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Deutsche Litteraturdenkmale

des 18. und 19. Jahrhunderts

begründet von B. Seuffert, fortgeführt von A. Sauer
unter Mitwirkung von

F. Muncker, W. Scherer, J. Bächtold, E. Schmidt, E. Martin,
J. Minor, L. Geiger, L. v. Urlichs u. s. w.
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GEDICHTE

VON

JOHANN NICOLAUS GÖTZ

AUS DEN JAHREN 1745-1765

IN URSPRÜNGLICHER GESTALT

Klar und wahr

STUTTGART

G. J. GÖSCHEN'SCHE VERLAGSHANDLUNG

1893

Druck von Carl Rembold in Heilbronn.

031 Jan 25 LM W

Einleitung.

Götzens Gedichte sind eine Dactyliothek, voll lieblicher Bilder, eben so Bedeutungsreich, als zierlich gefasst und anmutig wechselnd. Warum haben wir

von ihnen noch keine echte Ausgabe?" So fragt Herder in der Adrastea (Werke, Suphan 23, 324), und indem er selbst mehrere verschollene Gedichte wieder ausgräbt, stellt er die Forderung auf (23, 532): „Da Rammler diese und andre Stücke in seine Sammlung Götzischer Gedichte (1785.) nicht aufgenommen hat: so ist eine vollständigere, treuere, unveränderte Sammlung und Ausgabe derselben sehr wünschenswert. Bisher haben wir nur Götz, den dimidiatum, mutilatum, nicht aber ihn selbst, ganz, wie Er sich der Welt geben wollte."

Bisher ist diese Forderung nicht eingelöst, Götz in seiner wahren Gestalt noch immer unerkannt geblieben. Die Litteraturgeschichte gerade des 18. Jahrhunderts kennt eine Reihe von Dichtern, deren Werke entstellt und verstümmelt auf die Nachwelt gekommen sind; Hölty, Ewald von Kleist und andere sind erst nach 100 Jahren rein und unverfälscht ans Licht getreten; manche sind uns noch heute fremd kaum aber ist ein Dichter so in seiner Entwicklung verkannt, so nach Zufälligkeiten beurteilt worden, wie Götz, dessen erste Jugendgedichte kein Bibliograph nennt, der die für ihn charakteristische Sammlung selbst verwirft, bei seinen Lebzeiten in den entlegensten Anthologien als Anonymus" sich versteckt und erst Jahre nach seinem Tode in einer Ausgabe auftritt, die von dem Allerweltsbesserer Ramler besorgt kaum die Hälfte seiner Gedichte enthält und dreissig Jahre zu spät als ein wahrer Anachronismus erscheint.

Deutsche Litteraturdenkmale. 42.

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Schon früh ertönten Klagen darüber, die nie ganz verstummten. Herder besonders, der Spürer des wahren Talents, hat von den Fragmenten an den „lieblichen“ Dichter im Auge behalten und sich um seine Werke bemüht. Kurz vor des Dichters Tode wurde sein Interesse neu erregt durch Knebel, welcher noch als preussischer Offizier in Potsdam einen Einzeldruck der ,,Mädcheninsel" (nach der gleichfalls unrechtmässigen Ausgabe in C. H. Schmids „Anthologie der Deutschen“ III, 297, mit einigen Verbesserungen) veranstaltet und dem grossen Friedrich in die Hände gespielt hatte (vergl. Deutsche Litteraturdenkmale 16, VIII, wo mehrere kleine Ungenauigkeiten). Knebels Besuch in der versteckten Heimat der „, Winterburger Nachtigall", über den er am 11. September 1780 an Caroline Herder berichtet (Von und an Herder 3, 11), hatte in Herder den Wunsch einer direkten Annäherung an den einsamen Dichter und Amtsgenossen erweckt; wenige Tage später schickt er an Götz die „Briefe das Studium der Theologie betreffend," in die er drei versteckte Gedichte desselben eingerückt hatte (Werke, Suphan 10, 224. 234), und bittet ihn in herrlichen Worten um sein Zutrauen, seine Freundschaft und Anteil an seiner Dichtung (faksimiliert in Fr. Götz, Geliebte Schatten, ungenau abgedruckt bei H. Hahn, J. N. Götz. Th. I. Birkenfelder Progr. 1889 S. 31.) Herder blieb ohne eine erst beabsichtigte Antwort von dem hypochondrischen Einsiedler (Von und an Herder 1, 79); aber die 47 kleinen Gedichte, welche Götz am 31. Oktober 1780 an Knebel übersandte, unter der Bedingung, von diesen Reimen keinen andern Gebrauch zu machen, als sie Herder zu communiciren, (nach dem Original im Besitz von R. Brockhaus gedruckt in meinen Briefen von und an Götz, Wolfenbüttel 1893 S. 109) machten ihn nur nach mehr begierig. In den „Carlsruher Beyträgen" stösst er unter vielem Wust auf Stücke, die er für Götzisch hält, und fordert Knebel auf, sie mit seinem

spürenden Sinne zu durchlaufen (Knebels Nachlass 2, 234). Seine Bemühungen blieben vergeblich. Götz starb am 4. November 1781, ohne die zu Ramlers Gunsten getroffenen Bestimmungen über seinen Nachlass geändert zu haben, und die Hoffnungen, welche Knebel auf eine Erwerbung seiner Papiere und Bücher gesetzt hatte, zerschlugen sich. Das Gerücht, dass Ramler zum Herausgeber eingesetzt sei, wurde bald verbreitet, und nochmals wandte sich, angeblich im Namen einiger ihm genau bekannter eifriger Freunde und Verehrer des Sel. Götze und seiner Muse," wie es scheint aber im Auftrage des Herzogs Karl August (vergl. von und an Herder 1, 79), Wieland am 28. Juli 1784 an Christian Friedrich Schwan, den Schwiegervater von Götzens Sohne, um von letzterem die käufliche Ueberlassung der von seinem Vater ererbten Papiere zu erlangen (Faksimile in den Geliebten Schatten). Auch dieser Schritt blieb erfolglos; der jüngere Götz hatte bereits am 15. November 1782 die Manuskripte, von denen Ramler bereits 687 Stücke besass, an den Herausgeber abgeschickt, und die Weimarer Freunde mussten in Goeckingks „Journal von und für Deutschland" 1784, Stück 6, S. 625 die Ankündigung der Ramlerschen Ausgabe lesen. „Wir werden wenig Freude daran erleben," klagt Knebel (5. Mai 1785, von und an Herder 3, 21) „Ramler soll überall benagt und verdorben haben." Aehnliche Befürchtungen äusserten Götzens alte Freude, Gleim und Uz. Ersterer beabsichtigte schon auf die Kunde von Götzens Tode hin, die Stücke zusammen drucken zu lassen, die in den Musenalmanachen und sonst zerstreut waren (Briefe zwischen Gleim, W. Heinse und J. v. Müller II, 312), und Uz schreibt an Gleim (Anspach, 23. März 1785, ungedruckt): „Auf Götzens Gedichte freue und fürchte ich mich: wenn seine angenehme Nachlässigkeit im Ausdrucke weggeschliffen wird, o wehe!"

Dass Götz nicht einen dieser alten Freunde, son

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