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daß die Römer nur ihre alten Literaturwerke zu bewundern geneigt sind, ohne deren Mängel zu sehen, und alles Neue verachten. Dergleichen sei nie in Griechenland geschehen, da die Griechen in ihrer glücklichen Zeit ihre Kunstneigungen. auf jegliches Neue, bald auf dies, bald auf jenes mit regem Eifer geworfen hätten.

In Rom sei man von altersher, ohne auf Kunst zu achten, bloß dem praktisch Nützlichen nachgegangen. Und wenn jezt ein leichtsinniger Schwindel eingetreten sei, und Alles Verse machen wolle, auch wer nichts von Kunst versteht, so sei dies eine Verkehrtheit, obwohl die Dichtkunst an sich ihre löbliche und selbst für den Staat heilsame Seite habe.

Die ersten Poesien Latiums seien aus den ländlichen Festen erwachsen, doch bald in verlegende Satire ausgeartet und gehemmt worden. Dann seien griechische Dichtungen den Römern bekannt geworden, und römische Dichter hätten besonders in der Tragödie Lobenswerthes erzielt, jedoch immer die kunstgerechte Form zu sehr vernachlässigt; noch andre Vorwürfe träfen die Comödie, besonders die des Plautus.

Wer aber jezt in einem Drama sich versuchen wolle, dem stehe ein sehr geschmackloses Publicum entgegen, das nur in äußerem Schaugepränge sein Vergnügen finde, oder in Thierhegen und Kampfspielen. Jedoch verdiene der dramatische Dichter Anerkennung, der seine Aufgabe recht zu lösen vermöge.

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Auch solche Dichter, die nicht dem schnöden Hochmuthe der Theaterbesucher sich aussetzen möchten, sondern dem ruhigen Leser lieber sich widmeten, verdienten die Aufmerksamkeit des Herrschers. Es komme viel darauf an, daß der um das Vaterland verdiente Mann zu seiner Verherrlichung bessere Sänger finde, als Alexander von Macedonien. Wohl habe Augustus ein richtigeres Urtheil als Alexander gezeigt in der

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Gunst, die er dem Varius und Virgilius geschenkt habe. Auch Horaz würde lieber die Thaten August's besingen, als schwunglose Verse machen, wenn er zu jenem Befähigung besäße. Allein schlechte poetische Erzeugnisse seien der Gefahr ausgefeßt, den Glanz des Ruhmes, den sie heben wollten, zu beeinträchtigen, und des Horaz Ehrgefühl hindere ihn daran, etwas zu versuchen, wozu er sich nicht befähigt fühle. Und so schließt er mit einem Scherze, der in verdeckten Worten sagt: ich möchte nicht ein Augustus sein, der von einem Horatius besungen worden wäre.

Wir sehen aus diesem Inhalte, daß Horaz die Epistel zwar mit einer persönlichen Angelegenheit schließt, indem er die wohl öfter an ihn ergangene Aufforderung, in epischer Form des Augustus Thaten zu besingen, nochmals ablehnt. Aber wenn wir ferner wissen, daß Augustus selbst zu den Verehrern des altrömischen Drama's gehörte, und daß ganz besonders er es war, welcher das übertriebene, jede dramatische Kunst hemmende oder vernichtende Schaugepränge der römischen Bühne begünstigte, so werden wir auch die freimüthige Seite der Epistel nicht verkennen dürfen.

Die falsche Beurtheilung des Augustus, welche Wieland in der Einleitung zu dieser Epistel aufgestellt hatte, ist von Friedr. Jacobs (Verm. Schr. V. S. 90 und 360 nebst Vorrede S. XIV. und daselbst Raumer) widerlegt worden. Weil Augustus in seiner Sterbestunde die Umstehenden fragte, ob er die Rolle seines Lebens gut gespielt (Suet. Oct. 99), so wollte Wieland folgern, er sei sein Leben lang ein verstellter Comödiant gewesen. Dies ist aber unbegründet. Mag der junge Octavian mehr Verschmihtheit als redlichen Willen, mehr egoistischen Ehrgeiz als Interesse für das Staatswohl und für Kunst und Wissenschaft, mehr Grausamkeit als humane Denkweise besessen haben; so ist doch nicht in Abrede zu

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stellen, daß das Wohl des Staates durch seine Herrschaft gefördert wurde, und daß in spätern Jahren, als seine Macht feststand, auch wirkliche Sorge um das Staats wohl an die Stelle früherer Verkehrtheiten trat. Wissen wir doch auch von Titus, daß er vor seinem Regierungsantritte nicht bloß schwelgerisch ausschweifend, sondern auch verabscheuungswürdig grausam war (Suet. Tit. 6 u. 7), und nichts desto weniger den Namen amor et deliciae generis humani erhielt, und die allgemeine Verehrung der römischen Welt sich erwarb.

Und wenn wir daran denken, daß Horaz im Heere des Brutus einst Octavians Bestrebungen bekämpfte, und jetzt in dem Ton der Verehrung ihm gegenübertritt; so wird dies nicht unvereinbarlich mit redlicher Gesinnung erscheinen. Daß schon vor Julius Cäsar die römische Republik faul, und zu längerem Fortbestand unfähig war, bedarf keines Beweises. Wenn nun Brutus und ein und der andre Jüngling, der sich wie Horaz seinem Heere anschloß, die Freiheit des Staates retten wollten, so strebten sie nach etwas Unmöglichem. Aber wir dürfen einerseits nicht zweifeln, daß Horaz später selbst zur Einsicht kam, wie wenig das Wohl des Staates und die Größe Roms in den unablässigen Parteiungen der egoistischen, entweder schwachsinnigen oder ganz demoralisierten Optimaten zu verwirklichen möglich war, und anderseits die Erkenntniß erlangte, daß die Wege, die Augustus einschlug, zu dem Ziele führten, das in seiner Jugend von ihm erkämpft werden sollte, nämlich zu der Herrlichkeit und Größe Roms und dem Wohle der römischen Bürger. Dabei ist übrigens nicht zu übersehen, daß diese Umkehr der Gesinnung sich nicht eben plötzlich zeigte und dadurch als Charakterlosigkeit sich auslegen ließe, sondern daß Horaz in den nächsten Jahren nach der Schlacht bei Philippi oder in

den ersten Zeiten seiner Bekanntschaft mit Mäcenas nichts zum Lobe des Augustus sang. W. E. Weber hat im Einzelnen nachzuweisen versucht*), daß vor dem actischen Kriege jede directe Communication zwischen dem Machthaber und Dichter in Abrede zu stellen ist, daß dagegen später, namentlich nach der Rückkehr Octavians aus Aegypten und Asien, Horaz offen zu dessen Partei sich bekannte, und die Gelegenheiten, dessen ehrenvoll und anerkennend zu erwähnen, nicht mehr ablehnend vorübergehen ließ. Wenn auch Mäcenas der Gesinnung des Dichters, welche ihn in die Schlacht bei Philippi geführt hatte, keinen Zwang auflegte, so war es doch natürlich, daß der stete Umgang mit Mäcenas des Dichters anfängliche Abneigung wider die eingetretene Wendung der Dinge nach des Brutus Tod, „namentlich wider Sache und Person des Octavianus Cäsar zuerst verstummen machte, dann allmählig auslöschen und zulezt in Anerkennung und Theilnahme umwandeln mußte“. Und die wirkliche Verehrung, die Horaz nach dieser Gesinnungsänderung gegen den Herrscher hegte, überschritt in ihren Aeußerungen nie das geeignete Maß; vielmehr ist Horaz hinter dem zurückgeblieben, was Virgil, Ovid u. A. als Ausdruck ihrer Verehrung laut werden ließen. Ja aus Suetons Lebensbeschreibung des Horatius ergibt sich eine Thatsache, welche mehr als Dichterworte Horazens Zurückhaltung gegen den Herrscher beweist. Augustus wollte ihn zu seinem Geheimsecretär machen und täglich an seiner Tafel haben. Diese Gnade lehnte Horaz aus Gesundheitsrücksichten ab. Mag seine Gesundheit nicht zu den robusten gehört haben, so hätten doch wohl Wenige

*) Man vergl. dessen Abhandlung über die Verhältnisse des Horatius zu Cäsar Octavianus“ in den neuen Jahrbüchern für Philologie und Pädagogik. Supplementband IX, S. 280 flg.

an seiner Stelle diese Ablehnung über sich gewinnen können. Und der Beherrscher der Welt hatte dem unbedeutenden Manne gegenüber so viel gesunden Sinn, und so viel wirkliche Hochachtung für die Dichtungen des Horaz, daß er, statt sich über den Dichter verstimmt zu zeigen, fortfuhr ihn durch Freundlichkeiten zu verpflichten. Wohl fühlte er, daß Horaz mehr die Gebundenheit in der ihm angetragenen

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Ad Augustum.

Quum tot sustineas et tanta negotia solus,
Res Italas armis tuteris, moribus ornes,
Legibus emendes; in publica commoda peccem,
Si longo sermone morer tua tempora, Caesar.

Romulus et Liber pater et cum Castore Pollux, Post ingentia facta deorum in templa recepti, Dum terras hominumque colunt genus, aspera bella Componunt, agros adsignant, oppida condunt, Ploravere suis non respondere favorem 10 Speratum meritis. Diram qui contudit hydram Notaque fatali portenta labore subegit, Comperit invidiam supremo fine domari.

Urit enim fulgore suo qui praegravat artes

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