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Erster Abschnitt.

Die Bestimmung des Kaufobjects.

§. 208.

Dass die Bestimmung des Kaufobjects schlechthin in die Willkür des einen Contrahenten verstellt werden könne, („ich kaufe dir, was du willst, um 1000 M. ab“; „ich verkaufe dir, was du willst, um 1000 M."), behauptet meines Wissens Niemand 1). Es besteht daher keine Veranlassung zu einer weiteren Erörterung über diesen Punkt 2).

Im Uebrigen aber kommen für die genügende Bestimmung zwei ganz verschiedene Erfordernisse in Betracht:

I. das Erforderniss des ausreichenden Willensausdruckes d. h. eines solchen, welcher die Merkmale des Objects so bestimmt und deutlich bezeichnet, dass willkürliche Interpretation ausgeschlossen ist. Dieses Erforderniss des genügenden Ausdrucks ist kein dem Kaufvertrag eigenthümliches; deshalb brauchen wir dasselbe hier auch nicht weiter zu besprechen. Namentlich würde, wie schon hier bemerkt sein möge, eine Erörterung darüber, ob und unter welchen Voraussetzungen gewisse im alltäglichen Leben übliche Quantitätsbezeichnungen, wie z. B. „eine Partie", ein „Rest" oder "circa" u. s. w. als genügender Ausdruck erachtet werden können, uns lediglich zu einer dem Plane dieses Buches völlig fremden Casuistik führen.

II. Dagegen ist eine ganz andere Frage die, welche Merkmale des Kaufobjects einer Bestimmung durch den Willen der Contrahenten überhaupt bedürfen? Fehlt es im einzelnen

1) Auch Windscheid, der in der Zulassung des nackten Wollens der Parteien wohl unter den Neueren am weitesten geht, behauptet doch im Grunde die Willkür nur für den Kaufpreis, und auch hier mit einer sehr wesentlichen Modification; §. 386 A. 7.

2) Dass die Bestimmung des Kaufobjects schlechthin in die Willkür eines Dritten verstellt werden kann (nicht blos die Wahl unter verschiedenen Objecten), muss theoretisch zugegeben werden. Die Quellen enthalten kein Beispiel. Ob es hier aber nicht doch an der Ernstlichkeit der Absicht fehlt, kann natürlich nur nach Beschaffenheit des einzelnen Falles beurtheilt werden.

Falle hieran, so liegt gar nicht ein Mangel im Ausdruck, sondern ein die kaufrechtliche Sanktion ausschliessender Mangel in der Willensbestimmung selbst vor.

Nun ist es denkbar, dass die Rechtsordnung ein für allemal die Bestimmung der nämlichen Merkmale verlangt. Dies ist im System des Naturalkaufs der Fall; unmittelbar umtauschen lässt sich nur das in seinen individuellen Merkmalen bestimmte Object: der Naturalkauf ist nothwendig Species kauf.

Innerhalb des Contraktsystems dagegen kann die Rechtsordnung den Contrahenten die Freiheit gewähren, dass das individualisirende Merkmal erst zum Zweck der Erfüllung nachgeholt wird; für die bindende Kraft des Contrakts selbst ist der Mangel unerheblich. Man spricht in diesem Falle von einer Bestimmung des Kaufobjects in genere und unterscheidet danach den Species- und den Genuskauf 1).

§. 209.

Ein Object ist nach individuellen Merkmalen bestimmt, wann dieselben nach der Absicht des Bestimmenden nur bei einem einzigen unter allen existirenden Objecten zutreffen können 2). Nicht bedingt ist diese concrete Bestimmung dadurch, dass der Bestimmende von dem Objecte auch eine concrete Vorstellung hat, noch dass er weiss, in welchem Objecte die bestimmenden Merkmale zutreffen 3).

Diesem Fall steht der andere gleich, wenn die Willensbestimmung alle Objecte, auf welche sich das bestimmende Merkmal bezieht, gleichmässig umfasst; das Bedürfniss, die einzelnen Objecte auch noch weiter von einander zu unterscheiden, ist hier nicht vorhanden. Insbesondere ist es hier gleichgiltig, ob auch über den Umfang, in welchem das bestimmende

1) Vgl. im Allgemeinen Windscheid §. 255; Goldschmidt, Handbuch Bd. II §. 61 fgg. (2. Aufl. S. 10 fgg.)

2) Die Bedeutung des Irrthums in dieser Beziehung wird im anderen Zusammenhang zur Sprache kommen.

3) A. A., wie es scheint, Zitelmann Irrthum S. 500, 511. Eine besondere, auf ethischen Motiven beruhende Bewandtniss hatte es mit der persona incerta im Erbrecht; dies ist die Person, von wel cher der Testator keine individuelle Anschauung und Vorstellung hat, trotz der Möglichkeit genügender individualisirender Bestimmung.

Merkmal zutrifft, Zahl u. s. w. eine bestimmte Vorstellung besteht; die Nothwendigkeit des nachträglichen Zählens, Messens u. s. w. schliesst die specifische Bestimmung des Objects in keiner Weise aus 1).

Das individualisirende Merkmal selbst kann von sehr verschiedener Beschaffenheit sein; die räumliche Lage, die rechtliche Beziehung, die getroffene Auswahl, Ursprung und Herkunft.

So kann insbesondere auch der Kauf künftiger Sachen ein Specieskauf sein; z. B. die diesjährigen Früchte dieses Baumes, die Sache, welche aus individuell bestimmtem Stoff hergestellt werden wird, die erste Flasche, die aus diesem Fass abgezogen wird, der erste Abdruck dieses Stiches; ebenso auch der Hoffnungskauf, die Fische, welche mit dem nächsten Zug gefangen werden.

Von der Art der Preisbestimmung ist der Specieskauf völlig unabhängig und hat daher auch mit dem dadurch bedingten Gegensatz von emtio perfecta und imperfecta nichts zu thun. Wer ein bestimmtes Fass Wein kauft, hat ein in specie bestimmtes Kaufobject, mag der Preis im Ganzen oder nach dem Gehalte festgesetzt sein 2).

Auch zu dem Kaufe nach Probe steht der Specieskauf in keinem gegensätzlichen Verhältniss 3). Das Eigenthümliche jenes Kaufs besteht lediglich darin, dass gewisse Eigenschaften des Kaufobjects durch Bezugnahme auf die Beschaffenheit einer andern Sache bezeichnet werden, im Uebrigen kann dasselbe individuell bestimmt sein; am einleuchtendsten ist dies der Fall, wenn die „Probe" von der Sache selbst genommen ist (Weinprobe in Beziehung auf ein bestimmtes Fass Wein.)

1) Verkauf der Heerde oder eines sonstigen Collektivums L. 35 §. 6 D. h. t. Goldschmidt a. a. O. S. 15. So ist namentlich ein Grundstück individuell bestimmt, ohne dass die Vorstellung des Flächeninhalts nöthig ist. L. 18 §. 1, L. 40 pr., L. 63 § 1 D. h. t.

2) L. 35 §. 5, 6 D. h. t.; L. 2 C. de peric. (4, 48). Auch bei Grundstücken kann sich der Preis nach dem erst noch zu ermittelnden Flächeninhalt bestimmen. L. 40 D. h. t.

3) A. A., wie es scheint, Windscheid §. 387 A. 15. Jedenfalls lässt Art. 340 des H.G.B. eine Beschränkung auf Quantitäten" nicht entnehmen.

Bechmann, Kauf. II.

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§. 210.

Bleiben die Contrahenten bei solchen Merkmalen stehen, welche auf eine Mehrzahl von Objecten zutreffen, die gleichwohl nicht sämmtlich von der Willensbestimmung ergriffen werden 1), so liegt eine gattungsmässige Festsetzung vor, und da die Leistung immer nur durch ein Individuum erfolgen kann, so ergibt sich hier zwischen der Bestimmung des Objects und der Erfüllbarkeit noch eine Lücke, welche durch ergänzende Thätigkeit auszufüllen ist 2).

Sobald aber die Parteien darauf verzichten, beim Vertragsschlusse selbst bis zur Bestimmung der individuellen Merkmale vorzuschreiten, so eröffnet sich für die grössere oder geringere Bestimmtheit der Gattungsmerkmale selbst ein weiter Spielraum, und in demselben Verhältnisse ist dann auch die zur Ausfüllung der Lücke erforderliche Thätigkeit der Ergänzung bald beschränkter bald freier, so dass sie schliesslich sogar nahe an Willkür angrenzen kann 3).

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Ohne Weiteres dürfen wir annehmen, dass die Entwicklung im römischen Recht wenn eine solche überhaupt stattgefunden hat von dem Punkt ausgeht, wo die generische Bestimmung sich mit der specifischen am nächsten berührt und die ergänzende Thätigkeit folglich auf das geringste Maass beschränkt ist 4).

I. Diese unmittelbarste Berührung ist offenbar in dem 1) Dahin gehört z. B. auch die Beschränkung auf eine bestimmte Zahl der Produkte. L. 65 D. h. t. Vgl. Goldschmidt a. a. 0.

S. 24 A. 29.

2) Diese nachfolgende Thätigkeit kann nicht wieder ein Vertrag sein, sonst würde der bereits vorliegende Vertrag in Frage gestellt. Daher ist die Formel von Thöl (§ 264 S. 279 unten) theoretisch unrichtig, und diese Unrichtigkeit wird durch das in der Anmerkung auf S. 275 Gesagte nicht gehoben. Besteht die Einigung in einem Willensakt und einem Wissensakt, so ist das kein Vertrag; beim Genuskauf ist aber Einigung von Willen und Willen, also gerade Vertrag, nöthig. 3) Was nicht individuell bestimmt ist, ist generisch bestimmt; einen Mittelbegriff gibt es nicht; insofern geht Goldschmidt a. a. O. S. 13 A. 7 zu weit. Aber eine ganz andere Frage ist, ob mit diesem vagen und negativen Begriff des Generellen die Rechtsordnung operiren kann.

4) Bezüglich des Sprachgebrauchs ist noch die Bemerkung zu machen, dass die Ausdrücke emtio perfecta und imperfecta in dem spe

Fall vorhanden, wenn das Merkmal in der quantitativen Ausscheidung oder Abtrennung von einem individuell bestimmten Object besteht; Kauf einer bestimmten Quantität aus einem bestimmten Volumen Flüssigkeit, oder eines körperlichen Theils von einer theilbaren festen Sache (10 Meter von diesem Ballen Leinwand), oder einer Quantität von festen Sachen, die im Verkehr nur in Quantitäten vorkommen, aus dem bestimmten Vorrath1).

Die nachzuholende Individualisirung beruht hier nicht auf Wahl, sondern auf einer physischen Handlung, der Trennung. Insofern ist das Resultat des Nachholens wesentlich das gleiche, wie wenn diese Handlung vorher erfolgt wäre. Andererseits ist aber wohl im Auge zu behalten, dass vor demselben ein individuelles Kaufobject auch nicht einmal hypothetisch existirt. Deshalb hat dieser Fall mit dem der res futura die nächste Verwandtschaft, nur dass zwar nicht hier, wohl aber dort die contraktliche Verpflichtung besteht, die Erfüllbarkeit herbeizuführen.

Also nicht die Sache ist Kaufobject, aus welcher auszuscheiden ist; sonst gelangen wir zum Kauf einer Quote, die erst in ein selbständiges Object umgewandelt werden soll; ein solches Geschäft ist natürlich auch möglich, aber in vielen Beziehungen, die hier gar nicht ausgeführt zu werden brauchen, von dem unsrigen verschieden. Aber auch nicht das ausgeschiedene Object: sonst läge Specieskauf und bis zur Ausscheidung nur etwa ein Vorvertrag vor. Sondern das Kaufobject ist die auszuscheidende Sache, und da dieses Merkmal auf jedes Quantum zutrifft, welches ausgeschieden werden kann, so liegt eben darin der Mangel der Specialisirung 2).

Aus dem Gesagten ergibt sich von selbst, dass der Vercifischen Sinne der mangelnden unmittelbaren Vollziehbarkeit nur vorkommen a) beim bedingten Kauf (L 8 D. de peric.) und b) in dem Fall, wo das Unfertige im Kaufpreis liegt (L. 35 §. 5 D. h. t.). Dass aber die Ausdehnung dieses Sprachgebrauchs auf die übrigen Fälle - eine Zusammenstellung derselben findet sich nirgends in den Quellen - durchaus im Geiste der römischen Juristen ist, bezweifle ich nicht. 1) Das Eigenthümliche dieses Falles gegenüber dem unter II zu besprechenden hat Brinz a. a. O. S. 109 fgg. sehr gut entwickelt; dass daher Goldschmidt a. a. O. S. 17, 19, gleichwohl den entscheidenden Punkt noch immer in die Wahl verlegt, ist kein Fortschritt.

2) Der Vergleich mit dem bedingten Kaufe liegt nahe (vgl. L. 35

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