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A. Vermögensrecht.

§. 34.

Als Einzelner gedacht steht der Mensch den Dingen der äußeren Natur gegenüber. Das Vermögensrecht bestimmt die Verhältnisse, welche sich auf die Dinge beziehen, theils insofern sie der rechtlichen Macht einer Person unterworfen sind (Besitz und Eigenthum nebst den abgesonderten Eigenthumsrechten), theils sofern sie in ihre Macht erst gebracht werden sollen (Obligationen). Der juristische Name für jene Dinge der äußeren Natur ist Sache, die Sache ist daher die Grundlage des Vermögens, und Vermögen ist die Gesammtheit der Rechte einer Person, die entweder in der Macht über eine Sache bestehen, oder in dieser ihr Aequivalent findena). So wie nun jedes einzelne Vermögensrecht einen Sachwerth hat, so entspricht auch dem ganzen Vermögen ein solcher Werth. Um diesen zu finden, ist es nicht genug, die Rechte (die activen Bestandtheile des Vermögens) anzuschlagen, sondern es sind von ihrem Werth die Schulden abzuziehen"); ein Gegenstand, den ich einem Anderen zu leisten verpflichtet bin, hat dadurch specifisch nicht aufgehört, zu meinem Vermögen zu gehören, aber er geht dem Werth meines Vermögens ab. Darum aber eben ist es nothwendig, auch die Schulden (als passiven Bestandtheil desselben) unter dem Vermögen mit zu begreifen).

Bon den Sachen und ihren Eigenschaften.

§. 35.

Sache ist ein von der Person äußerlich unabhängiger, aber gänzlich der Unterwerfung unter ihren Willen bestimmter körperlicher Gegenstand. Dieser Begriff der Sache unterliegt einigen Modificationen, und zwar in zwey Punkten:

1) Der Begriff der Sache ist über die körperlichen Gegenstände hinaus erweitert worden. Eine solche Erweiterung liegt nicht in der Eintheilung in res corporales und incorporales, denn diese ist nicht

a) Vgl. L. 49 D. de V. S. (50, 16).

b) L. 39 §. 1 D. eod.: bona intelliguntur cuiusque, quae deducto aere alieno supersunt. Dieser Ausspruch gilt für alle Fälle, wo es sich um den Werth des Vermögens, namentlich also um einen Gewinn, der jemandem dadurch geworden ist oder werden soll, handelt.

c) L. 3 pr. D. de bonor. poss. (37, 1). Diese Vehandlung, bey der ein Vermögen eristirt, in welchem Verhältniß auch active und passive Bestandtheile stehen mögen (sive solvendo sunt bona, sive non sunt, sive damnum habent, sive luerum), tritt überall ein, wo es sich um das Vermögen als juristische Gesammtheit handelt.

als eine Eintheilung der Sachen gemeint"), sondern als eine Einthei= lung der Dinge und Gegenstände, bey der unter den incorporalia die Rechte außer dem Eigenthum verstanden werden»), aber darin, daß in manchen Beziehungen eine Gesammtheit von Sachen als Eine Sache behandelt wird). Ein Ganzes von Sachen läßt sich denken: a) als ein körperliches, von körperlich zusammmenhängenden Sachen (s. g. universitas rerum cohaerentium), dieses als eine Sache zu behandeln, ist dem Begriff der Sache vollkommen gemäß; b) als ein unkörperliches, von körperlich getrennten Sachen, die nur durch eine gemeinsame Bestimmung, der sie vollständig unterworfen worden sind, also innerlich verbunden sind, z. B. Heerde, Waarenlager (j. g. universitas rerum distantium); die Behandlung eines solchen unkörperlichen Ganzen als Sache ist unter jener Ausdehnung des Begriffs der Sache verstanden").

a) (Dieses Mißverständniß war sonst sehr gewöhnlich, und hat durch die Uebertragung der Grundsäße von den Sachen auf die res incorporales bedeutende Jrrthümer erzeugt (z. B. Kunze, Obl. und Sing. Succ. 1855 S. 67, der den Begriff successio in rem auf die Sache bezieht, statt auf das Eigenthum. Vgl. dagegen L. 15 §. 2 D. de contr. empt. (18, 1), L. 177 pr. D. de reg. iur. (50, 17), Arndts §. 56 Anm. 2. Desgleichen bei der Construction des Servituten- und Pfandrechtsbegriffs §. 178 c. §. 193 d. R.)

b) Inst. II. 2: de rebus incorporalibus. Ulpian. XIX. 11. L. 1. §. 1 D. de div. rer. (1, 8), L. 12 in f. C. de praescr. 1. t. (7, 33). (A. M. Rudorff röm. Rechtsgeschichte I. S. 174 Note 11. S. R.)

c) L. 1. §. 3, L. 3 pr. D. de R. V. (6, 1), L. 13 pr. 34 pr. D. de pignor. (20, 1), L. 22 D. de leg. I. (30). Vgl. L. 30 §. 2 D. de usurp. (41, 3). (Brinz, Pand. §. 50: Jene manchen Beziehungen lösen sich — in eine einzige auf. Nur der Vindication zulieb ist Ein Eigenthum an einer Gesammtheit einzelner Sachen aufgestellt worden; so gewinnt es denn auch lediglich in der Vindication Bedeutung und Daseyn; darüber hinaus halten wir es sogar für undenkbar.“ Dagegen Erner, Rechtserwerb durch Tradition S. 217 f. 237 f. Dernburg, Pfandrecht I. 454 f. Göppert, über einheitliche, zusammengeseßte und Gesammtsachen nach röm. Recht 1871 S. 96— 104, welche ausführen, daß der Beklagte nur die Thiere restituirt, an welchen Kläger das Eigenthum speziell nachgewiesen hat, mithin an dem Ganzen so wenig Eigenthum, Nießbrauch, Pfandrecht wie Besiv möglich ist (L. 30 §. 2 D. de usurp. 41,3). Die intentio 'gregem meum esse' enthält troß der Fassung in ius nur eine prozessualische Ausnahme der regelmäßig erforderlichen Spezialvindication (L. 1 §. 1, L. 3 §. 1, L. 6 D. de R. V. (6, 1) vgl. mit L. 7 pr. L. 21 §. 2 D. de exc. r. iud. (44, 2), L. 1 §. 1 D. de instr. (33, 7), L. 6 §. 1 D. de pec. leg. (33, 8). Darin liegt eine Erleichterung und Milderung des strengen Rechts. Eine Pluspetition z. B. ist erst vorhanden, wenn dem Kläger nur die Minderzahl gehört L. 2 D. de R. V. (6, 1). Vgl. Gai. 4, 17. - Außerdem kommt die Heerde bei dem Legat als corpus ex distantibus in Betracht. Vgl. §. 18 J. de leg. 2, 20, L. 22 de leg. I. (30). Göppert, a. a. D. S. 106 f. R.) [S. noch Windscheid Pand. §. 137. Anm. 5-8.1.

d) L. 30 pr. D. de usurp. (41, 3). (Vgl. Göppert a. a. D. S. 70 f., welcher nach

2) Manche Sachen sind durch das Recht der rechtlichen Unterwerfung entzogen worden, es giebt res quarum non est commercium®). Am vollständigsten gilt dieß von den res sacrae (dem Gottesdienst durch eine priesterliche Handlung geweiht) und religiosae (Begräbnißstätten), welche eben darum, weil sie dem menschlichen Recht ganz entzogen sein sollen, res divini iuris heißen (unterschieden von dem Kircheneigenthum, res ecclesiae)), und auf ähnliche Weise, als res sanctae, werden Stadtmauern und Stadtthore behandelts). Am nächsten kommen jenen Sachen die res omnium communes, die eben darum Keinem ausschließlich gehören können; aër, aqua profluens, et mare et per hoc litora maris"). Ist aber die Ausscheidung eines Theils aus dem Ganzen (so beim Meer und Meeresufer) möglich, so ist dieser Theil Gegenstand des Eigenthums, so lange die Ausscheidung dauert'). Von den Sachen sodann, die im Eigenthum des Staats oder einer Gemeinde sind (res publicae), sind dem Eigenthum der Privatpersonen schlechthin entzogen die, quae in publico usu habentur, namentlich

weist, daß die in dieser Stelle enthaltene der stoischen Physik entlehnte Dreitheilung (Ηνωμένα, συνημμένα από διεστῶτα) night als allgemeine Grunblage des Cadent rechts, wohl aber in der speziellen Lehre von der rerum mixtura und der Vindication eine grundlegende Bedeutung gefunden hat. R.) Keine solche universitas rerum ist eine Mehrheit von Sachen, die zusammen zum Dienst einer anderen Sache bestimmt find. L. 3 §. 1 D. de R. V. (6, 1). Eine sonst herrschende Ansicht war, zwey Arten von universitates rerum (zum Theil in Folge des Note a berührten Jrrthums) zu unterscheiden, universitates facti s. hominis (die hier besprochene) und universitas iuris (hereditas, peculium, dos), von denen die Regel gelten sollte: res succedit in locum pretii et pretium in locum rei (vgl. unten §. 149). S. dagegen Hasse, über universitas iuris et rerum und über Universal- und Singularsuccession, Archiv für civil. Praris V. 1. 1822, und Mühlenbruch, über die s. g. iuris und facti universitates das. XVII 12. 1834. [Die neuere Litteratur s. bei Windscheid Pand. §. 42 Anm. 6. S.] — Wegen einiger anderer, in neuerer Zeit über die universitates rerum vorgekommenen Irrthümer vgl. Puchta, Eursus der Institut. II. §. 222 Note g. i. (Gleichartigkeit der Gegenstände, z. V. Waarenlager? Huschke, Zeitschr. für Eivilr. und Proceß XX. Num. 6. 1844 S. 199 ff. R.)

e) Dig. I. 8: de divisione rerum et qualitate. Cod. IV. 40: quae res venire non possunt, et qui vendere vel emere vetantur. Vgl. Puchta, Eursus d. Inftit. II. §. 223. (Böcking, Pand. §. 69–72. Wappäus, zur Lehre von den dem Rechtsverkehr entzogenen Sachen nach römischem und heutigem Recht. 1867. R.)

f) L. 1 pr. 6 §. 3. 4. D. de div. rer. (1, 8), L. 40 D. de relig. (11, 7), L. 21 C. de ss. eccles. (1, 2), L. 14 C. de legat. (6, 37). Diese Ansicht ist übertragen worden auf die christlichen Verhältnisse, die evangelische Kirche hat sie verworfen, indem sie diese Sachen als Kircheneigenthum behandelt.

g) L. 8 pr. 9 §. 3. 4., L. 11 D. de div. rer. (1, 8).

h) L. 2-4 eod., L. 96 pr. 112 D. de V. S. (50, 16).

i) L. 6. pr. 10 D. de div. rer., L. 14. 50 D. de adqu. dom. (41, 1), L. 3. 4 D. ne quid in loco publ. (43, 8), L. 1 §. 17 D. de flumin. (43, 12).

der zu öffentlichen Pläßen und Straßen, auch Wasserstraßen (Flüssen, Canälen, Seen, Häfen) dienende Boden, solange er diese Bestimmung hat*). Anders die übrigen res publicae, welche die pecunia populi bilden, und die nur ausnahmsweise, indem sie für unveräußerlich erklärt werden, dem Privateigenthum entzogen seyn können1). So können endlich noch andere Sachen (z. B. schädliche Substanzen) durch besonderes Verbot dem Privateigenthum entzogen seyn, worüber sich feine allgemeine Regel geben läßt.

§. 35a.

Der Schuß der Sachen, welche dem Privatrecht entzogen, und ihre Erhaltung für den Gebrauch, zu dem sie bestimmt sind, ist eine Aufgabe der Behörden, der sie eine von Parteianträgen unabhängige Thätigkeit zu widmen haben), und dieses officielle Einschreiten ist heutzutage der gewöhnliche Weg, wie Verlegungen jener Sachen beseitigt werden. Das römische Recht eröffnet aber noch einen anderen Weg, den eines Civilverfahrens durch eine Klage gegen den Verlezer, die entweder jedem Glied des Gemeinwesens als Vertreter der Gesammtheit (Popularklage), oder dem zunächst durch die Verlegung Betroffenen gegeben wird"). Diesen Klagen, besonders denen der lez

k) L. 6 pr. D. de contr. emt. (18, 1), L. 24 pr. D. de damno inf. (39, 2), L. 2 §. 2. 17. 21 sqq. D. ne quid in loco publ. (43, 8), L. un. D. ut in flum. publ. (43, 14), L. 15-17 D. de V. S. (50, 16). Verschieden davon ist Privateigenthum, das in publico usu ist. L. 5 pr. D. de div. rer. (1, 8), L. un. pr. §. ult. D. ut in flum. publ., L. 13 D. de adqu. dom. (41, 1). (Streitfrage: ob das Recht des Staats an den res publicae ein publicistisches (,,Staatshoheitsrecht“) oder privatrechtliches (Eigenthum) sei? Ersteres wurde von Keller (1859. 1860. 1861) und Jhering (in zwei Gutachten Nr. I Leipzig 1862, Nr. II Basel 1862, vgl. dessen Geist des röm. Rechts III. S. 347 Note 476), leßteres von Dernburg (1862) in dessen Rechtsgutachten über die Festungswerke der Stadt Basel ausgeführt. Vgl. [über diese Frage jezt besonders Eisele, über das Rechtsverhältniß d. res publicae in publico usu nach röm. R. 1873, wo S. 21 der Say aufgestellt wird: das Rechtsverhältniß der öffentlichen Sachen gehört und zwar ganz und nach allen Seiten dem ius publicum an. Nur wird S. 8 Anm. 3 den flumina publica noch ein von den übrigen öffentlichen Sachen abweichender Charakter beigelegt. S.] s. auch Windscheid, §. 146 Anm. 17. R.)

1) Vgl. L. 39 §. 10 D. de legat. I. (30).

m) S. auch Dig. XLIII. 10: de via publica et si quid in ea factum esse dicetur.

m*) (Bruns, Zeitschr. für Rechtsgeschichte III 1864 S. 406 f. unterscheidet mit Recht die eigentlichen Popularflagen aus dem eigenen Recht des Gebrauchs und der Reparatur öffentlicher Sachen, von den blos procuratorischen. Die hier fraglichen Popularinterdicte gehören jämmtlich der ersten Klasse an. Vgl. L. 2 §. 2 D. ne quid in loco publ. (43, 8). Jhering, Geist des röm. R. I. S. 202. R.)

teren Art, ist auch heutzutage noch Statt zu geben, wo nicht eine stets bereite und überall ausreichende Amtsthätigkeit sie überflüssig macht.

Zum Schuß der res divini iuris ist bestimmt 1) das interdictum ne quid in loco sacro fiat gegen den, welcher an einem geheiligten Ort etwas demselben nachtheiliges unternimmt"), als Kläger kann jedes Glied der betreffenden Religionsgemeinschaft auftreten; 2) das interdictum de mortuo inferendo, welches, um die Beerdigung zu beschleunigen, jedem, der ein Begräbnißrecht an dem Ort hat, und an der Bestattung gehindert wird, ja sogar wenn sein Recht bestritten ist, auf provisorische Beiseßung des Todten gegeben wird°); 3) das interdictum de sepulcro aedificando, welches der an der Errichtung eines Grabmals auf der ihm zuständigen Begräbnißstätte Verhinderte gegen den Störer hat); 4) eine Klage gegen den absichtlichen Verleger einer Grabstätte, für den speciell Berechtigten auf eine durch richterliches Ermessen zu bestimmende Summe, sonst als Popularklage auf 100, und wenn die Verlegung durch Einrichtung einer Wohnung auf dem Grabmal oder Verbauen desselben geschah, auf 200 aureio).

Zum Schuß der öffentlichen Pläße und Wege und ihres Gebrauchs) sind bestimmt: 1) ein Interdict für den, welcher durch die Vorrichtungen eines Anderen auf einem locus publicus benachtheiligt, sey es auch nur, daß ihm ein Vortheil (des Mitgebrauchs, Zugangs, der Aussicht 2c.) entzogen wird); es geht auf Unterlassung jener Vorrichtung, und setzt daher ihre Nichtvollendung voraus (es ist prohibitorisch, nicht restitutorisch), die Beseitigung einer schon vollendeten bleibenden Vorrichtung ist Sache der Behördet); es fällt weg, wenn der Unternehmer eine von ihm nicht überschrittene obrigkeitliche Erlaubniß für sich hat"); 2) ein Popularinterdict gegen den, welcher auf einer Landstraße etwas macht oder darauf bringt, wodurch der Weg verschlimmert und seine Benuzung erschwert wird, auf Unterlassung), gegen den Besißer der

n) L. 1 D. ne quid in loco sacro (43, 6).

o) L. 1 pr. §. 1-4 D. de mortuo infer. (11, 8), L. 43 D. de relig. (11, 7). p) L. 1 §. 5—10 D. de mortuo infer. ([1, 8).

q) L. 3 pr. D. de sep. viol. (47, 12).

r) Nicht jedes öffentliche Grundeigenthum wird hier unter loca publica verstanden, sondern nur das dem gemeinen Gebrauch bestimmte. L. 2 §. 2-5. D. ne quid in loco publico (43, 8). Dig. XLIII. 7.: de locis et itineribus publicis.

s) L. 2 §. 10-15 D. ne quid in loco publ. (43, 8). (Reinhard, Archiv für civ. Pr. XXXII 1849. 8. R.)

t) L. 2 pr. §. 17. 18, L. 7 eod.

u) L. 2 pr. §. 10 eod.

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Wer außer jenem Fall an dem Gebrauch eines locus publicus (der nicht ein Weg ist, s. nachher das Interdict 4) gehindert wird, hat nur

die actio iniuriarum. L. 2 §. 9 eod.

v) L. 2 §. 20-34 eod.

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