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III. Die Lehre vom Perikulum im römischen Recht beruht, wie oben (S. 101 fgg.) auszuführen versucht wurde, auf dem Gedanken, dass dem Käufer die Initiative bezüglich der Empfangnahme obliegt; vom Verkäufer verlangen wir lediglich die Erfüllungsbereitschaft.

In den Fällen der Ausscheidung und Auswahl bleibt diese Initiative durchaus gewahrt; die vorbereitende Thätigkeit erfolgt an einem bestimmten Object und die Lage des Käufers ist, wenn dieselbe stattgefunden hat, beziehungsweise stattfindet, im Wesentlichen keine andere als wenn sie vor dem Abschluss des Vertrags stattgefunden hätte 1).

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Dagegen ist die Anschaffung" ein Vorgang, der erst dadurch zur rechtlichen Relevanz für das Lieferungsgeschäft gelangt, dass der Liefernde gerade dieses Object als Erfüllung anbietet. Anschaffen kann er auch für sich oder für andere, und mit dem blosen Anschaffen ist daher noch keine Grundlage für die Initiative des Empfängers gegeben; das allenfallsige Nachfragen des letzteren hat daher hier als Interpellation - einen ganz andern Charakter.

Die Schwierigkeit, welche die Lehre vom Perikulum mehr scheinbar als wirklich darbietet, ist zum guten Theil gerade durch die Hereinziehung des Lieferungsgeschäfts hervorgerufen. Für dieses eignet sich keine andere Theorie als die, welche kurzweg als „Uebermittlungstheorie" 2) bezeichnet sein möge. Hinwiederum findet dieselbe in den Quellen keine Unterstützung. Scheidet man aber jenes Geschäft ganz aus, so erweist sich die Theorie des römischen Rechts als durchaus zutreffend und ausreichend 3).

kann durch jene Ausführungen in keiner Weise verwischt werden. Erschöpfend kann die Frage hier nicht besprochen werden. Ueber die hier vertretene Ansicht vgl. Thöl §. 275; Brinz Pand. Bd. II S. 730; Windscheid §. 394 Z. 5. Weitere Angaben bei Goldschmidt Bd. II S. 42 A. 32. Dazu Hanausek a. a. O. S. 113 fg. Auch Dernburg, Pr. P.R. Bd. II §. 145 legt auf das Annehmen von Seiten des Gläubigers Gewicht.

1) In ganz ähnlicher Weise verhält es sich beim bedingten Kauf. 2) Dieser Ausdruck passt sowohl auf das Schicken als auf das Bringen als auf die Aufforderung zum Holen.

3) Gerade in dieser Lehre ist die principielle Zusammenfassung von Genus, Collektivum und Quantität ganz allgemein und zwar bei

Obschon also das Lieferungsgeschäft mit dem Kauf gerade die Elemente, Waare und Preis und die auf den definitiven Erwerb gerichtete Absicht gemein hat, so ist es gleichwohl keine Art des Kaufs, sondern ein selbständiges Geschäft.

Dieses Resultat wird durch die Quellen insoferne bestätigt, als dieselben bekanntlich kein einziges Beispiel eines rein generischen Kaufes enthalten 1). Dies ist um so auffallender, als gerade diese Art der Bestimmung, wie sich eben gezeigt hat, zu einer ganzen Reihe von Fragen führt, die doch auch in der römischen Praxis hätten vorkommen müssen; ist doch das Genusgeschäft in anderer Anwendung (Stipulation, Legat) oft und nach vielen Seiten erörtert.

Nun ist aber wohl zu erwägen, dass das Lieferungsgeschäft, wenn es nicht Kauf ist, auch sonst kein Unterkommen innerhalb des römischen Contraktsystems findet; denn die Behandlung als unbenannter Realcontrakt wäre nur möglich auf der Grundlage der Pränumeration; das mandatum ad emendum aber, das in den Quellen gelegentlich erwähnt wird, schliesst jedes Aequivalent des Beauftragten, auch in Gestalt eines Preiszuschlags, aus und kann daher auch nur einem gelegentlichen Bedürfnisse entsprechen 2). Daraus aber dürfen den Vertretern der verschiedenen Ansichten. Richtig Keller Pand. §. 329 und Brinz a. a. O. S. 107. Vgl. die Uebersicht bei Regelsberger in der kr. Vierteljahrsschrift Bd. 13 S. 109-116, der selbst einer principiellen Unterscheidung nahe steht, aber ebenso wenig ganz dazu gelangt ist wie Stintzing in Ihering's Jahrb. Bd. 10 S. 200 fgg.

1) Bekker (a. a. O. Bd. 5 S. 359) beruft sich lediglich auf L. 20 D. h. t.; dass diese Stelle ganz unsicher ist, wurde schon oben (S. 165) bemerkt. Andere (z. B. Regelsberger a. a. O. S. 114) berufen sich auf L. 14 §. 1 D. de peric. (18, 6). Allein daraus, dass der Jurist den Verkäufer der Haftung für furtum von einem gewissen Zeitpunkt an entledigt, folgt doch nicht, dass er ihm dieselbe vorher unbedingt überbürdet; wie sich also bei Annahme von Specieskauf ein Widerspruch mit den Grundsätzen von der Haftung für Diebstahl ergeben soll, ist nicht einzusehen. Vgl. Hofmann die Lehre vom Perikulum S. 161-165. Auch Vat frag. §. 16 ergibt keinen Beweis; die Stelle kann sehr wohl vom Gegensatz des Specieskaufs (gesammtes Weinlager) und des Kaufs eines erst auszuscheidenden Quantums verstanden werden. Vgl. Goldschmidt in seiner Zeitschrift Bd. 19 S. 105 A. 6; und Handbuch Bd. II S. 20 A. 21 (zweite Aufl.).

2) Die noch immer umgehenden gegenseitigen Stipulationen (Gold

wir wohl den Schluss ziehen, dass das Lieferungsgeschäft auch dem römischen Verkehr unbekannt war (S. 16). Die Art von Zwischenhandel, die mittelst des Lieferungsgeschäfts operirt, trat offenbar zurück hinter dem Zwischenhandel, der vom eigenen Vorrath und Lager verkauft 1).

Für das heutige gemeine Recht gehört die Lieferung selbstverständlich zu den rechtlich wirksamen Schuldgründen. Aber auch für das heutige Recht ist der Lieferungsvertrag vom Kaufe verschieden und bleibt daher wie bisher so auch ferner von unserer Darstellung, sofern nicht die Herbeiziehung zum Vergleich geboten ist, ausgeschlossen 2).

Das Handelsrecht lässt im Allgemeinen die Frage nach dem Verhältniss beider Geschäfte offen 3). Auch der Art. 338 beschränkt sich auf die Vorschrift, dass nach den Bestimmungen über den Kauf auch ein Handelsgeschäft zu beurtheilen ist, dessen Gegenstand in der Lieferung einer Quantität vertretbarer Sachen gegen einen bestimmten Preis besteht. Diese ganz positive Vorschrift lässt die Frage nach dem inneren Verhältnisse beider Geschäfte unberührt;

schmidt Handbuch a. a. O. A. 21a) hat auch in dieser Anwendung noch Niemand aus den Quellen nachzuweisen vermocht.

1) Vgl. Endemann Studien Bd. II S. 81.

2) Mit der Bemerkung, das heutige Recht erkenne den Lieferungsvertrag ohne Zweifel als Kauf an, ist wenig gedient. Anerkannt ist der Lieferungsvertrag als giltiges Geschäft; sein Verhältniss zum Kauf ist nur eine theoretische Frage, die durch irgend welche „Anerkennung" nicht gelöst werden kann. Gerade in der Theorie aber ist, wie die vorstehende Skizze beweist, das Verhältniss sehr unsicher. Dass diese Unsicherheit durch den gemeinschaftlichen Namen „Kauf“ einigermassen verdeckt und so der Schein erweckt wird, als handle es sich um Controversen innerhalb des nämlichen Geschäftes, ist weder für die Theorie vom Kauf noch für die vom Lieferungsgeschäft sehr förderlich. Wie wenig aber der gemeinschaftliche Name eine Gewähr für die innere Einheit der dadurch bezeichneten Verhältnisse gibt, beweist doch ohne Weiteres die locatio conductio.

3) Art. 271 Abs. 2. Vgl. übrigens Art. 342 Abs. 2. „Wird jedoch eine bestimmte Sache verkauft." Der Gegensatz, an den der Gesetzgeber denkt, ist hier wohl nicht der Kauf aus dem determinirten Genus, bezüglich dessen auch keine Abweichung besteht, sondern das Lieferungsgeschäft.

die praktische Tragweite derselben ist hier nicht weiter zu erörtern 1).

§. 213.

Jetzt erst kann auch die oben S. 165 noch offen gelassene Frage beantwortet werden, ob die Bestellung einer erst anzufertigenden Sache unter allen Umständen, oder ob sie nur dann Kauf ist, wenn das zu verwendende Material in specie, beziehungsweise als auszuscheidender Theil eines determinirten Genus bestimmt ist.

Auch für diese Frage ist, wie schon bemerkt, der Umstand, dass zum Zweck der Erfüllung eine Thätigkeit des Verpflichteten nothwendig ist, und zwar sogar eine solche, in der möglicher Weise der Schwerpunkt der Leistung liegt, nicht entscheidend; wohl aber folgende Erwägung. Der Kauf einer aus individuell bestimmtem Stoff herzustellenden Sache ist selbst Specieskauf; bei genereller Bestimmung des Stoffs ist auch das Produkt generell bestimmt, trotzdem von demselben auf Grund eines Planes, einer Zeichnung, eines Musters eine sehr genaue Vorstellung bestehen kann.

Sind daher die Resultate des vorigen Paragraphen richtig, so müssen wir allerdings im Sinne des römischen Rechts den. Begriff des Kaufs auf die Voraussetzung des individualisirten Materials beschränken; ein Resultat, das zwar, wie schon bemerkt, durch die einschlägigen Stellen nicht direkt gefordert, aber auch in keiner Weise ausgeschlossen wird.

Daher ist die Bestellung einer Arbeit aus nicht determinirtem Stoff als Lieferungsgeschäft zu behandeln, woraus sich in Beziehung auf den mangelnden Rechtserfolg, auf mangelhafte Beschaffenheit, sei es des Stoffes, sei es der Arbeit, endlich in Beziehung auf das Perikulum die oben angeführten Consequenzen ergeben 2).

Was dagegen die Arbeit an bestimmtem Stoffe anlangt, so kann derselbe

1) individuell determinirt sein. Die Auffassung des Geschäfts als eines einheitlichen äussert hier ihre praktische

1) Vgl. Entscheidungen des R.O.H.G Bd. 19 S. 262.

2) Die Bestellung kann sich begreiflicher Weise auch auf eine einzelne Sache (eine Maschine) oder eine Quantität nicht vertretbarer Sachen beziehen.

Bechmann, Kauf. II.

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Wirkung vorzugsweise in Beziehung auf das Perikulum. Läge Combination von Kauf und Miethe vor, so ginge die Gefahr des Stoffes sofort auf den Käufer über und der Arbeitende würde nur nach Massgabe des Miethsvertrags für omnis culpa haften. In Wirklichkeit aber tritt der Zeitpunkt der emtio perfecta erst mit Vollendung der Arbeit ein 1).

2) Liegt eine generische Bestimmung vor (Stoff aus dem Vorrath des Arbeitenden), so tritt die ganz entsprechende Wirkung ein; die Gefahr geht nicht schon mit der Ausscheidung über; bei zufälligem Untergang muss daher der Verkäufer immer wieder von neuem zu arbeiten anfangen, bis der Vorrath selbst erschöpft ist.

Zweiter Abschnitt.

Die Preisbestimmung.

§. 214.

Die römische Lehre vom pretium certum2) steht unter dem Einflusse zweier Sätze, deren Erkenntniss die Vorbedingung für den richtigen Einblick in jene Lehre selbst ist.

I. Vor Allem gibt es nach römischer Anschauung keinen rechtlich bestimmten Normalpreis, der in Ermangelung ausdrücklicher genügender Festsetzung subsidiär zur Geltung gelangen könnte. Der Preis wird in jedem einzelnen Falle geschaffen durch den vertragsmässig geeinigten Willen der Parteien; die Preis bestimmung ist ein ebenso wesentliches Element des Vertrages wie die Bestimmung des Kaufobjects. Insbesondere ist dem römischen Recht der Gedanke, dass der Werth der Sache, das pretium in diesem Sinne oder das verum und iustum pretium, eventuell auch der Kaufpreis sei, völlig unbekannt geblieben; wie denn auch erst in der spätesten Zeit der Werth in allgemeinerer Weise zum rechtlich re

1) Aber auch hier ohne weitere Benachrichtigung u. s. W., falls nicht das Gegentheil ausgemacht ist

2) Literatur bei Windscheid §. 386 A. 6; dazu Fels, das pretium certum des römischen Rechts; Goldschmidt Handbuch Bd. II §. 64b (S. 113 fgg. der zweiten Auflage). Dernburg Pr. P.R. Bd. II §. 135; Brinz Pand. Bd. II S. 706 (2. Aufl.)

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