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B. Die familienrechtlichen Beziehungen beruhen 1) als eigentliche Familienverhältnisse auf gegenseitiger gattungsmässiger Verbundenheit bestimmter Individuen, d. h. auf dem Verhältnisse der Geschlechtsverbindung und der Abstammung. Die zur rechtlichen Verbindung erhobene Geschlechtsverbindung ist die Ehe, die auf Abstammung beruhende rechtliche Verbindung die väterliche Gewalt.

2) In der Beschaffenheit des einzelnen als eines nicht zu voller individueller Selbständigkeit gelangten Gliedes der Gattung wurzelt die Vormundschaft.

III. Zwischen Sachenrecht und Familienrecht steht das Recht der Forderungen in der Mitte; wie den dinglichen Rechten als Vermögensrechte, so sind andererseits die Forderungen den Familienrechten verwandt als persönliche Rechte; der zu anderen Personen nur das negative Verhältniss ihres Ausschlusses begründenden rechtlichen Verbindung einer Sache mit einer Person steht gegenüber die rechtliche Verbindung mehrerer Personen, welche als familienrechtliche von der Einheit der Gattung, als obligatorische dagegen von der selbständigen Existenz des einzelnen ausgeht, die sie nur kraft eines bestimmten einzelnen Bedürfnisses in einer bestimmten einzelnen Beziehung suspendirt.

IV. Den Abschluss des Privatrechtssystemes bildet das Recht der Erbfolge, kraft welcher der Verstorbene durch Ueberlebende rechtlich insoweit ersetzt wird als eine solche Ersetzung möglich ist. Gegenstand der Erbfolge ist das Vermögen des Verstorbenen oder der Inbegriff seiner vermögensrechtlichen Beziehungen. Die Erbfolge begründet nicht etwa Rechte besonderer Art, sondern ist nur ein Successionsverhältniss besonderer Art; sie beruht auf der Einheit der menschlichen Gattung, kraft welcher das Resultat des individuellen Daseins nicht mit diesem erlischt, sondern in den Ueberlebenden fortwirkt. In ihrem Gegenstande vermögensrechtlicher Natur ist daher die Erbfolge durch ihren Grund den Verhältnissen des Familienrechtes verwandt.

V. Grundlage aller einzelnen rechtlichen Beziehungen ist die persönliche Rechtsstellung; sie ist bedingt durch Art und Mass der Anerkennung des einzelnen als einer für sich berechtigten Person und die für das Mass seiner concreten Berechtigung wichtigen individuellen Verhältnisse.

VI. Der Darstellung der Privatrechtsverhältnisse hat vorauszu

gehen eine Betrachtung ihrer allgemeinen d. h. nicht bestimmten einzelnen Rechtsverhältnissen eigenen Elemente. Indem sie Verhältnisse bestimmter Subjecte sind, deren Existenz von bestimmten Thatsachen abhängt und bestimmte Wirkungen äussert, ergeben sich als solche Elemente das Rechtssubject, der Thatbestand und die Rechtswirkung.

VII. In Gemässheit der vorstehenden Uebersicht behandelt die folgende Darstellung

1) die Elemente der Rechtsverhältnisse,

2) die persönliche Rechtsstellung,

3) die Rechtsverhältnisse an Sachen,

4) die Obligationen,

5) die Familien- und Vormundschaftsrechte,

6) die Erbfolge.

VIII. Während die Gliederung der Digesten und des Codex sich wesentlich an die durch praktische Rücksichten beherrschte Anordnung des Edictes anschliesst, beruht die der justinianischen Institutionen im Anschlusse an die des Gaius auf der Unterscheidung der personae, res und actiones als der Elemente der Rechtsverhältnisse. Das erste Buch behandelt in Verbindung mit der persönlichen Rechtsstellung die Familien- und Vormundschaftsrechte in ihrer Bedeutung für die Rechtsstellung ihres Objectes (vgl. §. 26). Der zweite Theil (Buch 2 u. 3) handelt von der rechtlichen Bedeutung der Sachen, den dinglichen Rechten, deren unmittelbarer, und den Obligationen, deren wichtigster mittelbarer Gegenstand jene sind; in demselben Theile ist zwischen den dinglichen und Forderungsrechten als Erwerbsgrund derselben die Erbfolge behandelt. Der letzte Theil (Buch 4, dessen fünf erste Titel übrigens noch zum zweiten Theile gehören) handelt von der Rechtswirkung.

Omne jus, quo utimur, vel ad personas pertinet, vel ad res, vel ad actiones. Gai I. 8.

Erster Abschnitt.

Die Elemente der Rechtsverhältnisse.

I. Das Rechtssubject.

§. 14.

I. Der einzelne Mensch kann zu einem Privatrechte in der doppelten Beziehung stehen, dass die in ihm enthaltenen Befugnisse durch ihn und dass sie um seinetwillen ausgeübt werden; das Privatrecht ist für den einzelnen theils ein Gebiet der Geltung seines Willens, theils ein Mittel für die Erreichung seiner Zwecke. Beides kann auseinanderfallen,

1) wegen mangelnder Handlungsfähigkeit desjenigen, um dessen willen ein Recht besteht, sowie

2) weil ein Recht überhaupt nicht um bestimmter einzelner Menschen, sondern um eines bestimmten Verhältnisses willen besteht, dessen rechtliche Bedeutung nicht von der Betheiligung bestimmter Einzelner abhängt.

Indem nun unter dem Subjecte eines Rechtes derjenige verstanden wird, um dessen willen es existirt, ist Rechtssubject nicht nur der einzelne Mensch, sondern auch das bestimmten Zwecken unabhängig von der Betheiligung bestimmter Einzelner dienende Verhältniss oder die sog. juristische Person.

II. Der einzelne Mensch gelangt zur Existenz als Person durch vollständige Trennung vom Mutterleibe; lebt er nicht mehr als vom Mutterleibe getrennter, so hat er nie als Person gelebt. Doch wird der Embryo (nasciturus) als in der Entstehung begriffene Person vom Rechte insofern berücksichtigt, als ihm für den Fall lebendiger Geburt die rechtliche Stellung offen gehalten wird, welche er jetzt schon einnehmen würde, wenn er jetzt schon als Person existirte. Wie für die Existenz, so ist auch für die rechtliche Stellung, soweit sie ererbt wird, die Zeit der Geburt entscheidend; mit der Trennung vom Mutterleibe gelangt das bis dahin im mütterlichen enthaltene Dasein des Kindes zur Existenz als ein dem mütterlichen ebenbürtiges. Eine Ausnahme von diesem Satze des jus naturale begründet das spezifische jus civile für

den Fall des justum matrimonium, indem die Rechtsstellung des in ihm erzeugten Kindes nach der des Vaters und damit nach der Zeit der Zeugung sich bestimmt.

Qui in utero est, quantum ad sibi locum faciendum si fuerit editus, pro iam nato habetur. L. 30 §. 1 D. de acq. vel om. her. 29, 2.

Conubio interveniente liberi semper patrem sequuntur, non interveniente conubio matris condicioni accedunt. Ulp V, 8.

In his, qui iure contracto matrimonio nascuntur, conceptionis tempus spectatur: in his autem, qui non legitime concipiuntur, editionis. Ulp. V. 10.

III. Die juristische Person entsteht durch selbständige rechtliche Vereinigung entweder von Personen oder von Mitteln zur Verfolgung bestimmter Zwecke, die juristische Person ist demnach entweder Verein oder Stiftung. Ihre Existenz erfordert eine Vertretung des Vereins- oder Stiftungswillens, welche sich durch ihre Organisation bestimmt.

Rechtssubjecte sind die juristischen Personen in Ansehung der Vermögensrechte und der an ihrem Vermögen haftenden vermögensrechtlichen Verbindlichkeiten. Ihre Rechte und Verbindlichkeiten sind als solche nicht Rechte und Verbindlichkeiten irgend welcher Individuen.

Juristische Personen sind nach römischen Rechte

A. Gemeinwesen (universitates);

1) vor allem der Staat. Die Eigenschaft des populus Romanus als Vermögenssubject verkörperte sich im aerarium. Neben dieses trat durch den Principat die vom patrimonium Caesaris zu unterscheidende kaiserliche Staatskasse, der fiscus, welcher gegen das Ende der dritten Periode zur einzigen Staatskasse wurde.

2) Nach dem Vorbilde des populus Romanus sind juristische Personen die einzelnen Gemeinden.

B. Neben dem Staate und der Gemeinde entstehen juristische Personen durch gewisse vom Staate oder der Gemeinde gegründete Vereinigungen für Staats- oder Gemeindezwecke wie die der Priester eines Tempels und im späteren Rechte der Decurionen einer Stadt.

C. Andere Vereinigungen, corpora, wie die der Handwerker (opifices), der Steuerpächter (socii vectigalium publicorum), sodann die sodalitates sind Vereinigungen von Berufs-, Standes- oder Parteigenossen; gebunden war die Vereinsbildung ob von

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Alters her ist bestritten an die Genehmigung des Senates oder später des princeps.

D. Erst im christlichen Rom kam die Entstehung juristischer Personen durch Stiftungen zu kirchlichen (namentlich Wohlthätigkeits-) Zwecken auf.

Neque societas neque collegium neque huiusmodi corpus passim omnibus habere conceditur; nam et legibus et senatusconsultis et principalibus constitutionibus ea res coërcetur. Paucis admodum in causis concessa sunt huiusmodi corpora, ut ecce vectigalium publicorum sociis permissum est corpus habere, vel aurifodinarum, vel argentifodinarum, et salinarum. Item collegia Romae certa sunt, quorum corpus senatusconsultis atque constitutionibus principalibus confirmatum est, veluti pistorum et quorundam aliorum, et naviculariorum, qui et in provinciis sunt. §. 1. Quibus autem permissum est corpus habere collegii, societatis, sive cuiusque alterius eorum nomine, proprium est ad exemplum Reipublicae habere res communes, arcam communem, et actorem sive syndicum, per quem tanquam in re publica, quod communiter agi fierique oporteat, agatur, fiat. L. 1 D. ht. 3, 4.

II. Der Thatbestand.

A. Die rechtliche Bedeutung des Thatbestandes.

§. 15.

I. Die rechtliche Bedeutung eines Thatbestandes ist entweder eine ursprüngliche oder eine abgeleitete. Dasjenige Rechtsverhältniss ist ein von einem anderen abgeleitetes, das von einem anderen abstammt, indem dessen Existenz die Voraussetzung seiner Entstehung, dessen Inhalt die Quelle seines eigenen Inhaltes ist. Wer durch Verfügung über sein Recht einem anderen ein von jenem abgeleitetes Recht gewährt, ist dessen Rechtsurheber (auctor); niemand kann Urheber eines über das Mass des eigenen hinausragenden Rechtes sein.

Nemo plus iuris ad alium transferre potest quam ipse haberet. L. 54 D. de R. J. 50, 17.

II. Von der abgeleiteten Entstehung ist zu unterscheiden das Verhältniss der Succession oder der Ablösung eines Rechtsverhältnisses durch ein anderes desselben Inhaltes und Umfanges. Ein Rechtsverhältniss kann

1) sein Dasein von dem eines anderen ableiten, ohne dass seine Entstehung eine Aufhebung dieses anderen wäre.

Ebenso kann

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