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fertigen und wohl auch darum am gewöhnlichsten waren die Bildnisse in Wachs, von denen Horaz hier redet.

65) Der Ausdruck porrectus wird vorzugsweise von Todten oder von Leichen gebraucht, daher die Uebersetzung: wie zum Begräbniß. Die runden Kapseln, die gleichsam den Einband ersetzten, welchen bei uns die Bücher haben, pflegten wohl verschlossen zu sein, so lange ein werthvolles Buch darin war; ja manchmal sogar versiegelt. Allein sobald einmal das rund zusammengerollte Buch zu Käsepapier oder Maculatur, wie wir sagen, bestimmt war, ist es entsprechender, daß fie offen bleibt. Daher die Lesart aperta statt operta den Vorzug verdient. Auch Meineke hat in der Recension von 1854 aperta aufgenommen.

66) Die Straße, worin in Rom Gewürze, Salben und sonstige Lurusartikel verkauft wurden, war der sogenannte vicus Tuscus. Er befand sich zwischen dem Palatinischen und Capitalinischen Hügel, und gränzte auf der Südseite an das Forum. Vielleicht hatte er seinen Namen daher, daß er ursprünglich von Etruriern bewohnt war. Durch den bedeutenden Handel in ausländischen Producten, Weihrauch u. A., erhielt er später den Namen vicus thurarius (Vergl. Satir. II, 3, 228).

Anmerkungen zu Epistel II, 2.

1) So wie es bei uns jetzt noch gesetzlich geltende Bestimmungen bei den Pferdekäufen gibt, wornach der Verkauf ungültig werden kann, wenn der Verkäufer gewisse Mängel des Thieres nicht angegeben hat und diese in einer bestimmten Frist nach dem Kaufe zu Tage treten; so galten auch beim Sklavenverkauf gesetzliche Bestimmungen über diejenigen Mängel, die der Verkäufer anzugeben gehalten war. Darunter befand sich in'sbesondere: ob der Sklave ein fugitivus sei. Unter den fugitivis unterschied man wieder 1) den eigentlichen fugitivus, dem es nirgends lang behagte, der überall davonlief (fugit) und ein andres Unterkommen suchte, und 2) den erro, qui non quidem fugit, sed frequenter sine causa vagatur et, temporibus consumptis, serius ad dominum redit (Dig. 21, 1, 17). Hiernach bemerkt auch Ulpian (a. a. D.): Erronem definit Labeo pusillum fugitivum esse et ex diverso fugitivum magnum Hier ist nun die Rede eigentlich von einem erro, welchen Horaz in Satire II, 7, 100 durch cessator bezeichnet, und dessen Vergehen daher auch in unserer Epistel V. 14 durch cessavit ausgedrückt wird. Weil aber ein solcher erro mit dem fugitivus eine gewisse Begriffsverwandtschaft hatte, so wird die V. 14 angeführte cessatio in dem Folgenden, V. 16, durch fuga bezeichnet. Bei fugă exceptă

erronem esse.

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ist zu bemerken, daß excipere von der Angabe der Mängel beim Kaufe das eigentlich übliche Wort ist, vgl. Sat. II, 3, 286.

2) Bekannt sind die Kriege gegen Mithridates, den gefährlichen Feind der Römer in Asien. Sulla hatte zuerst mit einigem Erfolg ihn bekämpft, nach ihm kam Lucullus, den hier Horaz erwähnt, und der nicht geringen Kriegsruhm sich erwarb. Aber er konnte den Krieg nicht zu Ende führen und mußte diesen Ruhm dem Pompejus überlassen. Nach der Deutung, welche Ritter dem entstellten Scholion des Porphyrion gibt, war der hier besagte Kriegsmann des Lucullus ein praefectus cohortis socialis, was ganz gut dem Zusammenhang entspricht, da er mit seiner Cohorte als deren Führer desto größere Erfolge erringen konnte.

3) ibit, ibit in der Antwort des Kriegsmannes ist jedenfalls eine Parodie zu der Aufforderung des Feldherrn. Statt mit Wieland auf ein unter den römischen Soldaten übliches Sprichwort hinzuweisen, möchte ich eher daran erinnern, daß Gesner zu den Oden (II, 17, 10) in den Worten: ibimus, ibimus, quo etc. eine Anspielung auf die Worte des römischen Kriegseides vermuthete. Wenn dem so ist, so ergibt sich auch hier eine parodierende Anspielung auf die Worte des Kriegseides. 4) Die Iliade besingt bekanntlich den Zorn des Peliden Achilles. Horaz will bloß sagen: Schon in Rom lernte ich auch Griechisch, und lernte namentlich das Homerische Epos kennen, die Quelle der griechischen Poesie und Beredsamkeit.

5) Nach Athen gingen damals alle römischen Jünglinge, die irgend höhere Bildung sich erwerben wollten. Obwohl die Bürgerschaft von Athen sehr herabgekommen war, so blieb Athen der Sitz gelehrter Philofophen, zu denen nicht blos von Westen her, sondern auch aus allen Punkten der Civilisation Zuhörer sich einfanden. Troß allem Herabgekommensein blieb aber dem gemeinsten athenischen Bürger ein Nachklang des alten Atticismus, daß er non verbis, sed sono vocis, non tam bene quam suaviter loquendo die gelehrtesten Männer übertraf, die von anderwärts her sich hier einfanden (Cic. de or. III, 11, 43). Außerdem war Athen noch reich an Denkmälern, die mit jedem Schritte an die ruhmvollen glänzenden Zeiten des Perikles erinnerten. Wegen der völlig ungestörten Muße, die Athen dem Wissensdurstigen gewährt, heißt es bonae, und wegen der sonstigen Reize, die der Ort in seinen klajfischen Erinnerungen bot, nennt ihn Horaz (V. 46) locus gratus.

6) Bei seiner Weiterbildung in Athen gewann Horaz Interesse für philosophische Studien, und zwar für die Ethik (um das rectum und curvum zu unterscheiden), und für Dialektik und Naturkunde (um das verum zu erforschen). Das Interesse für diese Studien, welche er schon in seiner Jugend geliebt und denen er jetzt wieder sich hingegeben hatte, ist ganz gut durch vellem bezeichnet, welches durch das minder geeignete possem aus den meisten, selbst aus guten Handschriften verdrängt ist. „Das ethische rectum hat seinen eigentlichen Gegensatz in pravum, aber aus Humor stellt der Dichter ihm lieber das curvum entgegen, den eigentlichen Gegensatz des mathematischen rectum“ (Dödl.) Dem alt attischen Heros Academus war bekanntlich ein Platz ganz nahe bei Athen, am Cephisus, geheiligt, den Cimon mit Oliven und Platanen bepflanzen ließ und wo sich auch ein Heiligthum der Minerva,

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Altäre des Prometheus (des Licht bringenden) und ein Altar der Musen mit Statuen der Grazien von Speufippus befanden. Plato besaß in der Nähe ein Landhaus, und sowohl er als seine Nachfolger trugen hier ihre philosophischen Lehren vor. Die philosophische Schule der Academiker erhielt daher ihren Namen.

7) Daß Horaz bei seinem Aufenthalt in Athen sich mit philosophischen Studien abgab, sagt er uns selbst V. 44 und 45. Wenn wir auch den Bericht der Scholien, daß Horaz damals in der Philosophie sich bereits einen Namen habe erworben gehabt, nicht grade als wahr annehmen, so wird aber feftstehen, daß Brutus, welchen Wieland den tugendhafteften und liebenswürdigsten aller Helden, die jemals der Menschheit Ehre gemacht haben, nennt, nicht minder reges Interesse an philosophischen Studien hatte, und damals (711 n. E. R.) mit den jungen Römern auch die Vorträge der Philosophen besuchte. Durch diese gemeinsame wissenschaftliche Neigung entwickelte sich auch um so leichter eine gleiche Richtung für vaterländische Interessen, und Brutus nahm die jungen in Athen ihrer Ausbildung obliegenden Römer alle mit sich, als er von da nach Kleinasien hinüberzog, um mit größeren Kriegsrüstungen zum Krieg gegen Antonius und Octavianus wieder nach Europa zurückzukehren, wo die Schlacht bei Philippi (712) dem Kampfe ein Ende machte.

8) Die lacerti Caesaris Augusti hat man als schmeichlerische Bezeichnung der persönlichen Tapferkeit des Augustus genommen, und Wieland erklärt es für einen Hofstyl-mäßigen Ausdruck für das Glück seiner Waffen. Das Richtigere ist, daß lacerti hier wie bei Cicero (Fam. IV, 7, 2) bildlich zur Bezeichnung der Heeresmacht steht.

9) Das Bekenntniß, daß Horaz durch die Armuth zum Dichten getrieben worden sei, hat viele Deutungen veranlaßt. Daß für die Befriedigung der Lebensnothdurft in jener Zeit (wo sein väterliches Erbgut auf dem Gebiet von Venusia den Veteranen zum Besitz angewiesen war) die Stelle eines scriba quaestorius ihn vor Hunger sicherte, ist außer Zweifel. Ebenso sicher ist, daß kein Buchhändlerhonorar durch Gedichte damals in Rom zu gewinnen war; und daß das Beispiel des Simonides, der nach Phaedrus (Fab. IV, 21) sich durch sein Dichten gegen Armuth schützte, nicht auf die Verhältnisse des Horaz paßt, darauf hat Kirchner (Q. Hor. S. 16 Note) aufmerksam gemacht. Indessen denkt Wieland noch an die Göttin Fames, die in unsrer modernen Zeit für Manchen die zehnte Muse wird, und Zumpt (über

das Leben des Horaz S. 10) sagt: „Ich glaube, daß Horaz Gelegenheitsgedichte jeder Art machte, in Andrer Namen, in seinem Namen, für Bezahlung oder für Gunst“. Weichert will nicht Gelderwerb, sondern die Gunst der Großen in dem Ziele erkennen, zu welchem die Armuth antrieb. Kirchner weist auf den Vergleich mit Lucull's Kriegsmann hin, und meint, so wie diesen, so habe auch den Horaz die Armuth mit Ingrimm gegen Alles erfüllt, und habe ihn so zu den beißenden Satiren und Epoden hingerissen. Hiergegen macht Ritter mit Recht darauf aufmerksam, daß Horaz hier nur von lyrischen Dichtungen rede. Wenn aber nach seiner Ansicht nur von der Zeit die Rede sein soll, in welcher Horaz nach seiner Bekanntschaft mit Mäcen und Augustus zu lyrischen Dichtungen aufgemuntert wurde, so widerstrebt dies dem V. 49 simul primum etc.

Lieber möchte ich an solche Dichtungen denken, welche zwar jetzt unter den Epoden eingereiht sind, aber wie etwa die dreizehnte Epode mehr einen lyrischen Charakter haben, als sie zu den satirischen Jamben gehören. Aber wie konnte Horaz veranlaßt sein zu sagen, die Armuth habe ihn zum Dichten getrieben? Hierfür ist erstlich zu beachten, daß Horaz, wenn er von sich selbst redet, in seinem Humor oft sich niedriger stellt, als er in Wirklichkeit war. Ihn beunruhigte daher auch hier in den Worten paupertas impulit audax etc. nicht die Befürchtung, daß man ihm etwa nachrede, er habe durch seine Poesien bloß auf ein Sabinum es abgesehen. Daß aber zweitens die paupertas audax einen wahrheitgemäßen Sinn habe, dürfte sich aus folgenden Erwägungen ergeben: Ein Mann, der so gut wie gar keine Stellung in der geselligen Welt hat, kann bei einem etwaigen Mißlingen poetischer Versuche nichts verlieren, sein Name kann in seiner dunkeln Unbekanntheit keine Herabsetzung erfahren; aber grade deßwegen kann er sich um so leichter zu einem gewagten Versuch entschließen. Horaz hatte indeffen so viel Ehrfurcht vor echter Poesie, und so viel Kunstkenntniß, daß er eine vollendete Dichtung nicht grade für etwas Leichtes hielt, und daß er sicherlich zuerst ein gewisses Bedenken zu überwinden hatte, um mit einem poetischen Versuche hervorzutreten. Aber diese Ueberwindung erleichterte ihm seine Armuth, d. h. seine bedeutungslose Stellung in der römischen Welt.

10) Horaz scheint hier dem Schierling (cicutae) dieselbe Kraft des Blutreinigens (expurgare) beigelegt zu haben, die von den alten Aerzten dem Helleborus (Vergl. unten V. 137) gegen Melancholie und Irrfinn beigelegt wurde. Plinius (25, 13, 95) schreibt dem Saamen

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