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in Frage kommenden Ortes möglich. Fünf Gebetszeiten zu bestimmten Tagesstunden, die Verpflichtung des Fastens, beginnend am Tage, wo im Monat ramadhan der Mond über den Horizont sich erhob, die Bewegungen von Sonne und Mond, machte für jedes Dorf, jede Familie Tafeln notwendig, die es ermöglichten, den zahlreichen religiösen Verpflichtungen nachzukommen. Solche Tafeln existierten wenigstens für alle größeren Städte und waren den bedeutenderen astronomischen Schriften gewöhnlich beigefügt. Zu den umfangreichsten Tafeln aus der ersten Zeit arabischer Wissenschaft zählen die des Alkwarizmischen Werkes Rasm-al-ard, (System oder Figur der Erde), in dem jeder Ort mit Länge und Breite aufgeführt ist. Wir erfahren darüber näheres durch einen der größten arabischen Astronomen, den Syrier Al-Battâni, so genannt nach seinem Geburtsstädtchen Battan. Seiner Religion nach war er Sabäer und starb auch als solcher. Sein ganzes Leben war der Astronomie gewidmet. Er schrieb auf Grundlage des Almagest ein Werk, dessen Prolegomena Plato von Tivoli, ein mittelalterlicher Gelehrter, unter dem Titel: de scientia stellarum lateinisch herausgab und welches auch 1537 in Nürnberg zusammen mit den Astronomischen Rudimenten des Alfraganus im Druck erschien.) Die Herausgabe besorgte J. Regio montan, das Vorwort stammt von Melanchthon. In den Kapiteln 43 und 44 handelt Al-Battâni ausführlich von den Finsternissen; die Darstellung, die keine Anwendungen auf geographische Längenbestimmungen enthält, lehnt sich an die Ptolemäische an. Jedoch geben seine astronomischen Tafeln, die als Ms. in der Bibliothek zu Escurial sich befinden, den erwünschten Aufschluß. Sie sind reproduziert in der C. A. Nallino schen Ausgabe des Al-Battâni (Opus astronomicum, II. Bd. 1907, vgl. Anm. c). Auch J. Reinaud (1795-1867) hat von diesem Ms., welches nach ihm das älteste geographische Exposé der Araber sein dürfte, Einsicht genommen. Eine für uns wichtige Stelle lautet: „Man hat gesagt, daß der Äquator zwischen Indien und Abessinien von einer Nordsüdlinie auf einer Insel geschnitten wird, welche den Norden vom Süden trennt. Diese Linie hat gleichen Abstand von den Inseln, die im westlichen Ozean liegen und den östlichen Provinzen Chinas.

4) Auch die astronomischen Tafeln des Battâni hat Plato ins Lateinische übersetzt; sie finden sich als Ms. Nr. 7266 in der königl. Bibliothek zu Paris; 1645 erschien davon zu Bologna eine lateinische Ausgabe, die Reinaud jedoch recht mangelhaft findet.

Der Schnittpunkt dieser zwei Kreise ist es, was man die Weltkuppel nennt....5) Die Länge der Städte und ihre Breite sind im Buche über die Figur der Erde bestimmt worden. (Buch v. Alkwarizmi.) Die Länge ist die Distanz der Orte von West nach Ost; man läßt sie von den bewohnten Inseln ausgehen, die im westlichen Ozean liegen, und nach Osten fortschreiten, wie auch der Schatten bei Verfinsterungen des Mondes in diesem Sinne fortschreitet, Verfinsterungen, die für eine Stadt früher als für eine andere stattfinden. Ebenso hat man erkannt, daß auch der Mittag für gewisse Städte dem Mittag für jede andere Stadt vorausgeht, die westlich von jenen liegt, und dies nach gewissen Zeitteilen, welche in Äquatormaß gezählt wurden (gleiche Stunden). In der Tat ist die Dauer dieser Zeiten gleich der Zeit, die zwischen dem Augenblick der Verfinsterung des Mondes an zwei verschiedenen Städten verfließt. In dieser Hinsicht hat man also eine genaue Bestimmung der Länge im Vergleich zu einer weniger exakten Art, die Länge nach Reiseberichten festzulegen.

Diese Angaben haben wir (Al-Battâni) nach dem, was wir im Buch über die Figur der Erde gefunden haben, gemacht. Wir haben die mittleren Positionen der Städte und bekannten Länder angegeben, indem wir ihnen nach Art des Ptolemäus einen besonderen Platz anwiesen. Die Zahl der Regionen und Inseln (im liber figurae terrae) ist auf 93 angewachsen. Man begegnet jedoch im Buch über die Figur der Erde Irrtümern sowohl in Breite als Länge." (S. Anm. c am Schlusse dieses Artikels.)

Noch viel zu wenig wissen wir von einem der hervorragendsten arabischen Astronomen des 10. Jahrhunderts, von Abul Hassan-Ali, bekannter unter seinem Beinamen Ibn Jûnis oder Sohn des Jonas, des Namens seines Vaters. Er war in Kairo um die Mitte des 10. Jahrhunderts geboren und entstammte einer adeligen Familie. Von seinen Vorfahren zeichneten sich mehrere als Rechtsgelehrte und Schriftsteller aus. Ibn Jûnis lebte am Hofe der fatimidischen Kalifen Aziz-billa und dessen Sohn Hakem, und in Kairo und Umgebung hat er alle seine Beobachtungen angestellt. Sein Werk hat den Titel: Große Tafel oder Hakimitische Tafeln. Jedoch ist bis jetzt nur eine kleine Zahl der 81 Kapitel, die das Werk umfaßt es soll 2 oder 4 Volumes enthalten

5) Das ist wohl die früheste arabische Erwähnung von der Verlegung des ersten Meridians nach der Kuppel von Arîu.

übersetzt. Die kgl. Bibliothek zu Paris besitzt nur Bruchstücke des Ms., ohne die des Beobachtungsmaterials. Ein vollständigeres Ms. befindet sich in der Bibliothek zu Leyden. Dieses hat Caussin benützt und einen Auszug des Inhalts sowie die Kapitel IV, V und VI in Übersetzung in den Notices et extraits de la bibliothèque nationale t. VII, p. 16-240 erscheinen lassen. Jean Jacques Sédillot (1777–1832) hat unter Benützung mehrerer arabischer Ms., besonders auch desjenigen von Ibn Schâtir, ") eine zusammenhängende Darstellung der Leistungen des Kairoer Astronomen gegeben, „,mais savant modeste, aimant l'étude pour elle-même et d'ailleurs gravement infirme depuis bien des années, il se contenta de communiquer les résultats de ses recherches à M. Delambre, qui les a consignés dans son Histoire de l'astronomie du moyen âge", heißt es in dem kurzen Lebensabriß über diesen trefflichen Gelehrten auf der 1. Seite seines Werkes über Abul Hassan von Marokko (s. unten). Die Delambreschen Darlegungen über Ibn Jûnis finden sich in dem genannten Bande von Seite 76-156. Das VII. Kapitel der Hakimitischen Tafeln handelt von den geographischen Längen. Delambre sagt darüber nur die wenigen Worte (a. a. O. p. 98): „La Table des longitudes géographiques est pour le méridien du Caire à 55o du point le plus occidental, ou 125° du point le plus oriental. Nous ne dirons rien de ces longitudes; les Arabes pouvaient les avoir rendues moins défectueuses, mais ils n'avaient encore aucun moyen pour les rendre un peu passables." Dagegen hat J. Lelewel (Géographie du moyen âge, Bruxelles 1852, Tome I, p. 43 ff.) eine ausführliche Analyse der geographischen Tafeln des Ibn Jûnis mit sehr instruktiven Details gegeben, worüber wir auf Anm. d am Schlusse dieses Artikels verweisen müssen, da sie am Ende unserer Studie leichter verständlich sind.

Hingegen mögen hier noch die Mitteilungen Reinauds, die J. B. Biot nach Einsichtnahme des VII. Kapitels der Hakimitischen Tafeln, welches sich auf die terrestrischen Längen bezieht, machen. konnte, Erwähnung finden. Biot gab dieselben in der Abhandlung: Sur un mode d'énonciation des longitudes terrestres, particulier à

6) Beim 22. Kapitel endigt das Ms. von Leyden; die folgenden Kapitel sind Ibn Schâtir entnommen, dessen Ms. sich als Nr. 1112 in der Bibliothek zu Paris befindet; aber auch ihm mangeln verschiedene Kapitel, so 25, 27-30, 32 und 33, 45, 61-76, doch konnte Caussin die Überschriften aller 81 Kapitel geben.

certains écrivains arabes" (Journal des Savants, 1841, p. 609) wieder: Gleich Ptolemäus und seinen arabischen Vorgängern nahm auch Ibn Jûnis für die Ostwestrichtung der bekannten Erde 180° in Länge an, aber in seinem Längensystem findet man eine Verschiebung des Nullmeridians um 10° nach Osten. So hat nämlich Kairo nach ihm 55° Länge vom äußersten Westen statt etwa 65° und 125° vom östlichsten Meridian, und entsprechend sind die Längen der meisten anderen Städte rektifiziert, ohne daß uns Ibn Jûnis dafür eine Aufklärung gibt. Sollte, so fragt Biot, Ibn Jûnis daran gelegen haben, den Anfangsmeridian im Westen durch Afrikas Küste gehen zu lassen statt durch die Kanarische Inselgruppe? Dazu genügte ja nach Ansicht der Araber eine Verschiebung des Gradsystems um 10° nach Osten.") Im übrigen sind die Tafeln auch nach Reinaud erfüllt von Konfusion; denn Tanger, Cordoba, Toledo u. a. sind unter Längengraden aufgeführt, die einem nicht rektifizierten, sondern dem alten System des Ptolemäus entsprechen. Wie Ptolemäus, zählt Ibn Jûnis die Längen fortwährend von West nach Ost. Delambre sagt (a. a. O. p. 123) betreffend die geographischen Tafeln: Outre les incertitudes inhérentes à ce genre de détermination (mit den primitiven Mitteln der damaligen Zeit), on remarque des négligences et des erreurs qu'on ne peut attribuer qu'aux copistes."

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Biot hat auch die Tafeln der geographischen Positionen des Nassir-Eddin und Ulug-Beg eingesehen, die von J. Gravius aus dem Persischen übersetzt und in London publiziert worden sind. Danach decken sich ihre Festsetzungen ganz mit

7) Eine Erklärung des Ibn Jûnisischen Verfahrens glaube ich in folgender Stelle gefunden zu haben: Al-Charaqqî sagt in seinem Werk: „Das Höchste, was man bei der Teilung der Sphären erreichen kann“: „Die Griechen begannen mit der Zählung der Längen an den ihnen zunächst gelegenen Grenzen der Welt, d. h. der westlichen. In diesem Fall ist die Länge eines Ortes sein Abstand von dem Westen. Aber auch über diese Grenze bestand bei ihnen ein Meinungsunterschied: Einige beginnen mit der Länge am westlichen Ozean und einige an den sechs Inseln, die in dem Meere nahezu 200 Parasangen (1 persische Parasange 30 Stadien) versteckt liegen. Sie heißen Inseln des Glücks. Sie liegen gegenüber von Al-Magrib. Deshalb findet man manchmal in den Büchern für einen Ort zwei Längen angegeben, die um 10° (Daraga) verschieden sind; um dies zu unterscheiden, bedarf man Scharfsinn und Übung. Dies alles stammt von Al-Bîrûnî." (Nach E. Wiedemann: Beiträge zur Geschichte der Naturwissenschaften, Erlangen 1912, XXVII, S. 9.)

Ptolemäus. (Zählung von West nach Ost, von den glückseligen Inseln angefangen.) Die drei Städte Ormus, Schiras und Asterabad liegen fast unter demselben Meridian, dem Zentralmeridian, von dem noch ausführlicher die Rede sein soll. Beide Autoren erwähnen nichts von der ebenfalls noch zur Sprache kommenden Kuppel von Arîn, was um so bemerkenswerter ist, als der Meridian, unter dem sie lag, durch die Besitzungen der Familie Ulug-Beg geht.

Christmann, einer der Erklärer des Alfraganus, behauptet, in der Palatinischen Bibliothek ein Manuskript Arzachels (ca. 1080 zu Toledo) gesehen zu haben, welches Toledo auf den 281° östlich vom äußersten okzidentalen Meridian verlegt. Reinaud hat diese von Christmann zitierte Stelle in den handschriftlichen Übersetzungen des Arzachels, welche die königl. Bibliothek zu Paris besitzt, nicht wiedergefunden, aber er machte dabei eine andere gleich wertvolle Entdeckung: Die Handschriften machen für die Länge von Toledo immer eine doppelte Längenangabe: eine mit 11° vom Anfangsmeridian wie bei Ptolemäus, die andere mit 28°. Man muß also annehmen, daß dies Prinzip der Rektifikation der Längen, welches diesen Unterschied bedingt, zu jener Zeit allgemein bekannt war. Im übrigen findet sich in den Tafeln Arzachels dieselbe Konfusion wie bei Ibn Jûnis. (S. Anm. e am Schlusse dieses Artikels.)

Endlich behauptet Christmann, auch mehrere Ms. der Alfonsinischen Tafeln) eingesehen zu haben, wo Arîn ausdrücklich als Mittel- (Zentral-) Meridian zwischen dem äußersten Ost- und Westmeridian angegeben ist. Reinaud hat diese Stelle in den Mss. der königl. Bibliothek wiedergefunden.

Wie in der Frage der Breitenbestimmung, so gewährt uns das Werk des Spätarabers Abul Hassan Ali von Marokko auch in der der Längenmessungen die meiste Auskunft. Es führt den Titel: Das Ganze, welches den Anfang mit dem Zweck vereinigt. J. J. Sédillot hat das Ms. 1147 der königl. Bibliothek zu Paris ins Französische übersetzt. Die Herausgabe

8) Von den einstmals berühmten Alphonsi regis auspiciis Tabulae astronomici, 1252 handelt beispielsweise Delambre, Hist. de l'astr. du moyen âge, p. 248-258. Ausgaben von 1488, 1492, 1517. 1524 von Gauricus, 1545 und 1553 von Paschasius Hamellius. Gearbeitet haben daran die maurischen, jüdischen und christlichen Astronomen Ibn Ragel, Alcabit, Ibn Musius Mohammed, Abuphali, Abumu a. a. Uns lag außer den libros del Saber (spauische Ausgabe, Madrid, 1863/67) diejenige von 1545 vor.

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