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sichtigung übergeben ist. Alsdann kann der Verkäufer auf Rückgabe klagen und dadurch den Käufer in die Nothwendigkeit versetzen, sich zu entscheiden. Die genehmigende Erklärung müsste aber auch hier sofort, d. h. sofort nach der Zustellung der Klage, nicht erst in der mündlichen Verhandlung stattfinden 1).

Dagegen ist eine Klage aus dem bedingten Kaufvertrage selbst unmöglich 2); falls daher die Uebergabe zur Besichtigung nicht stattgefunden, ist auch eine Aufforderung in Gestalt der Klage nicht denkbar 3).

Zu 2) Damit gelangen wir zur zweiten Frage, nach der Wirkung der unterlassenen Erklärung.

a) Dass nach gemeinem Rechte diese Wirkung nicht, wie man früher zuweilen gelehrt hat, in einer mora des Käufers besteht, ist jetzt wohl allgemein anerkannt 4).

Vielmehr kann die Unterlassung der Erklärung nach allgemeinen Grundsätzen lediglich als Vereitelung der Bedingung aufgefasst werden.

b) Hiemit stimmt das H.G.B. völlig überein, indem es zur Abwendung dieser Wirkung nur noch ausdrücklich die sofortige Erklärung des Käufers im Falle der an ihn ergangenen Aufforderung verlangt. Nach gemeinem Recht ist solche Aufforderung nicht nöthig; erfolgt sie gleichwohl, so ist die Nothwendigkeit sofortiger Erklärung ohne Weiteres selbstverständlich.

1) Was die Kosten anlangt, vgl. R.C.P.O. §. 89.

2) Abgesehen natürlich von der hier gar nicht in Betracht kommenden Feststellungsklage.

3) Selbst ein so scharfer Jurist wie Thöl (§. 259 A. 33) lehrt das Gegentheil. Dies ist eine Consequenz der irrigen Auffassung, welche den rechtlichen Zustand vor der Entscheidung als „Vorvertrag“ construirt. Ganz unbegreiflich ist, wie man für die hier bekämpfte Ansicht L. 13 § 27, 28 D. de a. e. v. (19, 1) geltend machen kann Beide Stellen, mögen sie im Uebrigen zu erklären sein wie immer, sprechen ja doch nicht von einem bedingten Kauf und lassen auf einen solchen auch keine analoge Ausdehnung zu, die mit den bekanntesten Rechtsgrundsätzen im Widerspruch stehen würde. Vangerow §. 635 II (Bd III S. 437).

4) Wohl aber kann für den Käufer eine mora eintreten in Beziehung auf Rückgabe der Sache. Beides ist wohl öfters verwechselt worden. Vgl. Goldschmidt a a. O. S. 123, 128 fgg.; Fitting Archiv S. 250; Thöl §. 259 A. 34.

Eine andere Entscheidung bietet das gemeine Recht auch für den Fall nicht dar, wenn die Sache zur Probe übergeben ist; das blose Behalten derselben über die Frist hinaus kann') als stillschweigende Genehmigung nicht betrachtet werden.

Das Handelsrecht hat eine abweichende Bestimmung (§ 339 Abs. 4).

„Ist die auf Besicht oder Probe verkaufte Waare zum Zweck der Besichtigung oder Probe bereits übergeben, so gilt das Stillschweigen des Käufers bis nach Ablauf der Frist oder auf die Aufforderung als Genehmigung."

Es handelt sich hier nicht um eine gesetzliche Auslegungsregel, wider welche der Gegenbeweis zulässig wäre, sondern um die gesetzliche Wirkung eines objectiven Thatbestandes, die also auch eine Vergewaltigung der Absicht in sich schliessen kann (z. B. im Falle des Vergessens, des Verlierens, der Verhinderung durch Krankheit u. s. w.)

Gegen die Zweckmässigkeit dieser Bestimmung, welche die Aussichten des Verkäufers auf Perfektion des Geschäfts erhöht und zugleich der durchschnittlichen Absicht des Käufers entspricht, ist nichts einzuwenden. Gleichwohl ist sie so durchaus positiver Natur, dass von einer Uebertragung auf das gemeine Recht keine Rede sein kann 2).

V. Ist zum Zwecke der Besichtigung oder Erprobung die Sache dem Kauf liebhaber anvertraut, so handelt es sich weiter um die Rückforderung im Falle der Nichtgenehmigung. Dieselbe kann nicht mittelst der actio venditi erfolgen; denn noch im heutigen Rechte, so gut wie zu Ulpian's Zeiten ist die Contraktsklage nach Vereitelung der Suspensiv bedingung

1) Anders natürlich, wenn diese Auslegung vorher vertragsmässig festgesetzt ist.

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2) Namentlich kann nicht L. 20 pr. de praescr. v. (19, 5) angezogen werden. Uebrigens hat nach gemeinem Rechte der Käufer, der nicht zurückgibt, immerhin den Mangel der Absicht zu beweisen, und im Erfolge wird daher die handelsrechtliche und die gemeinrechtliche Auffassung oft zusammentreffen. Der theoretische Unterschied zwischen beiden Systemen wird häufig übersehen. (Richtig Thöl § 259 A. 1, I. S. 240, 247-249). Vgl. im Allgemeinen Fitting Zeitschrift Bd. 5 S. 112 A. 25, Archiv Bd. 46 S. 250; über die Beweislast Goldschmidt a a. O. S. 127 fgg.

unmöglich). Es tritt also auch für das heutige Recht der Gesichtspunkt eines durch das Anvertrauen geschlossenen Realcontrakts, aus welchem die Rückforderung abzuleiten ist, in den Vordergrund. Nur ist, wie schon bemerkt, unsere Construktion eine andere als die der Pandektenjuristen. Uns erscheint das gesammte Verhältniss als alternative Verbindung zweier Obligationen; entweder der Kauf wird perfekt, dann deficirt die Bedingung der Rückforderung, oder umgekehrt. Die materiellen Grundsätze der Rückleistung aber sind natürlich auch jetzt noch die nämlichen wie nach römischem Recht: Haftung für dolus und omnis culpa, Verbindlichkeit zur Erstattung alles des Gewinnes, der im Widerspruch mit dem Wortlaut oder der Interpretation des Geschäfts gemacht worden ist 2). Umgekehrt ist es nach heutigem Rechte wohl nicht zweifelhaft, dass auch ein Gegenanspruch auf Ersatz von Auslagen u. s. w. entspringen kann 3).

Verspricht der Käufer für die Besichtigung, den Gebrauch u. s. w. im Falle der Nichtgenehmigung eine Entschädigung, so nähert sich der Vertrag einer locatio conductio 4) und die Analogie des von Gaius III, 1465) besprochenen Falles tritt dann noch schärfer hervor.

Verschieden von der Entschädigung ist die Strafe, welche der Käufer für den Fall der Nichtgenehmigung verspricht. In den Quellen ist dieses Verhältniss nicht erwähnt; soweit es von juristischem Interesse ist, wird es noch später zur Sprache kommen.

Aber auch diejenige Besichtigung und Erprobung, die an der im Besitze des Verkäufers verbleibenden Sache vorgenom

1) Von einer analogen Anwendung der Sätze, welche bei der s. g. Resolutivbedingung, sowie beim Kauf einer nicht existirenden oder nicht verkehrsfähigen Sache gelten, kann hier keine Rede sein. 2) L. 20 pr. D. cit.

3) Alfenus Varus in L. 52 §. 3 D. ad leg. Aqu. (9, 2) denkt selbst beim resolutivbedingten Kauf (S. 238) nur an die actio legis Aquiliae.

4) L. 20 §. 1 D. de praescr. verb. (19, 5).

5) Diese Stelle hat Goldschmidt bei seinen Ausführungen auf S. 122 (vgl. S. 364), die auch sonst nicht zutreffend sind, nicht berücksichtigt. Es liegt ein von Anfang an alternativ bedingter Complex von Geschäften vor und L. 8 pr. D. mand. (17, 1) sowie L. 1 §. 11-13 D. deposit. (16, 3) haben damit gar nichts zu thun.

men wird, erzeugt im heutigen Rechte entsprechende Verbindlichkeiten. Das römische Recht vermochte freilich in diesem Fall der in den Quellen nicht erwähnt wird keinen unbenannten Realcontrakt zu construiren, und würde also nur die Deliktsklagen zur Verfügung gestellt haben; dass nach heutigem Rechte auch hier ein stillschweigender Vertrag mit gegenseitigen Ansprüchen entsteht, ist mir nicht zweifelhaft 1).

Dritter Abschnitt.

Der Hoffnungskauf.

§. 182.

Die Zweiseitigkeit des Vertrages ist formell auch dann gewahrt, wenn der unbedingten Verpflichtung eine bedingte gegenübersteht; in diesem Sinne sind unzweifelhaft auch die Versicherungsverträge u. s. w. zweiseitig 2).

Aber für den Kauf ist auch die Zweiseitigkeit des Vollzugs als Regel nothwendig; ist ja doch der zweiseitige Vollzug älter als der zweiseitige Contrakt.

Daher muss die Zweiseitigkeit des Vertrags so beschaffen sein, dass aus ihr diejenige des Vollzugs hervorgehen kann. Nichtig ist daher der Kaufvertrag, dessen eine Seite gegenstandslos ist, (res extra commercium, nicht existirende Sache u. s. w.), sollte auch wegen obwaltender Unwissenheit die subjective Zweiseitigkeit bestehen; hievon ist später noch genauer zu sprechen.

Zwar nicht schlechthin ausgeschlossen, aber doch in Frage gestellt ist diese Zweiseitigkeit des Vollzugs dann, wenn der unbedingten Verpflichtung eine bedingte gegenübersteht -; im Gegensatze zu dem Fall, wenn die Bedingung den Vertrag in seiner Totalität ergreift.

Ein solches Geschäft ist in folgender Weise zu beurtheilen.

1) Man denke an das Probiren eines musikalischen Instrumentes, das im Besitze des Verkäufers bleibt. Goldschmidt S. 122.

2) Gerade wie die formelle Zweiseitigkeit auch bei gegenseitiger correspondirender Bedingung besteht (Wette).

In dem Fall, dass die Bedingung der Gegenleistung deficirt, hat auch die unbedingte Leistung nicht den Charakter kaufmässiger Erfüllung, sondern den der Schenkung oder einer sonstigen einseitigen und unentgeltlichen Causa. Es liegt also die alternative Combination zweier Geschäfte vor; und insofern ist es richtig, dass auch hier die Bedingung das Geschäft, soweit es Kauf ist, im Ganzen und nicht blos in der einen Richtung ergreift '). Bei der entgegengesetzten Behandlung vermöchten die Parteien das wesentliche Erforderniss der Zweiseitigkeit in rein formeller Beziehung zu beobachten, um es gleichzeitig materiell preiszugeben.

Von diesem Satze macht nur der Hoffnungskauf eine Ausnahme. Derselbe ist ein Kaufvertrag, dessen eine Seite bedingt ist, aber dergestalt, dass auch im Falle der Vereitelung der Bedingung das Geschäft gleichwohl als Kauf, die einseitige Leistung als kaufmässige Leistung erscheint.

Die Eventualität einseitiger Erfüllung unbeschadet der Einheit des Geschäftes liegt also hier in der Absicht der Parteien, und diese eigenthümliche Absicht ist rechtlich sanktionirt 2).

Gerade vom Standpunkt der Keller'schen und der verwandten Theorien, welche den Schwerpunkt des Vertrages in den Vollzug verlegen, macht dieses Geschäft besondere Schwierigkeiten; seine geringe praktische Bedeutung bewirkt freilich, dass es bei der allgemeinen Untersuchung des kaufrechtlichen Synallagma meistens übersehen wird.

§. 183.

Die Zweiseitigkeit des Vollzugs ist zwar die Regel, aber dieselbe erleidet, wie wir schon wissen, eine wichtige, von dem rechtsgeschäftlichen Willen völlig unabhängige Ausnahme durch die Behandlung des Perikulum. Will man sich hier

1) Selbstverständlich sind je nach der concreten Absicht auch noch andere Construktionen möglich: Schenkung mit bedingtem Versprechen einer Gegenschenkung. Vielleicht kann auch die Ernstlichkeit der Absicht fehlen. Wichtig ist für uns nur, dass ein Kauf jedenfalls nur im Falle der Existenz der einseitigen Bedingung vorhanden ist.

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2) Vgl. L. 11 §. 18 D. de a. e. v. „recipitur“ (Julian); L. 11 D. de h. vel a. v. (18, 4) (admittitur); L. 8 pr. §. 1 D. h. t.

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