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Anm. 1 Das ältere Recht gebot überhaupt nach dem Tode naher Angehöriger die Beobachtung einer gewissen Trauerzeit, tempus lugendi, deren Berletzung Infamie nach sich zog. fragm. Vat. §. 320. 321. cf. L. 25. pr. D. de his qui not. infam. 3. 2. Dies fiel später weg. L. 9. 11. pr. 23. D. 1. c. Für die Frau aber blieb es bestehen propter turbationem sanguinis, L. 11. §. 1. D. l. c., wurde aus diesem Grunde aber auch für den Fall der Scheidung angenommen, L. 9. Cod. de repud., und die frühere Zeit von 10 Monaten (fragm. Vat. §. 321.) auf ein Jahr erstreckt, L. 2. Cod. de sec. nupt., wodurch der angedeutete Gesichtspunkt einigermaßen verrückt worden ist. Gleich wohl wurde in L. 11. §. 2. D. 1. c. der Satz aufgenommen: eam, quae intra legitimum tempus partum ediderit, statim posse nuptiis se collocare, welchen freilich Vang. §. 227. Anm. 2. u. a. mit Rücksicht auf L. 11. §. 1. 3. ibid. auf den Fall beschränken wollen, si talis sit maritus, quem more maiorum lugeri non oportet, wie perduellionis damnati, suspendiosi oder qui manus sibi intulerunt mala conscientia.

2 Das cap. 4. X. 1. c. fagt: Super illa quaestione, qua quaesitum est, an mulier possit sine infamia nubere intra tempus luctus secundum leges definitum, respondemus, quod, cum apostolus dicat: mulier viro suo mortuo soluta est a lege viri sui et in Domino nubat, cui voluerit, per licentiam et auctoritatem apostoli eius infamia aboletur. Man wendet nun zwar ein, daß nach den Regeln der Gesetzesauslegung hierdurch nicht auch die übrigen Folgen der Verletzung des Trauerjahrs für beseitigt zu halten seyen, Vang. a. a. D., muß aber doch einräumen, „daß sie allgemein in Vergessenheit gerathen seyn dürften“, Sint. §. 137. not. 15., wornach denn nicht einzusehen ist, warum sie nur, als durch particularen Gerichtsgebrauch in desuetudinem gekommen“ sollten nachgewiesen werden können. Richtiger sagt umgekehrt Böhmer in annot. ad cap. 4. cit. Interim haec dispositio intercessit, ne poenae secundarum nuptiarum intra annum luctus iuris romani in Germania recipi potuerint. Quae vero nova lege provinciali de anno luctus hinc inde proposita sunt, unice ex hac, non ex iure romano, quoad poenam, aestimari debent. Vgl. übrigens Glück XXIV. S. 197. fg. Geiger a. a. D. S. 228. fg. Puchta §. 429. a. E.

Bweites Capitel.

Vom Verhältniß unter Aeltern und Kindern.

$. 419.

Das Verhältniß zwischen Aeltern und Kindern ist, wie die Ehe, im Allgemeinen mehr von sittlichem als juristischem Charakter, aber doch zugleich in verschiedenen juristischen Beziehungen wirksam. Nach der Natur dieses Verhältnisses ist auch im Wesentlichen die

Stellung beider Aeltern zu den Kindern eine gleiche, obwohl mit einem natürlichen Uebergewicht der Autorität des Vaters. Im römischen Recht aber ist eine Gewalt des Vaters über die Kinder mit besonderem juristischen Charakter anerkannt, wodurch sich die väterliche Gewalt, patria potestas, als ein familienrechtliches Institut von selbständiger eigenthümlicher Bedeutung darstellt, verschieden von dem Verhältniß der Aeltern zu den Kindern überhaupt. Daher :

I. Von der väterlichen Gewalt a.

A. Entstehung derselben.

§. 420.

1) Durch Geburt.

Die in rechtlich gültiger Ehe erzeugten Kinder fallen durch die Geburt sofort in die väterliche Gewalt des Erzeugers ↳. Wenn dieser selbst noch in väterlicher Gewalt steht oder bis zu seinem früher erfolgten Tode gestanden hat, so hat sein Vater die väterliche Gewalt auch über den Enkel, und geht diese erst durch dessen Tod auf den noch lebenden Erzeuger selbst über ©.

S. 421.

2) Durch Legitimation ».

Unehelich gezeugte Kinder fönnen das Recht ehelicher Kinder erlangen und so denn auch in die väterliche Gewalt ihres Erzeugees kommen 1) durch nachfolgende Ehe zwischen diesem und ihrer Mutter (legitimatio per subsequens matrimonium), wobei es einer besondern Erklärung des Willens, die Kinder zu legitimiren, nicht bedarf, wenn nur die Vaterschaft durch Anerkennung von Seiten des Vaters außer Zweifel ist 2; 2) durch Concession des Regenten (legitimatio per rescriptum principis) auf Gesuch des Vaters, oder auch, wenn dieser in seinem lezten Willen den Wunsch ausgesprochen hat, nach dessen Tode noch auf Gesuch der

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Inst. de patria potestate. 1. 9. Cod. 8. 47. cf. Dig. de his, qui sui vel alieni iuris sunt. 1. 6. b pr. J. 1. c. §. 12. J. de nupt. 1. 10. cf. §. 39. • L. 4. 5. D.

1. c. pr. J. quib. mod. ius. pot. 1. 12.

■ Cod. de naturalibus liberis et matribus eorum et ex quibus causis iusti efficiantur. 5. 27. nov. 74. 89. cf. cap. 1. 6. 13, X. qui filii sint legitimi. 4. 17. b L. 10. 44. Cod. h. t. 5. 27. nov. 12. cap. 4. nov. 89. cap. 8. §. 13. J. de nupt. 1. 10. nov. 74. cap. 1. 2. nov. 89. cap. 9.

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Kinder selbst oder ihrer Mutter, wodurch denn freilich nur bewirkt werden kann, daß sie dieselben Rechte erhalten, als ob sie noch bei Lebzeiten des Vaters legitimirt worden wären 3. Zur Entstehung der väterlichen Gewalt ist übrigens immer auch die Einwilligung der Kinder erforderlich, sofern sie willensfähig sind e; nur die Rechte ehelicher Geburt erlangen sie ohnedies von selbst durch die nachfolgende Ehe der Aeltern f.

Anm. 1 Nach R. R. beschränkt sich die Legitimation auf die im Concubinat erzeugten Kinder, naturales liberi. Schneider in Linde's Ztschr. XII. 10. Nach canonischem und heutigem Recht, das den Concubinat nicht mehr als ein erlaubtes Verhältniß anerkennt, können überhaupt uneheliche Kinder (spurii) legitimirt werden; streitig ist nur, ob auch ex damnato coitu nati? wie jedoch die Meisten mit Recht annehmen, arg. cap. 6. X. 1. c. cap. 3. 6. X. de eo qui duxit in matr. quam polluit per adulterium. 4. 7. Vang. §. 254. 255. Anm. 2. Vgl. Seuffert's Arch. I. 352. III. 65. V. 188.

2 Diese Legitimation wurde zuerst einigemal nur vorübergehend gestattet. L. 6. 7. Cod. h. t. 5. 27. Erst Justinian führte sie als bleibendes Institut ein (not. b.), schrieb aber, um die Gewißheit der Verwandlung des Concubinats zur Ehe herzustellen, die Errichtung von instrumenta dotalia vor. Diese Vorschrift kommt jetzt nicht mehr in Betracht, da das heutige Recht ohnehin für Eingehung der Ehe eine bestimmte Form erfordert. Vgl. übrigens Dieck, Beitr. zur Lehre v. d. Legitimation durch nachfolgende Ehe. Halle 1832. Vang. §. 255. 3 Dies ist die unpassend sog. legitimatio per testamentum. vgl. Vang. §. 256. Anm. 2. Nach Justinians Vorschrift soll übrigens die Legitimation durch den Regenten nur unter der doppelten Voraussetzung gewährt werden, daß keine rechtmäßigen Kinder vorhanden sind und daß die Legitimation durch Ehe nicht möglich ist (not. c.). Allein die Legitimation ist gleichwohl gültig, wenn nur der Regent sie in Kenntniß des Mangels dieser Voraussetzungen gewährt hat; ein Recht auf die Gewährung haben Vater und Kind überall nicht. Eine dritte Art der Legitimation nach R. R., per oblationem curiae (nov. 89. cap. 2...6.), ist unpraktisch. Ungegründet aber die Annahme einer sog. legiti matio per nuncupationem filii, die man aus der Anth. si quis ad L. 11. Cod. h. t. oder nov. 117. cap. 2. hat ableiten wollen: Seuffert's Archiv V. 189. §. 422.

3) Durch Adoption ».

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Die väterliche Gewalt über eine Person kann auch ohne Vorausseßung eines natürlichen Kindesverhältnisses durch einen juristischen Act begründet werden, durch welchen Jemand dieselbe an

d nov. 74. cap. 2. nov. 89. cap. 10. 4. 17.

e nov. 89. cap. 11. f cap. 6. X. I. c.

Inst. de adoptionibus. 1. 11. Dig. de adoptionibus et emancipationibus et aliis modis, quibs potestas solvitur. 1. 7. Cod. de adoptionibus. 8. 48.

Kindesstatt annimmt, sey es, daß diese bisher schon in väterlicher Gewalt eines Andern gestanden hat, oder nicht, also selbständig (sui iuris, §. 28.) war. Im ersten Fall ist es Adoption im engern Sinn, im andern Fall heißt die Adoption insbesondere Arrogatio. Die leßte erforderte ursprünglich einen Beschluß der Gurien in Gemäßheit einer förmlichen Rogatio, daher der Name Arrogatio oder adoptio per populum ; nach neuerem Recht geschieht sie durch ein Rescript des Regenten, daher adoptio per principem d. Die Adoption im engern Sinn geschieht durch Erklärung zu gerichtlichem Protokoll, von Seiten sowohl des Adoptirenden als des bisherigen Vaters, welcher das Kind zur Adoption gibt, in Gegenwart auch des Kindes, welches, wenn es willensfähig ist, durch seinen Widerspruch die Adoption hindert. Die Arrogation dagegen erfordert wesentlich die Einwilligung des Arrogirten, und, wenn er unter Vormundschaft steht, die Zustimmung der Vormünder .

S. 423.

Der Adoptirende muß 1) selbst sui iuris und 2) wenigstens um 18 Jahre älter seyn als der Adoptirte, plena pubertate eum praecedere debet; sodann können 3) Castraten nicht adoptiren ". 4) Der Adoptirte darf nicht ein uneheliches Kind des Adoptirenden feyn, welches nach §. 421 legitimirt werden könnte ©, oder 5) ein von demselben schon einmal adoptirtes, aber aus der väterlichen Gewalt wieder entlassenes Kind. Auch kann 6) die Adoption weder unter Bedingung oder Zeitbestimmung e, noch durch Stellvertreter geschehen '. Uebrigens kann Jemand nicht nur als Sohn oder Tochter, sondern auch als Enkel oder Enkelin adoptiet werden, selbst von demjenigen, der keinen Sohn hat 5, und von dem, der einen oder mehrere Söhne hat, sowohl schlechthinh (adoptio in locum nepotis ex incerto filio), als mit Beziehung auf einen bestimmten Sohn, der als Vater des adoptirten gelten soll (adoptio in locum nepotis ex certo filio), wozu aber, damit diese Wirkung eintrete, auch dieses Sohnes Einwilligung erforderlich ist, und

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consequent auch das entsprechende Altersverhältniß desselben zu dem Adoptirten vorausgesezt werden muß *.

Anm. Das R. R. enthält die Andeutung: Adoptio naturam imitatur, §. 4. J. h. t. und: Adoptio in his personis locum habet, in quibus etiam natura potest habere, L. 16. D. h. t., und begründet dadurch namentlich den Sat, daß nicht der jüngere eine ältere Person adoptiren könne; aber es hält jenes nicht als Princip der Lehre fest, woraus man weitere Folgerungen machen könnte; vielmehr erkennt es im Widerspruch damit auch die Adoption durch einen Unverheiratheten und selbst einen Zeugungsunfähigen als möglich an. L. 2. §. 1. L. 30. D. h. t. vgl. auch L. 37. pr. eod. (not. g.).

S. 424.

Vor der Vollziehung der Adoption stellt die Obrigkeit über das Daseyn der geseßlichen Erfordernisse eine Untersuchung an. Bei der Arrogation aber soll zudem auch die Angemessenheit derselben mit Rücksicht auf die persönlichen Verhältnisse der Betheiligten vorher geprüft werden1. Namentlich soll demjenigen, welcher schon Kinder hat oder noch in dem Alter ist, um solche erzeugen zu können (unter 60 Lebensjahren), nur aus besondern Gründen, welche diesen Umstand überwiegen, die Arrogation gestattet werden a, und ebenso ist diese nicht ohne solche Gründe zu gestatten, wenn etwa der Vormund, auch nach Beendigung der Vormundschaft, den noch minderjährigen Mündel b, oder ein Aermerer den Reichern, oder wenn Jemand mehrere arrogiren will d. Nach Umständen soll auch zur Sicherstellung des Arrogirten gegen mögliche Nachtheile der Arrogation Cautionsleistung angeordnet werden. Insbesondere aber soll die Arrogation eines Unmündigen nur nach sorgfältiger Prüfung, ob sie für diesen wünschenswerth sey, gestattet werden, wobei zugleich der Arrogator verpflichtet wird und Sicherheit dafür leisten muß, daß er das Vermögen des Arrogirten, wenn dieser in der Unmündigkeit sterben sollte, an diejenigen Personen herausgeben werde, welchen es ohne die Arrogation zukommen würde s. Auch erlangt der arrogirte Unmündige, falls ihn der Arrogator später enterbt oder ohne genügenden Grund emancipirt Anspruch auf ein Viertheil des Vermögens desselben ", die sog. quarta Divi Pii 2.

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