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eigenthümlich beschaffenen Motivs, die jedenfalls anschaulicher und fassbarer ist als die herkömmliche von der „Selbstbeschränkung des Willens, erweist sich für die ganze Gestaltung der Lehre aufklärend und fruchtbar. Sie macht es begreiflich, wie der bedingte Wille zugleich als wirklicher und als blos möglicher erscheinen kann; als wirklicher, insoferne der Wollende jetzt schon mit sich einig ist und seinen Willen definitiv erklärt hat; als möglicher, insofern das den Willen bestimmende Motiv als eine erst noch zu verwirklichende oder in ihrer Verwirklichung zu constatirende Vorstellung gesetzt ist.

Auch die richtig verstandene Lehre von der rückwirkenden Kraft der Bedingung findet von diesem Ausgangspunkte aus ihre befriedigende Erklärung.

Diese und andere Fragen können hier nicht weiter verfolgt werden. Für unsere Zwecke dient die vorstehende Ausführung zunächst als Grundlage, um den Gegensatz zwischen der Bedingung und dem Fall, wenn der Wille sich von sich selbst abhängig macht, zu bestimmen und damit weitere Anhaltspunkte für die folgende Untersuchung zu gewinnen 1).

Sind die Bedingungen Motive, so kann die Formulirung des Entschlusses: „ich will, wenn ich will", keine bedingte Willenserklärung sein 2). Denn der Entschluss kann sich nicht zu seinem eigenen Motive machen; das letztere ist nothwendig eine gegenüber dem dadurch erzeugten Entschlusse selbständige Vorstellung. Die Erklärung, das zu wollen, was der Wollende künftig wollen wird, ist kein anticipirter, sondern gar kein Entschluss.

Es sind daher auch nicht, wie Fitting mit vielem Scharfsinn, aber ohne Anklang zu finden, beweisen wollte, formelle Gründe, welche die Erklärung „volo si volam" oder „,,si voluero"

1) Vgl. Windscheid §. 93 A. 1-4.

2) Vgl. über die verschiedenen Auffassungen der Bedingung „,si volam" und ihres Verhältnisses zu den gewöhnlichen Potestativbedingungen die Uebersicht bei Fitting, Zeitschrift für Handelsrecht 5, S. 120 fgg., dessen Kritik, namentlich der von ihm so bezeichneten dritten Ansicht ich freilich nicht überall beipflichten kann. Dies gilt namentlich von den Ausführungen auf S. 138. Wendt, Reurecht Bd. II S. 67, dessen Auffassung sich mit der hier vorgetragenen am nächsten berührt; nur dass bei ihm die Hereinziehung des „Reurechts" störend wirkt (S. 72).

als ungiltig erscheinen lassen; vielmehr sind es Gründe von durchaus psychologischer Art 1).

Ebendeshalb ist aber auch jede Analogie 2) mit dem Falle, dass der Wollende den Willen eines Dritten zur Bedingung seines Willens macht, schlechterdings unzulässig. Diese letztere Bedingung ist psychologisch durchaus möglich und verständlich, sonst könnte ja auch das Gesetz nicht die Giltigkeit einer Willenserklärung von der Erlaubniss oder Zustimmung eines Dritten abhängig machen. Und wenn daher gleichwohl die Formel: „ich will, wenn du willst", oder „was du willst ist mir recht" irgendwelchen Beschränkungen unterliegt, so beruhen dieselben nicht auf psychologischer, sondern auf ethischer Grundlage, namentlich auf der eigenthümlichen Ethik des römischen Testaments 3).

§. 176.

Wesentlich verschieden von der Willenserklärung: „Ich will, wenn ich will" 4) ist die Willenserklärung unter der Bedingung, dass der Wollende einen andern, dem Inhalte nach von dem bedingt erklärten Willen verschiedenen Willen äussern und beziehungsweise bethätigen werde. Dass das eigene Handeln Motiv für weitere Entschlüsse sein kann und fortwährend ist, darüber braucht kein Wort verloren zu werden; und so steht auch vom psychologischen Standpunkt aus nichts im Wege, dass Jemand durch die Vorstellung künftiger eigener Handlungen schon jetzt bestimmt wird, einen rechtlich relevanten Entschluss in bedingter Weise zu erklären.

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Unhaltbar ist auch die An

1) Vgl. Windscheid a. a. O. A. 4. sicht von Dernburg, Pr. Privatrecht Bd. I §. 92. Vgl. Bd. II, §. 153. 2) Namentlich also die Analogie von L. 52 D. de condit. (35, 1); L. 68 D. de hered. inst. (28, 5); L. 1 pr. D. de leg. II (31); L. 43 §. 2 D. de leg. I (30). Vgl. Fitting, Zeitschrift f. H.R. 2, S. 255; 5, S. 120, 168.

3) Dies hat Fitting selbst a. a. O. 5, S. 144, 168 sehr gut ausgeführt.

4) Der vulgäre Ausdruck ist: ,wenn ich mag!" In dieser Formulirung braucht die Entscheidung nur ausgesprochen zu werden, um die obige Ausführung zu bestätigen. Im gewöhnlichen Leben wird sie als eine, nicht gerade höfliche Ablehnung einer gemachten Zumuthung gebraucht und verstanden.

Ein derartig (potestativ) bedingtes Geschäft mag für den Gegner oder sonstigen Interessenten geringere Wahrscheinlichkeit der Verwirklichung haben als dasjenige, bei welchem die Erfüllung der Bedingung vom Willen des Erklärenden unabhängig ist. Aber um grössere oder geringere Wahrscheinlichkeit handelt es sich hier gar nicht, sondern lediglich um das psychologische Verhältniss. Wenn man nun hier nicht bei dem absurden Schulbeispiel vom Spaziergang auf das Capitol stehen bleibt 1), so muss man doch zugeben, dass regelmässig derjenige, welcher schon zum Voraus für den Fall, dass er eine gewisse Willensäusserung vornehmen werde, weitere rechtliche Dispositionen trifft, eben damit zu erkennen gibt, dass er an der Vornahme jener Handlung ein gewisses selbständiges Interesse hat. Vereitelt er die Bedingung, so gibt er damit zugleich dieses letztere auf; je grösser dasselbe ist, desto geringer ist die Gefahr, dass er es opfern werde, lediglich um sich der doch freiwillig getroffenen Disposition zu entziehen. Dass die Potestativbedingung blos zur Verwirklichung von Hintergedanken dient, ist ja möglich. Aber man kann nicht sagen, dass das die Regel ist, sonst würde sich auch für ein solches Geschäft so leicht kein Gegencontrahent finden. Die Regel ist vielmehr, dass Jemand alles Ernstes disponirt für den Fall eines eigenen Verhaltens, das er wiederum alles Ernstes als möglich, ja als wahrscheinlich sich vorstellt. Es ist daher auch nicht davon die Rede, dass beim zweiseitigen Vertrag der unter einer Potestativbedingung gebundene Theil so ohne Weiteres in der Lage ist, auf Kosten des andern Theils zu speculiren. Bei der Pseudobedingung ,,si volam" allerdings wäre diese Sachlage immer und nothwendig gegeben: bei der wahren Potestativbedingung bildet gerade das selbständige Interesse an der Erfüllung das Gegengewicht gegen die reine Speculation 2).

1) In ihren Schulbeispielen waren die Römer überhaupt nicht sehr glücklich und die Neueren ahmen sie in dieser Beziehung nur zu getreulich nach. Auch der richtige Einblick in das psychologische Verhältniss bei unmöglichen Bedingungen und unmöglichen Verpflichtungen wird nicht selten durch abgeschmackte Beispiele verdunkelt.

2) Wie gross dieses Interesse ist, dafür wird sich der Gegner vor Abschluss des Geschäfts ebenso leicht, ja leichter, Anhaltspunkte ver

Wenn also zwischen der Bedingung „si volam" und der eigentlichen Potestativbedingung, die auch beim Kaufe durchaus zulässig ist, ein principieller Unterschied besteht, so beruht derselbe mit nichten auf der Verschiedenheit der Ausdrücke, sondern auf einer durchaus materiellen Grundlage 1).

§. 177.

Wieder einen andern Charakter hat die Bedingung, deren Inhalt das freie Urtheil des bedingt Erklärenden über einen den Entschluss bestimmenden Umstand bildet.

Darin nämlich besteht das Eigenthümliche des placere und der verwandten Begriffe arbitrari u. s. w., dass sie zunächst keine Willenserklärungen sind, sondern Urtheile. Zwischen der psychologischen Thätigkeit des „Wollens“ einerseits, des „Urtheilens", „Gefallens", Fürguthaltens" andererseits besteht an und für sich ein principieller Gegensatz; wie es zugeht, dass derselbe gleichwohl im Erfolge wie im Sprachgebrauch sich verwischt, wird sich sofort zeigen 2).

Nicht blos in der Subjectivität und Uncontrollirbarkeit der Entscheidung liegt das Besondere dieser Bedingung; die Entscheidung des Gefallens ist formell betrachtet nicht willkürlicher als die Entscheidung des „Reisens" oder einer andern

schaffen können, als für die grössere oder geringere Wahrscheinlichkeit der Erfüllung einer casuellen Bedingung.

1) In Beziehung auf die in den Willen eines Dritten verstellte Bedingung letztwilliger Anordnungen verhält sich nach dem oben Gesagten die Sache anders. Hier besteht zwischen der Bedingung „si Titius voluerit“ und „si Titius in Capitolium ascenderit" kein psychologischer, sondern ein ethischer Unterschied, über dessen innere Berechtigung man verschiedener Ansicht sein kann. L. 1 pr. D. de leg. II (31); L. 68 D. de hered. inst. (28, 5); L. 52 D. de cond. (35, 1).

2) Von vornherein tritt der Unterschied zurück, wenn es sich um die Thätigkeit eines Dritten handelt, die als Wollen oder als Urtheilen für die Parteien gleichmässig Zufall ist. L. 1 pr. D. de leg. II (31); L. 43 §. 2 D. de leg. I (30); Fitting a. a. O. 5, S. 168. Daher ist auch der Kauf auf Probe dritter Personen (so namentlich unter der Bedingung, dass der Artikel den Kunden des Käufers gefällt) ein gewöhnlicher bedingter Kauf; von arbitrium boni viri ist dabei schlechthin keine Rede. (Vgl. Goldschmidt's Zeitschrift Bd. 9 S. 184.)

zur Bedingung gemachten Handlung. Aber das bedingungsweise vorbehaltene Urtheil hat keinerlei selbständiges Interesse für den bedingt Erklärenden, wie die bedingungsweise vorbehaltene Handlung. Indem sich Jemand sein Urtheil über einen den Entschluss bestimmenden Umstand vorbehält, hat er gar keinen andern Zweck als den, sich den Entschluss selbst materiell noch offen zu lassen; wer mit seinem Urtheil über die entscheidenden Umstände noch nicht im Reinen ist, der ist eben auch mit dem durch dasselbe zu bestimmenden Willen materiell noch nicht fertig. Mein Interesse, den Wohnsitz nach der Stadt A. zu verlegen, ist an und für sich von meinem Interesse, dort ein Haus zu kaufen, mein hiesiges zu verkaufen, ganz verschieden; es besteht auch, wenn ich an die Verwirklichung desselben anderweitige Entschlüsse nicht oder nicht anticipando anknüpfe. Dagegen habe ich ein Interesse, mir ein Urtheil über die Sache zu bilden und dasselbe auszusprechen, eben nur, insoferne davon mein Entschluss zu kaufen abhängt. Das Interesse an der Erfüllung der Bedingung fällt also zusammen mit dem Interesse an der Verwirklichung des Bedingten. Deshalb lässt diese Bedingung die unbeschränkte Möglichkeit der Speculation offen; materiell betrachtet ist der unter solcher Bedingung Wollende gerade ebenso frei als der unter der Bedingung si volam Wollende.

Dieser Satz ist ohne Weiteres klar, wenn sich der Vorbehalt des Urtheils auf das Geschäft im Ganzen erstreckt; zwischen der Formel „ich will, wenn ich will" und der andern „ich will, wenn mir der Handel gefällt" besteht im Erfolg gar kein Unterschied.

Anders gestaltet sich dagegen das psychologische Verhältniss, wenn sich das vorbehaltene Urtheil nur auf einen bestimmten Umstand beschränkt. Denn das Gefallen der Sache" ist mit dem Entschlusse sie käuflich zu erwerben in keiner Weise identisch; es verhält sich dazu in der That psychologisch nur als Motiv. Wer sagt: „ich kaufe die Sache, weil sie mir gefällt", sagt nichts Unverständiges, wie derjenige, welcher sagt: „ich kaufe, weil ich kaufe" oder „weil ich mag". Nicht alle Sachen, die mir gefallen, kaufe ich, und ich kaufe umgekehrt auch Sachen, die mir nicht gefallen1).

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1) Das Gefallen der Sache" ist zwar ein regelmässiges und selbstverständliches Motiv, aber doch immer nur Motiv.

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