Page images
PDF
EPUB

Auctoritäten beseitigt und nur die jener untergeordnete der Juristen in Wirksamkeit geblieben; auch sie ging um die Mitte des 3. Jahrhunderts nach Christo in der kaiserlichen Auctorität auf, indem die Ertheilung massgebender Rechtsbelehrung im Consistorium principis concentrirt wurde. Rechts-Quelle ist fortan nur noch der kaiserliche Wille in der Form der allgemeinen Verordnung einerseits und des durch den einzelnen Fall hervorgerufenen decretum oder rescriptum andererseits. Ihre Bedeutung über den einzelnen Fall hinaus wurde aber 426 den Decreten und Rescripten genommen und damit die für die frühere Rechtsentwicklung charakteristische Erscheinung einer vom Einzelfalle ausgehenden Rechtsbildung beseitigt.

II. War jetzt einzige Quelle neuen Rechtes die kaiserliche Verordnung, so regelte sie nun auch die Benutzung der ergibigsten Erkenntnissquelle des von der Vergangenheit überkommenen Rechtes (jus receptum), der juristischen Literatur. Das sog. Citirgesetz vom Jahr 426 bestimmte nicht nur, welchen Schriften überhaupt gerichtliche Auctorität zukomme, sondern auch welche Auctorität im Falle eines Widerstreites - in der Regel die der Mehrzahl vorgehe.

Papiniani, Pauli, Gaii, Ulpiani atque Modestini scripta universa firmamus ita, ut Gaium, quae Paulum Ulpianum et cunctos, comitetur auctoritas lectionesque ex omni eius opere recitentur. Eorum quoque scientiam, quorum tractatus atque sententias praedicti omnes suis operibus miscuerunt, ratam esse censemus, ut Scaevolae, Sabini, Iuliani atque Marcelli, omniumque quos illi celebrarunt, si tamen eorum libri propter antiquitatis incertum codicum collatione firmentur. Ubi autem diversae sententiae proferuntur, potior numerus vincat auctorum, vel si numerus aequalis sit, eius partis praecedat auctoritas, in qua excellentis ingenii vir Papinianus emineat, qui ut singulos vincit ita cedit duobus. Notas etiam Pauli atque Ulpiani in Papiniani corpus factas (sicut dudum statutum est) praecipimus infirmari. Ubi autem pares eorum sententiae recitantur, quorum par censetur auctoritas, quod sequi debeat eligat moderatio iudicantis. Pauli quoque Sententias semper valere praecipimus. (Impp. Theodosius et Valentinianus in L. 3 Th. C. de responsis prud. 1, 4.)

III. Vor allem machte sich jetzt das Bedürfniss einer Constitutionensammlung geltend. Dasselbe zu befriedigen hatten zunächst zwei Privatarbeiten, der codex Gregorianus und Hermogenianus unternommen. Die erste mit Gesetzeskraft bekleidete. Sammlung, den codex Theodosianus, veranstalteten 429 Theodos II. und Valentinian. Ursprünglich sollten sie neben den jetzt als

leges bezeichneten Kaisergesetzen auch das jus oder den Inhalt der Juristenschriften umfassen. Die Sammlung geht nicht über Constantin zurück, mit welchem das jus novum, das Recht des nicht nur staatlich, sondern auch kirchlich reorganisirten christlichen Reiches beginnt. Am 15. Febr. 438 publicirt, sollte der codex Theodosianus fortan als einzige Quelle des seit Constantin erwachsenen kaiserlichen Rechtes benutzt werden.

IV. Weitere Bearbeitungen des überlieferten Rechtstoffes, für die römische Rechtsgeschichte deshalb von Bedeutung, weil jener Stoff uns theilweise nur durch sie überliefert ist, sind die leges Romanae Barbarorum, welche den von den germanischen Eroberern als Recht der einheimischen Bevölkerung vorgefundenen umfangreichen Stoff durch Abkürzung brauchbar machen sollten. Sie sind

A. das Edictum Theodorici. Indem formell das Ostgotenreich als Theil des römischen, sein König als Statthalter des Kaisers galt, blieb das römische Recht grundsätzlich geltendes Recht für alle Bewohner, auch die eingewanderten Goten, und wurde als solches aus jus (hauptsächlich Pauli sententiae) und leges zusammengestellt durch Theodorich den Grossen.

B. Die lex Romana Visigotorum oder das sog. Breviarium Alaricianum. Für die Römer im Westgotenreiche veranstaltete Alarich II. eine Sammlung, in welcher jedes benutzte Werk als Ganzes aufgenommen, sein Text nicht umgestaltet, sondern höchstens excerpirt und was nur Gaius nicht ist, commentirt werden sollte. Das Breviarium enthält

1) den stark verkürzten Codex Theodosianus nebst novellae constitutiones,

2) eine wahrscheinlich nicht jetzt erst angefertigte, sondern schon vorgefundene Ueberarbeitung der Institutionen des Gaius, 3) die sententiae des Paulus,

4) den Codex Gregorianus und Hermogenianus.

5) ein Bruchstück aus Papinians L. I. responsorum.

C. Die lex Romana Burgundionum s. Papianus ist eine an die Titelfolge der ihr vorangegangenen lex Burgundionum sich anschliessende, theils aus dem Breviarium theils unmittelbar aus den alten Quellen geschöpfte Zusammenstellung. Die Bezeichnung Papianus beruht auf einem durch das letzte Stück des Breviarium veranlassten Missverständnisse.

§. 12. Justinian.

I. Justinian fand im ehemaligen Westreiche theils (in Italien) das Edictum Theodorici theils (in Westeuropa) das Breviarium Alaricianum in Geltung, welchem mit der Zerstörung des Burgundenreiches auch der Papian gewichen war. Im Osten war der Rechtszustand der durch Theodos geschaffene, durch eine Reihe von novellae constitutiones fortgebildet. Seinen Plan einer umfassenden, fortan die ausschliessliche Grundlage der Anwendung wie der Lehre des Rechtes bildenden Gesetzgebung führte er in verhältnissmässig kurzer Zeit durch.

II. Am 13. Februar 528 richtete Justinian an den Senat von Constantinopel einen Erlass de novo codice faciendo. Dem Senate wird hier der Entschluss des Kaisers mitgetheilt, eine umfassende seinen Namen tragende Constitutionensammlung zu veranstalten, welche sowohl die Bestandtheile der drei früheren Sammlungen als die seitdem ergangenen Verordnungen enthielte. Zu diesem Behufe wird eine Commission von zehn Männern, sieben der höchsten Beamten, dem Rechtslehrer Theophilus und zwei Advocaten, niedergesetzt. Sie erhält Vollmacht, Ueberflüssiges und Veraltetes, Wiederholungen und Widersprüche zu streichen, Aenderungen vorzunehmen und Zusätze beizufügen. Sie soll den Stoff nach dem Inhalte unter Titel vertheilen, innerhalb der Titel aber die einzelnen Verordnungen nach der Zeitfolge unter Angabe. des Datums aufführen. Am 7. April des folgenden Jahres erging sodann die constitutio de novo codice confirmando.

III. Am 15. Dec. 529 richtete Justinian an den inzwischen zum Justizminister (quaestor sacri palatii) erhobenen Tribonian, welcher schon der ersten Commission angehört hatte, ein Schreiben de conceptione Digestorum. Nach Vollendung des Codex sollen jetzt durch eine von Tribonian zu leitende und nach seinen Vorschlägen zusammenzusetzende Commission die Schriften der juristischen Auctoritäten nach freiem Ermessen überarbeitet und im Anschlusse an die Ordnung des Codex wie des edictum perpetuum in (50) Bücher und Titel vertheilt werden. Diese Sammlung des jus soll den Titel digesta oder pandectae führen; sie soll mit dem Constitutionencodex vorbehalten bleibt daneben die Abfassung von Institutionen - das gesammte Recht in erschöpfender Weise

[graphic][subsumed][subsumed][subsumed][subsumed][ocr errors][subsumed][ocr errors][subsumed][subsumed][subsumed]

ZWEITER THEIL.

Das System des römischen Privatrechtes.

§. 13. Uebersicht des Systemes.

I. Die Privatrechtsverhältnisse oder die gegenseitigen rechtlichen Beziehungen der Personen als für sich Berechtigter sind wesentlich doppelter Art. Einmal ist die Vielheit der Individuen zur Befriedigung ihrer Bedürfnisse an die eine Aussenwelt gewiesen; die daraus sich ergebende Concurrenz zu regeln, um Collisionen zu hindern und zu schlichten, ist Aufgabe des Vermögensrechtes. Die Menschen sind aber nicht nur gemeinschaftlich auf die eine Aussenwelt, sondern auch vermöge der Einheit der menschlichen Gattung gegenseitig auf einander angewiesen; die rechtliche Normirung der aus der Einheit der Gattung sich ergebenden Beziehungen ist Sache des Familienrechtes.

II. Vermögensrecht und Familienrecht zerfallen je wieder in zwei Gebiete.

A. Die vermögensrechtlichen Beziehungen sind theils negativer, die eine Person vom Gebiete der anderen ausschliesender, theils positiver mehrere Personen verbindender Art.

1) Die dinglichen Rechte oder Rechte an Sachen verbieten jedem nicht Berechtigten die Benutzung ihres Gegenstandes. Das dingliche Recht ist Eigenthum, wenn jede, dingliches Recht an fremder Sache, wenn eine bestimmte Benutzung seines Gegenstandes dem Berechtigten zusteht.

2) Das Forderungsrecht oder die obligatio gebietet einem bestimmten Verpflichteten im Interesse des Berechtigten die Herstellung eines bestimmten Thatbestandes.

« PreviousContinue »