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in sich schließt, heißt capitis deminutio, und es giebt eine c. d. 1) maxima, wodurch die Freiheit, und damit auch die zweite und dritte Bedingung der Rechtsfähigkeit verloren wird, und die daher keine bloße Minderung, sondern eine gänzliche Aufhebung der Persönlichkeit, eine rechtliche Nullificirung des Menschen enthält, 2) media, wodurch die Civität und damit auch die dritte Bedingung untergeht, 3) minima, die eine Veränderung der familia und damit den Verlust der Agnationsrechte enthält (also nach dem Recht, wie es sich schon zur Zeit der römischen Zuristen gestaltet hatte, nicht wesentlich eine Minderung der Rechtsfähigkeit), zugleich aber noch besondere Wirkungen hat, die indessen im justinianischen Recht weggefallen sind").

Diese ganze Lehre, die schon im justinianischen Recht ihren inneren. Zusammenhang verloren hatte, und darin nur in Bruchstücken und in Reminiscenzen, die des praktischen Gehalts entbehren, erscheint, ist für das heutige Recht eine bloße Antiquität; das Herüberziehen der römischen Terminologie von Status und Capitis Deminutio auf heutige Rechtszustände könnte nur die Folge haben, die Auffassung dieser und die Kenntniß der römischen zugleich zu trüben und zu verwirren»).

B. Stufen der Persönlichkeit nach heutigem Recht.

§. 117.

Die Persönlichkeit hat in dem heutigen Privatrecht eine doppelte Richtung: 1) auf die allgemeinen, keinen besonderen Stand voraussehenden Rechte, wohin namentlich alle die Rechte gehören, die sich auf das römische Recht gründen, 2) auf die Standesrechte, welche die Mitgliedschaft in einem mit einer besonderen Rechtssphäre versehenen Stand voraussetzen. Auf jene bezieht sich die allgemeine oder bürgerliche Rechtsfähigkeit (welche zugleich die Grundlage der gemeinen bürgerlichen Ehre ist §. 119), auf diese die besondere oder Standesrechtsfähigkeit (welcher die Standesehre entspricht). Wie die Rechte, wozu diese leztere befähigt, so fällt auch sie selbst nicht in den Kreis des gemeinen Civilrechts. Die allgemeine Rechtsfähigkeit aber ent= hält zwey Hauptstufen: 1) Das Recht der Persönlichkeit überhaupt, welches (abgesehen von dem natürlichen Tod) nicht aufgehoben (§. 115),

a) Das Nähere über alles dieses s. Puchta, Cursus der Inst. II. §. 210-220. (Dagegen: v. Scheurl, Beitr. I. 1852 No. IX., welcher jede, selbst die minima capitis deminutio nicht als bloße Verminderung der Rechtsfähigkeit, sondern als Untergang der ganzen privatrechtlichen Persönlichkeit, bürgerlichen Tod, aussaßt, und daher auch mit Hugo und Böcking, Instit. §. 58 nicht Te-, sondern Diminutio schreibt. R.)

b) Savigny, System II. §. 75.

aber gemindert werden kann, durch Ehrenminderung (§. 119); 2) das Recht der selbstständigen Persönlichkeit, welches aufgehoben werden fann durch Unterwerfung unter die väterliche Gewalt.

§. 118.

Das Recht der selbstständigen Persönlichkeit hat der Paterfamilias, der homo sui iuris, es fehlt dem Filiusfamilias, der unter väterlicher Gewalt stehenden Person. Die Differenz der Persönlichkeit des Filiusfamilias von dem Recht der selbstständigen Persönlichkeit beruht auf dem Einfluß, den die Unterwerfung unter die väterliche Gewalt auf die Rechtsfähigkeit hat"). "Dieser Einfluß besteht darin, daß der Filiusfamilias kein selbstständiges Vermögen hat). Keinen Einfluß äußert daher die väterliche Gewalt auf die öffentlichen Rechte (wenn sie nicht ausnahmsweise ein selbstständiges Vermögen voraussetzen) c), und auf die reinen Familienrechte. Was aber das Vermögensrecht anlangt, so steht die väterliche Gewalt der Schuldenfähigkeit und der Fähigkeit, Beklagter zu seyn, nicht entgegen"). Active Vermögensrechte kann der Filiusfamilias nach neuem Recht haben, aber sie stehen regelmäßig unter dem Gubernium des Vaters, daher hat sich der alte Grundsatz erhalten, daß er nicht als Kläger auftreten kanne), wenn nicht als

a) Vgl. Savigny, System II. §. 67. 71–74, vgl. S. 150. Puchta, Cursus der Inst. II. §. 219.

b) Das Princip des alten Rechts war Unfähigkeit, Vermögensrechte zu haben, das Princip des neuen ist Unfähigkeit, über das Vermögen irgendwie zu disponiren. Beides bringt in Beziehung auf die Persönlichkeit nahezu dieselben praktischen Resultate hervor. (Scheurl a. a. D. nimmt auch nach altem Recht keine Unfähigkeit, sondern nur ein Gebundensein durch das alienum ius an: allein darin liegt zugleich auch eine Rechtsunfähigkeit, vgl. Gai. 2, 96. R.)

c) L. 9 D. de his qui sui vel alieni iuris sunt (1, 6): Filiusfamilias in publicis causis loco patrisfamilias habetur, veluti ut magistratum gerat, ut tutor detur.

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d) L. 39 D. de O. et A. (44,7): Filiusfamilias ex omnibus causis tanquam paterfamilias obligatur et ob id agi cum eo tanquam cum patrefamilias potest. L. 57 D. de iud. (5, 1), L. 5 pr. D. quod cum eo (14, 5), L. 44. 45 D. de pecul. (15, 1), L. 6 §. 7 D. de A. E. V. (19, 1), L. 141 §. 2 D. de V. O. (45, 1). Modificationen hinsichtlich des Gelddarlehns und der Pollicitationen. Auf diese bezieht sich vielleicht L. 43 D. de O. et A. (44, 7): Obligari potest paterfamilias, suae potestatis, pubes, compos mentis Vgl. L. 2 §. 1 D. de pollic. (50, 12): voto autem patresfamilias obligantur, puberes, sui iuris e) L. 8 §. 3 C. de bon. qu. lib. (6, 61), L. 9 D. de O. et A. (44, 7): Filiusfamilias suo nomine nullam actionem habet nisi iniuriarum et quod vi aut clam et depositi et commodati, ut Iulianus putat. L. 13 §. 2 D. quod vi (43, 24). Andere Ausnahmen: L. 12 D. de in ius voc. (2, 4), L. 8 pr. D. de procur. (3, 3), L. 22 pr. D. de inoff. test. (5, 2). Vgl. L. 13 D. de O. et A. Buchta, Pandekten. 12. Aufl.

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Procurator eines anderen Berechtigten. Noch mehr steht die väterliche Gewalt Rechtsgeschäften und Processen zwischen Vater und Sohn entgegen. Der Mangel eines selbstständigen Vermögens macht endlich den Filiusfamilias unfähig, ein Testament zu errichten. Es giebt Güter, welche durch singuläres Recht dem Einfluß der väterlichen Gewalt entzogen sind; in Beziehung auf diese sind auch, soweit diese Befreiung reicht, jene Beschränkungen der Persönlichkeit außer Wirkung gesetzt).

C. Ehrenminderung").

§. 119.

Die Persönlichkeit giebt eine sittliche Achtung, die zu bewahren die Pflicht der Person ist; dieses sittliche Element macht die Rechtsfähig= feit zur Ehre (existimatio)). Aber nur das Recht der Persönlichkeit überhaupt (sowohl als allgemeine denn als Standes-Rechtsfähigkeit) hat jene Begleiterin, nicht das Recht der selbstständigen Persönlichkeit: es giebt eine gemeine bürgerliche und eine Standes-Ehre, aber es ist keine Ehre, Paterfamilias zu sein). Die Verbindung nun einer sittlichen Achtung mit der Rechtsfähigkeit bringt eine natürliche Rückwirkung auf diese selbst mit sich: die Rechtsfähigkeit kann dadurch gemindert werden, daß jemand durch seine Schuld die Achtung seiner Rechtsgenossen einbüßt, Ehrenminderung ist zugleich Minderung der Rechtsfähigkeit.

In der Ehre gemindert ist, wer sich einer Handlung oder eines Zustandes schuldig macht, welcher ihm dem sittlichen Urtheil seiner Mitbürger gemäß die Achtung ganz oder theilweise entzieht. Dieß

(44,7): In factum actiones etiam filii familiarum possunt exercere, eine Stelle, die im justinianischen Recht keinen zu rechtfertigenden Sinn hat.

f) L. 8 pr. D. de proc. (3, 3), L. 18 §. 1 D. de iud. (5, 1). Auch die Fähigkeit, Popularklagen anzustellen, ist darauf zu gründen.

g) Die nähere Darstellung des Einflusses der väterlichen Gewalt auf das Vermögen wird in der Lehre von dieser Gewalt selbst gegeben.

a) Burchardi, de infamia ex disciplina Romanorum 1819. Marezoll, über die bürg. Ehre, ihre gänzt. Entziehung und theilw. Schmälerung 1824. Savigny, System II. §. 76-83. 1840. Puchta, Cursus der Inst. II. §. 216. (Ueber das Geschichtliche: Karlowa, zur Geschichte der Infamia, Ztschr. für R. G. IX. 1870 . 204-238. R.)

b) L. 5 §. 1 D. de extraord. cogn. (50, 13): Existimatio est dignitatis illaesae status legibus ac moribus comprobatus

c) Das römische Recht knüpfte die Ehre an die Eivität, und zwar an die politisch berechtigte. Daß sie im Privatrecht zur Sprache kommt, ist nur ein Accessorium.

heißt im römischen Recht nota (levis nota), turpitudo), Ausdrücke, die nur einen quantitativen Unterschied bezeichnen. Die rechtlichen Wirkungen dieser Ehrenminderung sind 1) im allgemeinen eine Zurücksetzung des Verächtlichen überall, wo das richterliche Ermessen die Individualität zu berücksichtigen hat); 2) speciell: Ausschließung von einer famosa actio gegen einen Unbescholtenen, von der querela inofficiosi testamenti gegen das Testament eines Geschwisters und Statthaftigkeit der Querel gegen den Verächtlichens). Diese Ehrenminderung kann gehoben werden durch famae restitutio von dem Regenten, deren Wirksamkeit aber voraussetzt, daß der Grund der Verächtlichkeit nicht fortdauert.

§. 120.

Neben dieser unbestimmten Ehrenminderung, deren heutige Anwendbarkeit keinem Zweifel unterliegt, und mit ihr unter dem gemeinsamen Namen der ignominia begriffen, kommt im römischen Recht noch eine andere, in ganz bestimmt und eigenthümlich ausgebildeter Form, unter dem Namen der infamia vor (bey den Neueren infamia iuris). Die Ehre kann durch einen Grund, mit welchem eine Rechtsvorschrift diese Folge speciell verbindet, theils aufgehoben werden (consumitur existimatio) wenn ein Bürger durch eine Verurtheilung capitis deminutio maxima oder media erleidet1) —, theils gemindert (minuitur existimatio); diese durch specielle Rechtsvorschrift begründete Ehrenminderung ist die infamia. Sie tritt ein als Folge 1) der Verurtheilung in einem iudicium publicum, welches Verbrechen auch dasselbe veranlaßt haben, und welche Strafe sonst noch damit verbunden seyn magi), vorausgeseßt, daß die Verurtheilung nicht sogar die consumtio existimationis zur Folge hat; 2) der Verurtheilung wegen

d) Von unseren Juristen auch infamia facti genannt wegen L. 2 pr. D. de obsequ. par. (37, 15).

e) Beym Zeugniß, L. 3 pr. D. de testib. (22, 5), Nov. 90 c. 1, bey der vormundschaftlichen Administration, L. 17 §. 1 D. de test. tut. (26, 2), bey der Entscheidung des Besißstandes für das interdictum de liberis exhibendis, L. 3 §. 4.5 D. de lib. exh. (43, 30).

f) L. 11 §. 1 D. de dolo (4, 3).

g) L. 11. 19. 27 C. de inoff. test. (3, 28).

h) L. 5 §. 3 D. de extraord. cogn. (50, 13).

i) L. 1 D. de his qui notantur infamia (3, 2), L. 7 D. de publ. iud. (48, 1). Iudicia publica sind Criminalprocesse, die auf den leges iudiciorum publicorum beruhen, L. 1 eod. Ist eine schwerere Strafe, als recht war, verhängt und erduldet worden, und zwar eine solche, die sich nachher nicht noch mindern läßt, so wird dagegen die Infamia nachgelassen, L. 13 §. 7 D. de his qui not., L. 10 §. 2 D. de poen. (48, 19), L. 15 pr. D. ad munic. (50, 1).

eines crimen extraordiuarium, wenn es ein Verbrechen ist, bey dem auch die Verurtheilung auf Civilklage (s. 3) infamiren würde*); 3) der Verurtheilung wegen einiger Privatdelicte: Diebstahl, Raub, Injurie, Betrug, sepulcri violatio1); 4) der Verurtheilung mit der actio directa aus der Societät, Tutel, dem Mandatum (hier auch bey der actio contraria), dem Depositum (daher contractus famosi genannt)TM); 5) des richterlichen Decrets, welches einen Vormund wegen Dolus abseßt"), des Urtheils, wodurch der Zinswucher constatirt wird °), der missio ignominiosa eines Soldaten); 6) gewisser Vergehen und unsittlicher Handlungen ohne Urtheil oder Decret: Verlegung der Trauerzeit, doppeltes Verlöbniß, doppelte Ehe"), Ehebruch der Frau, wenn sie darüber betroffen worden ist), Verlegung eines von dem Verlezer beschworenen Vergleichs oder Erlaßvertrags), Ehe des Vormundes oder seines Sohnes mit der Mündelin vor gänzlicher Beseitigung der Möglichkeit von Ansprüchen aus der Vormundschaft) u. s. w."); 7) gewisser Gewerbe: der Schauspieler, Thierkämpfer, Huren, Hurenwirther). Die Infamie ist der Regel nach etwas dauerndes *), aber sie kann aufgehoben werden durch in integrum restitutio gegen das sie begründende Urtheil), und durch restitutio famae von dem Regenten).

k) L. 7 D. de publ. iud. (48, 1), L. 13 §. 8 D. de his qui not. (3, 2). Jn L. 2 D. stellion. (47, 20) heißt famosum iudicium so viel als iudicium publicum, weil nur dieses regelmäßig famosum ist. Marezoll a. a. D. S. 134 ff.

1) L. 1. 6 §. 1, L. 15-19 D. de his qui not. (3, 2), L. 1 D. sep. viol. (47, 12). Loskauf von der Klage hat hier die Wirkung der Verurtheilung, L. 6 §. 3 D. de his qui not.

m) L. 1. 6 §. 5. 7, L. 7 eod.

n) L. 3 §. 18, L. 4. 7 §. 1 D. de susp. tut. (26, 10).

o) L. 20 C. ex quibus causis infamia irrogatur (2, 12). .

p) L. 1 D. de his qui not. (3, 2).

q) L. 1 eod. (Savigny, System II. Beilage VII. S. 538 ff. Rudorff, Ztschr. für R. G. IV. S. 53 ff. Karlowa daselbst IX. S. 212–238. R.)

r) L. 43 §. 12. 13 D. de ritu nupt. (23, 2).

s) L. 41 C. de transact. (2, 4).

t) L. 66 pr. D. de ritu nupt. (23, 2).

u) S. Marezoll a. a. D. S. 192 ff.

v) L. 1. 24 D. de his qui not. (3, 2), L. 1 §. 6 D. de postul. (3, 1), L. 43 §. 4 D. de ritu nupt. (23, 2). - Die Fälle 1-5 begreifen die Neueren unter dem Ausdrud infamia iuris mediata, die Fälle 6, 7 nennen sie inf. i. immediata.

w) L. 43 §. 4 D. de ritu nupt. (23, 2), L. 4 §. 4 D. de re mil. (49, 16), L. 6 C. ex qu. c. infam. (2, 12). Ausnahmen: L. 8 D. de postul. (3, 1), L. 3 §. 1 D. de decur. (50, 2), L. 1. 2 C. de his qui in exil. (10, 59).

x) L. 1 §. 10 D. de postul. (3, 1).

y) Nicht dieselbe Wirkung hat die Begnadigung, diese befreit nur von der Er

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