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für den Fall ihres Eintritts die Wiederherstellung gesichert werden soll. Die Acte sind entweder Privatrechtsgeschäfte (eigentliche Cautionen), oder richterliche Verfügungen (missio in possessionem, Arrest, Sequestration)").

Die Cautionen können den Zweck haben, 1) die Existenz, namentlich die Gewißheit, theils überhaupt, theils in Beziehung auf den Umfang und Betrag, und die Klagbarkeit des Anspruchs oder auch eine vortheilhaftere Klage dem Berechtigten zu sichern und herzustellen; dazu genügt ein bloßer Vertrag mit dem Verpflichteten, repromissio, Verbalcaution, etwa mit Hinzukommen einer den Beweis erleichternden schriftlichen Abfassung (cautio in diesem Sinn) **), 2) die Erfüllung einer Verbindlichkeit durch Einwirkung auf das Gewissen des Verpflichteten zu sichern, unter Umständen auch die Anfechtung des Geschäfts auszuschließen; dieß ist das Ziel der Bestärkung eines Versprechens durch Eid, der juratorischen Caution, 3) die Realisirung des Anspruchs gegenüber einem Unvermögen des Verpflichteten oder son= stigen Hindernissen zu garantiren, wofür weder die Verbal- noch die juratorische Caution ausreicht; darin besteht die Natur der Realcaution, durch welche der Verlegung entweder vorgebeugt (z. B. Sequestration), oder für den Fall ihres Eintritts neben den Rechtsmitteln gegen den Verpflichteten noch ein anderer Anspruch, sey es gegen eine andere Person (Caution durch Bürgen, cautio fideiussoria, satisdatio), oder an eine Sache (Caution durch Pfand, cautio pignoraticia) zum Zweck der Befriedigung gegeben wird.

Die Verpflichtung, eine Caution zu bestellen, kann durch Privatwillen (Vertrag oder testamentarische Verfügung), oder durch Rechtsvorschrift entstehen, darauf bezieht sich die Eintheilung in c. voluntariae und necessariae. Die cautiones necessariae) sind meistens

a) (Muther, Sequestration und Arrest im römischen Recht. 1856. R.) a*) Solche Cautionen sind cautio damni infecti, die Festseßung einer Conventionalstrafe, die einstweilige vertragsmäßige Aestimation eines künftig etwa zu leistenden Werths (aestimatio taxationis gratia) die Wahl einer Contractsform, mit welcher processualische Vortheile für den Gläubiger verknüpft sind, wie es nach römischem Recht bey der Stipulation, als Erzeugerin einer stricti iuris actio, der Fall war.

b) Dig. XLVI. 5: de stipulationibus praetoriis. XXXVI. 3. XLVI. 6-8. II. 8: qui satisdare cogantur vel iurato promittant vel suae promissioni committantur. Die Fälle sind theils processualische, theils civilrechtliche; die letteren werden an den einzelnen Orten erwähnt werden. (Vgl. Schlayer, von den Cautionen im Civilprocesse in Linde's Zeitschrift. N. F. IX. 1. 7. 10. Schirmer, über die prätorischen Judicialstipulationen, mit besonderer Berücksichtigung der cautio indicatum solvi, eine rechtshistorische Abhandlung. 1853. Bähr, die Anerkennung als Verpflichtungsgrund 1856 §. 1. 2. R.)

Realcautionen (durch Bürgen oder Pfand) ©), ein Zweifel darüber ist vor allem nach dem Zweck der Caution zu entscheiden; bringt dieß die Sache nicht zur Gewißheit, so ist allerdings Verbalcaution als das minimum anzunehmem). Bey cautiones voluntariae geht die Inten= tion regelmäßig auf eine reelle Sicherung, doch ist bey testamentarischen im Zweifel Verbalcaution (als das minimum) anzunehmen). Die Verbindlichkeit zu einer Realcaution (voluntaria und necessaria) wird nur durch Stellung einer rechtsbeständigen erfüllt), eine nicht hinreichende oder materiell untüchtige (3 B. ein insolventer Bürge) braucht nicht angenommen zu werden, ist sie angenommen, so ist der Verbindlichkeit genügts).

C. Schuß.

§. 80.

Die Möglichkeit der Verlegung macht den Schuß der Rechte, dessen Zweck die Beseitigung der Verletzung ist, zu einem wesentlichen Bedürfniß. Jede Verletzung ist eine Rechtswidrigkeit, daher die Ausübung eines Rechts, wenn sie auch einen Anderen beeinträchtigt, keine Rechtsverlegung ist), indessen braucht diese keine unerlaubte Handlung zu seyn.

c) L. 1 §. 5 D. de stip. praet. (46, 5).

d) Vgl. §. 66 Note w. Bei cautiones necessariae brauchen Fiscus und respublicae statt der Realcaution nur Verbalcaution zu leisten. L. 1 §. 18, L. 6 §. 1 D. ut leg. serv. (36, 3), L. 3 §. 5 D. si cui plus (35, 3), vgl. L. 2 §. 1 D. de fundo dot. (23, 5). Bei processualischen Cautionen sind zur juratorischen statt Realcaution zugelassen personae illustres und gewisse andere Beamte. L. 17 pr. C. de dignit. (12, 1), L. 12 pr. C. de prox. sacr. scrin. (12, 19), L. 3 §. 3 C. de privil. schol. (12, 30), ferner Personen, die keine Realcaution aufzubringen vermögen, Nov. 112 c. 2, vgl. jedoch L. 7 §. 2 D. qui satisd. cog. (2. 8), endlich Besizer (zu Eigenthum oder Emphyteusis) unbeweglicher Güter. L. 15 eod., L. 26 C. de episc. aud (1, 4), L. 4 §. 1 C. de sportul. (3, 2), L. 12 pr. C. de prox. sacr. scrin.

e) L. 3 C. de V. S. (6, 38).

f) L. 3 D. de fideiuss. (46, 1), L. 6. 7. pr. 8 §. 3 D. qui satisd. cog. (2, 8), L. 1 D. si quis in ius voc. (2, 5).

g) L. 3 D. de fideiuss., L. 3 §. 3 D. ut in poss. leg. (36, 4). Nur wenn die Caution nachher durch nicht vorauszusehende Umstände untüchtig wird, kann eine neue verlangt werden. L. 10 §. 1 D. qui statisd. cog. (2, 8), L. 4 D. ut in poss. leg., L. 4 D. de stip. praet. (46, 5).

a) Qui iure suo utitur, nemini facit iniuriam, vgl. L. 55. 151 D. de R. I. (50, 17). In gewissen Verhältnissen treten Billigkeitsrücksichten gegen eine nußlose, andern schädliche Ausübung ein. L. 38 D. de R. V. (6, 1), L. 1 §. 12, L. 2 §. 5. 9 D. de aqua pluv. (39, 3). Man muß sich aber hüten, daraus die allgemeine Regel:

Es ist ein Schuß der Rechte durch Eigenmacht denkbar»). Eine Handlung ist an sich und abgesehen von besonderen Rechtsvorschriften nicht schon darum widerrechtlich, daß sie unter jenen Begriff fällt, sich als Selbsthülfe darstellte). Eine solche besondere Rechtsvorschrift ist das decretum D. Marci, welches den Gläubiger, der um seiner Befriedigung willen Sachen des Schuldners ohne dessen Willen und ohne den Richter in Besiß nimmt, mit dem Verlust der Forderung bestraft“), was auf den Gläubiger, welcher den Schuldner zwingt, ihm Sachen zu geben), oder der Sachen eines Dritten zu jenem Zweck), oder der Kinder seines Schuldners sich bemächtigts), ausgedehnt worden ist; ferner das Gesetz, welches den einer in fremdem Besitz befindlichen Sache, auf die er Anspruch macht, sich Bemächtigenden mit dem Verlust seines Anspruchs bedroht"). Umgekehrt macht der Umstand, daß sie zum Schuß eines Rechts vorgenommen ist, eine unerlaubte Handlung, namentlich Gewalt, nicht zu einer erlaubten, doch ist eine Gewalt gestattet, wenn sie unter den Begriff der Selbstvertheidigung,

quod mihi prodest, et tibi non nocet, ad id potes cempelli, zu ziehen, die in solcher Allgemeinheit ganz falsch und unbrauchar ist.

b) In dieser Lehre ist ein Streit zweyer Principien: das eine besteht in der apriorischen Erklärung der Selbsthilfe als Unrecht, s. z. B. Linde, Zeitschr. für Givilr. und Civilpr. I. 21. 1828, und die meisten neueren Juristen, das andere stellt den entgegengesetzten Saß an die Spiße, Benfey im Rhein. Mus. VII. 1. 1835. [Jeßt auch Windscheid Pand. §. 123. Anm. 1.] (Vgl. auch Schwarze im Rechtslericon X. S. 126-145. [Schmitt, die Selbsthülfe im röm. Priv. R. 1868.] Gine wesentliche Voraussetzung der Selbsthülfe ist das Bestrittenseyn des Rechts, ohne dieses fällt der Schuß desselben unter den Begriff der Ausübung. R.)

c) L. 29 §. 1 D. ad L. Aquil. (9, 2).

d) L. 13 D. quod metus (4, 2), L. 7 D. ad L. Iul. de vi priv. (48, 7). Criminelle Strafe: Verlust eines Drittheils des Vermögens und Infamie. L. 8 eod. — Vgl. Sartorius, Zeitschr. für Givilr. XX. 1 (welcher das Decret für unanwendbar hält, wenn der Gläubiger die ihm geschuldeten Sachen wegnimmt): Burchardi, An= wendung des s. g. decretum D. Marci bey zweiseit. Obligationen, in Beziehung auf einen Rechtsfall erörtert, Archiv für civ. Pr. XVIII. 16.

e) L. 12 §. 2 D. quod met. (4, 2).

f) Nov. 52 c. 1.

g) Nov. 134 c. 7.

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h) L. 7 C. unde vi (8, 4). Eine Ausnahme von diesen Verboten macht die Unmöglichkeit richterlicher Hülfe, auch nach den Worten des deer. D. Marci: optimum est, ut, si quas putas te habere petitiones, actionibus experiaris, und nach L. 10 §. 16 D. quae in fraud. cred. (42, 8): Si debitorem meum secutus essem fugientem secum ferentem pecuniam, et abstulissem ei id, quod mihi debeatur (Gegen die heutige Anwendung der römischen Privatstrafen: Seuffert's Archiv I. 220. X. 5. Dafür XII. 4. XV. 97. N.)

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d. h. der Abwehr einer versuchten rechtswidrigen Veränderung rechtlicher Zustände fällt').

Aber dieser Schutz durch Eigenmacht ist ein unvollkommener und unzureichender, nicht blos weil er eine nur zufällig auf Seiten des Verletzten liegende Uebermacht voraussetzt, und weil seine allgemeinere Anwendung die Rechtssicherheit gefährden würde, sondern auch weil er überall nicht zum Ziele führt, wo die Rechte bestritten sind, ihr Schuß also eine Entscheidung über ihr Daseyn erheischt. Der sichere, der Natur des Rechts entsprechende und ausreichende Schuß ist der durch das Organ des allgemeinen Willens, die Obrigkeit, den Richter, ertheilte. Für die Geltendmachung der Rechte vor Gericht, und das in Folge derselben eintretende, auf Entscheidung des Rechtsstreits und Beseitigung der Verlegung gerichtete Verfahren besteht eine rechtliche Ordnung, der Civilproceß, der einen besonderen Theil des Rechts bildet*). Aber das gerichtliche Verfahren wirkt auf die Rechte selbst ein, und diese prozessualischen Einwirkungen fallen in den Bereich des Civilrechts. Sie bestehen theils in den mit den Rechten verbundenen Mitteln ihrer Geltendmachung (Klagen und Einreden), theils in den Veränderungen, welche die Rechte durch das erhobene Verfahren selbst, und zwar durch den Eintritt in den Proceß (Litiscontestation), durch die Nothwendigkeit, dem Richter die Ueberzeugung von ihrer Eristenz zu verschaffen (Beweis), und durch den Schluß des Verfahrens (Entscheidung, Urtheil) erleiden.

i) L. 1 §. 27 D. de vi (43, 16): Vim vi repellere licere.— L. 3. §. 9 eod.:confestim non ex intervallo

k) (Der heutige gemeine Civilproceßz beruht wesentlich auf canonischen und germanischen Rechtselementen, die Verbindung mit den Pandekten ist daher seit Thibaut allgemein als unpassend aufgegeben. — Die römische Gestaltung des Civilprocesses und der Actionen ist übersichtlich dargestellt von Keller, der röm. Civilproceß. Dritte Aufl. 1863. Rudorff, röm. Rechtsgeschichte II. 1859 §. 1-97; in voller Ausführung in dem grundlegenden Werk von Bethmann-Hollweg, der Civilproceß des gem. Rechts in geschichtlicher Entwicklung. Vand I-III: der römische Eivilproceß. 1. Legis Actiones 1864. 2. Formulae 1865. 3. Cognitiones 1866. Band IV u. V. 1868. 73 behandeln den germanisch-romanischen Civilproceß im Mittelalter. — Specieller und auf anderer Grundlage: Der Justinianische Libellproceß. Ein Beitrag zur Geschichte und Kritik des ord. Civil-Processes von Dr. Karl Wieding 1865. — Zur Geschichte der Reception: Beiträge zur Literatur-Geschichte des Civilprocesses v. Dr. J. de Wal. Aus den Vijdragen voor Rechtsgeleerdheit en Wetgeving überjett v. Dr R. Stinging, 1866, Stinging, Gesch. der populären Litteratur. 1861. R.)

II. Von Klagen und Einredena).

A. Begriff und Entstehung der Klagen.

§. 81.

Klage, actio, das Mittel, ein Recht gegen einen Anderen vor Gericht selbstständig zu verfolgen, ist im processualischen Sinn eine Proceßhandlung, in welcher der sein Recht Verfolgende (Kläger, actor) die factischen und rechtlichen Grundlagen desselben darstellt, seinen Anspruch gegen seinen Gegner (Beklagten, reus) daraus ableitet, und ihn als Gesuch an den Richter (petitum) formulirt. Im materiellen Sinn, welcher der hier zur Sprache kommende ist, wird so die Möglichkeit dieses Acts, das Klagerecht, genannt. In diesem Sinn ist die Klage das Annerum eines Rechts, ein Zusaß zu seinem Inhalt (nicht, wie manche geglaubt haben, ein Recht für sich); daher ist sie schon vor ihrer wirklichen Anstellung vorhanden, ja man kann ihr Daseyn im allgemeinen von dem Daseyn des Rechts, aus dem sie entspringt, datiren). Man hat bey der Klage im materiellen Sinn drey Momente

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a) Inst. IV. 6 sqq. D. XLIII. 1. XLIV. 1. 7. Cod. IV. 10. VIII. 1. 36. Savigny, System Bd. V. (Hasse der Jüngere, über das Wesen der actio, Rhein. Mus. VI. 1. 6). J. H. Böhmer, doctrina de actionib. ed praxin hod. accomm. 1710 u. öfter. W. H. Puchta, über die gerichtlichen Klagen, besonders in Streitigkeiten der Landeigenthümer, 1833. 2. Aufl. 1840. (Windscheid, die Actio des röm. Eivilrechts, vom Standpunkt des heutigen Rechts. 1856. Pand. §. 43— 48. §. 100-112. §. 193-199. §. 217. §. 235 versucht das römische System der vermeintlich selbstständigen“ Actionen durch ein System der „Ansprüche“ und eigentlichen Klagrechte“ (im Fall des Widerstreits) zu erseßen. Dagegen Muther, zur Lehre von der röm. Actio 1857 und wiederum Windscheid, die Actio, Abwehr gegen Dr. Theodor Muther. 1857. Vgl. Zimmermann in der Heidelb. frit. Zeitschr. V. S. 461 f. Kunge in Schletter's Jahrb. V. S. 1 f. Unger II. §. 108. 109. 113. Arndts §. 96 Anm. 5. [Als ein blos formales Recht auf richterliches Gehör und resp. richterliche Entscheidung faßt Bekker, die Actionen des röm. Priv. R. 1871. 73 den Begriff der actio. .] In der That enthält die römische Actio nicht nur das Klagrecht, sondern auch den Anspruch selbst: die intentio ist ihr nothwendiges Fundament. Einen neueren Versuch, das allgemeine Actionenrecht auf seine rationellen Principien unter Ausscheidung der römischen Grundlagen zurückzuführen, enthält die Schrift von F. L. Prinz: das allgemeine Actionenrecht oder die Lehre vom Anspruche auf der gesetzlichen Unterlage des gemeinen und preußischen Rechtes dogmatisch entwickelt und als leitendes Princip für jede Prozeßgesetzgebung begründet 1870, in welcher der Gegensay positiver“ und „negativer" Klagen an die Spiße gestellt wird. R.)

b) [Ein Annerum des Rechts etwa (vgl. Vorles. §. 81) in dem Sinne: es giebt auch klaglose Rechte; bei der actio kommt noch die Klagbarkeit desselben zu seinem sonstigen Inhalte hinzu; actio ist das klagbare Recht. Sonach wäre die Differenz gegen Böcking's Auffassung] Pand. I. §. 131 Note 1: die klage, actio, ist im

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