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Zweites Buch.

Von den Rechtsverhältnissen.

Erstes Kapitel.
Die Personen.

Begriff der Person.
§. 22.

Indem wir den Menschen in seinen rechtlichen Beziehungen betrachten, heben wir dieß an ihm hervor, daß ihm die Möglichkeit eines Willens zukommt. Wir abstrahiren von seinen individuellen Eigenschaften und Zuständen, die für die moralische Qualification seines Willens entscheidend sind, oder geben ihnen wenigstens nur eine untergeordnete Bedeutung, und stellen jene über der individuellen Verschiedenheit stehende gleichmäßige Macht oder Möglichkeit des Willens an die Spize. Als Subjecte eines solchen in der Potenz gedachten Willens heißen die Menschen Personen, mit diesem Wort wird daher ihre Stellung im Recht bezeichnet. Persönlichkeit ist also die subjective Möglichkeit eines rechtlichen Willens, einer rechtlichen Macht, die Fähigkeit zu Rechten, die Eigenschaft, wodurch der Mensch Subject rechtlicher Beziehungen ist. Sie ist durch allgemeine Rechtsvorschrift mit der Existenz des menschlichen Individuums verknüpft (§. 114. 115). Es giebt Unterschiede der Personen, theils nach der den rechtlichen Willen bestimmenden Stellung des Menschen (als Einzelnen oder als Gliedes eines rechtlich gestalteten Ganzen: Privatperson, öffentliche, kirchliche Person, §. 33. 45), theils nach der vermehrten oder vermin derten Fähigkeit zu Rechten (116 bis 120), keineswegs aber sind die individuellen Unterschiede der Menschen an sich auch Unterschiede der Personen). Nur haben allerdings diese individuellen Zustände einen bedeutenden Einfluß auf die Gestaltung mancher rechtlichen Verhältnisse.

a) Alter z. B., Gesundheit, Gesinnung x. sind Eigenschaften des Menschen, aber man kann nicht eigentlich die Person alt oder jung, gesund oder frank xc. nennen.

Einfluß individueller Zustände.

$..23.

Das Geschlecht, dem der Mensch angehört, männliches oder weibliches), hat keinen durchgreifenden Einfluß auf die rechtlichen Verhältnisse, im Zweifel sind die Rechtssäße für beide Geschlechter bestimmt). Nichts desto weniger ist dem verschiedenen Charakter der Geschlechter in vielen Verhältnissen eine bedeutende Wirkung gegeben, namentlich theils durch Zurücksetzung des weiblichen ), theils durch Begünstigung desselben in Erwägung seiner Hülflosigkeit und Schwäche.

Das Alter hat einen natürlichen Einfluß auf die geistigen und körperlichen Fähigkeiten, der auch im Recht anerkannt wird theils in der Frage der Handlungsfähigkeit (§. 50), und der Fähigkeit zu gewissen Verhältnissen (z. B. Ehe, Aemtern), theils in dem Institut der Vormundschaft, theils bey der In integrum Restitutio, theils als Befreiungsgrund von gewissen Lasten. Bald ist es das geringere, bald das höhere Alter, das diese Wirkungen hat. Die Altersstufen, denen das Recht diese Rücksichten giebt, sind zum Theil bestimmt festgesetzt, zum Theil hat das richterliche Ermessen die nähere Bestimmung für den individuellen Fall zu ergänzen, so namentlich, wo das hohe Alter schlechtweg, die senectus, mit Rücksicht auf die damit verbundenen Infirmitäten hervorgehoben wird), ferner wo die Nähe an einem schon überschrittenen oder an einem noch nicht erreichten Alter theilweise dieselben Wirkungen, wie dieses Alter selbst haben soll, so bey den infantiae proximi und pubertati proximi). Von den genau bestimmten Altersperioden haben die größte Bedeutung 1) die infantia, das Alter unter sieben Jahren, als die erste Lebensperiode des Menschen),

a) Eine völlige Unentschiedenheit des Geschlechts wird nicht angenommen, die Ungewißheit desselben (bei Hermaphroditen) ist durch die Feststellung des in der Zwitterbildung vorwiegenden Geschlechts zu beseitigen. L. 10 D. de statu hom. (1, 5), L. 15 §. 1 D. de testib. (22, 5), L. 6 §. 2 D. de lib. et post. (28, 2).

b) Daher L. 1 D. de V. S. (50, 16): Verum hoc, si quis, tam masculos quam feminas complectitur. L. 195. pr. eod., L. 45 pr. D. de leg. II. (31).

c) L. 9 D. de statu hom. (1, 5). Ein Princip giebt L. 2 D. de R. I. (50,17): Feminae ab omnibus officiis civilibus vel publicis remotae sunt, et ideo nec indices esse possunt, nec magistratum gerere, nec postulare, nec pro alio intervenire, nec procuratores existere. Vgl. noch §. 10 I. de adopt. (1, 11), L. 18 D. de testib. (22, 5).

d) 3. B. L. 8 D. testib. (22, 5), ferner als Grund einer Vormundschaft.

e) §. 10 I. de inut. stip. (3, 19), §. 18 I. de obl. ex del. (4, 1), L. 13 §. 1 D. de dolo. m. (4, 3), L. 4 §. 26 D. de doli exc. (44, 4), L. 111 pr. de R. I. (50, 17). Vgl. Savigny, System III. S. 36-39.

f) L. 14 D. de sponsal. (23, 1), L. 1 §. 2 D. de admin. tut. (26, 7), L. 18 C. de iure delib. (6, 30), vgl. Savigny, System III. §. 107.

2) die Unmündigkeit, das Alter unter 14 Jahren bey Mannspersonen, unter 12 Jahren bey Frauen, diese Epoche scheidet die Menschen in impuberes und puberess); 3) die puberes sind entweder minores oder maiores viginti quinque annis, und diese Epoche des 25. Jahrs ist so wichtig, daß sie in der Regel bey der Bezeichnung minores und maiores verstanden zu werden pflegt (im Deutschen Minderjährige und Voll- oder Großjährige), die Volljährigkeit heißt aetas legitima1). Sie kann auch einem Jüngeren durch Concession des Regenten (venia aetatis) verliehen werden, was indessen ein Alter von wenigstens 20 Jahren bey männlichen, von 18 Jahren bey weiblichen Personen, und die Nachweisung eines verständigen und sittlichen Lebenswandels voraussett'). Der Unterschied aber ist zwischen einem solchen Volljährigen durch Concession und dem natürlich Volljährigen, daß jener noch immer für die Veräußerung unbeweglicher Sachen eines Decrets der Obrigkeit bedarf, wo dies bei einem Minderjährigen nothwendig ist*). §. 24.

Auch solche körperliche oder geistige Unvollkommenheiten, die nicht in dem Geschlecht oder Alter gegründet sind, haben einen theils auf innerer Nothwendigkeit, theils auf anderen Rücksichten beruhenden Einfluß im Recht. So der Mangel körperlicher Integrität: Krankheit), Gebrechen (vitium)"); ferner die Vernunftlosigkeit, welche die

g) L. ult. C. quando tut. esse des. (5, 60), pr. I. qu. mod. tut. fin. (1, 22), L. 5 D. qui testam. (28, 1), L. 4 D. de ritu nupt. (23, 2). Ueber die Geschichte dieser Feststellung der Pubertät s. Savigny, System III. §. 109 bis 111. Alimente, die bis zur Pubertät hinterlassen werden, sollen nach dem Vorgang einer Verordnung Hadrian's für die kaiserlichen Alimentenstiftungen bis auf das 18. und 14. Jahr erstreckt werden. L. 14 §. 1 D. de alim. leg. (34, 1); dieses Alter nennt man plena pubertas, welcher Ausdruck für die 18 Jahre vorkommt, die der Adoptirende älter sein muß, als der: Adoptirte. L. 40 §. 1 D. de adopt. (1, 7), §. 4. I. eod. (1, 11). Das Alter von 18 Jahren für das Richteramt L. 57 D. de re iud. (42, 1) hat mit der Pubertät keinen Zusammenhang.

h) Vgl. Savigny, Von dem Schuß der Minderjährigen im R. R. und insbes. von der lex plaetoria 1833, mit Zusäßen in der Zeitschrift für gesch. Rechtswiss. X 3 [und Savigny vermischte Schriften II. 18. 1850. vgl. Reichsges. v. 17. Febr. 1875.] i) Cod. II. 45: de his qui veniam aetatis impetraverunt. Rudorff, Vormundschaft III. S. 221 ff.

k) L. 3 C. eod. Auch hat die venia aetatis keinen Einfluß auf testamentarische und andere Privatdispositionen, in denen etwas von der Volljährigkeit abhängig gemacht ist, diese wird stets als die natürliche verstanden, wenn nicht eine andere Absicht des Disponenten nachgewiesen werden kann. L. 4 C. eod.

1) Eine Krankheit der Art, daß sie zu einem gewissen Geschäft, um das es sich handelt, untüchtig macht, und daher einen Entschuldigungsgrund abgiebt, heißt morbus sonticus, L. 60 D. de re iud. (42, 1).

m) L. 101 §. 2 D. de V. S. (50, 16): verum est, morbum esse temporalem

Folge einer Geisteskrankheit ist: Wahnsinn (furor), Blödsinn (dementia)), wobey die Möglichkeit vollkommen lichter Zwischenzustände (dilucida intervalla) anerkannt wird, in denen der Einfluß der Geistesverwirrung wegfällt); ferner die Geistesschwäche»), und der von gewissen Lebensberufen nicht leicht auszuschließende Mangel an geistiger Bildung, insonderheit an rechtlicher Einsicht: rusticitas, simplicitas"). Daß diese individuellen Zustände etwas dem Begriff der Persönlichkeit fremdes sind (wie denn auch ihr Einfluß im Recht nur ein secundărer ist), zeigt sich anschaulich darin, daß es Personen giebt, bey denen von ihnen überall nicht die Rede sein kann.

Juristische Personen®).
§. 25.

Die Menschen sind die natürlichen Personen, indem bey ihnen die Persönlichkeit an ein Subject von natürlichem Daseyn geknüpft ist. Das Recht hat aber auch Personen aufgestellt, die eine blos ideelle Eristenz haben, insofern das Subject der Persönlichkeit bey ihnen nur ein Begriff ist, entweder ein Verein natürlicher Personen, universitas personarum, oder ein Vermögen, universitas bonorum. Solche Personen heißen juristische (sonst nannte man sie gewöhnlich, sehr ungeeignet, moralische), oder fingirte. Diese juristischen Personen sind eine Ausnahme von der Regel, wonach dem Menschen, keinem anderen Wesen die Persönlichkeit zukommt, eine Ausnahme, die keine Anomalie, und die durch eine in gewissen Verhältnissen liegende Nothwendigkeit hervorgerufen ist. Die Bestimmung nämlich, die manchen Gütern gegeben ist (für die Zwecke einer Gesammtheit als solcher, oder für einen

corporis imbecillitatem, vitium vero perpetuum corporis impedimentum. Solche Gebrechen sind Stummheit, Taubheit, Blindheit, Zeugungsunfähigkeit. Unter den Zeugungsunfähigen überhaupt, spadones, werden besonders hervorgehoben die durch absichtliche Verstümmelung dazu gemacht sind, castrati. L. 39 §. 1 D. de iure dot. (23, 3), L. 6 pr. §. 1 D. de lib. et post. (28, 2).

n) Savigny, System III. §. 112.

o) [Nur besteht die einmal eingeleitete Curatel fort, und mit dem Ende des lichten Zwischenraums tritt der Curator ohne Weiteres wieder in Function. S.] L. 9 C. qui testam. (6, 22), L. 6 C. de cur. fur. (5, 70), L. 14 D. de off. praes. (1, 18). p) L. 2 D. de postul. (3, 1), §. 4 I. de curat. (1, 23).

q) L. 2 §. 7 D. de iure fisci (49, 14), L. 2 §. 1 D. si quis in ius voc. (2, 5), L. 1 C. de iuris et f. ign. (1, 18), L. 1 pr. D. de test. milit. (29, 1).

a) Savigny, System II. §. 85-102. Puchta in Weiske's Rechtslericon: Corporationen 1840. III. S. 65-70 (Kleine Schriften Nr. 28), Vorlesungen §. 2528. (Mit Rücksicht auf Particularrechte: Unger I. §§. 42. 44. Uhrig, Abh. über d. jur. Person nach dem gem. und dem bes. Rt. im Kgr. Bayern. 1854. K. Pfeifer, die Lehre v. d. jurist. Personen nach gem. und würtemb. Rechte. 1847. R.)

sonstigen über das Interesse bestimmter einzelner Personen hinausliegenden Zweck), macht es unthunlich oder unpassend, als die zu diesen Gütern Berechtigten die einzelnen natürlichen Personen zu behandeln;) die Gesammtheit oder der Zweck selbst ist in solchen Fällen als berechtigtes Subject betrachtet, und somit als Person fingirt worden. Mit dieser Veranlassung der juristischen Personen hängt es denn auch zusammen, daß ihre Rechtsfähigkeit stets nur eine Vermögensrechtsfähigkeit ist, und zwar mit Ausnahme solcher Vermögensrechte, die in wesentlicher Verbindung mit Familienverhältnissen stehen). In jener Sphäre aber ist für sie oder für einzelne Arten derselben manches singuläre Recht eingeführt, theils als Folge ihres von dem der natürlichen Personen abweichenden Daseyns, theils als besondere Begünstigung ihrer Zwecke.

§. 26.

Ein Verein von Personen kann eine gewöhnliche Gesellschaft, privata societas seyn, in welchem Fall kein von den einzelnen Gliedern

b) (Neuerdings hat man die Brauchbarkeit des Begriffs der juristischen Person überhaupt geleugnet und an deren Stelle ein s. g. „Zweckvermögen“ zu seßen versucht, Brinz, Pand. I. Vorr. S. XI. §. 226. 227. S. 979-997. Demelius, Rechtsfiction 1858 S. 85 ff. u. Jahrb. für Dogmatik IV. 2. 1860. Belfer in der Zeitschrift für Handelsrecht IV. 10. 1861. Vgl. dagegen Windscheid §. 49 Anm. 5. Arndts §. 41 Anm. 3 und in Pözl's Vierteljahrsschr. I. S. 93 f. In der That hat der Ausdruck „juristische Person“ gegen sich, daß auch die natürliche Persönlichkeit, sofern man darunter die Rechtsfähigkeit des Rechtssubjects und nicht etwa das mit Selbstbewußtsein und Willensfähigkeit begabte Individuum versteht, auf einer juristischen Abstraction beruht, zu welcher die menschliche Individualität sich nur als Substrat verhält. Vgl. oben §. 22 a. Aber auch die Bezeichnung „fingirte Person“, welche Windscheid §. 49 S. 127 vorzieht, würde im Grunde eine Verneinung der Persönlichkeit enthalten, wie das entgegengesette Ertrem der „organischen Einheit“ (Kunße, Krit. Zeitschr. 5, 359. Baron, Gesammtrechtsverhältnisse 1864 S. 5) die Differenz von der natürlichen Person aufhebt. Mit Recht bemerkt daher auch Brinz S. 995, daß sich von einer eigentlichen Rechtsfiction, namentlich in den Klagen der universitas nirgends eine Spur zeigt. Diese Ausstellungen betreffen aber nur das Wort. Zu der Sache selbst bleibt der wesentliche Unterschied, daß das Privatvermögen einem Jndividuum, das Corporations- und Stiftungsvermögen einer Genossenschaft oder Anstalt gehört. Die Personification, welche übrigens selbst in dem Ausdrucke „Zweckvermögen“ nicht vermieden ist, beruht also nicht, wie Windscheid a. a. D. Note 5 und Bruns in v. Holyendorffs Encyclopädie I. S. 270 annehmen, auf einer beliebigen logischen Denkform, sondern auf einer Rechtsschöpfung und folglich auf einer juristischen Nothwendigkeit. In diesem Sinne ist daher selbst der Name der juristischen. Person jeder andern Bezeichnung ihrer künstlichen und uneigentlichen Persönlichkeit vorzuziehen. R.)

c) Weitere, auf besonderen Gründen beruhende, Einschränkungen ihrer Rechtsfähigkeit, oder der Rechtsfähigkeit einzelner von ihnen, werden bey einzelnen Rechten vorkommen.

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