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Verzicht, sofern nicht dessen Geltendmachung selbst unanständig erscheint. Die Gründe, auf denen die Rechtswohlthat beruht, sind entweder ein besonderes persönliches Verhältniß zwischen Schuldner und Gläubiger 2, oder die Beschaffenheit des obligatorischen Verhältnisses, aus dem die Forderung entspringt 3, oder eine besondere Eigenschaft des Schuldners, welche diesem gegen verschiedene Gläubiger jene Begünstigung gewährt 4.

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Anm. Der Ausdruck: condemnare in id quod facere potest (reus) bezeichnete eigentlich nur eine Beschränkung der Verurtheilung auf den wirklichen Betrag des activen Vermögens des Schuleners, L. 82. D. ad leg. Falc. 35. 2. cf. §. 37. J. 4. 6.,,ut non ultra facultates damnetur“, ist aber später günstiger ausgelegt worden nach L. 173. D. de R. J. In condemnatione personarum, quae in id quod facere possunt damnantur, non totum, quod habent, extorquendum est, sed et ipsorum ratio habenda est, ne egeant. Cf. L. 19. §. 1. D. h. t. 42. 1. (Paul. lib. VI. ad Plautium.) Is quoque, qui ex causa donationis convenitur, in quantum facere potest condemnatur, et quidem is solo deducto aere alieno. Et inter eos, quibus ex simili causa pecunia debetur, occupantis potior erit causa. Imo, nec totum, quod habet, extorquendum ei puto, ut et ipsi (ipsius) ratio habeatur, ne egeat. In neuerer Zeit aber hat man zu entdecken geglaubt, das letzte sey ein beson, deres beneficium (executionis), welches, verschieden von dem beneficium condemnationis in id quod facere potest, nicht in allen Fällen mit diesem zusammentreffe, Schömann, Hdb. II. 5., oder doch, wenn es auch nach L. 173. cit. in allen denselben Fällen gleichfalls stattfinde, von dem letzten dadurch sich unterscheide, daß nur dieses (wenige Fälle ausgenommen: not. e.), nicht auch jenes, den Schuldner von der Klage wegen des Restes ganz befreie. Bang. 1. §. 174. Heimbach im Ntslex. I. S. 887. fg. Vgl. dagegen France im civ. Arch. XXIII. 14. Unterholzner §. 181. 182. Puchta §. 244. not. a. In der 6. Aufl. hat aber auch Bangerow seine abweichende Meinung, so weit sie von praktischer Bedeutung sehn würde, in der That aufgegeben, indem er völlige Befreiung von der Restforderung in keinem Falle mehr eintreten läßt.

* Aus diesem Grunde haben das Beneficium a) Aeltern gegen Kinder, sowie Patrone gegen Freigelassene. L. 16. 17. D. de re iud., ob auch die Kinder gegen die Aeltern? L. 30. in f. D. 1. c.? (§. 437. Anm. 2.); sodann b) Ehegatten gegen einander. L. 20. eod.; c) der Schwiegervater gegen den Mann, rücksichtlich der versprochenen Dos, wenn sie während der Ehe gefordert wird; L. 21. 22. pr. D. eod. L. 17. pr. D. sol. matr. L. 84. D. de iure dot. 23. 3.; endlich nach der Meinung Vieter d) auch Geschwister, arg. L. 63. pr. D. pro soc. 17. 2.,,cum societas ius quodammodo fraternitatis in se habeat,“ vgl. Anm. 3. b.

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Dahin gehört die Competenzeinrede: a) des Ehemanns, seines Vaters und seiner Kinder (nicht anderer Erben) gegen die Dotalklage, nicht auch gegen die

L. 1. §. 1. D. sol. matr. 24. 3.

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Klage auf Rückgabe einer dos receptitia, L. 21. 23. 24. §. 1. D. de re iud. L. 12. et sqq. D. solut. matr.; dabei greist jedoch zum Theil auch der vorige Gesichtspunkt (Anm. 2.) mit ein; b) des Schenkers gegen die Forderung aus der Schenkung, „et quidem is solus deducto aere alieno" (not. g.); cf. L. 23. D. de iure dot. 23. 3. L. 84. eod. L. 41. pr. D. de re iud. Meyerfeldt im Rh. Mus. VII. S. 111. fg.; c) der Gesellschafter gegen die Klage aus dem Gesellschaftsverhältniß, §. 38. J. de act.; ob aber jedem socius zuständig? vgl. L. 63. pr. D. pro soc. 17. 2. (Ulp. lib. 31. ad edictum): Verum est, quod Sabino videtur, etiamsi non universorum bonorum socii sint, sed unius rei, attamen in id, quod facere possunt quodve dolo malo fecerint, quominus possint, condemnari oportere: cf. L. 63. §. 3. ibid.; dagegen L. 16. D. de re iud. (Ulp. lib. 63. ad edictum): qui pro socio conveniuntur; socium autem omnium bonorum accipiendum est." (Hal. socius ... accipiendus est); welcher Zusatz „am wahrscheinlichsten eine bei der Zusammensetzung der Pandecten gemachte Einschaltung der Compilatoren aus einem andern dissentirenden Juristen ist. Das praktische Resultat ist, daß diese Beschränkung auf eine Art der Societät in Folge des Widerspruchs der beiden Stellen wegfällt." Puchta §. 245. not. p. Anders Vang. a. a. O. Anm. 2. num. 7. „Bei einer societas unius rei wird das beneficium freilich auch eingeräumt, aber nur, wenn sich aus vorgängiger causae cognitio ergibt, daß hier wirklich die beiden socii in einem nahen innigen Verhältniß stehen“; arg. L. 22. §. 1. D. eod. Quod autem de sociis dictum est . . . causa cognita se facturum praetor edicit; aber: causae cognitio autem in hoc erit, ut neganti se socium esse aut ex doli clausula obligato non succurratur. Dagegen wieder Marezoll in Linde's Ztschr. XIV. 9. Nicht hieher gehört die funeraria actio gegen den Ehemann nach L. 27. §. 2. L. 28. D. de religiosis, 11. 7. (Vang. Aum. 2. num. 5.), weil hier die Forterung an sich auf id quod facere potest beschränkt ist. Puchta §. 245. not. aa.

• Aus diesem Grunde genießzen die Wohlthat der Competenz: a) Soldaten, gegen alle Forderungen, L. 6. pr. L. 18. D. de re iud. (nicht auch sog. milites Christi und Justiniani); b) diejenigen, welche vor nicht langer Zeit aus der väterlichen Gewalt befreit sind, rücksichtlich der während derselben con trahirten Schulden, sofern sie nicht durch den Tod des Vaters ein erhebliches Vermögen erhalten haben; L. 49. D. de re iud. L. 2...5. D. quod cum eo. 14. 5; c) der Schuldner, welcher seine-Güter abgetreten, nachher aber wieder Vermögen erworben hat (§. 224.), rücksichtlich der Forderungen aller seiner damaligen Gläubiger. §. 40. J. de act. 4. 6. L. 4. §. 1. D. de cess. bon. 42. 3. cf. L. 3. Cod. de bon. auct. iud. poss. 7. 72. Die Behauptung, daß dieses Beneficium auch später entstandenen Forderungen gegenüber wirke (vgl. Thibaut Abh. Nr. 16.), wird nicht begründet durch L. 4. §. 1. cit. (Sabinus et Cassius putabant, eum, qui bonis cessit, ne quidem ab aliis, quibus debet, posse inquietari), und, von innern Gründen abgesehen, widerlegt durch §. 40. J. cit.,,ex integro . . . creditores cum eo experiuntur", L. 3. Cod. cit. Ex contractu, qui cessionem rerum antecessit, debitorem contra iuris rationem convenies etc.

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Auch durch Vertrag kann die Einrede der Competenz begründet werden. L. 49. D. de pact. 2. 14. Ungegründet aber ist die Annahme eines sog. beneficium competentiae ex iure tertii (Thibaut Syst. §. 107.), das man u. a. dem zum Unterhalt des Schuldners Verpflichteten hat beilegen wollen. Puchta §. 245. a. E., Vang. §. 174. a. E.

B. Von der Collision der Ausübung mehrerer Forderungen.

§. 226.

Die Forderungen mehrerer Gläubiger können collidiren wegen der Identität ihres Gegenstandes; alsdann hat der Schuldner den einen oder andern durch den Geldwerth der Leistung abzufinden a. Eine Collision in der Ausübung entsteht, wenn zugleich mehrere Gläubiger aus dem Vermögen des Schuldners Befriedigung zu erlangen suchen, während doch dieses Vermögen alle zu befriedigen. nicht hinreichenden Geldeswerth hat, der Schuldner also im Zustande der Zahlungsunfähigkeit (Insolvenz) sich befindet. Ein solcher concursus creditorum veranlaßt ein besonderes Verfahren (Concursverfahren, Gantverfahren), um die Befriedigung der Gläubiger nach Maßgabe ihrer Ansprüche aus dem Gesammtvermögen des Schuldners, soweit möglich, ordnungsmäßig zu bewerkstelligen. Dieses Verfahren wird eröffnet oder der Concurs der Gläubiger förmlich constituirt durch ein richterliches Dekret, welches entweder durch die eigene Erklärung des Schuldners (Güterabtretung, §. 224.) oder durch Antrag der Gläubiger wegen wahrscheinlicher Zahlungsunfähigkeit des Schuldners hervorgerufen wird b. In Folge der Concurseröffnung verliert der Schuldner (Cridar) die Verfügung über seine Güter (Concursmasse); für diese wird ein Verwalter bestellt (curator bonorum, Massacurator), und ein Contradictor übernimmt es, sein Interesse und zugleich das der Gesammtheit der Gläubiger gegen die Ansprüche der Einzelnen zu vertreten. Die Gläubiger aber können nunmehr aus dem fraglichen Vermögen nur vermöge rechtzeitiger Theilnahme an diesem Verfahren Bezahlung erlangen, obwohl ihre Forderungen gegen den Schuldner, soweit dieß nicht der Fall ist, bestehen bleiben d. Doch kann aus

L. 33. D. de legat. I. (§. 222.) cf. L. 26. D. locati. 19. 2. b Dig. de rebus auctoritate iudicis possidendis seu vendundis. 42. 5. de curatore bonis dando. 42. 7. Cod. de bonis auctoritate iudicis possidendis seu venumdandis et de separationibus bonorum. 7. 72. L. 6. §. 7. D. quae in fraud. cred. 42. 8. §. 224.)

L. 3. Cod. I. c.

besondern Gründen wohl ein gewisser Bestandtheil des Vermögens zunächst zur Befriedigung gewisser Gläubiger ausgeschieden und ein besonderer Concurs darüber eröffnet werden e. Das Ziel des ganzen Verfahrens ist: einerseits sämmtliche dem Gemeinschuldner gehörende Vermögensgegenstände (die Activa) zu ermitteln und durch Veräußerung den Gesammt-Geldeswerth derselben zu gewinnen: andererseits alle in Betracht kommenden Ansprüche gegen jenen (die Passiva) nach ihrem Geldwerthe klar zu stellen und alsdann nach Verhältniß des Betrages und nach der ihnen zukommenden Rangordnung zu befriedigen.

Anm. Das heutige Concursverfahren weicht vom römischen in vielen Punkten ab. Das Nähere darüber gehört der Proceßlehre an. Vgl. Bayer Theorie des Concursprocesses, 4. Aufl. München 1850.

§. 227.

Von dem Gesammtbetrage des schuldnerischen Vermögens wird zunächst vorweg genommen, was erforderlich ist, um die durch die Verwaltung desselben und durch das Gantverfahren begründeten Ansprüche zu befriedigen, als welche die Concursmasse selbst mindern, die Forderungen nämlich der sog. Massagläubiger, und die Gerichts- und Verwaltungskosten a. Was übrig bleibt, bildet den Gegenstand, der zur Befriedigung der concurrirenden Gläubiger dient. Regel ist, daß diese einander gleichstehen, ohne Rücksicht auf die Entstehungszeit ihrer Forderungen; sie haben also gleich, mäßigen Anspruch auf Befriedigung nach Verhältniß des Betrages der Forderungen, soweit das Vermögen ausreicht ↳. Jedoch müssen Strafforderungen 11 den übrigen nachstehen c. Sodann ist manchen Forderungen ein besonderes Vorzugsrecht vor andern eingeräumt, kraft dessen sie vor diesen auf Befriedigung Anspruch haben, privilegium exigendid, welches entweder nur zu Gunsten der Person des Gläubigers besteht, privilegium personae2, oder mit der Forderung an sich verbunden ist, privilegium causae 3. Unter diesen bevorzugten Forderungen ist einigen wieder der Vorzug vor andern beigelegte; außerdem tritt unter ihnen ebenfalls die Regel

Dig. de separationibus. 42. 6. Cod. 1. c.

L. 8. D. depos. 16. 3. L. 72. D. ad leg. Falc. 35. 2. b L. 6. Cod. h. t. cf. L. 32. D. h. t. L. 17. 37. D. de iure fisci. 49. 14. L. un. Cod. poenis fiscalibus creditores praeferri. 10. 7. cf. L. 48. §. 1. D. 1. c. L. 16. et sqq. D. h. t. 42. 5. (in editt. Vulg. et Hal.,,Tit. VI. de privilegiis creditorum“\. • L. 34. D. h. t. L. 15. D. de relig. 11. 7.

der Gleichheit ein! Diejenigen aber, welchen ein Pfandrecht an Vermögensgegenständen des Schuldners zusteht, können nach römischem Recht dieses geltend machen, ohne an dem Concurs theilzunehmen 8; nach heutiger Praris sind auch sie gleich andern (d. i. chirographarischen) Gläubigern genöthigt, sich in den Concurs einzulassen, können aber dann vor den lezten nach der Rangordnung ihres Pfandrechts aus dem Geldwerthe der Pfandgegenstände Bezahlung verlangen. Nur einigen bevorzugten Forderungen, welche deßhalb absolut privilegirte heißen, ist selbst vor ihnen der Vorzug gegeben. So ergeben sich denn fünf verschiedene Classen von Gläubigern, welche beim Concurse vorkommen können: 1) absolut privilegirte Gläubiger, 2) privilegirte, und 3) nicht privilegirte Pfandgläubiger, 4) privilegirte und 5) nicht privilegirte chirographarische Gläubiger. Zu den (privilegirten oder nicht privilegirten) chirographarischen Gläubigern gehören auch die Pfandgläubiger, sofern sie zugleich eine persönliche Forderung gegen den Gridar haben und nicht in der zweiten oder dritten Classe befriedigt worden sind.

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Anm. Diese Regel spricht L. un. (not. c.) aus: „Rem suam persequentibus poenae exactio postponitur", und macht sofort die Anwendung auf fiscalische Strafen: Sicut itaque in sortis quantitate fisci persecutio potior est (vgl. Anm. 2.), ita in triplo, quod poenae nomine adiectum est, propria forma servanda est; übereinstimmend mit L. 17. cit. In summa sciendum est, omnium fiscalium poenarum petitionem creditoribus postponi. Zu widersprechen scheint L. 37. cit. (Papinian.): Quod placuit, fisco non esse poenam petendam, nisi creditores suum recuperaverint, eo pertinet, ut privilegium in poena contra creditores non exerceatur, non ut ius commune privatorum fiscus amittat. Sie könnte so verstanden werden: er wird in Beziehung auf die Strafe, wie ein Privatus behandelt, er steht nicht schlechter, als ... derjenige Privatus, welcher ebenfalls eine Strafforderung hat." Puchta Vorles. II. S. 62. Nicht anwendbar ist die Regel auf Conventionalstrafen (§. 211.). Nicht hieher gehört der Satz, daß Ansprüche aus Verleihungen auf den Todesfall den übrigen nachstehen; jene sind unwirksam, sofern nicht der Verstorbene nach Abzug der Schulden noch hinreichendes Vermögen hinterlassen bat. L. 4. §. 1. L. 6. pr. D. de separat. 42. 6. L. 17. D. de m. c. donat. 39. 6. Vgl. Arndts im Rtslex. IV. S. 21. fg.

2 Ein privilegium personae (vgl. §. 23. Anm. 4) hat a) der Fiscus. L. 34. D. h. t. L. 10. pr. D. de pact. 2. 14. cf. Pauli sentt. V. 12. §. 10. (Anm. 1.) b) der Regent und dessen Gemahlin. L. 6. pr. D. de iure

f L. 32. D. h. t.

L. 9. Cod. qui pot. 8. 18.

L. 6. 10. pr. Cod. h. t. cf. L. 74. D. de iure dot. 23. 3.

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