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Die Zahl der Daten, die Cicero aus der morgenländischen Geschichte bringt, ohne daß sie mit solchen aus der griechischen oder römischen verbunden wären, ist sehr gering. Zunächst zwei Namen, die etwa den Anfang und das Ende des assyrischen Reiches bedeuten, Semiramis (XIII. saec.) Sardanapallus (VII. saec.). Semiramis ist genannt als Muster weibischer Weichlichkeit1, Sardanapallus als das lasterhafter Genußsucht2. Ebenso deuten Gyges und Croesus auf Beginn und Ende einer Dynastie, Gyges, der durch seinen Wunderring auf den Thron Lydiens gelangte3, und Croesus, den seine unermeßlichen Schätze doch nicht vor dem Scheiterhaufen bewahrt hätten, nachdem er sich durch einen zweideutigen Orakelspruch zum Kriege hatte bestimmen lassen4. Ueber seinen Gegner Cyrus findet

1. prov. cons. 9. 101 Att. X 8. 7. 3. off. III 38; 78; Als Quelle für diese Erzählung ist Plato angeführt off. III 38 Hinc ille Gyges inducitur a Platone .; L. c. 39. Atque hoc loco philosophi quidam . . . fictam et commenticiam fabulam prolatam dicunt a Platone; quasi vero ille aut factum id esse aut fieri potuisse defendat! 4. finn. III 76. Nam si beatus umquam fuisset, beatam 'vitam usque ad illum a Cyro exstructum rogum pertulisset; div. II 115 finn.

2. rep. III frg. inc. 4 finn. II 106 Tusc. V

sich die Nachricht, daß er als Vierziger den Thron bestieg und 70 Jahre alt wurde; ferner wird auf die schon erwähnte Szene mit Croesus angespielt. Nach Herodot wird die Nachricht von der früheren Existenz eines Wahlkönigtums bei den Medern überliefert. Von den phrygischen Königen ist Midas genannt. Nach Carien führt uns die Mitteilung von dem Bau eines großen Grabdenkmals für den König Mausolus, das ihm seine Gattin Artemisia setzen ließ3, nach dem Westen die Angabe der Regierungszeit des Arganthonius, eines Königs der Tartessier, auf 80 Jahre; er lebte 120 Jahre10.

II 87 III 45 IV 29; 31 div. I 37; 121.

off. II 16 Cato 79/81

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5. div. I 46 nam ad septuagesimum pervenit, cum quadraginta natus annos regnare coepisset. 6. finn. III 76, vgl. Anm. 4; rep. 1 43; 44 Brut. 282 Xenophon Κύρου παιδεία VIII 7. 1722 vgl. ad Quint. I 1. 23; 2. 7 Brut. 112 legg. II 56 finn. II 116 Cato 30; 32. 7. off. II 41 ... non apud Medos solum, ut ait Herodotus, sed etiam apud maiores nostros iustitiae fruendae causa videntur olim bene morati reges constituti. consol. frg. 9 Müller IV 3 p. 334 div. I 78 II 66. 10. Cato 69.

.

8. Tusc. I 144 cf.

9. Tusc. III 75.

III.

Griechische Geschichte.

1. Sagengeschichte.

Was wir an griechischer Sage bei Cicero finden, verteilt sich über alle seine Schriften. Es ist etwa folgendes: Hercules, der mycenische Sagenkreis, der thebanische, die Argonauten, der trojanische Krieg, der Olymp mit seinen Bewohnern, die Richtertrias der Unterwelt Aeacus, Rhadamantus und Minos, der für Cicero als Gesetzgeber Cretas gilt, wie es etwa Solon für Athen war1, daneben noch vereinzelt andere Gestalten. Aber diese Verteilung ist keine gleichmäßige. Die Zahl der nicht in philosophischen Schriften angeführten Sagengestalten zu der in ihnen zitierten läßt sich durch das Verhältnis 1:5 ausdrücken, wovon von dem Vorderglied wieder ein Drittel auf die Jugendschrift,,de inventione" entfällt und lediglich Gestalten des trojanischen Sagenkreises umfaßt. Wählt man das Jahr 46, mit dem die zweite Periode der wissenschaftlichen Schriftstellerei Ciceros beginnt, so ergibt sich für die Zeit vor und nach diesem Jahre ungefähr dasselbe Verhältnis. Und 46 begannen die Arbeiten zu erscheinen, zu denen Cicero sicherlich aus griechischen Vorlagen reichlich geschöpft hats!

1. rep. II 2. 2. Vgl. Schanz I 2 p. 396 ff.

3. Zweifel

2. Die Zeit von 770-500 v. Chr.

Die älteste historische Persönlichkeit, die erwähnt wird, ist der Gesetzgeber Spartas, Lycurg. Cicero hat seine Lebenszeit nicht eindeutig bestimmt; zwei Ansätze finden sich, der eine für die Zeit etwa um 7701, der andere würde auf das Jahr 884 führen2. Von seiner Gesetzgebung werden besonders folgende Punkte hervorgehoben: die streng geregelte Form der Jugenderziehung, die Stellung der „plebs" und die Bestimmungen über Gütergemeinschaft. Die Erziehung der Jugend war im wesentlichen auf eine Ausbildung des Körpers beschränkt: Bewegung im Freien, Jagd und Gewöhnung an Anstrengungen3. Die „,plebs", die in Ciceros Auffassung mit den Heloten zu identifizieren ist, verrichtete Frondienste für den Spartiaten und bestellte ihm seine Felder4. Gütergemeinschaft bestand, aber doch noch nicht in der Weise durchgeführt wie in Platons Idealstaat5. Auch die Einsetzung der Gerusia schreibt Cicero dem Lycurg zu6. Seine Verfassung hatte sich der Gesetzgeber von Delphi

los darf man aus diesem Additions- und Divisionsverfahren allein bei der Feststellung der Verteilung keine bindenden Schlüsse ziehen, aber die Tatsache an sich muß betont werden, wenn auch ein genaueres Eingehen auf die Sagenzeit außerhalb des Rahmens dieser Arbeit liegt.

3. Tusc. II 34.

1. rep. II 15. . . quod Spartae Lycurgus paulo ante [den ersten Jahren des Bestehens Roms vgl. a. a. O. § 14] viderat . . . 2, rep. II 18 ... centum et octo annis postquam Lycurgus leges scribere instituit, prima posita est Olympias .. 4. rep. III 16. 5. rep. IV 5 et noster Plato magis etiam quam Lycurgus, omnia qui prorsus iubet esse communia, ne quis civis propriam aut suam rem ullam queat dicere. 6. rep. II 50; 15.

bestätigen lassen. Während Cicero so Lycurgs Werk für die Grundlage der wachsenden Macht Spartas hält und alle errungenen Erfolge ihm zuschreibt, übt er doch Kritik an der Institution des erblichen Königtums. Wie konnte man immer einen ausgezeichneten Herrscher an die Spitze des Staates stellen, wenn man nur auf seine Abstammung sah3. Möglich daß Cicero auch an eine Einsetzung der Königsgewalt durch Lycurg denkt, wenn er ihm den Vorwurf macht, daß er die Vorteile, die das Wahlkönigtum gegenüber dem erblichen besitze, übersehen habe9. Allerdings fügt er hinzu, daß eine derartige Ordnung vielleicht nicht in der Macht des Gesetzgebers lag. So scheint Cicero über die Einsetzung des spartanischen Königtums keine feste Meinung besessen zu haben. Jedenfalls sieht er in der Erblichkeit der Königswürde eine große Schwäche der spartanischen Verfassung; die damals noch ,,agrestes Romani" dagegen haben, wie er betont, gleich erkannt [bei dem Tode des Romulus], daß bei Königen nicht auf ihre Abstammung von einem bestimmten Geschlecht zu sehen ist, sondern allein die virtus und sapientia, die ein Herrscher besitzen soll, ihm ein An recht auf den Thron geben10.

7. nat. deor. III 91. Diese Ueberlieferung wird wohl erst während der Reformbestrebungen des IV. saec. zu Sparta entstanden sein; vgl. G. Busolt, Griechische Geschichte bis zur Schlacht bei Chaeroneia Bd. I (18932) p. 567 ff., 577 ff. 8. rep. I 50.

9. rep. II 24 novus ille populus vidit tamen id, quod fugit Lacedaemonium Lycurgum, qui regem non deligendum duxit, si inodo hoc in Lycurgi potestate potuit esse, sed habendum, qualiscumque is foret, qui modo esset Herculis stirpe generatus; nostri illi etiam tum agrestes viderunt virtutem et sapientiam regalem, non progeniem quaeri oportere. 10. Lycurg außerdem erwähnt rep.

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