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werden solle (contrarius consensus). Dass dieses Abkommen wirkungslos ist, versteht sich nach dem eben Gesagten von selbst; und es kann sich also nur fragen, ob nicht eine einseitig befreiende Wirkung zu Gunsten des Pupillen anzunehmen ist? Dabei ist nun zu beachten, dass diese einseitige Wirkung niemals darin bestehen könnte, den Pupillen schlechthin zu befreien: das einseitige pactum de non petendo würde gleichwohl eine naturalis obligatio zurücklassen; die Folge wäre also lediglich die Verwandlung des vollwirksamen Geschäfts in ein negotium claudicans. Allerdings scheint eine weitergehende Ansicht von Aristo vertheidigt worden zu sein, dahingehend, dass durch einseitigen Erlass die betreffende Partei vollständig aus der Obligation ausscheide. Aber diese Ansicht ist von Pomponius mit Entschiedenheit zurückgewiesen 1).

Nam 2) quod Aristo dixit posse ita pacisci, ut unus maneat obligatus, non est verum, quia pro una parte abiri pacto ab emtione non possit, et ideo si ab una parte renovatus sit contractus, dicitur non valere eiusmodi pactionem.

Mit grösster Bestimmtheit tritt der Jurist hier für den synallagmatischen Charakter des Contrakts auf; es gibt keine halbseitige Aufhebung, ebenso wenig aber eine halbseitige Erneuerung 3).

Aber auch die Verwandlung des vollwirksamen Geschäfts in ein negotium claudicans entspricht offenbar nicht der Intention der Parteien. Daher lehrt bereits Julian, dass der einseitige Erlass als zweiseitiger, d. h. als vertragsmässige Rückgängigmachung des ganzen Geschäftes aufzufassen ist.

L. 5 D. eod. Quum emtor venditori vel venditor emtori acceptum faciat, voluntas utriusque ostenditur id agentis ut a ne

1) L. 1 D. de resc. vend. (18, 5).

2) Durch die Verwandlung des „nam" in „iam" (Mommsen) wird, wie mir scheint, der Zusammenhang gestört, die Meinung des Aristo wird als eine besondere eingeführt und zugleich widerlegt; sie muss als Parenthese gedacht werden. Wie sich Labeo zu dieser Ansicht verhält, lässt sich aus den Worten der L. 23 D. de accept. (46, 4) nicht mit Sicherheit entnehmen.

3) Darauf beruht es auch, dass der in der Gestalt der Acceptilation einseitig formulirte Erlass gleichwohl zweiseitig wirkt. Vgl. noch L. 21 §. 4 D. quod metus causa (4, 2).

gotio discedatur, et perinde habeatur ac si convenisset inter eos ut neuter ab altero quidquam peteret; sed ut evidentius appareat, acceptilatio in hac causa non sua natura sed potestate conventionis valet;

und damit stimmt Paulus in der L. ult. D. de accept. (46, 4) völlig überein.

Paulus: immo quum locatio conductio, emtio venditio conventione facta est et nondum res intercessit, utrimque per acceptilationem, etsi ab alterutra parte dumtaxat intercessit, liberantur obligatione.

Diese Auffassung erzeugt eine Schwierigkeit in dem Falle, wenn der Haussohn den Vertrag geschlossen und der Hausvater ohne seine Mitwirkung den Erlass vorgenommen hat: der Sohn bleibt alsdann verpflichtet; deshalb bleibt aber auch eine naturalis obligatio des anderen Contrahenten dem Vater gegenüber zurück 1). Dieses Resultat kann nicht als ein der Parteiabsicht entsprechendes anerkannt werden. Daher erklärt Celsus das ganze Abkommen ohne Zustimmung des Sohnes für wirkungslos; Pomponius dagegen sieht von diesem Erfordernisse ganz ab und lässt daher umgekehrt das Paktum nach zwei Seiten wirken 2).

1) Denn

hier setzt der schon oben erwähnte Zwischensatz ein die Ansicht des Aristo, dass die eine Verbindlichkeit ganz aus der Welt geschafft werden kann, ist unmöglich.

2) L. 1 D. eod. Celsus filius putabat, si vendidisset mihi filiusfamilias rem peculiarem, etiamsi conveniat ut abeatur ab ea venditione, inter patrem et filium et me convenire debere, ne si cum patre solo pactus sim, filius non possit liberari et quaeratur, utrumne nihil agatur ex ea pactione, an vero ego quidem liberer, filius maneat obligatus. Sed dicendum est patre paciscente et liberato adversario filium quoque obiter liberari. Dass der Sohn nicht einseitig erlassen kann, ist klar; er vermag nicht über die dem Vater erworbene Forderung zu verfügen. Hier ist also das Paktum überhaupt wirkungslos. Diese Stelle ist auch lehrreich in Beziehung auf den schwankenden Sprachgebrauch. Es handelt sich dabei vorzugsweise um das Wort liberari. Cels us und Pomponius gebrauchen dasselbe offenbar in dem specifisch civilrechtlichen Sinne (vgl. L. 19 pr. D. de accept. (46, 4)); denn dass der Pupill nicht schlechthin befreit wird, dass er irgendwie „hängen“ bleibt, beweist die L. 7 D. eod. Und auch nur unter dieser Voraussetzung hat die Polemik gegen Aristo einen Sinn. Dieser aber gebraucht die Worte: obligatum manere, die doch auf das Gegentheil

Wieder etwas anders ist nun der Fall des Pupillen beschaffen, insoferne ihm ja dieses Abkommen zum Vortheil gereicht und diese Rücksicht hier gegenüber derjenigen auf die Erhaltung der Gleichheit unter den Contrahenten überwiegen möchte. In der That ist dies die ältere Ansicht. Sie ergibt sich einmal aus L. 1 D. cit., wo nach den Worten „manet obligatus" fortgefahren wird:

sicuti si pupillus sine tutoris auctoritate paciscatur, ipse quidem liberatur, non etiam qui cum eo pactus est.

Es ist zu beachten, dass diese Entscheidung nicht etwa hypothetisch und als Consequenz, sondern kategorisch hinge stellt wird. So steht sie denn auch im vollsten Einklang mit dem weiteren Verlaufe der L. 7 D. cit. von Paulus:

idem potest quaeri, si sine tutoris auctoritate pactus fuerit ut discedatur ab emtione, an proinde sit atque si ab initio sine tutoris auctoritate emisset, ut scilicet ipse non teneatur sed agente eo retentiones competant.

Das nachträgliche Abkommen verwandelt also das vollwirksame Geschäft in ein negotium claudicans; der Anspruch des Verkäufers ist nicht mehr klagbar, kann aber vertheidigungsweise geltend gemacht werden. Aber, fährt Paulus fort, der bona fides entspricht diese Behandlung nicht:

sed nec illud sine ratione dicetur: quoniam initio recte emtio sit contracta, vix bonae fidei convenire eo pacto stari quod alteri captiosum sit, et maxime si iusto errore sit deceptus.

Also tritt auch hier die Regel von der doppelseitigen Wirkung des Paktum ein, nur mit dem entgegengesetzten Erfolg: das Paktum ist ungiltig. Die Schlussworte allerdings verrathen noch ein gewisses Schwanken. Paulus ist nicht ganz im Reinen, ob dieses Resultat nur auf Grund der concreten

von liberari hinweisen, gleichwohl in einem stärkeren Sinn; er denkt an den Gegensatz, dass der andere Theil schlechthin ausscheidet, wie der contrarius consessus beide Theile schlechthin befreit; auch die Worte abire ab emtione, renovare contractum weisen auf diese stärkere Wirkung hin (vgl. L. 27 § 2 D. de pact. 2, 14). Dass übrigens auch die Wirkung des pactum de non petendo als liberatio, liberari bezeichnet wird, bedarf kaum des Nachweises. L. 1 §. 2 D. quae in fraudem (42, 8); L. 3 §. 3 D. de liberat. leg. (34, 3); L. 108 D. de V. S. Dagegen die schon citirte L. 19 pr. D. de accept. (46, 4).

Parteiabsicht angenommen werden soll. Für den bejahenden Fall ist es von Belang, dass der Gegner sich in entschuldbarem Irrthum befunden hat. Allein ganz bestimmt entscheidet sich Paulus doch nicht für diese Meinung; die Worte maxime etc. können auch als blos adminiculirendes Argument, das ohnedem in den meisten Fällen zutreffen wird, verstanden werden. Und dies ist ohne Zweifel richtiger. Auch in den übrigen Stellen wird auf die concrete Parteiabsicht kein Gewicht gelegt; es handelt sich nicht um eine Frage der Interpretation, sondern der bona fides. Wird doch sogar die Acceptilation, die als negotium stricti iuris die weitere Nachforschung nach der concreten Parteiabsicht ausschliesst, in diesem Sinne behandelt 1).

1) Die im Vorhergehenden überall vorausgesetzte Meinung, dass das einseitige pactum de non petendo eine naturalis obligatio zurücklasse, ist bekanntlich nicht unbestritten. Die entgegengesetzte Ansicht vertritt Savigny Obligationenrecht Bd. I S. 113, von seiner unhaltbaren Basis aus, welche die naturalis obligatio auf das ius gentium zurückführt und daher jede Aufhebung, die mit diesem übereinstimmt, als vollwirkend anerkennt. Vgl. ferner Schwanert a. a. O. S. 396. Nach meiner Ansicht kann die beschränkte Wirkung des p. d. n. p. nicht bezweifelt werden, wenn man bedenkt, dass dieses letztere selbst wieder durch entgegenstehendes Paktum beseitigt werden kann; dies wäre nach der Ansicht der Gegner Neubegründung einer Obligation durch bloses pactum. L. 27 §. 2 D. de pactis (2, 14); Gai. IV, 116. Dass das p. d. n. p sogar eine klagbare Schuld dritter Personen bestehen lassen kann, ist allbekannt (vgl. Bekker in seinem Jahrbuch Bd. 4 S. 403.) Das Einzige, was zugegeben werden muss, aber auch zugegeben werden kann, ist dies, dass die zurückbleibende n. obl. von schwächerer Wirkung ist, sofern auch die Compensation ausgeschlossen und umgekehrt die condictio indebiti statthaft erscheint. Allein das Dasein der naturalis obligatio ist, wie heute kaum bestritten werden kann, davon ganz unabhängig, dass ihre sämmtlichen, an sich möglichen Wirkungen eintreten. Die richtige Ansicht hat Scheurl, kr. Vierteljahrsschr. a. a. O. S. 522. Vgl. L. 19 pr. D. de accept. (46, 4): Si accepto latum fuerit ei qui non verbis sed re obligatus est, non liberatur quidem sed exceptione doli mali vel pacti se tueri potest. L. 59 pr. D. ad S.C. Trebell. (36, 1): verum est enim non esse solutam pecuniam, quemadmodum dicimus, quum amissa est actio propter exceptionem. Andererseits L. 66 D. de R. I.

§. 173.

Der letzte Fall ist der auf Seiten des Käufers wissentliche Kauf einer res furtiva. Hievon handelt Paulus in L. 34 §. 3 D. h. t., nachdem vorher der auf beiden Seiten wissentliche Kauf eines Freien besprochen worden ist.

Item si et emtor et venditor scit furtivum esse quod venit, a neutra parte obligatio contrahitur. Si emtor solus scit, non obligabitur venditor nec tamen ex vendito quidquam consequitur, nisi ultro quod convenerit praestet; quodsi venditor scit emtor ignoravit, utrimque obligatio contrahitur, et ita Pomponius quoque scribit 1).

Der Grund der Unvollkommenheit des Geschäfts im mittleren Fall, der uns hier allein interessirt, liegt weder in der mangelnden Handlungsfähigkeit noch in der Beschaffenheit des Objects 2), sondern in der sittlichen Verwerflichkeit des Willens; die Rechtsordnung kann sich nicht dazu hergeben, das bewusste Streben nach einer res furtiva zu fördern.

Darum ist der Vertrag giltig, wenn der Verkäufer allein die Eigenschaft kennt; die ausreichende Reaktion liegt hier schon in den Entschädigungsansprüchen, welche das klassische Recht unabhängig von der Voraussetzung der Eviktion eintreten lässt. Ist die Kenntniss bei beiden Theilen vorhanden, so ist der Vertrag nach beiden Seiten hin nichtig 3). Was aber unsern Fall anlangt, so ist

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1) schon nach dem Wortlaut der Stelle kein Zweifel, dass der Vertrag als solcher nach beiden Seiten wirkt; der Verkäufer, welcher klagt, muss ja leisten, was verabredet ist. Auch kann durch den auf der einen Seite vorhandenen sittlichen Mangel das Geschäft nicht gewissermassen halbirt

1) Dernburg (a. a. O. S. 77) macht auch hier wieder den Paulus zum Urheber des Retentionsrechts. Die Schlussworte, die ausdrücklich auf Pomponius Bezug nehmen, sind bei ihm nicht mit abgedruckt.

2) Objectiv betrachtet kann, wie ja gerade unsere Stelle selbst bezeugt, auch die res furtiva Gegenstand eines giltigen Kaufgeschäfts sein. Hierin liegt der Unterschied gegenüber dem Falle der L. 57 D. h. t.

3) Vgl. L. 57 §. 3 D. cit.; ganz zutreffend ist jedoch die Analogie nicht, wie sich sogleich ergeben wird.

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