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Statuamque Vagelli steht nur in 4 pariser und in 6 andern Handschriften: „eure Bilder haben nicht mehr zu bedeuten, als wenn man dem abgeschmackten Vagellius eine Ehrensäule setzte," von welchem Juvenalis XVI. 23 sagt: „das wäre ein Unterfangen würdig declamatoris mulino corde Vagelli." (Der Sinn bleibt sich in letzterer Stelle gleich, wenn wir auch die gewöhnliche, aber minder witzige Lesart mutinensi statt mulino vorziehen: Vagellius wird in jedem Falle als ein Gimpel hingestellt.) Die meisten und besten Handschriften entscheiden übrigens für Bathylli, und dieser Bathyllus ist entweder ein schöner Knabe, welcher der Liebling des Anakreon und Polykrates gewesen, und von welchem erzählt wird (Apul. Florid. II. sub finem): „in Samo-templum Junonis antiquitus famigeratum conspici, cuius ante aram statua erat Bathylli a Polycrate tyranno dicata, qua nihil unquam affectatius fuit; oder ist es der VI. 63 erwähnte pantomimische Tänzer Bathyllus.

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V. 120-125. Ich will dir Trostgründe geben, obwohl ich kein Philosoph, weder Stoiker bin, noch Epikureer." A Cynicis tunica distantia: ein äusserlicher Unterschied: die Cyniker trugen Nichts unter ihrem schlechten Mantel. Laetum plantaribus horti: Epikurs Gärten sind bekannt. „Der Schüler eines mittelmässigen Arztes kann dich heilen."

V. 129-134. Quandoquidem: da man ja doch wegen eines Verlustes an Geld sein Haus schliesst, so, wie bei der Trauer um einen uns nahe verwandten Todten. Fast alle pariser und 26 andre Handschriften haben in occasu: bei Geldverlust erkünstelt Niemand den Schmerz, beim Tod eines Freundes mit erheuchelten Thränen sich begnügend." (Interpunktion: nemo dolorem fingit, in occasucontentus -). Allein dann leidet unsre Stelle an zwei Härten; denn bei fingit wäre accepto damno, und bei occasu wäre amici zu ergänzen. Wir haben daher die andre Lesart in hoc casu" vorgezogen: bei Geldverlust erkünstelt Niemand den Schmerz, so dass er sich begnügte, sein Kleid von der Schulter berabzuziehen, während er es in wahrem Schmerz zerreissen würde." Statt deducere kann nach guten Handschriften auch diducere gelesen werden.

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V. 135-141. Das altrömische Gerichtsverfahren bei Schuldforderungen basirte sich auf das von jedem ordentlichen Bürger geführte Notizenbuch, genannt adversaria, und auf das Hauptbuch, genannt tabulae expensi et accepti: in jenes trug man die gemachten Geschäfte gleich ein;

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in dieses schrieb man die Posten aus dem Notizenbuch monatlich über. Neben dieser eigenthümlich römischen Form, die noch zur Zeit des Gajus, nicht mehr aber im 4. oder 5. Jahrhundert im Gebrauche war, wurden auch die bei den Peregrinen vorkommenden Schuldverschreibungen, die Syngraphe und das Chirographum (beide wohl gleichbedeutend) als Literalobligationen angesehen, und kommen im neuern Rechte immer häufiger vor. Aus dem 137. Vers unsrer Satyre, welcher sich XVI, 41 wörtlich wiederholt, sehen wir, dass die Chirographa hölzerne mit Wachs bestrichne Tafeln waren. Manche erklären 80: wenn der Gläubiger an mehr als einem Orte vor Zeugen die Handverschreibung vorgelesen hat, so läugnet der Schuldner die Aechtheit des Documents." Lebhafter wird die Stelle, wenn wir sagen: der Schuldner liest die Urkunde links und rechts, von hinten und vorne. durch, und dann läugnet er Alles weg." Selbst der sehr kenntliche, kostbare Siegelring, den der Schuldner in einer elfenbeinernen Kapsel aufbewahrt, soll nun lediglich keine Beweiskraft haben. Te nunc delicias: dich als eine ganz besondre Person, welche das Schicksal gleichsam hätscheln, das Glück als sein Schooskind betrachten soll. Nos viles, populus, nos viles populi, nos vilis populus steht in den Handschriften, nirgends aber die allerdings passende Lesart des Scholiasten: nos viles pulli.

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V. 145-156. Brandstiftung, wo man zuerst die Thüre anzündet, damit Niemand entfliehen kann. Corio bovis in mare etc.: siehe VIII, 213 und 214.

V, 157. Rutilius Gallicus Valens, Stadtpräfekt unter Domitian, von welchem Statius sagt, Silven I. 4, 16: "quem penes intrepidae mitis custodia Romae." Vollendet hat Juvenalis die Satyre XIII. erst unter Hadrian; aber viele Stellen hatte er lange zuvor geschrieben, und indem er sie alle unterzubringen suchte, kam er mehrmals auf denselben Gedanken zurück, wie z. B. das von Vers 75 bis 119 Gesagte nur eine andre Form für den Inhalt der Verse 23 bis 74 ist. Indessen hat er als ein Mann, der sich geraume Zeit mit Redeübungen beschäftigt hatte, fast immer das Gesetz der Steigerung sehr glücklich angewendet, und insonderheit den Schlusseindruck meisterhaft gewählt.

V. 165-170. Tacitus, de mor. German. 38, sagt: ,, insigne gentis (Suevorum) obliquare crinem nodoque substringere,"

V. 178-180. Invidiosa

nur ein Tropfen Blut.

invidenda. Minimus, auch

V. 197. Cädicius nach dem Scholiasten ein grausamer Höfling Neros, ohne Zweifel aber ein Andrer, nämlich der Sachwalter, welcher XVI. 46 erwähnt wird.

V. 199 und 200. Glaukus, Sohn des Epicydides, siehe Herodot VI. 86. Quod dubitaret: dass er schwanken könne; also sollte es eigentlich statt des Infinitivs heissen: num retinere vellet necne.

V. 212, f. Ut morbo, wie in Folge einer Krankheit. Crescente: so kommt es ihm vor, weil er die Speise fast nicht kauen und hinunterbringen kann.

V. 226-228. Die Hälfte der pariser Handschriften und 39 andre haben statt judicet das nicht so schlagende Wort vindicet. Velut hoc dilata sereno: das für den Augenblick heitre Wetter ist nur ein kurzer Aufschub.

V. 234. Welches Opferthier ist nicht würdiger zu leben als der Verbrecher?

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V. 244 und 245. Dabit pedes in laqueum, quem ei vitia quasi ponunt." Er wird eingekerkert, im Gefängniss hingerichtet und dann ad scalas Gemonias geschleift werden; denn dass uncus den Ring bedeuten könne, woran die Kette befestigt wird, ist mir unwahrscheinlich.

M. Valerius Martialis

ist zu Bilbilis am Salo in der spanischen Provinz Tarraconensis geboren worden, also im westlichen Aragonien, am Flusse Xalon, ungefähr da, wo jetzt Calatayud liegt. Er spricht oft und mit Anhänglichkeit von seiner Heimath; z. B. I. 50: videbis altam, Licíniane, Bilbilim, equis et armis nobilem; " I. 62: „te, Liciniane, gloriabitur nostra nec me taeebit Bilbilis; " IV. 55: „nos Celtis genitos et ex Iberis nostrae nomina duriora terrae grato non pudeat referre versu, saevo Bilbilim optimam metallo, quae vincit Chalybasque Noricosque, et ferro Plateam suo sonantem, quam fluctu tenui, sed inquieto armorum Salo temperator ambit" (armorum temperator, weil man das Eisen in ihm härtet). Während seiner Jugend kam er nach Rom, er ziemlich dürftig lebte. Nach dem 109. Gedicht des ersten Buchs hatte er sich in coenaculis, in Dachzimmerchen, eingemiethet, drei Stiegen hoch, wie er I. 118 sagt: scalis habito tribus, sed allis." V. 22 gibt er zu verstehen, dass er nahe beim Floratempel wohnte, folglich in der Gegend, wo die Floralien gefeiert wurden und gegenwärtig die piazza Grimana ist, in der alta semita, der sechsten Region des alten Roms. Einige Epigramme mögen uns seine Lage vergegenwärtigen. Die Decken und Pfühle, worauf er schlief, waren keineswegs von der feinsten Sorte.

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I. 16. Zoilus aegrotat: faciunt hanc stragula febrem.
Si fuerit sanus, coccina quid facient,

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Quid torus a Nilo, quid Sidone tinctus olenti?
Ostendit stultas quid nisi morbus opes?

Quid tibi cum medicis? dimitte Machaonas omnes.
is fieri sanus? stragula sume mea.

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Wo

Zoilus," heisst es hier, will vor den ihn besuchenden Freunden nur seine Scharlachpfühle, seine aus ägyptischem Flachs gewobnen, mit Purpur gefärbten Decken auskramen: es kostete wenig Kunst, ihn gesund zu machen: er dürfte sich nur in mein Bett legen."

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Mit Vergunst, weiche von mir Armuth, damit sich Zoilus aus Aerger henkt!" Noch im fünften Buche, Epigramm 13, singt er:,, sum, fateor, semperque fui, Callistrate, pauper.“ Indess war er über die Mittel, sich eine sorgenfreiere Zukunft zu bereiten, nichts weniger als verlegen. In vielen Gedichten (I. 83 und 112, II. 74 und 93, V. 10, 28 und 63, VI. 38, VII. 31. VIII. 28) schmeichelt er dem M. Regulus, einem Menschen, den der jüngere Plinius an verschiednen Stellen seiner Briefe, besonders aber I. 5 sehr deutlich karakterisirt. „Hast du je einen feigern und niederträchtigern Menschen gesehen als den M. Regulus seit Domitians Tode, unter dem er dieselben Schandthaten begieng wie unter Nero, nur verborgner? Ich weiss gar wohl, dass er schwer zu stürzen (dvoxadaipɛTOS) ist; denn er ist reich, ein Partheimann, wird von Vielen beachtet, von Manchen gefürchtet, was öfters mehr wirkt als die Liebe." Warum Martial bei diesem elenden Angeber in Gunst zu stehen suchte, liesse sich errathen; allein er platzt überdiess mit einem naiven Geständnisse heraus.

VII 16. Aera domi non sunt: superest hoc, Regule, solum,
Ut tua vendamus munera: numquid emis?

Noch näher an die Geldquelle, wernach unser Dichter lüstern war, reichte Parthenius, der Oberkämmerling Domitians, cubiculo praepositus, wie Sueton im 16. Kapitel ́der Biographie dieses Kaisers sagt. Auch dem Parthenius gegenüber wird keine Süssigkeit gespart, so dass Martial, um dem Kaiser selbst zu huldigen, von der grassesten Vergötterung überströmen muss. Das den übrigen Epigrammen voranstehende Büchlein de spectaculis ist grösstentheils auf Domitian berechnet. Glückliches Rom! welch eine Abwechslung von Schönheiten! welch ein Uebermaass von Genüssen, das dein Herr, dein Jupiter, dein Gott auf dich regnen lässt!" Ein merkwürdiger Vorfall im Amphitheater gab Gelegenheit zu folgendem schönen Gedankenspiele.

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De sue, quae ex vulnere peperit.

13. Icta gravi telo confossaque vulnere mater
Sus pariter vitam perdidit atque dedit.
O quam certa fuit librato dextera ferro!
Hanc ego Lucinae credo fuisse manum.
Experta est numen moriens utriusque Dianae,
Quaque soluta parens, quaque peremta fera est.

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