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Lyrikern jener Periode und in einigen Figuren Shakespeares niederschlug.

2. Tränen. Tränen überfluten alles, und M. ist Meister* in der Ausübung jener facultas lacrymatoria, welche der Schweizer Fueßli dem Dichter des wehmutbebenden Messias nachsagt. Obwohl er sonst von Young's Letter on Original Composition unberührt geblieben ist (Brandl, Shakesp.-Jahrb. 1903, S. 13), hat er die Glorifizierung der Träne ausgebildet, welche die Night-Thoughts begannen.

Hier klingt die

3. Resignation und Todessehnsucht. Stimmung der Antike, z. B. der Oedipuschöre, von der Hinfälligkeit und Nichtigkeit der sterblichen Menschengeschlechter, an. Nichts ist noch zu finden von christlicher Weltflucht und Askese, wie sie der kirchliche Weltschmerz des Mittelalters gebar. Überhaupt ist jegliche christliche Spur ferngehalten. Die meisten der im Lismorebuch mitgeteilten Lieder sind als aktuelle Erzeugnisse aus dem first dawn of Christianism stark religiös gefärbt und von dem Zwiespalt der aufeinander stoßenden Weltanschauungen durchsetzt. Das heidnische Heldentum, das bei M. ausschließlich herrscht, wird hier oft nur laut als Opposition gegen St. Patrick, z. B. wenn sich der alte verstockte Ossian hartnäckig sträubt, die Überlegenheit des christlichen Jenseits über den heidnischen Kult und irdische Heldenwonnen anzuerkennen (Report 118 ff.) und nach einem Hinweis auf das himmlische Jerusalem nur die Antwort hat: Little joy would bring to me to sit in that city Without Caoilte, and Oscar, as well as my father (Lismore S. 17) Better the fierce conflict of Finn and his Feinne Than thy holy master, and thyself together S. 18. Doch hat er nach derber Abweisung More than thy howling in the church Do I love to tell the day S. 7; 84 ff. I and the mass-book clerics Are two that can never agree S. 87. auch Augenblicke tiefer Sünderzerknirschung und Seligkeitsehnsucht: May the Twelve Apostles, with their song of praise, Each holy cleric, and each prophet, Me save from hell, For I've been very sinful

in my day S. 13. Find, O Patrick, from thy God What our eternal state shall be. Freed may we ever be from ill S. 4. In der Bewahrung dieser religiösen Note ist Yeats, The Wanderings of Usheen, Poems 1895, S. 1-62, treuer ge

wesen.

Dagegen herrscht bei M. ein Kultus des tiefen Empfindens der wehmütigen, schmerzlichen Dinge. Diese mimosenhaften Seelen, welche vor jedem Reiz von außen oder innen bis in die letzte Faser erzittern, hegen den Schmerz und sein Gefolge mit inniger Zärtlichkeit. Ein leiser larmoyanter Ton singt überall auf dem Grunde. Trotz der Kampffröhlichkeit und Heldenstimmung lastet eine müde. greisenhafte Entsagung auf den Menschen, welche aus allen Erscheinungen, auch den belebendsten, Nahrung saugt für ihr dumpfes Brüten. Resignation oder Tod ist das Ende aller Liebe, die hier niemals im letzten Grunde als das kraftvolle Glücksgefühl erscheint, sondern als le doux mal, an welchem die Herzen leiden. Vorgebildet ist diese Stimmung im Lismorebuch. Ossian erscheint hier als eine Dekadenzfigur, die ihre Kraft vor dem Alter und dem eindringenden Neuen langsam zerbröckeln fühlt: Each day that comes is long to me S. 3. In this great world none is like me, So sad, how sad my case! S. 4. A poor old man now dragging stones Wearily dragging stones along To the church on the hill of the priest S. 4. Now alas I'm feeble, feeble etc. S. 15.

Nirgends hat sich die spezifisch keltische Gefühlsweise, die Richtung des Empfindens auf das schneidend Schmerzliche, das restlose Hingeben an starke Seelenschwingungen und Untertauchen in ein Meer des innerlichsten leidenschaftlichen Fühlens so charakteristisch geoffenbart und schöpferisch betätigt (vgl. M. Arnold a. a. O. S. 127: The Celts, with their vehement reaction against the despotism of fact, with their sensuous nature, their manifold striving, their adverse destiny, their immense calamities, the Celts are the prime authors of this vein of piercing regret and passion of this Titanism in poetry). Aus den Liedern

des Macphersonschen Ossian floß dieser berauschende Trank über in manches Erzeugnis der Romantik.

Eine Gegenüberstellung in Bezug auf „Auffassung“ ergibt ungefähr:

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Die Form.

Anordnung.

Die rhapsodischen Einzellieder der irisch - schottischen Hochlandspoesie hat M. zum Epos mit einheitlicher Handlung zusammengeschweißt. Jedes seiner 22 Epen ist in sich geschlossen und mit den andern nur durch die Persönlichkeiten der gemeinsamen Helden und Schauplätze verbunden. Einheit des Ortes ist nicht gewahrt, strenger die der Zeit. In Temora, dem umfangreichsten Epos, ist z. B. die Zeittechnik folgende:

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Der Anfang jedes Einzelliedes geschieht unmittelbar einspringend in medias res und zwar 1. leidenschaftlich bewegt, 2. stimmungsvoll, 3. chronistisch. Der Dichter zwingt sofort alle Kräfte der Aufmerksamkeit in seinen Zauberkreis und verschmäht es, eine Brücke zu schlagen zwischen der Stimmung des Hörers und der Sphäre seines Dichtens.

1. Es wird eine Naturgewalt angerufen, daß sie über dem Liede walte: Come, thou beam that art lonely, from watching in the night! III, 157. Star of the falling night! fair is thy light in the west! II, 209. Der Dichter feuert sich an, indem er den vor seinem visionär erregten Geiste aufsteigenden Helden oder die Harfe und die Geliebte sehn

süchtig anruft: Father of heroes, Trenmor! dweller of eddying winds! III, 27. Thou dweller between the shields that hang, on high, in Ossian's hall, descend from thy place, o harp, and let me hear thy voice III, 83. Bring, daughter of Toscar, bring the harp! II, 95. Bisweilen setzt er aufschreckend mit spannender Frage ein: Who comes with her songs from the mountain, like the bow of the showery Lena? II, 49. Who moves so stately, on Lumon, at the roar of the foamy waters? III, 171.

2. Gedämpfter ist die Ouverture, wenn er durch Andeutung des szenischen Hintergrundes gleich zu Beginn Stimmung weckt: The clouds of night came rolling down. and rest on Cromla's dark-brown steep. (Long are the clouds this night above me Lismore S. 4.) The stars of the north arise over the rolling of the waves of Ullin II, 73. The blue waves of Ullin roll in light. The green hills are covered with day. Trees shake their dusky heads in the breeze. Gray torrents pour their noisy streams III, 3. Wie ein stimmender Präludiumsakkord beschwört A tale of the times of old! The deeds of days of other years! II, 127 die Vergangenheit herauf.

3. Jede Kunst ist verschmäht in den ruhigen, erzählenden Einsätzen: Cuchullin sat by Tura's walls II, 1. Connal lay by the sound of the mountain stream, beneath the aged tree II, 21. Leidenschaftslose Sentenzenweisheit spricht sich aus: Our youth is like the dream of a hunter on the hill of heath II, 104.

Die Abschlüsse sind in ähnlicher Weise gehalten: J. Wie eine Fanfare ist der Ausklang: But my fame shall remain, and grow like the oak of Morven! II, 270. Ein Segensspruch schließt ab: Blest be thy soul, thou king of swords, thou most renowned on the hills of Cona! II, 48.

2. Meist ist das Finale ein dämmerndes Versinken und Verklingen in Schlaf und Traum, ein Abdämpfen jeder heftigen Bewegung, jedes Lautes zum verhauchenden Flüstern. Wallende Schleier breiten sich über die Szene und lassen

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