Page images
PDF
EPUB

XII 40

atque alias (sc. vestes), quarum generosi graminis ipsum
infecit natura pecus, sed et egregius fons

Er wollte die schönsten Kleider ins Meer werfen, ein Purpurgewand, >> und andere, deren Vieh selbst die Natur des edeln Grases gefärbt hat, nämlich Kleider von andalusischer Wolle, deren natürliche rothe Farbe die Schaafe der dortigen Weide verdanken u. s. w. Das Vieh der Kleider! Auf die beiden einsylbigen Wörtlein 'sed et mag hier nur im Vorübergehen hingedeutet werden.

[blocks in formation]

vielmehr 'ex angustiis' oder 'periculis': der Schiffer durch Fällen des Mastes, was dann zu der geistreichen Bemerkung führt, es sei der Gipfel der Gefahr, wenn man Schutzmittel herbeischaffe, die voraussichtlich das Schiff kleiner machen werden ('discriminis ultima, quando praesidia adferimus navem factura minorem'). Dafs der bedrängte Schiffer auf stürmischem Meer gegen allen Sprachgebrauch ein 'angustus' genannt wird, hat schon früh Anstofs erregt: ihm verdanken wir die nicht unverständige Conjectur im cod. Gaybacensis: 'hac re explicat angustum'. Indessen wäre auch dies höchstens passend, wenn das Schiff etwa auf einer Sandbank säfse und wieder flott gemacht würde.

XII 70

tunc gratus Iulo

atque novercali sedes praelata Lavino
conspicitur sublimis apex

Die Construction, wonach zwischen 'gratus Iulo' und 'sublimis apex' die 'sedes praelata' eingeschoben ist, wird von Heinrich als ein »merkwürdiges Beispiel eines Hyperbaton bezeichnet. Juvenal hat sich kein zweites erlaubt, auch nicht die Verbindung von zwei Adjectiven mit einem Substantiv ohne Copula: 'gratus sublimis apex'. Oder will man 'atque' als Copula zwischen 'gratus' und 'sublimis' ansehen, so dafs die Wahl der Residenz durch die Höhe des Albanerberges motivirt wäre? XIII 204

reddidit ergo metu, non moribus

statt 'bona fide', nämlich Glaucus, der in Folge des Orakelspruchs das 'depositum' zurückgab. Die Erklärer scheinen diesen Gebrauch von 'mores' für selbstverständlich zu halten: aber ich möchte wissen, wer je so gesprochen hat. Man wird doch nicht etwa Properz

V (IV) 11, 101 vergleichen wollen, wo die verstorbene Gattin des Paullus in ihrem Scheidegrufs sagt: 'moribus et caelum patuit' oder Lucan's I 161 'rebus mores cessere secundis' oder Seneca, der Agam. 112 die Clytämnestra klagen läfst: 'periere mores ius decus pietas fides'.

[blocks in formation]

1

Auch hier haben spätere Correctoren (5) mit der sehr wohlfeilen Aenderung 'quarum' nachgeholfen. Der ganze » spafshafte Zusatz«, wie ihn Heinrich belobt, bis 243 ist aber offenbar gegen die Wahrhaftigkeit der Griechen gemünzt, also 'quorum' auf die in Graecia' wohnenden Graeci zu beziehen. Immer aber bleibt, abgesehen von der Abgeschmacktheit dieser ganz und gar nicht zur Sache gehörigen altklugen Randbemerkung, der Ausdruck albern: 'Graecia in quorum sulcis' statt: 'Graeci, apud quos in sulcis'.

XV 108

melius nos

Zenonis praecepta monent; nec enim omnia, quaedam
pro vita facienda putant.

-

Der Diaskeuast, der 'putat' schrieb (5), fühlte die ganz unnöthige Härte sehr wohl, und Francke, der die Worte 'nec ... putat' als unecht verwarf, verkannte ebenso wenig, wie unwürdig in solcher Form jener verwässerte Brocken Stoischer Philosophie (vgl. Seneca epist. 72) des Dichters sei, von dem die herrlichen Zeilen VIII 76 f. (83 f.) geschrieben sind:

summum crede nefas, animam praeferre pudori

et propter vitam vivendi perdere causas.

Besonders ist es die Proprietät des Ausdrucks, für die der Verfasser dieser Stücke wenig Sinn hat. Aufser den wenigen schon gelegentlich berührten Beispielen nehme ich an folgenden Anstofs: XIX 46 defossa in loculis quos sportula fecit amicos.

Nicht die vergrabene, sondern die aus der Tiefe des Kastens hervorgeholte (deprompta') Sportel hat die Quiriten zu Hausfreunden gemacht. Will man aber das »Vergraben« vom Einsacken des Empfangenen verstehen, so waren nach Juvenals Ansicht wenigstens (I 116 ff.

vgl. 94 ff. III 124 ff. = 126 ff.) die Clienten in Rom kaum in der Lage, das empfangene Gratial in die Sparcasse zu legen: vgl. Friedländer Darstellungen aus der Sittengesch. Roms S. 253.

XI = X 20

=

nocte iter ingressus gladium contumque timebis.

Wie kommt der Sarmatenspiefs (Statius Achill. II 416, Silius Ital. XV 684, Valerius Flaccus VI 162) in die Hände des Italischen Strafsenräubers? Beides, den 'contus' und 'gladii', giebt Tacitus ann. VI 35 den Sarmaten: sollte der Verfasser beides von hier entlehnt haben? XI−X 53 cum Fortunae ipse minaci

mandaret laqueum mediumque ostenderet unguem.

Wie wenig der gute scholasticus den Sinn der angedeuteten Geberde verstanden hat, mag Martial zeigen II 28:

rideto multum, qui te, Sextille, cinaedum
dixerit, et digitum porrigito medium

und VI 70, 5 ‘ostendit digitum, sed inpudicum' und Priapea 56: derides quoque, fur, et impudicum

ostendis digitum mihi minanti.

Der Fingernagel war bei dieser Symbolik ohne Bedeutung.
XI=X57
quosdam... mergit longa atque insignis honorum
pagina.

Als ob die Marmor- oder Bronzeplatte mit den Titeln, die am Postament der Statue angebracht ist, dem zu Stürzenden wie ein Mühlstein am Halse hinge und ihn in die Tiefe zöge! Ein Versinken in dem Uebermaafs von Glück, in der wuchernden Saat des Bürgerkrieges, in der Schuldenmasse, das Alles giebt ein vernünftiges

Bild. Aber ebenso verkehrt wie das obige ist

XIII 8

iacturae te mergat onus,

denn die 'Last des Verlustes' ist ein undenkbarer Begriff: man wird leichter, wenn man Geld einbüfst, wie sollte man also dadurch versinken?

[blocks in formation]

Es sind aber offenbar Gespräche der 'proceres', die 81-88 mitgetheilt waren, dem 'vulgus' kommen 67-72 zu.

XI X 108 quid Crassos, quid Pompeios evertit?...

summus nempe locus nulla non arte petitus

Wie kann der höchste Stand oder der Gipfel der Macht Jemanden zu Boden stürzen? Das Streben danach wohl, aber nimmermehr

kann der 'summus locus' gleichsam von seiner Höhe herabsteigen und sich selber untergraben, um den Hinaufgeklommenen zu Falle zu bringen.

XI=X 120 ingenio manus est et cervix caesa.

Ebenfalls eine allzukühne Metapher: das eigene ingenium' Cicero's hat ihm Hand und Kopf abgeschlagen. Wer aber gar wie Ruperti meint, es sei beides dem 'ingenium' (im Körper Cicero's) widerfahren durch die Hand des Popillius, der macht das Bild noch unfassbarer, berücksichtigt auch nicht, dafs 119 geradezu gesagt ist, der übersprudelnde Quell des Genie's habe den Cicero wie den Demosthenes zu Tode gebracht ('leto dedit').

XI=X 128

quem mirabantur Athenae

torrentem et pleni moderantem frena theatri: Demosthenes zugleich als Waldstrom und kühner Wagenlenker, und das 'theatrum' nicht als Local der Volksversammlung, sondern als die ungeberdige, schwer lenkbare Menge selbst. Dass 'theatra tota exclamant' oder 'reclamant' (Cic. or. 51, 173 de or. III 50, 196) wird Niemanden Wunder nehmen, aber die Zügel des vollen Theaters regieren ist doch eine gewagte Vorstellung.

[ocr errors]

XI-X 257 atque alius, cui fas Ithacum lugere natantem.

Wieso denn 'fas'? Wodurch soll der arme Laertes seine Einsamkeit verdient haben? Doch nicht durch sein hohes Alter, an dem er nicht schuld ist? 'fatum' würde ich verstehen. XII 54

illuc

recidit ut malum ferro summitteret

könnte man sich gefallen lassen, wenn er willen- und absichtslos auf dieses Mittel verfiele«, so aber würde 'refugit' das Angemessenere sein, wenn es in den Vers passen wollte. XII 84 sertaque delubris et farra inponite cultris

Ein hartes Zeugma: » aufsetzen « passt wohl zu den Kränzen, aber nicht zu der 'mola salsa', womit die Opfermesser bestreut werden sollen. XIII 68 (73) quid si bis centum perdidit alter

hoc arcana modo?

Es scheint fast, als ob man 'in arca deposita (arcaria)' verstehen solle, besonders da es gleich darauf heifst:

maiorem tertius illa

summam, quam patulae vix ceperat angulus arcae

Soll die heimliche Summe eine heimlich anvertraute sein, so ist der Zusatz überflüssig, da die Unterschlagung des Depositums nicht leichter zu verschmerzen ist, wenn dasselbe öffentlich dem Freunde anvertraut war.

XIII 104 (109)

nam cum magna malae superest audacia causae,
creditur a multis fiducia.

Es ist von dem frechen Betrüger die Rede, der wegen Meineides belangt wird. Die Frechheit ist sein Anwalt in der schlechten Sache: denn das bedeutet hier 'superest' nach dem Sprachgebrauch, den Gellius I 22 am Anfang und am Schlufs des Capitels tadelt: 'inroboravit inveteravitque falsa atque aliena verbi significatio, quod dicitur hic illi superest, cum dicendum est advocatum esse quem cuipiam causamque eius defendere. atque id dicitur non in compitis tantum neque in plebe vulgaria, sed in foro, in comitio, apud tribunalia memini ego praetoris, docti hominis, tribunali me forte assistere atque ibi advocatum non incelebrem sic postulare, ut extra causam diceret remque, quae agebatur, non attingeret. tunc praetorem ei, cuia res erat, dixisse, advocatum eum non habere; et cum is, qui verba faciebat, reclamasset ego illi V. C. supersum, respondisse praetorem festiviter tu plane superes, non ades. ——· cavenda igitur est non inproprietas sola verbi, sed etiam pravitas ominis, si quis senior advocatus adulescenti superesse se dicat.' Juvenal hat sich diesen Mifsbrauch nicht zu Schulden kommen lassen. Sueton freilich lässt schon den Augustus (c. 56) so sprechen. Anders ist XII 237 zu verstehen:

cum scelus admittunt, superest constantia; quid fas
atque nefas, tandem incipiunt sentire peractis

criminibus

d. h. während der Ausübung des Verbrechens haben sie nur zu viel Festigkeit, nach und nach meldet sich aber das Gewissen.

XIII 242

[ocr errors]

quando recepit

eiectum semel attrita de fronte pudorem?

Die wundgeriebene Stirn« statt des üblichen 'perfricata ist ein neues Beispiel für den hyperbolischen Stil dieser Satiren. Wie aber durch Reiben die Schaam heraus geworfen werden kann, ist

« PreviousContinue »