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behauptet haben, daß im neuern römischen oder doch im heutigen Recht der Unterschied zwischen Exceptio im eigentlichen und im weitern Sinn, zwischen der Unwirksamkeit der Klage per exceptionem und ipso iure, weggefallen sey (Albrecht, die Exceptionen des gemeinen Civilprocesses, München 1835.), so beruht dieses theils auf einer Verkennung des Unterschiedes zwischen Exceptio in jenem formellen Sinn und Exceptionsrecht, theils auf unrichtiger Begränzung des Gebietes der Exceptionen. (§. 102.) Sav. §. 225...229. Uebrigens kommen die Ausdrücke exceptio und excipere zwar auch im römischen Rechte schon bisweilen in weiterer Bedeutung vor, L. 18. §. 2. D. de probat. 22. 3. (excepit se non respondisse), L. 14. §. 2. Cod. de contrah. stip. 8. 38. (testes omni exceptione maiores), L. 30. Cod. de iure dot. 5. 12. (temporalis exceptio sive per usucapionem inducta sive per decem vel viginti annorum curricula); aber regelmäßig und technisch sind sie in der engern Bedeutung gebraucht. Sav. S. 162. not. f. S. 167. not. o. Gleichbedeutend mit exceptio ist im Just. Recht praescriptio, nachdem ältere formelle Verschiedenheiten weggefallen. Gai. IV. 130...137. rubr. tit. Cod. 8. 36. de exceptionibus seu praescriptionibus. Sav. S. 163. .165. Puchta Inst. §. 171.

2 Die replicatio konnte allenfalls auch schon duplicatio genannt werden, und die duplicatio somit triplicatio. Daher L. 2. §. 2. D. h. t. Sed et contra replicationem solet dari triplicatio, et contra triplicationem rursus (quadruplicatio); wo jedoch die Vulg. und Hal. lesen: solet dari duplicatio et contra duplicationem tripl. etc. cf. L. 7. §. 1. 2. D. de cur. fur. 27. 10. — Anders aber §. 1. 2. J. h. t. 4. 14. Vgl. Sav. S. 193.

S. 102.

b) Gründe und Arten der Einreden.

Die Einreden gründen sich zum Theil auf Regeln des Processes, meistens auf Regeln des materiellen Rechts 1. Ein Recht, das durch Klage geschüßt ist, kann nach Umständen auch durch Einrede geltend gemacht werden ; aber das Recht der Einrede fann auch ohne ein klagbares Recht bestehen, als bloßes Schußmittel gegen die Klage des Andern b. Es kann dieser von Anfang an entgegenstehen, oder erst später entgegentreten d. Es kann die Klage entweder nur für eine gewisse Zeit oder unter gewissen Umständen hindern, dilatoria oder temporalis exceptio, ver zögerliche Einrede, oder dieselbe für immer ausschließen, peremtoria oder perpetua exceptio, zerstörliche Einrede ". In der Regel stehen die Einreden in solcher Verbindung mit dem die Klage begründenden Verhältniß, daß sie Jedem zustehen, welcher wegen

• L. 1. §. 4. D. de superfic. 43. 48. L. 156. §. 1. D. de R. J. b L. 1. §. 4. D. de dolo. 4. 3. L. 7. pr. §. 4. D. de pactis. 2. 14. §. 1. J. h. t. 4. 13. §. 2. J. 1. c. L. 2. §. 4. L. 3. D. h. t. §. 8...11. J. h. t. Gai. IV. 120...125. cf. D. h. t. Gai. §. 133.

L. 13. 16. 18.

desselben als Rechtsnachfolger oder accessorisch Verpflichteter belangt wird, sie sind exceptiones rei cohaerentes ; ausnahmweise kommen aber auch exceptiones personae cohaerentes vor, die nur auf eine bestimmte Person sich beschränken . Umgekehrt sind die Exceptionen regelmäßig auch in der Beziehung absolut wirksam (in rem), daß sie jedem entgegenstehen, welcher den durch sie ausgeschlossenen oder beschränkten Rechtsanspruch erhebt; aber es gibt Erceptionen, die auch in dieser Beziehung nur in personam gehen ".

Eine Einrede von sehr umfassender Anwendung ist die Einrede widerrechtlichen Begehrens, doli exceptio. Sie beruht darin, daß nach den vorliegenden Umständen der Kläger, indem er seinen Anspruch verfolge, nicht redlich handle; daher können die meisten aus dem materiellen Recht entspringenden Einreden in eine doli exceptio übergehen i. Verschieden von dieser sog. exceptio doli generalis ist die exceptio doli, die sich auf einen früher geübten Betrug des Klägers gründet, die sog. exceptio doli specialis 2. Eine Anwendung der ersten ist es, wenn der Beklagte, auf Herausgabe einer Sache belangt, diese verweigert, sofern ihm nicht für Gegenansprüche, die damit in Verbindung stehen, Befriedigung geboten wird '; die Befugniß dazu pflegt man als Retentionsrecht zu bezeichnen 3.

Anm. 'Exceptionen, wie Actionen, sind sowohl durch das Civilrecht im engern Sinn, wie durch das prätorische Recht eingeführt, durch das lehte vorzüglich, um die Billigkeit gegen das strenge Necht zu wahren, §. 7. J. h. t. Gai. IV. 118. cf. L. 3. D. h. t.; und es können Exceptionen der einen Art Klagen der andern Art gegenüberstehen. Sav. S. 169... 173. Auch werden utiles und in factum exceptiones genannt, analog den actiones utiles und in factum. L. 21. D. de praescript. verb. 19. 5. §. 1. J. h. t. L. 4. §. 16. 32. D. de doli exc. 44. 4.

2 Der Unterschied zwischen der einen und andern Art der doli exceptio gab sich in der Formel zu erkennen: a) si in ea re nihil dolo malo A. Agerii factum sit; b) si in ea re nihil dolo A. Agerii fiat; oder beides vereinigt c) si in ea re nihil dolo malo A. Agerii factum sit neque fiat. Gai. IV. L. 4. §. 5. D. de doli exc. 44. 4. Et generaliter sciendum est,

119.

L. 7. pr. D. h. t. §. 4. J.

§. 4. J. de replicat. 4. 14. L. 7. §. 1. L. 19. D. h. t. L. 14. Cod. h. t. L. 2. §. 2. D. de doli exc. 44. 4. L. 3. D. de exc. rei vend. 21. 3. cit. in f. cf. L. 24. 25. D. de re iud. 42. 1. L. 21. §. 5. L. 26. D. de pactis. 2. 14. h L. 4. §. 27...29. 31. 33. D. de doli exc. 44. 4. i L. 2. §. 3...5. L. 8. 12. D. de doli exc. 44. 4. k L. 2. §. 1. D. 1. c. 1 L. 4. §. 9. L. 14. D. l. c. §. 30. 32...34. J. de rer. div. 2. 1. L. 50. §. 1. D. de her. pet. 5. 3. L. 13. §. 8. D. de act. emti. 49. 1. cf. L. un. Cod. etiam ob chirographariam pecuniam pignus teneri posse. 8. 27.

ex omnibus in factum exceptionibus doli oriri exceptionem, quia dolo facit, quicunque id, quod quaqua exceptione elidi potest, petit; nam etsi inter initia nihil dolo malo facit, attamen nunc petendo facit dolose, nisi talis sit ignorantia in eo, ut dolo careat. Hänel im civ. Arch. XII. S. 422. * Ueber das Retentionsrecht, als eine vermeintliche Wirkung des Besißes, vgl. Schenck die Lehre vom Retentionsrechte. Jena 1837; deßgl. Luden, Jena 1839; Cramer im civ. Arch. XXXVII. 12.; eine Art der Selbsthülfe? Mühlenbruch §. 136. Dagegen Puchta §. 94. not. b. Böding Inst. §. 127. 129. not. 16. Retentionsrecht überhaupt die Befugniß, eine schuldige Leistung einstweilen vorzuenthalten, wegen Anspruchs auf eine Leistung von der anderen Seite: Dernburg Compensation S. 13. fg.

4) Aufhebung der Klagen und Einreden.

S. 103.

Klagen und Einreden müssen nach der Natur der Sache erlöschen, wenn das ihnen zum Grunde liegende Recht oder wenn das sie veranlassende thatsächliche Verhältniß zum Gegner, d. i. bei Klagen die Verlegung, aufhört. Es gibt aber verschiedene Endigungsgründe, welche zunächst die Klage oder Einrede treffen, und so denn freilich mittelbar auch das Recht entweder in seiner Wirksamkeit beschränken oder auch ganz aufheben. Solche Endigungsgründe sind, abgesehen von der Einwirkung des Processes, wovon §§. 113. 116., der Tod einer Partei, die Concurrenz der Klagen, und die Verjährung.

S. 104.

a) Tod einer Partei.

Dieser hebt die Klagen, sofern nicht Grund oder Anlaß derselben dadurch wegfällt, regelmäßig nicht auf. In Betreff vermögensrechtlicher Klagen ist Regel: actiones heredi et in heredem competunt . Jedoch gehen 1) auf Seiten des Klagberechtigten, activ, gewisse Klagen nicht auf den Erben über, welche, obgleich auf ein vermögensrechtliches Object gerichtet, doch ihrem Grunde nach vielmehr auf Genugthuung für persönliche Unbilde gehen b, fog. actiones vindictam spirantes 1; 2) auf Seiten des Beklagten gehen Klagen aus Delicten nicht gegen den Erben, soweit sie auf eine eigentliche Strafe gerichtet sind ©, und selbst, soweit sie Entschädigung zum Gegenstande haben, nach römischem

J. de perpetuis et temporalibus actionibus et quae ad heredes et in heredes transeunt. 4. 12. b§. 1. J. h. t. L. 2. §. 4. D. de collat. 37. 6. L. 1. pr. D. de priv. del. 47. 1.

Recht nur in dem Maße, als durch das Delict des Erblaffers dem Erben etwas zugekommen ist, nach heutigem Recht jedoch e, soweit der Betrag der Erbschaft reicht 2. Diese Beschränkungen des activen oder passiven Uebergangs der Klagen auf die Erben fallen weg nach Beginn des Rechtsstreites (§. 113).

Auch Einreden werden nur ausnahmweise durch den Tod aufgehoben, sofern sie personae cohaerentes find oder nur in personam gehen (§. 102).

Anm. Den Gesichtspunkt dafür deutet an L. 28. D. de iniur. 47. 10. Iniuriarum actio in bonis nostris non computatur, antequam litem contestemur. Die Bezeichnung ist veranlaßt durch L. 2. §. 4. D. de collat. Emancipatus filius si iniuriarum habet actionem, nihil conferre debet; magis enim vindictae quam pecuniae habet persecutionem. cf. L. 10. D. de sepulcro violato. 47. 12. Die dahin gehörigen Klagen sind a) die iniuriarum actio, L. 13. pr. D. de iniur.; b) die in factum actio des ungesetzlich in ius vocirten Parens oder Patronus, L. 24. D. de in ius voc. 2. 4. (unpraktisch); c) querela inofficiosi testamenti, L. 7. D. de inoff. test. 5. 2.; d) in factum actio de calumnia, L. 4. D. de calumnia 3. 6.; e) die Klage auf Rückgabe einer Schenkung wegen Undankbarkeit, L. ult. Cod. de revoc. don. 8. 56.; f) die actio sepulcri violati, L. 6. 8. 10. D. de sep. viol. 47. 12.; g) die actio in factum wegen verhinderter Beerdigung. L. 9. D. de relig. 11. 7. Bei der letzten Klage wird es bestritten z. B. von Böhmer II. 4. §. 67. Mühlenbruch Cession S. 300. Vang. §. 145. Dagegen Kierulff I. S. 228. Sav. S. 200 fg. Vgl. L. 9. cit. in f. (Gai.): Unde miror, quare constare videatur, neque heredi neque in heredem dandam hanc actionem; nam, ut apparet, pecuniariae quantitatis ratio in eam deducitur; certe perpetuo ea inter ipsos competit. Buchta §. 88. not. c. setzt noch hinzu: „die Klage auf die Nachtheile der Ehescheidung gegen den schuldigen Theil", nach L. 15. §. 1. D. sol. matr. 24. 3. „morum vero coercitionem non habet (heres)". Dagegen Sav. S. 202. not. 1. Uebrigens vgl. noch Sav. II. §. 73. Daß auch Popularklagen nicht vom Erben als solchem angestellt werden konnten, ergab sich von selbst aus deren Natur, da sie jedem Bürger, also vor der Anstellung keinem als besonderes Recht zustanden. L. 7. D. de pop. act. 47. 23.

2 Das Princip dieser Lehre ist in dem Saße ausgesprochen: in poenam heres non succedit: L. 22. D. de op. n. n. 39. 1. L. 20. D. de poen. 48. 19., der dann auch auf einseitige Strafflagen ausgedehnt wurde (§. 99.), L. un. Cod. Ex delictis defunctorum in quantum heredes conveniantur. 4. 17. L. 17. §. 1. L. 26. 27. D. de dolo 4. 3. L. 23. §. 8. D. ad leg. Aquil. 9. 2. L. 9. §. 8. L. 10. D. de reb. auct. iud. poss. 42. 5.; aber

C.

L. 38. 44. 127. D. de R. J. L. 35. pr. D. de O. et A. 44. 7. cf. §. 1. J. I. cap. 5. X. de raptor. 5. 17. cap. 9. X. de usuris. 5. 19. cap. 28. X. de sent. excommun. 5. 39. cap. 14. X. de sepult. 3. 28.

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beschränkt durch den andern Saß: sicuti poena ex delicto defuncti heres teneri non debeat, ita nec lucrum facere, si quid ex ea re ad eum pervenisset, L. 38. D. de R. J. (sive dolo fiat, quominus ad se perveniret: L. 8. §. 8. D. de prec. 43. 26.), und: turpia lucra heredibus quoque extorqueri, licet crimina extinguantur. L. 5. pr. D. de calumnia. 3. 6. L. 16. §. 2. L. 17. D. quod met. c. 4. 2. (cf. L. 127. D. de R. J. Quum praetor in heredem dat actionem quatenus ad eum pervenit, sufficit si vel momento ad eum pervenit ex dolo defuncti. Schmidt Interdictenverfahren S. 166.). Hieher gehört auch die Klage, welche gegen den Erblaffer begründet war, qui dolo malo possidere desiit, L. 42. 52. D. de rei vind. 6. 1.; nicht auch die condictio furtiva, „quia rei habet persecutionem." L. 7. §. 2. L. 9. D. de cond. furt. 13. 1.; streitig ob die actio rerum amotarum? L. 6. §. 4. D. de act. rer. amot. 25. 2. L. 3. Cod. eod. 5. 21. Auch findet jene Regel nicht Anwendung auf Klagen aus Rechtsge schäften (ex contractu oder quasi ex contractu), wenn der Erblasser dabei eines Dolus sich schuldig gemacht. L. 12. 49. D. de O. et A. 44. 7. L. 121. §. 3. D. de V. O. 45. 1. L. 152. §. 3. L. 157. §. 2. D. de R. J. Zwar sagt §. 1. J. h. t. Aliquando tamen etiam ex contractu actio contra heredem non competit, (veluti) cum testator dolose versatus sit (ex deposito) et at heredem eius nihil ex eo dolo pervenerit, und Theophilus führt als Beispiel die actio depositi an. Aber vgl. dagegen die 11. cc. und L. 1. §. 1. L. 7. §. 1. D. depos. 16. 3., Gai. IV. 113. Aliquando tamen (etiam) ex contractu actio neque heredi neque in heredem competit; nam adstipulatoris heres non habet actionem et sponsoris et fidepromissoris heres non tenetur (veraltete Fälle). Vgl. noch L. 8. §. 1. D. de fideiuss. et nominat. 27. 7. mit L. 2. 4. 5. Cod. de in lit. iur. 5. 43. L. 1. §. 21. 23. D. de tut. et rat. distrah. act. 27. 3. Das canonische Recht hat die Erben eigentlich unbedingt haftbar für Entschädigung erklärt, wie für andere Schulden der Erbschaft: cap. 5. X. 5. 17. Heredes ... iuxta facultates suas condigne satisfaciant; aber die Praxis hat dieß von jeher so erklärt, als hieße es: iuxta facultates hereditatis. Vgl. überhaupt Francke Beiträge I. 1. Sav. V. S. 46...60.

S. 105.

b) Concurrenz der Klagen.

Mehrere Klagen können ganz oder zum Theil auf denselben juristischen Zweck, Verwirklichung desselben materiellen Rechtsanspruchs, gerichtet seyn. Wenn und soweit hier durch eine der concurrirenden Klagen jener Zweck erreicht ist, fallen die übrigen weg; dasselbe juristische Object, welches bereits durch eine Klage. erlangt ist, kann nicht noch einmal durch eine andere Klage ge= fordert werden; wenn aber die zuerst durchgeführte Klage dem Gegenstande nach weniger umfaßte, so kann durch die umfassendere

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