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des königlichen und des republikanischen Oberamts, so war es von Wichtigkeit wenigstens theoretisch diese Procedur zu bezeichnen. In der That findet sich ein solcher Entwickelungsprozess in zwiefacher Weise angedeutet: einmal insofern nach dem Tode des ersten Königs bei dem ersten Eintreten des Interregnum die Möglichkeit bezeichnet wird vom Königthum abzusehen und mit dem rechtlich abgegrenzten Wechsel der Zwischenkönige in die republikanische Ordnung überzutreten 1); zweitens insofern dem abschliessenden Ordner der monarchischen Epoche, dem König Servius die Absicht beigelegt wird, die Königsherrschaft niederzulegen und den Wechsel von Jahrherrschern, wie er nach dem Sturz der Könige begann, selber freiwillig herbeizuführen 2). Beide Erzählungen sind ebenso historisch thöricht wie staatsrechtlich fehlerlos construirt und gleichsam die Probe, dass die grosse Aufgabe aus dem Königthum die Republik herzuleiten vollkommen gelöst war. Die rechtliche Statthaftigkeit des einen wie des andern Verfahrens liegt klar vor, und die wesentlichsten Momente, die das Königthum und die Republik unterscheiden, die Collegialität und die Befristung, sind in dem Interregendecemvirat ebenso vollständig durchgeführt wie in dem Collegium der Consuln. Indem die ersten Consuln gewählt werden auf Grund der vom König Servius hinterlassenen Anweisung und in Verwirklichung des von ihm entworfenen, aber nicht ausgeführten Plans 3), wird unter Beiseitesetzung der, ungerechten Herrschaft des letzten Königs die rechtliche Continuität zwischen dem Königthum einer- und der auf Interregnum und Consulat aufgebauten Republik andererseits so weit hergestellt, als dies die Macht der Thatsachen den Juristen irgend erlaubte.

1) Cicero de re p. 2, 12, 23 cum ... senatus temptaret post Romuli exce sum, ut ipse gereret sine rege rem publicam, populus id non tulit desiderioque Romuli regem flagitare non destitit. Also die Republik oder, was dasselbe ist, die Herrschaft des Senats ist bereits da und für alle Zukunft rechtlich begründet; freiwillig kehrt der Senat auf Bitten der Gemeinde zum Königthum zurück.

2) Liv. 1, 48: imperium quia unius esset, deponere eum in animo habuisse quidam auctores sunt, ni scelus intestinum liberandae patriae consilia agitanti intervenisset. Dionys. 4, 40. Plutarch de fort. Rom. 10. Nach der Wendung, die Cassius Hemina der Erzählung von den Zwillingsbrüdern gibt (1, 71 A. 1), liegt sogar die Frage nahe, ob er nicht schon in ihrer Sammtherrschaft die Consularordnung hat anbahnen wollen.

3) Liv. 1, 60: duo consules inde comitiis centuriatis a praefecto urbis ex commentariis Ser. Tullii creati sunt.

Magistratur

und Priesterthum.

Die magistratische Befugniss des Oberpontifex.

Wenn in Rom anfänglich in der Person des Königs Amt und Priesterthum zur Einheit verschmolzen gewesen sind, so ist zwischen der Magistratur und dem Priesterthum der Republik die Grenzlinie mit römischer Schärfe gezogen. Der gesammte vorschriftmässige Cultus der von der Gemeinde anerkannten Götter ist den Priestern überwiesen, ohne dass den Beamten irgend ein Antheil dabei) oder auch nur ein Oberaufsichtsrecht eingeräumt wäre; die Vertreter der Gemeinde haben als solche wohl für die Stadt das einem jeden Bürger für sich zukommende Recht nach Bedürfniss zu beten und zu opfern, zu geloben und zu weihen, aber auch eben nur dieses. Umgekehrt sind in dem Gemeindewesen die Priester als solche ohne formelle Gewalt 2) und ohne rechtliche Stellung); sie sind zwar angewiesen das

1) Die ehemaligen nur in sacraler Beziehung sich fortsetzenden Magistraturen des Opferkönigs und der tribuni celerum (s. meine R. G. 15, 73) zählen unter den Priesterthümern. Wo sonst stehende Culthandlungen an Magistrate überwiesen sind, fehlt entweder die rechtliche Ständigkeit oder doch die Ursprünglichkeit. Die magistratischen Spiele sind allerdings dem Wesen nach religiöse Acte; aber sie sind auch alle ausgegangen von Gelübden, die sich wiederholt haben und so allmählich ständig geworden sind (vgl. z. B. Liv. 25, 23). Dasselbe gilt von dem Consularopfer am Antrittstag und gewiss noch von zahlreichen ähnlichen Darbringungen. Von Haus aus stehend ist das Herculesopfer, das der Stadtprätor an der Ara maxima am 12. August darbringt; aber bekanntlich ist dies eigentlich ein Geschlechtsopfer und dessen Uebernahme auf die Magistratur durch den vorwitzigen Neuerer Ap. Claudius hat keineswegs den Beifall der Götter. Im Ganzen steht die Regel fest, dass von den heiligen Acten alle Gelegenheitsverrichtungen dem Magistrat, alle festen dem Priester obliegen. 2) Wenn Dionysios 2, 73 von den Pontifices sagt, dass sie ràs apyàs ἁπάσας, ὅσαις θυσία τις ἢ θεραπεία θεῶν ἀνακεῖται, καὶ τοὺς ἱερεῖς ἅπαντας ἐξετάζουat, so weiss ich nicht, an welche Magistrate gedacht ist, und halte das erste Glied für einen irrigen Zusatz des Dionysios.

3) Die einzige Ausnahme ist, dass dem (von dem besonders ausgeschlossenen Opferkönig abgesehen) im Range höchsten Priester, dem Flamen Dialis der Sitz im Senat eingeräumt war (Liv. 27, 8; Handb. 4, 272); und auch dies Recht war bestritten, ja, wenn Livius nicht irrt, streng genommen nicht begründet.

Wohl der Gemeinde wie des Einzelnen durch Rathschlag und Warnung nach Vermögen zu fördern, aber sie haben keine äussere Gewalt ihren Spruch zwangsweise zur Geltung zu bringen. Dem entsprechend ist auch die Organisation der Priesterschaft und der Magistratur in den wesentlichsten Principien diametral entgegengesetzt. Wie der Magistrat nothwendig auf Zeit eintritt, so ist das Priesterthum mit verschwindenden durch die besondere Beschaffenheit des Cultus gebotenen Ausnahmen lebenslänglich oder wenigstens nicht jährig 1). Wenn der Magistrat der Republik nur hervorgehen kann aus unmittelbarer Volkswahl und in gewissen besonderen und im Laufe der Zeit mehr und mehr beseitigten Fällen aus der Cooptation der vom Volke erwählten Collegen 2), so ist bei den Priestern die Volkswahl so schlechthin ausgeschlossen, dass, als die politischen Verhältnisse in der späteren Republik hievon abzugehen zwangen, immer bei diesen Wahlen nur die kleinere Hälfte der stimmberechtigten Volksabtheilungen concurrirte, damit die Wahl wenigstens im Rechtssinn keine Volkswahl werde. Hätte man anders verfahren, so hätte das juristische Kriterium, das die Priester und die Magistrate schied, sich verschoben 3). Also sind materiell wie formell der Kreis des Priesterthums und der magistratische vollständig von einander gesondert 4). Die Frage, in welchem Rangverhältniss Aemter und Priesterthümer zu einander stehen, ist nicht zu beantworten, sondern abzulehnen; es sind ungleiche Grössen. Folgerichtig hat man, als die Würden anfingen verzeichnet zu werden, aus den öffentlichen und den sacralen zwei selbständig neben einander stehende Reihen gebildet (4, 463). Wohl aber nimmt man wahr, dass in der Republik auf die Ehren grösseres Gewicht gelegt ward als auf die

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1) Dass bei Collegien die Functionen wechseln, zum Beispiel die Arvalen jährlich einen Magister und einen Flamen aus ihrer Mitte bestellen, ist keine Ausnahme; und ebenfalls kaum eine, dass die Salier und die Vestalinnen durch Exauguration (Handb. 4, 352) ausscheiden, wenn ihr Alter sie disqualificirt.

2) Mit dem Verschwinden der Dictatur im hannibalischen Kriege ist diese Cooptation gänzlich gefallen.

3) Dies meint Cicero, wenn er de 1. agr. 2, 7, 18 in Bezug auf diese Priesterthümer sagt: per populum creari fas non erat propter religionem sacrorum.

4) Darum sind auch die magistratischen Altersvorschriften und die über die Aemterfolge für die Priesterthümer nicht massgebend: es begegnen schon früh Priester, die noch die Praetexta tragen (Liv. 40, 42, 8 vgl. 29, 38, 7. 42, 28, 13), und ein Oberpontifex, der noch kein curulisches Amt bekleidet hat (Liv. 25, 5), ist eine Seltenheit, aber auch nicht mehr.

Rom. Alterth. II.

2

Rang

verhältniss.

Magistratische Sacral

schaft des

pontifex.

Priesterthümer; die ältesten Denkmäler verzeichnen nur jene, nicht diese1). Sehr wahrscheinlich sind sogar die Priesterthümer erst dadurch, dass eine Quasi-Volkswahl auf sie erstreckt ward, und anfänglich nur so weit dies geschah, unter die Ehren versetzt worden, wie denn auch die vier Priesterthümer, bei denen dies der Fall war, wahrscheinlich vielmehr darum, weil das Volk sie verlieh, als die obersten galten, als umgekehrt 2). In der Kaiserzeit kehrt sich dies um. Der Oberpontifex ist jetzt der angesehenste Mann im Gemeinwesen und unter allen kaiserlichen Titulaturen diese die vornehmste 3). Der Pontificat und der Augurat stehen jetzt, wo alles gleich leere Namen waren, höher im Preise als selbst das ordentliche Consulat 4). Man war nicht in allen Dingen vorwärts gekommen, aber gewiss in der Frömmigkeit.

Aber das Priesterthum selbst kann einer dem Wesen nach

Vorstand magistratischen Oberleitung nicht entrathen. Auch hiefür kann es Ober- erforderlich sein die Genehmigung der Götter aus den himmlischen Zeichen selbständig zu gewinnen; auch hier bedarf es für gewisse Satzungen und Ordnungen einer zu setzen und zu regeln befugten Behörde, vor allem einer Behörde, die befugt ist die Beamten dieses Kreises, die Priester zu bestellen; auch hier kommen, da die Götter als selbständige Rechtssubjecte gefasst werden, sowohl delictische wie vermögensrechtliche Ansprüche derselben vor, die einen Vertreter und Richter fordern. So lange das Königthum bestand, hatte der König, zugleich oberster Beamter und oberster Priester, diese Befugnisse geübt. Jetzt, wo die Gemeindegötter und die Gemeinde selbst in ihrer Vertretung sich schieden, bedurfte es vor allem an höchster Stelle einer Auseinandersetzung

1) Die Scipionengrabschriften des 5. und 6. Jahrh. nennen nur die Aemter, nicht die Priesterthümer. Sämmtliche Elogien und in der Regel auch die Inschriften der späteren Zeit, besonders in dem ältesten Theil des Titulus, den vorangestellten höchsten Aemtern und Priesterthümern, setzen jene die

sen vor.

2) Nur dadurch wird es begreiflich, dass die Epulonen unter den vier maxima collegia stehen, nicht aber die Salier und die Fetialen. Vgi. S. 26 A. 7 a. E. 3) Auf dem Bogen von Pavia werden von Kaiser Augustus wie von sämmtlichen Prinzen erst die Priesterthümer, dann die Aemter genannt.

4) Seneca de ira 3, 31: dedit mihi praeturam: sed consulatum speraveram. dedit duodecim fasces: sed non fecit ordinarium consulem, a me numerari voluit annum: sed deest mihi ad (adhuc?) sacerdotium. cooptatus sum in collegium: sed cur in unum? consummavit dignitatem meam: sed patrimonio nihil contulit. Tacitus hist. 1, 77. Sueton Vitell. 5: non solum honoribus, verum et sacerdotiis amplissimis.

der beiderseitigen Befugnisse; und das Ergebniss davon ist die
Einsetzung eines eigenen mit Auspicium 1)
mit Auspicium) und Imperium 2)
ausgestatteten und gleich dem König lebenslänglichen und
unabsetzbaren 3) sacralen Oberen, des Pontifex maximus. Dass
seine Competenz ein Theil der alten königlichen ist, geht wie
aus ihr selbst so besonders auch daraus hervor, dass ihm das
Haus des Königs an der heiligen Strasse als Amtswohnung ein-
geräumt ward 4). Aber keineswegs ist er, wie der König, Be-
amter, sondern dem Beamten gegenüber jedem anderen Priva-
ten gleichgestellt 5) und mit Recht wird vom Pontificate zunächst
im Sacralrecht gehandelt. Indess auch für das Staatsrecht ist,
theils wegen der Gleichartigkeit der Befugnisse, theils und vor
allem wegen der zum Theil willkürlich gezogenen Grenze es er-
forderlich unter möglichster Vermeidung des eigentlich sacra-
len Gebiets die magistratischen Befugnisse des Pontifex zu
bezeichnen.

des

Die Entstehung der Pontifices liegt ausserhalb des Kreises Bestand unserer Untersuchung. Die gewöhnliche und am meisten sach- Collegiums. gemässe Ueberlieferung führt die Einsetzung des Collegium der Pontifices auf Numa zurück 6); es zählte zuerst fünf oder mit

1) Ein ausdrückliches und zweifelloses Zeugniss, das die Auspicien dem Pontifex beilegte, besitzen wir nicht; aber dass die von ihm vorgenommenen Handlungen die Auspication voraussetzen, ist Bd. 1 S. 12 A. 3. S. 24 A. 1 gezeigt.

2) Cicero de har. resp. 17, 37: in ea domo (die Regia ist gemeint), quae est in imperio. Livius 37, 51, 4 in der Erzählung einer Streitigkeit zwischen dem Oberpontifex und einem Prätor: imperia inhibita ultro citroque.

3) Dio 49, 15: τὴν τοῦ Λεπίδου ἱερωσύνην διδομένην οἱ οὐκ ἔλαβεν· οὐδὲ γὰρ ¿5ğjv Cõvtá tiva ápɛdéodai. 54, 15. 56, 38. Appian b. c. 5, 131. Sueton Aug. 31. Seneca de clem. 1, 10, 1. Cassiodor var. 6, 2. Indess scheint in dem Fall des Lepidus mehr der Mangel eines Präcedens als eine Vorschrift des Sacralrechts im Wege gestanden zu haben; und man wird die Unabsetzbarkeit des Oberpontifex, um so mehr da dieselbe auch für die Augurn und die Arvalen gilt, nicht unbedingt auf die Analogie dieses Priesterthums und des alten Königthums (S. 11 A. 2) zurückführen dürfen.

4) Becker Topogr. S. 223 fg. Ueber den dem Opferkönig gegebenen Theil desselben Gebäudes vgl. S. 13 A. 6. Wie nothwendig es war, dass die,regia in imperio' sei (A. 2), zeigt die Uebertragung des Hauses des Augustus auf die Gemeinde, als dieser Oberpontifex geworden war und seine Wohnung nicht wechseln wollte (Dio 54, 27. 55, 12. Becker Top. S. 425).

5) Cicero de domo 45, 117 tadelt den P. Clodius wegen der Abwesenheit des Pontifex bei seiner Dedication, praesertim cum tribunus plebis vel denuntiare potueris vel etiam cogere. Liv. 33, 42 appelliren die Pontifices und Augurn von den Quastoren an die Volkstribune.

6) Cicero de re p. 2, 14, 26; de orat. 3, 19, 73. Dionys. 2, 73. Zosim. 4. 36. Handb. 4, 188. Eine andere Version (Schrift de viris ill. 3; Liv. 1, 20) lässt den Numa den Pontifex maximus ernennen.

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