Page images
PDF
EPUB

ganze Preis diese Eigenschaft zu haben; zu dem festen Theile kann auch ein beweglicher hinzukommen; insofern ist auch dem Bedürfniss der Speculation ein gewisser Spielraum gewährt. In der That liegt denn auch beim Kaufpreis die Sache etwas anders als beim Kaufobject. Dass künftige Sachen gekauft werden, ist ein anderes Bedürfniss, als dass innerhalb des abgeschlossenen Vertrags der Kaufpreis offen gelassen wird. Dort handelt es sich um die gegenwärtige Sicherung einer Kaufgelegenheit, deren objective Voraussetzung erst später eintritt; die Preisbestimmung ist immer subjectiv und kann daher in jedem Augenblick nach Merkmalen bestimmt werden, die der Vergangenheit oder Gegenwart angehören.

Demnach ist also pretium certum weder der subjectiv bewusste noch der objectiv irgendwie bestimmbare, sondern der zur Zeit des Contraktschlusses feste Preis; zu demselben kann aber ein unsicherer Zusatz hinzutreten.

§. 217.

Der

IV. Ueberaus merkwürdig ist nun, dass uns nicht etwa von einer Controverse über die eben besprochene Frage im Allgemeinen berichtet wird, sondern nur über eine besondere Anwendung derselben. Streitig war unter den römischen Juristen seit alter Zeit, ob ein bindender Kaufvertrag dergestalt geschlossen werden könne, dass der Preis von einem Dritten, über den sich die Parteien einigen, zu bestimmen sei. berühmte Zeitgenosse von Julius Cäsar, Ofilius, hat bereits die Frage bejaht; ihm folgte Proculus; die verneinende Ansicht hat Labeo unter Zustimmung von Cassius vertheidigt 1). Die Letzteren hielten an dem Princip fest; der Preis ist auch hier im Augenblick des Abschlusses des Contrakts nicht fest; demgegenüber mochte das Gefühl bestehen, dass hier, wo die Bestimmung einem gemeinschaftlichen Vertrauensmann übertragen ist, die Unfertigkeit einen wesentlich andern Charakter hat, als in den Fällen casueller oder potestativer Bedingung. Dazu mochte vielleicht ein praktisches Bedürfniss kommen; bei den grossen örtlichen Preisdifferenzen im Alter

1) Gai. III, 140; §. 1 I. h. t.; L. 15 C. h. t. Vgl. in Beziehung auf die Miethe Gai. III §. 143; L. 25 pr. D. loc. (19, 2); pr. I. de loc. (3, 24).

thum war ein Kauf unter Abwesenden in vielen Fällen doch eigentlich nur mit Hilfe eines solchen Vertrauensmannes möglich 1).

Die letztere Ansicht hat die Sanktion Justinian's erhalten 2). Demnach soll der Vertrag, welcher die Festsetzung des Preises einem bestimmten Dritten überträgt, als bedingter Kauf gelten; wird die Preisbestimmung von dem Dritten getroffen, so hat es dabei das Bewenden, der Kauf gelangt damit zur Perfektion; im andern Fall, sei es dass der Dritte nicht will oder nicht kann, ist das Geschäft wegen mangelnden Preises nichtig.

Soweit ist der Inhalt der Verordnung völlig zweifellos. Es ergibt sich aber sofort die Frage, ob die vom Dritten getroffene Bestimmung für die Parteien schlechthin bindend ist 3), oder ob dieselbe auf Antrag der einen oder andern Partei irgendwie einer richterlichen Prüfung oder Correktur unterworfen werden kann; im bejahenden Fall würde sich die weitere Frage nach der Beschaffenheit dieser Correktur — ob blose Cassation mit Nichtigkeit des Vertrags oder positive Abändeanschliessen. rung

[ocr errors]

-

Für die Beantwortung der ersteren Frage kommt nun einerseits das „omnimodo" in Betracht, welches, wenn es nicht müssig dastehen soll, keinen andern Sinn haben kann, als eben den, dass das Arbitrium schlechthin und ohne Rücksicht auf seine objective Angemessenheit bindend ist 4). Andrerseits enthält das Gesetz folgenden Schlusssatz:

nulla coniectura immo magis divinatione in posterum servanda, utrum in personam certam an in viri boni arbitrium respicientes contrahentes ad haec pacta venerint; quia hoc penitus impossibile esse credentes per huiusmodi sanctionem expellimus.

1) Wie sich Ofilius das Verhältniss formell zurecht gelegt haben mag, ist schwer zu sagen; nach Gai. III §. 146 ist kaum anzunehmen, dass er den bedingten Kauf schon gekannt hat.

2) L. ult. C. h. t. (4, 38), vom 1. August 536, eine der fünfzig Decisionen.

3) Abgesehen natürlich von Betrug. Das Verhältniss zur laesio enormis kann hier ganz auf sich beruhen.

4) So auch die Basiliken XIX, 5, 21: ἢ ὁρίσει τὸ τίμημα καλῶς ἢ κακῶς,

Wollte man diesen Satz dahin verstehen, dass der Dritte schlechthin nur nach Willkür zu entscheiden habe, so wäre dies allerdings falsch; damit stünde der Satz der Pandekten, dass das Arbitrium bei den bonae fidei iudicia im Zweifel als arbitrium boni viri zu verstehen ist, in unlösbarem Widerspruche. Umgekehrt hat daher auch in unserm Fall der Dritte im Zweifel als bonus vir zu fungiren.

Aber auch die ziemlich weit verbreitete Ansicht wird sich nicht halten lassen, dass die Verordnung den höchstpersönlichen Charakter des Arbitrium und die Unzulässigkeit eines Stellvertreters 1) habe betonen wollen; denn auch dieser Satz ist bereits im klassischen Recht ausdrücklich anerkannt 2), wie denn auch sonst den Quellen ein unpersönliches arbitrium boni viri als vertragsmässige Festsetzung unbekannt ist 3).

Demnach kann die Meinung Justinian's nur die sein, dass die Verabredung ebenso giltig ist, mag sie die willkürliche Entscheidung oder das arbitr. b. v. im Auge haben und dass daher auch im Resultate zwischen diesen zwei Möglichkeiten kein Unterschied bestehen soll. Im letzteren Falle sind an die Entscheidung des Dritten besondere ethische Anforderungen gemacht; die Erfüllung derselben unterliegt aber keiner Controlle 4). Welchen praktischen Unterschied die von Justinian beseitigten Ansichten der Aelteren mit diesem Gegensatze verbinden wollten, muss dahin gestellt bleiben.

1) Abgesehen natürlich vom Falle besonderer Verabredung.
2) L. 75 D. pro socio (17, 2).

3) L. 25 pr. D. loc. (19, 2). Daraus ergibt sich auch, dass die Gegenüberstellung von certa persona (Individuum) und arbitrium b. v. in der Codexstelle einigermassen schief ist.

4) So sollen ja auch der iudex und der Schiedsrichter nach bestem Wissen entscheiden, gleichwohl unterliegt auch ihre Entscheidung keiner Controlle; im praktischen Resultat ist es gleichgiltig, ob sie willkürlich oder ex arb. b. v. entscheiden. Das Verständniss der Stelle wird vielfach gestört durch die ungehörige Herbeiziehung der L. 76-78 D. pro socio (17, 2); vgl. dagegen oben S. 339. Die richtige Ansicht hat bereits Donellus comment. lib. XIII c. 1 §. 10 und derselbe ad leg. ult. C. h. t. (opera 8, 783). Uebereinstimmend auch Goldschmidt a. a. O. A.23; Fels S. 45, 46. A. A. z. B. Vangerow §. 632 (III, 427); Ude im Archiv f. d. civ. Prax. 52 S. 109. Vgl. noch Brinz a. a. O, S. 707 Anm. 29; Thöl §. 252.

Die Voraussetzung dieser Entscheidung ist die, dass dem Dritten die Preisbildung von den Parteien übertragen ist, so dass seine Mitwirkung dem Inhalt nach constitutiv ist. Wesentlich hievon verschieden ist der Fall, wenn der Dritte lediglich herangezogen wird, um gewisse objective Merkmale der von den Parteien selbst getroffenen Preisbestimmung zu declariren; so der Makler, der über den Courswerth Aufschluss geben, der Schätzmann, der den Werth der Sache feststellen soll, welchen die Parteien als Preis oder als Faktor des Preises bestimmt haben. Auch für diese Thätigkeit kann möglicher Weise die Person des Dritten den Parteien wesentlich sein 1); je geschäftsmässiger aber die Schätzung ist, desto mehr wird diese Auffassung zurücktreten; das Geschäft ist dann kein bedingtes, und die erforderliche Ermittelung kann auch noch innerhalb des Processes durch den Richter unter Zuziehung von Sachverständigen nachgeholt 2), sowie die von dem Dritten getroffene Ermittelung auf ihre Richtigkeit geprüft und durch eine richtigere ersetzt werden 3).

§. 218.

V. Die Preisbestimmung kann nicht dem einen Contrahenten selbst überlassen sein, weder nach seiner Willkür noch nach seinem billigen Ermessen. Dies sagt Gaius in L. 35 §. 1 D. h. t.

Illud constat, imperfectum esse negotium, quum emere volenti sic venditor dicit, quanti velis, quanti aequum putaveris, quanti aestimaveris, habebis emtum *)."

Zwar der Ausdruck imperfectum negotium ist an sich zweideutig; er kann auch das bedingte Geschäft bezeichnen.

1) Es ist der Fall möglich, dass die Schätzung ganz besondere Kenntnisse, vielleicht besondere Charaktereigenschaften voraussetzt.

2) Nicht auch mittelst des Schätzungseides; vgl. R.CP.O. §. 260; a. A. Goldschmidt a. a. O. S. 128.

3) Die Gränze zwischen dieser doppelten sehr verschiedenen Thätigkeit ist natürlich quaestio facti. Wird ausgemacht, dass sich der Preis eines seltenen Gegenstandes durch die Schätzung des A., der einer der wenigen Sachverständigen für Gegenstände dieser Art ist, bestimmen soll, so liegt offenbar nicht der zweite, sondern der erste Fall vor. Vgl. auch Fels a. a. O. S. 73. 4) Vgl. auch L. 13 C. h. t.

Allein der Zusammenhang mit dem Vorhergehenden beweist, dass Gaius den Vertragsabschluss in Abrede stellen will. Nach den früheren Ausführungen ist diese Entscheidung vollkommen consequent. Der Contrahent braucht die Entscheidung gar nicht zu treffen, so dass er frei, der Gegner gebunden ist. Die entgegengesetzte Behandlung wäre ein Analogon des Kaufs auf Probe; gerade hier tritt das Singuläre des letzteren wieder hervor. (S. 224)1).

Auch hier aber ist der Fall zu unterscheiden, wenn die Ermittlung der zur Preisbestimmung festgesetzten objectiven Merkmale dem einen Contrahenten überlassen ist, sei es durch Verabredung, sei es durch die besondere Beschaffenheit der Ermittlung selbst (Messen u. s. w., s. oben). Nicht nur, dass hier contraktliche Verbindlichkeit zu dieser Thätigkeit besteht, so ist dieselbe auch controllirbar und der Berichtigung unterworfen. Das bedarf keiner weiteren Ausführung.

§. 219.

VI. Noch bleibt der Fall übrig, wenn der Kaufpreis - ohne Benennung eines Dritten, der entscheiden soll, als angemessener", "richtiger“, „billiger" Preis bezeichnet ist (iustum, verum, aequum pretium).

Es muss behauptet werden, dass diese Art der Preisbestimmung nach römischem Recht unzulässig ist.

Der scharf hervortretende Unterschied zu den vorhin besprochenen Fällen ist der, dass es sich hier um äusserlich wahrnehmbare Thatsachen handelt, deren Wahrnehmung nur eben erst nachgeholt wird, dort dagegen um ein Urtheil, für das zwar gewisse Thatsachen bestimmend sind oder sein können, das aber im Uebrigen doch wieder bei Jedem einen individuellen Charakter annimmt; es handelt sich also nicht sowohl um deklaratorische, als um constitutive Thätigkeit. Daher wird die ganze Frage verschoben, wenn man das iustum

1) Am wenigsten wäre diese Analogie für das Pandektenrecht zulässig. Vgl. oben S. 233. Wie hier Vangerow a. a. O.; Thöl a. a. O. (der übrigens nur von der Willkür des Käufers spricht und eine andere Motivirung gibt); Goldschmidt a. a. O. S. 122 A. 22. Brinz S. 707. Fels S. 55. Für die entgegengesetzte Ansicht Windscheid §. 386 A. 6,

[ocr errors]
« PreviousContinue »