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Und auch der Weise furchtsam schreitet,
Oft stille steht, und oft gefährlich gleitet.

Die Risse liegen aufgeschlagen,

Die, als die Gottheit schuf, vor ihren Augen lagen:
Das Reich des Möglichen steigt aus gewohnter Nacht;
Die Welt veråndert sich, mit immer neuer Pracht,
Nach tausend lockenden Entwürfen,

Die eines Winks zu schnellem Seyn bedürfen.

Der Sextus einer beffren Erden

Zwingt nicht Lukretien, durch Selbstmord groß zu wers
den;

An keinem Dolche starrt ihr unbeflecktes Blut;
Das leichenvolle Rom, der Schauplah feiger Wuth,

Und viehischer Domitiane,

Herrscht unverheert in einem schönern Plane.

Doch Dämmerung und kalte Schatten
Gehn über Welten auf, die mich entzücket hatten:
Der Schöpfer wählt sie nicht! Er wählet unsre Welt,
Der Ungeheuer Sih, die, Helden beigesellt,
In ewigen Geschichten strahlen;

Der Menschheit Schmach, das Werkzeug ihrer Quas
len.

Eh ihn die Morgensterne lobten,

Und auf sein schaffend Wort des Chaos Tiefen tobten,
Erkohr der Weiseste den ausgeführten Plan

Und wider seine Wahl, will unser Maulwurfswahn,

Will stolze Blindheit Recht behalten;

Und eine Welt im Schoos der Nacht verwalten?

Von welcher Sonne lichtem Strahle

Bricht meine Finsterniß! Wie warn aus feuchtem
Thale

Der frühe Wandersmann auf hohe Berge dringt,
Schnell eine neue Welt vor seinem Aug entspringt,
Und Reiz die große Weite zieret,

Wo sich der Blick voll reger Luft verlieret:

Denn

Denn Fluren, die von Blumen düften,

Gefilde, voll Gesangs und Heerdenvolle Triften;

uz.

Und hier krystallne Fluth, vom grünen Wald umkränzt; Dort ferner Thürme Gold, das durch die Wolken glänzt,

Begegnen ihm, wohin er blicket

So wird mein Geist auf seinem Flug' entzücket,

Ich habe mich empor geschwungen!

Wie groß wird mir die Welt! die Erde flieht verschlune

gen;

Sie macht nicht mehr allein die ganze Schöpfung aus !
Welch kleines Theil der Welt ist Rheens finstres Haus!
Und, Menschen, welche kleine Heerde

Seid ihr nur erst auf dieser kleinen Erde!

Gönnt gleiches Recht auf unsrem Balle

Geschöpfen andrer Art! Ihr Schöpfer liebt sie alle:
Die Weisheit selbst entwarf der kleinsten Fliege Glück;
Ihr Schicksal ist bestimmt, so gut als Roms Geschick,
Und als das Leben einer Sonne,

Die glänzend herrscht in Gegenden der Wonne.

Seht, wie in ungemeßner Ferne

Orion und sein Heer, ein Heer bewohnter Sterne,
Vor seinen Schöpfer sich in lichter Ordnung drångt!
Er sieht, Er sieht allein, wie Sonn an Sonne hångt,
Und wie zum Wohl oft ganzer Welten'

Ein Uebel dient, das wir im Staube schelten.
Er sieht mit heiligem Vergnügen

Auf unsrer Erde selbst sich alle Tiefen fügen,

Und Ordnung überall, auch wo die Tugend weint:
Und findet, wenn sein Blick, was bds und finster

scheint,

Im Schimmer seiner Folgen siehet,

Daß, was geschieht, aufs beste stets geschiehet.

Es leide mit gepriesnem Muthe

Die Gattin Collatins! Es keimt aus ihrem Blute
Die Freiheit eines Volks, die einst Catone zeugt;
Bis kühne Tyrannei, vom Laster groß gesäugt,

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Die spåt verlassne Lugend råchet,

Und Rom durch Rom bestraft, und strafend schwächet,
Entkräftet in verdienten Ketten,

Wie soll sich Latium von fremdem Joche retten?

Sieh! das entmannte Rom verfällt in Schutt und,
Graus:

Der kalte Norden speit ein Volk der Wilden aus,
Das durchs Verhängniß überwindet;

Im Finstern saß, und Licht und Wahrheit findet.

Die ihr ein Stück vom Ganzen trennet,

Vom Ganzen, das ihr blos nach eurem Winkel kennet;
Verwegen tadelt ihr, was Weise nicht verstehn.
O! könnten wir die Welt im Ganzen übersehn,
Wie würden sich die dunkeln Flecken

Vor unserm Blick in größern Glanz verstecken!
Soll Welten alles Böse fehlen,

So muste nie den Staub der Gottheit Hauch beseelen-
Denn alles Bose quillt bloß aus des Menschen Brust-
So muß der Mensch nicht seyn. Welch größerer Vers
lust!

Die ganze Schöpfung würde trauern;

Die Tugend fliehn, und ihren Freund bedauern.

Ihr Weisen håttet nie entzücket,

Die ihr die Schöpfung mehr, als hundert Sonnen
schmücket

Und Ordnung herrschte nicht im Reiche der Natur,
Die niemals flüchtig springt, und stuffenweise nur
Auf ihrer güldnen Leiter steiget,

Wo sich der Mensch auf mittlern Sprossen zeiget,

Vom Wurme, der voll größrer Mångel

Auf schwarzer Erde kreucht, und vom erhabnen Engel
Sind Menschen gleich entfernt, und beiden gleich vers
wandt:

Ihr freier Wille fehlt, ihr himmlischer Verstand
Entfliehet nie der engern Sphåre;

Stets fesselt ihn des Leibes träge Schwere,

Es rauschen laute Spöttereien

Um mein verachtend Ohr; viel stolze Klugen schreien
Dem armen Sterblichen des Willens Freiheit db.
Die Sklaven! welche das, was weise Güte gab,
Der Menschheit Vorrecht, nicht erkennen;
Und, gleich dem Vieh, sich dessen unwerth nennen.

Berzårtelt eure Leidenschaften,

So herrschen sie zuleht; sie bleiben ewig haften;
Ein diamantnes Band knüpft sie an euer Herz.
Der freigeborne Geist erblickt, nicht ohne Schmerz,
Sich endlich in verjährten Banden;

Und ist ein Knecht weil er nicht widerstanden.
In allen Ordnungen der Dinge,

Die Gott als möglich sah, war Menschenwig geringe:
Der Mensch war immer Mensch, voll Unvollkommens
heit.

Durch Tugend soll er sich aus dunkler Niedrigkeit
Zu einem höhern Glanz erheben;

Unsterblich seyn, nach einem kurzen Leben.

Mein Schicksal ist nur angefangen,

Hier, wo das Leben mir in Dammrung aufgegangen:
Mein Geist bereitet sich zu lichtern Tagen vor,
Und murrt nicht wider den, der mich zum Staub er
tohr;

Mich aber auch im Staube liebet,

Und höhern Rang nicht weigert, nur verschiebet.

uz.

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Bamler.

Ramler.

Mehrere seiner Oden haben, bei allem höhern, heroi: schen Schwunge, eine moralische und lehrreiche Richtung, wie das in dem großen Vorbilde dieses Dichters, der Horas zischen Ode, gleichfalls der gewöhnliche Fall ist. Aber die Art, wie er Unterricht, Lehre, Warnung oder Ermunterung mit åchtem lyrischen Pathos zu verbinden weiß, bleibt im mer, wie seine ganze Manier, überaus edel und musterhaft.

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Und alle Künste spåt aus Asch und Moder
Und Todtengrüften auferstehn,

Und aus der Nacht des regellosen Zufalls? Oder
Auf ewig untergehn,

Wenn nun die weise Vorwelt ausgestorben;

Das unerzogne Kindes Kind

Ein Räuber ist; die nicht zu Räubern angeworben

Armselge Pflüger sind? ——

O ihr, verderblicher, als der entbrannte

Vesuv, als unterirdische

Gewitter! Ihr, des magern Hungers Bundsvers

Der Pest Verschworene!

wandte,

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