über ihren geringen Besitz klagen die v. 5-22 geschilderten Vertreter der vier Berufe, sondern über die Lasten ihres Standes, und dem Nächsten neiden sie nicht seinen Reichtum, sondern die leichtere Lebensführung. Von hier führt keine Brücke zu den folgenden Erörterungen, so sorgfältig auch Horaz den Bruch zu verdecken sucht, und so geschickt auch die Wiederholung der Eingangsworte im Schlußabschnitt den Schein der Einheitlichkeit des Ganzen zu erwecken weiß. Wir haben es also mit keiner in sich geschlossenen Konzeption des Dichters zu tun, bei der solche Inkonsequenzen unerklärlich wären. Horaz hat vielmehr, auf Reichtum der Motive und Lebhaftigkeit der Darstellung in erster Linie bedacht, den Betrachtungen über die avaritia, deren Material er großenteils griechischen Schriften TEQi qilonλovrias entlehnte, aus anderen Quellen, die wir auf griechischem Gebiet ebenfalls noch aufweisen können, die dramatisch-lebendige Schilderung der uɛuuoigia vorausgeschickt, ohne daß es ihm gelungen wäre, die Spuren dieses Verfahrens völlig zu verwischen.* Avaritia und invidia sind die beiden Laster, von denen Horaz sich völlig frei weiß, die er nicht müde wird, an andern zu bekämpfen, deren Erörterung er gleichsam als Programm für die Tendenz seiner Dichtung an die Spitze des Buches gestellt hat. Und wer so kühl fragen kann, weshalb alle Menschen so unzufrieden seien, der gibt sich damit selbst als eine innerlich zufriedene, mit dem Lose, welches ihr gefallen, ausgesöhnte Natur: passend durfte er daher gerade mit dieser Satire die Widmung des ersten Buches, das er der Öffentlichkeit übergab, an Maecenas verknüpfen. für die fature dubte Die Abfassungszeit des Sermo näher zu bestimmen, bietet der Inhalt keine uns erkennbare Handhabe. Qui fit, Maecenas, ut nemo, quam sibi sortem seu ratio dederit seu fors obiecerit, illa 1. Die Widmung des Buches an Mäcenas wird durch die einfache Anrede gegeben, und diese motiviert durch die Frage qui fit, welche zugleich lebhafter als eine bloße Aussage auf die Seltsamkeit der Erscheinung hinweist und entschiedener die Teilnahme des Lesers beansprucht. Die Frage ist also mehr stilistische Form an Stelle eines mirum quod sortem das Lebenslos; der ursprüngliche Sinn der Metapher, die wir wohl nur durch Zufall erst in augusteischer Zeit nachweisen können, ist bereits verdunkelt, wenn neben der Laune der Turn auch berechnende Wahl (ratio), als Ursache der sors gelten kann. Im ersten Falle wäre Un contentus vivat, laudet diversa sequentis? zufriedenheit vielleicht erklärlich, Zu laudet (uanaoi) ergibt sich aus nemo das Subjekt jeder' leicht, da es der zwischengeschobene Relativsatz bereits voraussetzt; härter ist der Übergang von der Negation zur Position in der Wiederholung v. 108 und in nemo illum ex trunco corporis spectabat, sed ex artificio comico aestimabat (Cic. pro Rosc. com. 10, 28. 3. diversa sequentis welche einen abweichenden Lebenspfad verfolgen. Zur Veranschaulichung dienen zwei Paare von Typen entgegengesetzterLebensstellung: das erste, der Veteran und der Kaufherr, mit dramatischer Lebendigkeit selbst redend eingeführt, das zweite, der angesehene Stadtbürger und der Landmann, um der Abwechselung willen geschildert. Sie alle werden vorgeführt in Lagen, in denen sie das Unbequeme ihres Lebens besonders stark empfinden: der Veteran, wenn er unter der Last der Strapazen am Ende des Marsches oder langer Schanzarbeit zusammenbricht; der Kaufherr im Sturm; der Städter, wenn sein Klient ihn im Morgenschlaf stört; der Landmann, wenn genötigt ist, den weiten Weg zur Stadt zu machen. Kunstvoll wechselt die Form der knappen Situationsschilderung zwischen attributivem Anschluß (fractus), er 5 Abl. abs. (iactantibus Austris), Zeitpartikel (ubi pulsat) und relativischer Anfügung (qui extractus est). Das ganze auf den Rollentausch sich zuspitzende Bild ist trotz seines römischen Kolorits in den Grundlinien griechischer Popularphilosophie (s. zu 16) entlehnt, welche ihre Betrachtungen über die menschliche μεμψιμοιρία und πλεονεξία durch die Figuren des Landsknechts, des έμπορος, des γεωργός zu veranschaulichen liebt. 4. fortunati prädikativ 'wie bevorzugt sind doch die mercatores!' der Kaufherr ist ihm Ideal bequemen Berufs. — gravis annis: er ist schon nicht mehr in recht felddiensttüchtigem Alter, sondern fühlt die Last der Jahre; an einen senex ist darum nicht gleich zu denken, ebensowenig wie bei Calpurnius buc. 2, 84 num, precor, informis videor tibi? num gravis annis? Die alte Konjektur gravis armis ist nicht nur überflüssig, sondern bringt auch einen ungehörigen Zug herein. Die Waffen gehören ebenso selbstverständlich zum miles wie das Schiff zum mercator: erst das Accidens, der Seesturm und die ewigen Strapazen, lösen der Klage den Mund. 6. mercator Europos, der über die See auf eigenem Schiffe fahrende große Kaufmann: od. I 1, 16 epp. I 1, 45. iactantibus: 'während die Südwinde das Fahrzeug hin und her werfen epp. I 11, 15. 7. quid enim? ri yáo; denn warum?' lebhafte, dem gebildeten Konversationston auch der spä momento cita mors venit, aut victoria laeta.' cetera de genere hoc, adeo sunt multa, loquacem teren Zeit angehörige (est etiam consuetudinis nostrae Porph.) Wendung, mit welcher der Redende sich selbst unterbricht, um die Begründung einer auffallenden Behauptung voraufzunehmen: ähnlich II 3, 132. concurritur es geht zur Attacke': ubi propius ventum est, utrimque magno clamore concurritur Sall. Iug. 53. horae momento eigentlich 'in der Zeit von einer Stunde', wie der parallele Ausdruck momento unius horae (Liv. IX 16, 4), andererseits die Wendung tam brevi horarum momento (Justin. II 14, 9) beweist; im Augenblick (puncto mobilis horae epp. II 1, 172)', wäre eine viel stärkere Hyperbel. Diogenes tadelte den Philipp, daß er in den Krieg ziehe περὶ τῆς βασιλείας καὶ τοῦ σώματος ώρα μια διακυβεύσων Plut. de adulat. et amico 30. cita prädikativ: rasch tritt der Tod den Menschen an'. aut widrigenfalls' wie od. III 12, 1; 24, 24; die Verdoppelung aut aut würde hervorheben, daß ein drittes ausgeschlossen ist, während der Nachdruck vielmehr ungeteilt auf horae momento liegen soll. 9. Gegensatz des Stadt- und Landlebens. Der iuris legumque peritus ist nicht ein Sachwalter von Profession, causidicus, sondern der bewährte rechtskundige Mann des öffentlichen Lebens, iure consultus (17), der seine Rechtsbelehrung unentgeltlich erteilt, frühmorgens als patronus seinen Klienten bei der salutatio, nachher ambulando auf dem Forum den jungen Leuten, welche ihn begleiten; vgl. die schöne 11. ille geht nicht auf den eben genannten consultor, sondern meint einen beliebigen rusticus, den ein Rechtshandel, in welchem er Bürgen (vades) für sein Erscheinen beim Termin gestellt, nötigt, zur Gerichtsverhandlung in die Stadt zu wandern, der also auf dem Forum respondere vadato debebat quod ni fecisset perdere litem I 9, 36 Diesen Zwang, die Abgeschiedenheit seines Hofes mit dem Treiben des Forums zu vertauschen, drückt extractus aus: er hat also nicht nötig, erst einen Juristen aufzusuchen, sondern muß gleich zum Termin. clamat, Boa von der energischen Behauptung, wie in clament periisse pudorem epp. II 1, 80. 13. cetera de genere hoc lucrezische Lieblingswendung, um eine delassare valent Fabium. ne te morer, audi quo rem deducam. si quis deus 'en ego' dicat 'iam faciam quod voltis: eris tu, qui modo miles, mercator; tu, consultus modo, rusticus: hinc vos, vos hinc mutatis discedite partibus. Aufzählung abzubrechen, z. B. IV 1170) cetera de genere hoc longum est si dicere coner; an Stelle des farblosen longum est setzt der Satiriker eine Bosheit, ganz wie am Schluß v. 120. sunt.. valent: die Nebenordnung statt der Unterordnung ist der Umgangssprache gemäß. - Fabium: quod (= 8T) Fabius Maximus Narbonensis, equestri loco natus, Pompeianas partes secutus,aliquot libros ad Sioicam philosophiam pertinentes conscripsit (Porph) Die Stoiker erscheinen H. auf dieser vorwiegend epikureischen, allenfalls noch mit akademischen Reminiszenzen von Athen (epp. II 2, 45) her versetzten Entwicklungsstufe seines Geisteslebens durchweg als bloße Schwätzer. 15. si quis deus εl tis Deōr, II 7, 24, und zwar Juppiter, wie v. 20 zeigt; mit derselben Umsetzung eines allgemeineren Ausdrucks in eine individuelle Bezeichnung wird das magnum flumen v. 55 zum Aufidus v. 58: das ist Recht des Dichters. en eia, partibus) 15 18 die beiden unzufriedenen Paare zu beiden Seiten des Gottes stehend, geht auf ein älteres griechisches Original, etwa eine Burleske des Menippus oder Diatribe Bions, zurück, welches noch im zweiten christlichen Jahrhundert der Sophist Maximus benutzt hat: καὶ ἴδοις ἂν τὸν μὲν γεωργικὸν μακαρίζοντα τοὺς ἀστικοὺς ὡς συνόντας βίῳ χαρίεντι καὶ ἀνθηρῷ, τοὺς δὲ ἀπὸ τῶν ἐκκλησιῶν καὶ τῶν δικαστηρίων καὶ τοὺς πάνυ ἐν αὐτοῖς εὐδοκί μους ὀδυρομένους τὰ αὑτῶν καὶ εὐχομένους ἐπὶ σκαπάνῃ βιῶναι καὶ γηδίῳ σμικρῷ· ἀκούσῃ δὲ τοῦ μὲν στρατιωτικοῦ τὸν εἰρηνικὸν εὐδαιμονίζοντος, τοῦ δὲ τὸν στρα τιωτικὸν τεθηπότος. καὶ εἴτις θεῶν, ὥσπερ ἐν δράματι ὑποκριτὰς ἀποδύσας ἕκαστον τοῦ παρόντος βίου καὶ σχήματος μεταιφιέσει τὸ τοῦ πλησίον (mutatis partibus), αὖθις αὖ οἱ αὐτοὶ ἐκεῖ νοι ποθήσουσι μὲν τὰ πρότερα, ὀδυροῦνται δὲ τὰ παρόντα. οὕτω δυσάρεστόν τί ἐστιν ὁ ἄνθρωπος κομιδῆ καὶ φιλαίτιον καὶ δεινῶς δύσκολον καὶ οὐδὲν τῶν αὐτοῦ άoлάLεται XXI 1. Bei H. werden die Unzufriedenen unmittelbar nach dem Rollentausch, noch ehe sie das neue Leben erprobt haben, sich dessen bewußt, daß sie nicht gewonnen haben: das bringt die dramatische Darstellung mit sich. qui modo miles sc. eras, denn das ausgesprochene Gebot des Gottes hat schon die Rollenvertauschung bewirkt. 18. hinc vos (Krieger und Kaufherr), vos hinc (Landmann und Städter): das zweite hinc wie häufig bei Livius für illinc. dis quid statis?' nolint, atqui licet esse beatis. . 20. quid causae est quin Wendung der Umgangssprache um auszudrücken, daß der Angeredete sich über ein angedrohtes Übel nicht beklagendarft quid causae est quin virgis te sauciem Plaut. rud. 158 oder quin te in pistrinum condam Pseud. 533. ambas buccas inflare: possenhafte Steigerung für das einfache se sufflare der Komödie, als Zeichen des Zornes nescio quid se sufflavit uxori suae Plaut. Cas. 582); illis ist also mit inflet zu verbinden, merito mit iratus. votis: s. zu II 6, 1. 23. praeterea, als Überleitung zu einer neuen mit ille gravem d. 28 einsetzenden Betrachtung, über die Torheit der menschlichen Erwerbssucht, entstammt ebenfalls lucrezischer Schreib weise. 20 25 ut qui iocularia, ohne Verb, weil der Verbalbegriff des Hauptsatzes, wenn auch nicht speziell als percurrit, bereits vorschwebt; der Hauptsatz ohne Objekt, weil aus dem Relativsatz ein Objektsbegriff (haec) nachklingt. percurram rasch, also auch oberflächlich, wie der Possendichter, dem es nur auf die komische Wirkung, nicht auf die Ergründung der sittlichen Verhältnisse, ankommt. atque ut voce tinnula ista medi- = |