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$. 339.

G. Verlegung gegen die Person. Iniuria a.

Injuria heißt überhaupt ein jedes wissentlich verübte Unrecht, welches nach der Gesinnung des Handelnden wesentlich gegen die Person eines Andern gerichtet ist, und aus der Nichtachtung seiner Persönlichkeit hervorgeht b. Die verschiedenartigsten Rechtsverlegungen fönnen durch diese Gesinnung den Charakter einer Injurie anneh men und die actio iniuriarum (ex generali edicto d) erzeugen. Im engern Sinne aber ist Injurie eine die Ehre des Andern verlezende Handlung e, die in der Aeußerung einer verachtenden Gesinnung gegen denselben besteht2, sey es, daß diese Gesinnung durch Thätlichkeiten oder bloß durch Worte (schriftlich oder mündlich) oder Zeichen sich fund gebe. Eine solche Injurie kann auch mittelbar gegen Jemanden begangen werden, durch eine zunächst gegen die Person eines Angehörigen desselben gerichtete Handlung 5. Ueberall aber wird jener Wille der Kränkung, animus iniuriandi, zum Daseyn der Injurie vorausgesezt ». Das Aussprechen einer Wahrheit ist an sich, wenn man nur darauf sich beschränkt, keine Injuriei.

Der Beleidigte hat eine prätorischek, auf ein Jahr beschränkte, nach römischem Recht infamirende m, Strafklage, iniuriarum actio (aestimatoria), auf Zahlung einer nach Maß der Beleidigung zu bestimmende Geldsumme ", oder, falls die Beleidigung durch Thätlichkeit gegen den Körper des Beleidigten oder durch gewaltthätiges Eindringen in dessen Wohnung begangen ist, eine gleiche civilrechtliche (perpetua?) actio ex lege Cornelia o. Der Kläger, welcher die ihm widerfahrene Beleidigung genau bestimmen muß P, hat die Geldstrafe, die er begehrt, anzusezen, der Richter aber dieselbe nach Umständen zu ermäßigen 9. Das

Inst. de iniuriis. 4. 4. Dig. de iniuriis et famosis libellis. 47. 10. Cod. de iniuriis. 9. 35. b L. 1. pr. D. h. t. (§. 84. Anm.). L. 3. §. 2. L. 44. eod. • L. 11. §. 9. L. 13. §. 3. 7. L. 15. pr. §. 33. L. 23. 24. D. h. t. L. 2. §. 9. D. ne quid in loco publ. 43. 8. L. 21. §. 7. D. de furt. 47. 2. L. 25. D. de act. emti. 19. 1. L. 1. §. 38. D. depos. 16. 3. a L. 15. §. 26. D. h. t. L. 1. pr. L. 15. §. 2. et sqq. eod. §. 1. J. h. t. L. 1. §. 1. 2. 6. L. 5. pr. §. 1. L. 15. §. 1. 15...23. 27. 29...33. L. L. 1. §. 3...9. L. 15. §. 24. L. 18. §. 2... 5. iL. 5. cit. L. 18. pr. D. h. t.

19. 20. D. h. t.

h. t.

h L. 5. Cod. h. t.

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eod. §. 2... 6. J.

k §. 7. J. h. t.

L. 1. pr. D. de his qui infam. not. 3. 2. (§. 31. Anm.) §. 8. J. h. t. L. 5. 37. §. 1.

§. 7. 9. J. h. t. L. 15. §. 26. 28. L. 21. D. h. t.

D. h. t. PL. 7. D. eod. 1 §. 7. J. h. t.

heutige Recht gibt dem Beleidigten die Wahl, anstatt auf Geldstrafe, je nach Beschaffenheit der Beleidigung auch auf Widerruf (actione recantatoria oder ad palinodiam) oder Abbitte (actione ad deprecationem) oder Ehrenerklärung (actione ad declarationem honoris) zu flagen ".

Die iniuriarum actio fällt weg, wenn der Beleidigte einmal an den Tag gelegt hat, daß er sich die Beleidigung nicht zu Gemüth ziehe, wenn er eine andere Genugthuung genommen oder sonst mit dem Gegner sich verglichen hats. Sie geht weder auf den Erben des Beleidigten über, noch gegen den Erben des Beleis digers'.

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Anm. Vergl. überhaupt A. D. Weber, über Injurien und Schmähschriften, Schwerin 1793-1800, 4te Aufl. Leipzig 1820. Injurien können auch strafrechtlich verfolgt werden (§. 10. J. h. t.), und die neuere Gesetzgebung neigt dahin, dieselben dem Gebiet des Civilrechts ganz zu entziehen. Vgl. Walter, im neuen Arch. des Criminalrechts, IV. S. 108. fg. 241. fg. Mittermaier im Rechtsler. V. S. 863-904.

2 L. 15. §. 25. D. h. t. Ait praetor: ne quid infamandi causa fiat: si quid adversus ea fecerit, prout quaeque res erit, animadvertam. §. 26. Hoc edictum supervacuum esse, Labeo ait: quippe cum ex generali (clausula) iniuriarum agere possumus; sed videtur et ipsi Labeoni et ita se habet, praetorem eandem causam secutum voluisse etiam specialiter de ea re loqui. Vgl. §. 2. ibid. Ait praetor: Qui adversus bonos mores convicium cui fecisse cuiusve opera factum esse dicetur, quod adversus bonos mores convicium fieret: in eum iudicium dabo.

3 Als einen Fall einer Delictsobligatio wegen Verletzung der Person führt man noch insbesondere widerrechtliche Gefangenhaltung einer freien Person an, als welche das interdictum de homine libero exhibendo (Dig. 43. 29. Cod. 8. 8.) begründe. Vang §. 702. vgl. Unterholzner II. S. 214. Allerdings kann jene für den Gefangenen iniuriarum actio erzeugen (not. c. d.), und unter Umständen auch eine Schadensklage (§. 334. 335. not. a.). Aber das genannte Interdict (eine Popularklage, L. 3. §. 9. D. 1. c.) kann schon nach Justinianischem Necht nicht mehr ins Obligationenrecht gestellt werden, da nicht zu ersehen ist, daß es irgend eine und welche vermögensrechtliche Wirkung für den Kläger hatte. Nach älterem Recht wurde eine solche durch Sponsionen vermittelt. Gai. IV. §. 165. Heutzutage ist es als privatrechtliche Klage entschieden unpraktisch.

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III. Die übrigen vermischten Fälle von Obligationen.

A. Klagen auf Rückerstattung grundlosen Gewinnes. S. 340.

Es gibt eine Reihe von Klagen, welche die Rückerstattung eines Vermögensgewinnes bezwecken, den der Gegner auf Kosten des Vermögens des Klägers gemacht hat, ohne daß ein rechtlicher Grund dafür besteht. Sie werden als Condictionen bezeichnet 1. Gemeinschaftliche Vorausseßung derselben ist: 1) daß der eine (der Beklagte) wirklich eine Bereicherung erhalten habe, deren Rückerstattung durch sie zu bewirken ist; daher finden sie nicht statt, wenn es sich nur um Herausgeben eines Gegenstandes handelt, der nicht in das Vermögen des Gegners übergegangen ist, sondern noch als nicht dazu gehörig mit dinglicher Klage in Anspruch genommen. werden kann 2; 2) daß diese Bereicherung aus dem Vermögen des Andern (des Klägers) oder auf dessen Kosten 3 gewonnen worden sey; 3) daß kein rechtlicher Grund dieser Vermögensänderung bestehe; der allgemeine Grund der Verpflichtung zur Rückgabe ist die Grundlosigkeit des vom Verpflichteten gemachten Vermögensgewinnes, sey es, daß dieser Mangel von Anfang an bestand oder erst durch einen spätern Umstand sich herausstellte. Der Mangel eines rechtlichen Grundes aber kann darin liegen, daß eine Vermögenszuwendung unter einer Gegenwart oder Zukunft betreffenden Voraussetzung stattgefunden hat, die sich in der That nicht bewährt 4, oder darin, daß der Grund des Erwerbes ein rechtswidriger oder unsittlicher ist. Es kann aber auch sonst an einem Grunde der Bereicherung schlechthin fehlen. Hiernach sind nun theils für bestimmte Fälle Klagen von genauer bezeichnetem Inhalt gegeben (§. 341-344.), theils zine Klage von allgemeinerm Charakter (§. 345.).

1

Anm. Ueber die Condictionen überhaupt vgl. vorzüglich Sav. V. . 503... 642. Puchta Inst. II. §. 165. Ueber den Ursprung der Benennung von der legis actio per condictionem: §. 15. J. de action. 4. 6. Gai. IV. §. 12. 18. „nunc vero non proprie condictionem dicimus actionem in personam esse, qua intendimus dare nobis oportere," vgl. IV. §. 5. „dare fierive oportere." Daher condictio certi (insbesondere „si certum petetur," Dig. de rebus creditis, si certum petetur et de condictione. 12. 1. Cod. si certum petatur. 4. 2.) und condictio incerti; condictio triticaria? (Dig. de conditione triticaria. 13. 3.). Als Entstehungsgründe von

Condictionen kommen vor: a) Darlehen (§. 280.), b) grundloses Haben (§. 340 ... 345.), c) Formalcontracte (§. 232.) und Legat (L. 9. §. 1. D. de reb. cred. 12. 1. Gai. II. 204.); sodann noch lex (Dig. de condictione ex lege. 13. 2. cf. §. 24. J. de action. 4. 6. L. 28. D. de adult. 48. 5. L. 12. §. 1. Cod. de pet. hered. 3. 31. vgl. Sav. S. 542. fg.).

2

§. 14. J. h. t. Gai. IV. §. 4. Certum est, non posse nos rem nostram ab alio ita petere: si paret eum dare oportere; neque enim quod nostrum est nobis dari potest, cum solum id dari nobis intelligatur, quod sic datur, ut nostrum fiat, nec res, quae nostra est, amplius nostra fieri potest. Vgl. L. 15. D. de cond. causa data. 12. 4. Sed Proculus dari oportere ita ait, si fecisses eius hominem. Jedoch eine Ausnahme: Plane odio furum ... effectum est, ut . . . rei recipiendae nomine fures hac actione etiam teneantur: si paret eos dare oportere, quamvis sit etiam adversus eos haec actio, qua rem nostram esse petimus. L. 12. in f. D. usufr. quemadm. cav. 7. 9. Et proditum est, neminem rem suam, nisi furi, condicere posse. Vgl. §. 323. Sav. V. S. 351. fg. Auch bei der condictio indebiti behauptet eine Ausnahme von der Regel Renaud im civ. Arch. XXIX. S. 147. fg. Dagegen Eryleben, die condictiones sine causa. I. S. 41. fg. Vgl. aber noch Seuffert Arch. III. 177. Uebrigens kann als rechtloser Gewinn auch das Verzehren eines Gegenstandes die Verpflichtung zur Rückgabe begründen; L. 29. D. de cond. indeb. 12. 6. „Et si quidem extant nummi, vindicabuntur, consumptis vero, condictio locum habebit. L. 22. §. 2. D. de pign. act. 13. 7. A praedone enim fructus et vindicari extantes possunt et consumti condici. L. 3. Cod. de cond. ex lege. 4. 9. L. 53. D. de cond. indeb. 12. 6. L. 11. §. 2. D. de reb. cred. 12. 1. (§. 280. Anm. 2.).

3 Sav. V. S. 526. 27. „Ebenso ist es aber auch nöthig, daß dasjenige, was dem Andern zur Bereicherung diente, vorher schon wirklich einmal zum Vermögen dessen gehört habe, welcher darauf eine Condiction gründen will.“ Dieser Satz wäre falsch, wenn er so verstanden würde, daß, was dem Andern zugekommen ist, vorher im Eigenthum des Condicirenden gewefen seyn müsse. L. 55. D. de cond. indeb. 12. 6. L. 26. §. 12. eod. L. 23. pr. D. de reb. cred. 12. 1. L. 1. pr. L. 3. D. de cond. sine causa. 12. 7. Seuffert Arch. II. 57. Aber der von jenem gewonnene Vortheil muß doch dem Vermögen des letzten entzogen seyn. Ueber die Fälle dieser Art vgl. insbesondere: Windscheid, die Lehre des R. Rts von der Voraussetzung. Düsseldorf 1850.

S. 341.

1) Condictio indebiti a.

Die condictio indebiti 1 steht regelmäßig demjenigen und nur demjenigen zu, welcher einem andern zum Zweck der Erfüllung einer wirklich nicht begründeten aber aus entschuldbarem Irrthum

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vorausgesezten Rechtsverbindlichkeit etwas geleistet hat, und geht auf Rückerstattung des diesem auf solche Weise ohne Grund zugekommenen Vermögensvortheils. Demnach ist

1) zur Begründung dieser Klage erforderlich: a) daß mit Rücksicht auf eine vermeintliche Schuldverbindlichkeit, solvendi causa b, etwas geleistet worden sey, es sey als eigentlicher Schuldgegenstand oder als datum in solutum ober umgekehrt als Aestimatio, es bestehe das Geleistete im Eigenthum einer Sache oder auch bloß deren Besit d, oder in einem ius in re aliena oder der Befreiung von einem solchen, oder in Befreiung von einer Schuld, durch - Zahlung oder Novation oder Erlaß, oder in Zuwendung einer For- derung, durch Cession oder Delegation oder auch durch eigenes Versprechen, worüber etwa zugleich ein Schuldschein ausgestellt seyn mag ', oder endlich in Diensten, die einer Schäßung in Geld unterliegen 8; b) daß die vorausgesezte Verbindlichkeit, ipso iure øder per exceptionem, wirklich nicht bestanden ", auch nicht als naturalis obligatio ; sogar das Daseyn einer bloßen Anstandspflicht 2 #kann die Rückforderung als unanständig oder unbillig ausschließen *; vorzeitige Zahlung einer unbedingten Schuld begründet die Klage nicht 3; wohl aber Zahlung einer noch bedingten Schuld 1; desgleichen auch Zahlung an einen Andern, als den wahren Gläubiger oder dessen befugten Stellvertreter m, sowie umgekehrt von Seiten eines : Andern als des wahren Schuldners", falls er nämlich die Schuld als die seinige zahlte 4; ferner Leistung unter Vorausseßung einer von der wirklich begründeten verschiedenen Schuldverbindlichkeit ° ; c) daß die Leistung aus Irrthum in Betreff der Schuldverbindlichteit geschehen sey P, und zwar aus entschuldbarem Irrthum 9, also regelmäßig nicht aus Rechtsirrthum, wofern nicht eben auch dieser

19. 5.

L. 26. §. 4...6. eod.
D. de reb. cred. 12. 4.

d L. 15. §. 1. 2. eod. . L. 12. 22. §. 1. L. 65. D. de praescript. verb. L. 26. §. 12.

b L. 52. 65. §. 2. D. h. t. cf. L. 19. §. 2. eod. L. 13. §. 2. §. 7. D. h. t. cf. L. 1. §. 1. D. commod. 13. 6. L. 17. pr. f L. 31. 40. §. 2. L. 47. D. h. t. L. 3. Cod. h. t. h L. 54. eod. L. 26. §. 3. L. 40. pr. 41. eod. pr. 40. pr. 51. 64. eod. §. 217. h L. 32. §. 2. D. h. t. L. 26. §. 12. eod. 16...18. 56. 60. §. 1. eod. L. 6. §. 4. 2. L. 22. 65. §. 9. eod.

D. h. t.

L. 9. 13. 19. pr. 38.
I L. 10.

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§. 9. cit. L. 19. §. 1. eod. cf. L. 8. 44. eod. L. 66. D. de solut. 46. 3. L. 12. 13. D. de novat. 46. 2. L. 2. Cod. h. t.

0

L. 19. §. 3. 4. L. 20. 26. §. 4. 6. L. 31. 32. pr. §. 3. D. h. t. PL. 53. D. de R. J. L. 24. 26. §. 3. 8. L. 50. 54. D. h. t. L. 25. pr. D. de probat. 22. 3. cf. L. 1. §. 1. D. h. t. L. 10. Cod. de iuris et facti ignor. 1. 18. L. 9. §. 5. D. de iur. et facti ignor. 22. 6. cf. L. 6. Cod. 1. c. L. 6. 7. Cod. h. t.

Arndts Pandecten.

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