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So ist der Satz von Endemann, dass dem Verkäufer Vorleistung obliege, während der Käufer nur gleichzeitige Leistung anzubieten brauche, nicht nur ohne allen Beleg in den Quellen des geltenden Rechtes 1), sondern er würde auch mit dem Perikulum im direktesten Widerspruch stehen; von jenem Ausgangspunkte aus hätte nothwendig das Perikulum dem Verkäufer überbürdet werden müssen 2).

Auch die Eigenschaft des Kaufes als eines Geldgeschäfts ist für die Entwickelung im römischen Rechte ohne Zweifel von grosser Bedeutung gewesen; dieser Eigenschaft verdankt der Kauf seine frühzeitige Ausbildung und namentlich auch seine Anerkennung als Consensualcontrakt 3). Dass aber den Römern jemals das Geld die vorzüglichste Sache gewesen, die jeden andern Begriff in sich schloss" und dass deshalb die Geldgeschäfte grundsätzlich zum Vortheil des Geldempfängers organisirt waren, wird auch derjenige nicht ohne Weiteres zugeben, der im Uebrigen von der römischen Geldwirthschaft eine sehr hohe Meinung hat.

Die naturgemässe Anschauung, dass für die Organisation des Kaufes die Sache als das individuelle Gut überwiegt, ist auch von den Römern niemals verläugnet worden.

II. Dem Verkäufer liegen seit alten Zeiten theils nach dem Edikte der Aedilen, theils nach Civilrecht weitgehende Pflichten in Beziehung auf Ansagen von Mängeln und Garantieleistungen ob; die vortheilhafte Lage, in der er sich gegenüber der ihm bekannten Sache befindet, ist dadurch vollständig zu Gunsten des Käufers ausgeglichen 4). Das aedilitische Edikt richtet seine Spitze gegen die Sklavenverkäu

1) Er wird auch meines Wissens für das geltende Recht von Niemandem gelehrt. Nur für ein gewisses Stadium der geschichtlichen Entwickelung behaupten manche Gelehrte die Nothwendigkeit der Vorleistung. Bd. I S. 594. Man sollte erwarten, dass sich Endemann zu Gunsten seiner Auffassung vielmehr auf das Perikulum berufen hätte, das er aber völlig ignorirt.

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2) Vgl. Bd. I a. a. O.

3)) Bd. I S. 483; zu der dort angeführten Literatur vgl. auch v. d. Pfordten, Abhandlungen S. 248-252, Hofmann, die Entstehungsgründe der Obligationen S. 72 fgg.

4) Bd. I S. 351. Dieser überaus wichtige Punkt ist von Endemann gar nicht berücksichtigt. Er allein würde genügen, die Theorie,

fer 1); von der Jurisprudenz ist es auf alle Kaufgeschäfte ausgedehnt worden. Das neue Handelsrecht hat gerade hier sehr erhebliche Restriktionen zu Gunsten des Verkäufers eintreten lassen.

III. Dieser Ausgleichung stehen zunächst keine Pflichten des Käufers gegenüber; abgesehen vom Dolus und von den besonderen Voraussetzungen der in integrum restitutio hat der Verkäufer keine Hilfe gegen einen nachtheiligen Kauf. Diese scheinbare Ungleichheit wird wieder durch das Recht der s. g. laesio enormis einigermassen aufgehoben. Dasselbe gehört dem spätesten römischen Rechte an, ist überhaupt nur in zwei Codexstellen erwähnt, beidemale in Beziehung auf Grundstücke, und es ist daher in keiner Weise abzusehen, wie durch dasselbe die Tendenz, den Verkauf als Speculationsverkauf zu begünstigen, bewiesen werden kann. Ob zweckmässig oder unzweckmässig, so dient es lediglich zur Herstellung des scheinbar gestörten Gleichgewichts zwischen Verkäufer und Käufer. Als dann im Mittelalter die laesio enormis auch auf den Käufer ausgedehnt wurde, ist freilich dieses Gleichgewicht erst recht wieder zerstört worden 2).

IV. Vielleicht die auffallendste Erscheinung im römischen Kaufrechte ist die oben ausführlich besprochene, dass auch eine fremde Sache verkauft werden kann. Fragen wir nun hier, ob diese Organisation des Kaufs zu Gunsten des Verkäufers oder des Käufers wirkt, so lässt sich darauf keine ganz einfache Antwort geben. Zunächst tritt unsnamentlich wo die strengen Voraussetzungen der Eviktionsgarantie festgehalten sind der Vortheil des Verkäufers entgegen. Er braucht nicht sofort den Kaufpreis zurückzugeben, noch Entschädigung (das s. g. negative Vertragsinteresse) zu leisten,

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dass der römische Kauf nach den Interessen des Speculationsverkaufs organisirt sei, zu widerlegen.

1) Also gerade gegen eine Klasse von Speculationsverkäufern; L. 1 §. 2 D. de aed. edict. (21, 1).

2) Die beiden Codexstellen L. 2, L. 8 C. de rescind. vend. (4,44) geben keine Motive für die Neuerung an, ja lassen dieselbe nicht einmal scharf als solche hervortreten. Ob die Kaiser bewusst die im Texte bezeichnete Tendenz oder welche Tendenz sonst sie verfolgten, lässt sich nicht bestimmen; dass das Gesetz objectiv in der oben bezeichneten Weise gewirkt hat, ist unzweifelhaft.

wenn sich die Sache als fremde herausstellt; der Käufer muss warten, bis ihm ein materieller Schaden zugeht. Sobald aber dieser Fall wirklich eintritt, ändert sich die ganze Situation. Nunmehr ist der Verkäufer, der das Erfüllungsinteresse leisten muss, der benachtheiligte 1). Erwägt man nun weiter die Tendenz des klassischen Rechtes, die Garantiepflicht unabhängig zu machen von besonderer Verabredung, und ferner die Fälligkeit derselben unter gewissen Voraussetzungen schon in den Zeitpunkt zu verlegen, da sich die Sache als fremde herausstellt, beziehungsweise sie auch da eintreten zu lassen, wo eine wirkliche Eviktion weder eingetreten ist noch droht, so wird der Gesammteindruck doch dahin gehen, dass der Vortheil dieser Organisation mehr auf Seiten des Käufers als des Verkäufers liegt. Zu der Tendenz, im Wege der Speculation Geld mittelst der Sache zu erwerben, passt diese Behandlung der Eviktion ebenso wenig, als das ganze römische System des Eigenthumserwerbes.

V. Einen Creditkauf als rechtlich formulirte Abart des Kaufes kennt das römische Recht gar nicht. Die rechtliche Sanktion setzt vielmehr Baarzahlung voraus: Credit beruht auf specieller Verabredung. Mag auch in dieser Beziehung eine Abschwächung und Verflüchtigung eingetreten sein, so dass die Form der Stipulation oder der literarum obligatio später nicht mehr nothwendig war, immer beruht der Credit auf irgend welcher besonderen ausdrücklichen oder stillschweigenden Abmachung. Dass die einfache Forderung aus dem Verkaufe selbst schon als Creditirung erscheint, ist eine moderne, aber keine römische Anschauung. Darum gibt es auch, was längst schon hervorgehoben worden ist, im römischen Recht kein pactum reservati dominii; die ausdrückliche Ausschliessung des Creditirens und seiner Wirkungen hat im römischen Recht gar keinen Sinn.

Darum besteht gar kein principieller Gegensatz zwischen Creditkauf und Pränumerationskauf 2). Der letztere setzt

1) Noch entschiedener würde die ungünstige Lage des Verkäufers schon im älteren Rechte dann hervortreten, wenn die actio auctoritatis, wie bekanntlich von Vielen angenommen wird, eine Deliktsklage gewesen wäre.

2) Auch dass der Creditkauf von Seiten der römischen Juristen

ebenso wie der erstere specielle Verabredung voraus, und diese wird in beiden Fällen ganz gleichmässig sanktionirt. Man kann also blos sagen, dass im römischen Verkehre der Pränumerationskauf seltener war als der Creditkauf (vgl. oben S. 18); in dieser Beziehung besteht aber wohl kaum ein Gegensatz zum heutigen Verkehre.

Rechtlich stehen sich gerade hier die beiden Parteien ganz gleich.

VI. Im Uebrigen ist nur noch hervorzuheben, dass das römische Recht auf dem Gebiete der bona fides die Gleichheit zwischen den beiden Parteien gewissenhaft wahrt.

Alles in Allem werden wir also die oben gestellte Frage dahin beantworten können. Der römische Kauf stellt die Sache als das individuelle oder doch individuellere Object in den Vordergrund; er ist Erwerb der Sache gegen Geld, nicht Erwerb von Geld mittelst der Sache. Aber auf dieser Grundlage sind die Beziehungen der beiden Parteien zu einander mit voller Gleichheit gewahrt. Der römische Kauf ist ebenso wenig zur Begünstigung des Käufers als zur Begünstigung des Verkäufers organisirt; er ist ebenso wenig Speculationskauf als Speculationsverkauf. Daher ist auch ein principieller Gegensatz zwischen dem römischen und dem heutigen Kaufe in dieser Beziehung völlig unerfindlich.

§. 138.

Wohl aber kann die Absicht im einzelnen Falle das besondere Moment der Speculation 1) in sich aufnehmen sei es die Absicht beider Theile oder nur die des einen Contrahenten.

Das römische Recht fasst dieses Moment zunächst lediglich als Motiv des einzelnen Geschäftes auf, welches die rechtliche Sanktion nicht ändert. Wollen die Parteien demselben eine weitergehende Bedeutung beilegen, so mögen sie besondere Verabredungen schliessen. Solche Nebenverabredungen, welche dem Zwecke der Speculation dienen können, sind z. B. die

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einer besonderen doktrinellen Construktion gewürdiget" worden sei, muss bestritten werden. Vgl. übrigens Bd. I S. 329 fgg.

1) Diesen Begriff selbst setze ich hier als bekannt voraus. Vgl. Goldschmidt, Handbuch des Handelsrechtes (2. Aufl.) Bd. I §. 40 namentlich A. 13.

addictio in diem, die lex commissoria, unter Umständen wohl auch das pactum displicentiae u. s. w.

Von Rechtswegen1) wird, soweit mir bekannt, die speculative Absicht nur ein einziges Mal berücksichtigt, nämlich in Beziehung auf den Verkauf von Materialien stehender Gebäude. Dieser Verkauf ist aus polizeilichen Gründen verboten und mit Strafe bedroht; die besonderen Bestimmungen interessiren uns hier nicht, Voraussetzung aber ist gerade die speculative Absicht:

L. 52 D. h. t. (Paulus L. 54 ad Edict.): Senatus censuit ne quis domum villamve dirueret, quo plus sibi acquireretur, neve quis negotiandi causa eorum quid emeret venderetve

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L. 2 C. de aedific. priv. (8, 10): Negotiandi causa aedificia demoliri et marmora detrahere edicto Divi Vespasiani et SC. vetitum est; ceterum de alia domo in aliam transferre quaedam licere exceptum est.

Hier hat negotiatio die besondere Bedeutung des Speculirens (quo plus sibi acquireretur); es ist nur hervorzuheben, dass dieselbe zwar häufig, aber keineswegs wesentlich ist; negotiatio bezeichnet auch das einfache Geschäft, den „Handel" in diesem Sinne, ganz gleichbedeutend mit negotium 2).

Die neuere Rechtsentwickelung dagegen legt der speculativen Richtung der Absicht eine selbständige Bedeutung bei,

1) Das aedilitische Edikt hat im klassischen Rechte seine Beziehung auf den Speculationsverkauf vollständig verloren. Auch der lex Anastasiana liegt zwar die Tendenz zu Grunde, den Handel mit Forderungen zu verhindern; allein in der Ausführung kommt diese Tendenz nicht zur Geltung, da jeder Forderungskauf, mit Ausnahme der vom Gesetze selbst hervorgehobenen Fälle, betroffen wird. Vgl. HGB. Art. 299.

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2) Vgl. namentlich L. 21 D. de her. vel a. vend. (18, 4) ex re sed propter negotiationem. Wir haben es hier nur mit dem einzelnen Geschäfte zu thun; die besonderen publicistischen (namentlich steuerrechtlichen) Vorschriften, denen der Kaufmann als solcher unterworfen war, gehen uns nichts an. Ebenso wenig kommt es für uns in Betracht, dass die speculative Absicht unter Umständen als Interpretationsmittel dienen kann; das gilt von jedem Motiv. L. 2 pr. D. de peric. (18, 6). Vgl. Goldschmidt a. a. O. §. 41 A. 1.

Bechmann, Kauf. II.

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