vorbehalten — sofort in dem Sinne unabänderlich wird, dass sie denselben nicht erhöhen, bezw. als Käufer nicht herabsetzen kann. Thon in der Zeitschrift für Civilrecht und Process Bd. 10 S. 202 fgg. Dernburg Pr. P.R. Bd. II §. 22; Goldschmidt S. 136 A. 37.

Bechmann, Kauf. II.

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