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sie auf dem so zu sagen natürlichsten aller Schuldgründe, auf der Hingabe als Darlehen beruht1); auch in Beschränkung auf die Bereicherung ist die Klagbarkeit erst durch kaiserliche Rescripte eingeführt worden.

Um so mehr ist die Stipulation des Pupillen wirkungslos; dergestalt, dass das darauf Gezahlte condicirt werden kann 2).

Allein eine andere Frage ist gleichwohl die, ob der Pupill den verpflichtenden Thatbestand nicht wenigstens insoweit hervorbringen kann, als derselbe verpflichtende Wirkungen für Dritte erzeugt, oder insoweit, als es sich nicht um die verpflichtende, sondern um eine damit verbundene vortheilhafte Wirkung handelt. Von diesem Standpunkte aus scheint für das Civilrecht nicht die Verpflichtungs- sondern die allgemeine Handlungsfähigkeit des Pupillen in Betracht zu kommen; dieselbe zum Vortheil dritter Personen oder auch zum Nachtheil des Pupillen zu beschränken, dazu besteht keine zwingende Veranlassung 3). Deshalb ist sogar die Stipulation des Pupillen die Grundlage accessorischer Verbindlichkeiten dritter Personen (Bürgen), und ebenso ist damit die liberatorische Wirkung der Novation verbunden. Insoferne ist also gleichwohl der Pupill dem Sklaven gleichgestellt 4). Beiden fehlt

1) Dies ist der Sinn von L. 59 D. de O. et A. (44, 7); vgl. L. 1 D. loc. (19, 2), L. 84 §. 1 D. de R. J., Schwanert a. a. 0. S. 79-82.

2) L. 41 D. de cond. ind. (12, 6).

3) Es liegt ein einigermassen analoges Verhältniss vor, wie bei dem gegen den Gewalthaber verübten Delikt des Gewaltuntergebenen. Auch dieses erzeugt zwar in der Person des Delinquirenden keine Verpflichtung, ist aber gleichwohl die Grundlage für die Verpflichtung dritter Personen. L. 17 pr. D. de furtis (47, 2): ipsi autem furti non tenentur. Im Uebrigen greift hier freilich die Strafgewalt des Gewalthabers eigenthümlich ein.

4) Gai. III, 118, 119; dass die Sponsion des Sklaven noch zu Gaius Zeiten nichtig war, beruhte auf formellen Gründen. Gai. III, 176; §. 3 I. quibusmod. obl. toll. (3, 29); L. 1 §. 1 D. de novat. (46, 2). Der Widerspruch mit der L. 20 §. 1 D. eod. löst sich wohl einfach dadurch, dass in der letzteren Stelle der Pupill nicht als Schuldner, sondern als Gläubiger gemeint ist (vgl. das Principium). Dass der Novation des Sklaven die liberirende Wirkung abgesprochen wird, beruht doch wohl auf der stillschweigend vorausgesetzten Form der sponsio. Gai. III, 177, 179.

die Verpflichtungsfähigkeit, wenn auch aus verschiedenen Gründen; aber beide können vermöge ihrer Handlungsfähigkeit auch einen verpflichtenden Thatbestand hervorbringen, nur dass die verpflichtende Wirkung gegen sie selbst nicht eintritt 1).

Für das synallagmatische Verhältniss ergibt sich hieraus folgendes Resultat. Dasselbe kann nicht als einseitiges entstehen; das objective Erforderniss der Zweiseitigkeit kann nicht durch den Umstand, dass der Handelnde ein Pupill ist, beseitigt werden; der Thatbestand der Geschäfte des Pupillen ist kein anderer als der der Geschäfte des Geschlechtsreifen. Demnach ergibt sich lediglich die Alternative: entweder das Geschäft ist schlechthin ungiltig -die Verpflichtungsunfähigkeit des Pupillen zieht seine Handlungsunfähigkeit auch nach der erwerbenden Seite nach sich: dann ist der Pupill hier, gerade bei den wichtigsten Geschäften des Verkehrs, schlechter gestellt als bei den einseitigen Erwerbsgeschäften. Oder umgekehrt, der Pupill erzeugt den synallagmatischen Thatbestand, seine Handlungsfähigkeit überwiegt. Dies ist, wieder ganz ähnlich wie beim Sklaven, die Auffassung der klassischen Jurisprudenz.

Da nun aber eine Verpflichtung, die in der Person des Verpflichteten gar nicht wirkt, eben auch keine Verpflichtung ist, so ist damit von selbst die Vorstellung der natürlichen Verbindlichkeit gegeben, die zwar nicht die normalen rechtlichen Wirkungen äussert, aber gleichwohl als Verpflichtung besteht 2). In der That werden denn auch die Bezeichnungen debitum, creditor u. s. w. darauf angewendet 3). Sie ist die

1) Vgl. Schwanert a. a. O. S. 290.

remanet

2) Man denke an L. 59 pr. D. ad SC. Trebell. (36, 1) ergo propter pignus naturalis obligatio. So kann man auch hier sagen, wegen des synallagmatischen Schuldgrundes entsteht eine naturalis obligatio. Auch bei der Novation handelt es sich zwar nicht um ein synallagmatisches, aber doch um ein causales Verhältniss.

3) z. B. L. 21 D. ad leg. Falcid. (35, 2); L. 44 D. de solut. (46,3). Gar nicht hierher gehört L. 16 pr. D. de minor. (4, 4); gegenüber der obligatio naturalis als solcher, welche ein bloses vinculum aequitatis ist (L. 95 §. 4 D. de solut.), bedarf es keiner Wiedereinsetzung in den vorigen Stand; die Verneinung der letzteren ist also nicht zugleich Verneinung der ersteren.

Grundlage von Bürgschaft 1), von Erlass 2), von iusiurandum voluntarium 3), von Compromiss, sofern für die poena compromissi ein Bürge bestellt ist 4); ferner die Grundlage freiwilliger Zahlung des Schuldners sowie der Novation, sei es nach erreichter Mündigkeit, sei es noch während derselben mit auctoritas tutoris 5).

Die bei weitem meisten Beispiele der Quellen gehören dem Gebiete der stricti iuris obligationes an. Wir haben aber auch ein unzweifelhaftes Beispiel aus dem Gebiete der bonae fidei negotia. Gegen den Pupillen, der die actio negotiorum gestorum contraria anstellt, lässt Ulpian) die Compensation zu, und zwar auf den vollen Betrag der Gestio.

Pupillus sane si negotia gesserit, post rescriptum Divi Pii etiam conveniri potest in id quod factus est locupletior; agendo autem compensationem eius quod gessit patitur 7).

Der in dieser Stelle liegenden Anerkennung der naturalis obligatio überhaupt und einer indirekten Wirkung derselben gegen den Pupillen selbst 8) kann man nicht durch die Bemerkung entgehen, dass innerhalb des zweiseitigen Vertrages überhaupt nur der Saldo geschuldet werde 9). Denn diese Ansicht, die überhaupt nicht zur Compensation, sondern zur Deduktion führen würde, ist selbst ganz unhaltbar.

1) L. 127 D. de V. O. (45, 1).

2) L. 95 §. 4 D. de solut. (46, 3).

3) L. 42 pr. D. de iureiur. (12, 2). Merkwürdig, dass der Eid des Pupillen gefasst ist auf se dare non oportere.

4) Ohne diesen braucht der Arbiter nicht zu entscheiden, da das Urtheil gegen den Pupillen nicht erzwingbar ist; quia poena non tenetur. L. 35 D. de recept. (4, 8).

5) L. 19 §. 4 D. de donat. (39, 5).

6) Der nach Dernburg beim zweiseitigen Vertrage die Retention noch nicht gekannt haben soll; vgl. dagegen auch L. 31 §. 8 D. de aed. ed. (21, 1).

7) L. 3 §. 4 D. de neg. gest. (3, 5). Es beruht ersichtlich auf einer vorgefassten Meinung, wenn Brandis a. a. O. S. 161 die Schlussworte auf die Bereicherung beschränken will.

8) Vgl. L. 6 D. de compens. (16, 2).

9) So Schwanert a. a. O. S. 378, offenbar unter dem Einflusse der Theorie von Liebe. Uebrigens ist die Darstellung, wie mir scheint, nicht frei von Widersprüchen. Ebenso aber auch Keller a. a. O. S. 384, 386.

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Damit ist freilich noch nicht die Compensabilität schlechthin, sondern nur die Compensabilität ex pari causa anerkannt; aber dies ist für unsere Zwecke bereits völlig genügend.

§. 170.

Betrachten wir nach diesen Vorbemerkungen insonderheit den Kaufcontrakt, den der Pupill ohne Auktoritas abschliesst, so müssen vor Allem die beiden folgenden Erscheinungen hervorgehoben werden:

I. Der Contrakt ist die Grundlage der Haftung dritter Personen. Dies war schon zu Gaius Zeiten anerkannt.

Ulpianus L. 7 §. 2 D. de inst. act. (14, 3) Pupillus autem institor obligat eum qui eum praeposuit institoria actione, quoniam sibi imputare debet qui eum praeposuit; Gaius L. 8 D. eod. nam et plerique pueros puellasque tabernis praeponunt').

Zugleich tritt hier abermals eine Parallele zum Sklavengeschäft hervor; die pueri puellaeque, welche meistens die Ladengeschäfte besorgt haben, werden nicht alle frei gewesen sein; die Verwendung von unerwachsenen Sklaven wird mindestens eben so oft vorgekommen sein. Bei ihnen kann vom Mangel der tutoris auctoritas keine Rede sein. Man musste sich also hier mit der allgemeinen Handlungsfähigkeit begnügen; that man dies aber, so war doch kein vernünftiger Grund zu erkennen, freie Knaben, die als Ladendiener angestellt waren, ungünstiger zu behandeln. Thatsächlich kann auch bei ihnen von tutoris auctoritas keine Rede sein; der Vormund kann sich doch nicht den langen Tag über in den Laden stellen, um den im fremden Interesse abgeschlossenen Geschäften sein Vollwort zu ertheilen. So trieb das Bedürfniss des Lebens unwiderstehlich dahin, die Kaufgeschäfte sowohl der unmündigen Sklaven als der unmündigen Freien in gleicher Weise als Grundlagen adjekticischer Haftung anzuerkennen 2).

Dass hienach auch die Grundlage für die civilrechtliche

1) Der umgekehrte Fall, dass der Pupill ohne tutoris auctoritas präponirt (L. 9 D. 14, 3) ist hier ohne Interesse. Vgl. Brinz, Krititische Bl. III S. 16.

2) Dernburg hat diese Stellen, auf welche schon Brandis hingewiesen hat, nicht berücksichtigt.

Haftung des Bürgen besteht, ist unzweifelhaft. Ausdrückliche Entscheidung ist mir unbekannt 1).

II. Das Pupillargeschäft reicht 2) zur Verwirklichung der addictio in diem aus:

Paulus L. 14 §. 3 D. de in diem addict. (18, 2).

Sed et si pupillus postea sine tutoris auctoritate pluris emerit consentiente venditore, abibitur a priore emtione. Idem et de servo alieno.

Die addictio in diem setzt voraus, dass der zweite Kauf giltig ist; daher kann dieselbe nicht verwirklicht werden auf Grund eines simulirten Kaufes, noch auf Grund des Verkaufs an den eigenen Sklaven oder Haussohn 3), dagegen ist ausreichend der Verkauf an einen Zahlungsunfähigen :

quia ea (emtio) melior intelligitur, quam venditor comprobavit cui licuit non addicere.

Und diesem Falle wird nun der obige, ja im weiteren Verlauf sogar derjenige gleichgestellt, wenn der zweite Kauf mit einem Pseudofreien abgeschlossen ist, der sich nachher als Sklave herausstellt.

Mit unbedingter Nothwendigkeit folgt daraus, dass das Pupillengeschäft auch nach der verpflichtenden Seite irgend welche Wirkung haben muss; wäre lediglich der Verkäufer zum zweitenmale verpflichtet, so könnte sich daraus doch vernünftiger Weise keine melior conditio ergeben. Erscheint nun, wie sich oben gezeigt hat, die entsprechende Verpflichtung des Sklaven als naturalis obligatio, so liegt doch nichts näher als dieselbe Gestaltung auch für das Pupillengeschäft anzunehmen. Blose Retention würde nicht ausreichen; im Vergleiche zu der aus dem ersten Contrakte entspringenden Verbindlichkeit könnte man dieselbe schwerlich als melior conditio im objectiven Sinne bezeichnen. Andererseits ist die naturalis obligatio aber ausreichend; der Pupill kann zwar nicht gezwungen werden zu erfüllen, aber dies hat sich der Verkäufer selbst zuzuschreiben; darin liegt die Verwandtschaft mit dem Kaufe des Zahlungsunfähigen.

1) Die L. 95 §. 4 D. de solut. (46, 3) lässt eine besondere Beziehung auf den Kauf nicht erkennen.

2) Auch dies hat bereits Bra n dis hervorgehoben.

3) L. 14 pr., §. 2 D. eod.

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