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Zeichnung der Charaktere. Andere Neigungen und Bestrebungen zeigt der Knabe, andere der Jüngling, der Mann, der Greis (153-178).

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Obwohl das wirksamer ist, was der Zuschauer mit eigenen Augen sieht, müssen doch gewisse drastische Scenen hinter die Bühne verlegt werden, um die Illusion nicht zu stören. Ein Stück soll nicht mehr und nicht weniger als fünf Akte haben. Ein deus ex machina ist nur statthaft bei einer Verwicklung, deren Lösung göttliches Eingreifen erfordert. Auf der Bühne sollen höchstens drei Personen sich am Gespräch beteiligen. Der Chor hat eine Rolle wie ein Schauspieler. Die Chorpartien sollen mit der Handlung in engem Zusammenhang stehen. Der Chor soll auf

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der Seite der Guten stehen und die Leidenschaft der Handelnden beschwichtigen. Die Gesänge desselben sollen hohe sittliche Ideen zum Ausdruck bringen. Der Chor muss verschwiegen sein und das anvertraute Geheimnis bewahren (179-201).

Die Musik, im Anfang schlicht und nur zur Begleitung des Gesanges bestimmt, wurde bei der grossstädtischen Entwicklung und bei der Zunahme des ungebildeten und zuchtlosen Publikums immer rauschender und drängte sich immer mehr in die erste Stelle vor; die Folge war, dass die Chorgesänge, deren Text man doch nicht verstand, immer orakelhafter im Inhalt, immer kühner und verwegener im Ausdruck wurden (202-219).1)

1) Merkwürdig ist die Inhaltsangabe dieses Abschnitts bei Lehrs: „Es hat sich die Tragödie von kleinen Anfängen allmählich und dies kommt ganz besonders im Chore zur Erscheinung zu einer Erhabenheit und orakelartigen Höhe emporgebildet." Man darf wohl sagen, dass hievon bei Horaz nichts steht.

Uebergang.

Eine besondere Art der griechischen scenischen Poesie ist das Satyrdrama, welches Erheiterung der Zuschauer bezweckt, aber in Rücksicht auf die vorausgehende Tragödie hierin Mass halten und die richtige Mitte finden muss zwischen dem hohen Tone der Tragödie und dem niederen der Komödie. (Wer also wie ihr, Pisonen, Satyrdramen dichten will, muss ein feines Taktgefühl besitzen.) Die ernsten Personen des 8atyrdramas sollen eine gewisse Würde behaupten und einen vornehmeren Ton anschlagen. Auch die lustigen Personen wie der Silen dürfen nicht wie gemeine Sklaven und Dirnen in der Komödie sprechen. Wenn die Ausdrücke auch der Umgangssprache entnommen sind, können sie doch durch geschickte Verbindung geadelt werden und sich über das Alltägliche erheben.1) Die Satyrn sollen, ihrer Herkunft aus der Wildnis eingedenk, sich nicht zu fein und stutzerhaft benehmen, dürfen aber auch nicht unanständige Zoten

1) Teuffel sieht in dem Abschnitt 220-250 drei verschiedene Fassungen eines und desselben Gedankens, von denen nur die erste 225-233 zur definitiven Aufnahme in das Gedicht bestimmt gewesen sei. Spengel (Philol. 18 S. 97 ff., 33 S. 574 f.) erkennt zwar das Verschiedene der drei Partien, will aber die mittlere 234-43 nach 250 umstellen, weil es ihm auffallend erscheint, dass Horaz in 10 Versen auseinandersetze, wie er selbst das Satyrspiel in seinem Unterschied von der Tragödie und Komödie bearbeiten würde, und dann erst den Satz aufstelle, wie die satyri nicht reden sollen, was doch die nächste Beziehung zu dem habe, was die tragische Person sprechen soll. Aber die Vorschrift, welche der Dichter in 234-43 über die Sprache gibt, bezieht sich nicht auf die Sprache des Satyrdramas überhaupt, sondern auf die der ernsten Personen und des Silen. Ueber den Chor der Satyrn ist eine besondere Bemerkung zu machen, darum kommt dieser zuletzt. Thatsächlich muss sich die Haltung und Sprache des Satyrchors, der eigentlich allein oder doch vorzugsweise das ausgelassene Element im Satyrdrama bildet, wesentlich von dem Benehmen der übrigen Personen unterscheiden.

reissen.1) Den Lazzaronis mag dergleichen gefallen, aber der Dichter hat den Geschmack des gebildeten Publikums zum Massstab zu nehmen (220 — 250).

II. Römische Praxis (251—476).

Freilich fehlt auch dem gebildeten Römischen Publikum der feine Formensinn. Darauf sündigen unsere Dichter. Sie kennen nicht einmal die einfachsten Regeln des Versmasses, z. B. dass im Trimeter in geraden Füssen ein reiner Jambus stehen muss. Daran leiden die gefeierten Verse eines Accius und mit Unrecht werden die schwerfälligen Trimeter des Ennius bewundert, mag nun Unkenntnis der Regeln oder mangelnde Sorgfalt daran Schuld tragen. Die Verse des Plautus sind ebenso kunstlos wie seine Witze unfein. Wir müssen uns in Bezug auf die Form die Griechen zum Muster nehmen. Die Griechen haben das Drama von seinen ersten Anfängen bis zu dem Drama ohne Chor ausgebildet und die römischen Dichter sind in ihre Fusstapfen getreten, haben es auch durch Aufnahme nationaler Stoffe zu einer gewissen Selbständigkeit gebracht. Gewiss würden sie hinter den Griechen nicht zurückgeblieben sein, wenn sie sich nicht sorgfältiges Ausfeilen und lange Arbeit verdriessen liessen. Aber man bildet sich ein, dass geniales Wesen der Mühe des Studiums und des Ausfeilens überhebe. Und das geniale Wesen sucht man in Aeusserlichkeiten. Wenn es so leicht

wäre, könnte auch ich ein Dichter werden. Aber lieber nicht! Drum will ich eine Art Wetzstein machen, der ohne zu schneiden schärft; ich will, ohne selbst zu dichten, andere über ihre Pflicht und Aufgabe unterrichten, wie sie sich

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1) Gut gibt den Inhalt dieser Verse Ribbeck wieder: Weder der pöbelhafte Jargon der Gasse noch die gezierte Feinheit des auf dem Forum der Weltstadt heimischen Elegants würde Naturkindern wie den Faunen zusagen.“

vorzubereiten und auszubilden haben, welcher Weg zum Rechten, welcher in die Irre führt1) (251-308).

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Vor allem muss sich der Dichter ein gründliches philosophisches Wissen aneignen, damit seine Poesie gehaltvoll wird. Ihrer idealen Erziehung und Ausbildung verdanken die Griechen die hohe Vollendung ihrer Poesie, während das realistische Schulwesen der Römer nicht geeignet ist den ästhetischen Sinn zu wecken und zu fördern. Aus der Philosophie muss der Dichter die Gedanken einer hohen Lebensanschauung schöpfen; denn mit der poetischen Form allein kann er nur der unreifen Jugend gefallen; das gereiftere Alter fordert einen bedeutenden inneren Gehalt (309-346). Obwohl man manche Fehler verzeiht freilich ist schon die Nachsicht der Fehler ein Kennzeichen geringer Achtung3) - und obwohl nicht an jedes Gedicht der gleiche Massstab angelegt wird,3) so verlangt man doch von einem Kunstwerk, weil es das Wohlgefallen zum Zweck hat, die höchste Vollkommenheit. Denn bei dem geringsten Missfallen, welches es erregt, verfehlt es seinen Zweck. Wer das nicht leisten kann, soll das Dichten bleiben lassen oder wenigstens nichts veröffentlichen. Was zur Veröffentlichung bestimmt ist, muss einer langen und sorgfältigen Prüfung und Ausfeilung unterzogen werden. Wenn einer die hohe Kulturaufgabe der Poesie kennt, wenn er beherzigt, dass die

1) Die V. 306-308 bilden eine Art propositio zum zweiten, wie 38-41 zum ersten Teil.

2) Ribbeck verlangt in V. 358 at für et: „Mit et würde eine Inconsequenz angedeutet werden, welche zwischen dem verächtlichen Urteil über Chörilus und der Reizbarkeit gegen Homerische Schwächen bestehe; vgl. sat. II 3, 309. 7, 23. Davon aber kann keine Rede sein. Nur dass das eine vollkommen berechtigt, das andere hingegen höchst ungerecht sein würde, will Horaz sagen. Dazu aber bedurfte es einer Adversativpartikel, at." Aber bei dem Gedanken „Nachsicht ist schon Geringschätzung" ist et ganz am Platze.

3) Z. B. darf sich eine Komödie mehr erlauben als eine Tragödie.

Dichter die Lehrer des Volkes sein sollen, dann wird er nicht glauben, dass er seine Mühe an einen unwürdigen Gegenstand verschwende. Die Frage also, ob Studium und Arbeit oder Genie den Dichter ausmacht, lässt sich leicht lösen. Das eine ist so notwendig wie das andere. Drum sollten unsere Dichter vor allem die Arbeit nicht scheuen (347-418).

Aber weil man die Arbeit nicht will, der allein wahrer Dichterruhm blüht, so begnügt man sich mit dem Scheine des Dichterruhms, welchen das erkaufte Lob der Schmeichler bietet. Uns thut vor allem eine sachkundige und unbefangene, unabhängige Kritik not. Diese allein könnte uns von dem tollen, lächerlichen und lästigen Treiben unserer Dichterlinge, welche sich mit ihren Vorlesungen aufdrängen, erlösen (419-476).

Dieser Zusammenhang der Gedanken sieht nicht darnach aus, als ob er aus ungeordneten Papieren des Horaz herstammte. Aus solchen leitet M. Schmidt die überlieferte Ordnung der Sätze her, um über die Schwierigkeit wegzukommen, dass Quintilian VIII 3, 60 die ersten Verse der Epistel, denen er selbst nach dem Vorgang Riccobonis einen anderen Platz anweist, mit den Worten in prima parte libri de arte poetica als Anfang bezeugt.

Historische Classe.

Herr Lossen hielt einen Vortrag:

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Ueber Nuntiaturberichte und andere Akten des Vatikanischen Archivs als Quellen der Geschichte des Kölnischen Kriegs."

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