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Sexta.

Diese Klasse hat zwei Brennpunkte des geschichtlich-ethischen Interesses: 1. die Heimat, 2. das durch das Latein vermittelte Interesse am klassischen Altertum. In dem Brennpunkte des heimatlichen Interesses treffen die Gedanken- und Vorstellungsreihen aus dem geographischen, naturgeschichtlichen Unterricht und den Geschichtserzählungen des deutschen Unterrichtes zusammen. Das deutsche Lesebuch bildet das Hilfsmittel zu der gegenseitigen Beziehung. Hopf-Paulsieks Buch ist sich dieser Aufgabe vollauf bewufst; es ist Sache der Lehrer, sich gegenseitig in Fühlung zu erhalten. Die Wahl der Lesestücke mag anknüpfen an die Jahreszeit, die Blumen- und Tierwelt, die Beschäftigungen, das Bild der Heimat in landschaftlicher und kulturgeschichtlicher Beziehung, es müssen die heimatlichen Eindrücke vertieft werden durch die heimatliche Sage; auf die heimatliche Geschichte weisen die Geschichtserzählungen so wie so hin. Es wäre gut, wenn dem deutschen Lesebuch für die einzelnen Landschaften oder Provinzen ein provinzieller Anhang beigegeben würde; die Anhänglichkeit des Schlesiers an seine Heimat steht geradezu in umgekehrtem Verhältnis zur Kenntnis der Geschichte, Sage und Volkskunde Schlesiens. Der Anhang müfste Bilder aus Schlesien bieten etwa nach Schroller oder dem Buche des Pestalozzi-Vereins, ebenso anziehende Bilder aus Schlesiens Leben unter den Piasten, unter dem preufsischen Scepter, im Zeitalter der Befreiungskriege, aus der Geschichte des Christentums in Schlesien, speziell auch der Evangelischen in Schlesien. Für die Geschichtserzählungen der Klasse müfste das Lesebuch das ganze Material enthalten als Lesestücke. Die Diktate im Deutschen sollten vom Lehrer im gleichen Sinne entworfen werden, den Sinn für Natur, Leben und Schicksale der Heimat zu wecken. Nicht minder ist mit Hilfe kräftigen Herausarbeitens der Lebensbilder und Charakterzüge tüchtiger Menschen das sittliche Bewusstsein anzuregen; für diese Altersstufe wirkt das Beispiel alles. Dasselbe gilt für die Behandlung der biblischen Geschichten: an der sittlich-religiösen Kraft der biblischen Gestalten kräftige sich das kindliche Bewusstsein. Den Schauplatz der biblischen Geschichten im Vergleich mit dem der engeren und weiteren Heimat nahe zu führen, dazu diene das eine oder das andere Lesestück im Lesebuch, am besten nach Schilderungen von Augenzeugen wie Schneller Kennst du das Land" u. ähnl.

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Der Lateinunterricht führt zur Kenntnis des klassischen Altertums. Eingehende Prüfung der Materialien in Ostermann-Müller ergiebt folgende Gesichtspunkte: Selbst wo man glauben würde auf die Einzelsätze nicht verzichten zu können, sind sie untereinander durch irgend einen sachlichen Gesichtspunkt in Beziehung zu setzen. Solche sachlichen Gesichtspunkte

sind das Land der Römer und Griechen, Beschäftigungen, Kriege, Heldenthaten für das Vaterland, seien es Verteidigungskämpfe, seien es Thaten zur Begründung eines geordneten Staates oder Reiches. Man sehe nur einmal mit unbefangenem Auge das Durcheinander des verschiedensten Inhalts, z. B. auf S. 7, Stück 8 an, man wird zugeben, dafs da nicht das Interesse für den Inhalt in erster Linie entscheidend war. Dagegen sind Stücke wie S. 10 die Griechen, S. 13 die Römer, S. 15 die Deutschen, S. 17 die Perser durchaus passend. Man wird die Grundidee, mit dem griechischen und römischen Leben bekannt zu machen, durchaus billigen. Es ist aber ein leichtes, mit Hilfe der erarbeiteten Sprachmaterialien (z. B. Gruppen: Natur, Feld, Wald, Acker usw., Beschäftigungen, Ackerbau, Hirt; Krieg, Frieden; Tugenden, Laster) durch Variation Sätze und zusammenhängende Stückchen auch aus dem heimischen Geschichtsleben, also aus den Gedankenkreisen der ersten Gruppe zu gewinnen. Sind doch schon genug mehr oder weniger glückliche Versuche gemacht worden, die vaterländischen Gedankenkreise mit dem Lateinunterricht in engere Beziehung zu setzen. Worauf aber schliefslich noch anders als bei Ostermann - Müller Wert zu legen ist und zwar im Interesse der Einheitlichkeit des Unterrichts, ist dies, dafs grundsätzlich ein und derselbe Stoff der Ausgangspunkt für das Übersetzen ins Deutsche und ins Lateinische sein muss. Aus der Zergliederung des lateinischen Lesestückes in Bezug auf die Eigentümlichkeit des Latein in Wortstellung, natürlichem oder figürlichem Ausdruck, Satzstellung und Satzgefüge, objektivem oder subjektivem Ausdruck usw. müssen die Fingerzeige für das Übersetzen ins Lateinische zunächst an demselben Inhalt sich herausschälen, alsdann erst am Inhalt verwandter Gedankenkreise sei es in einzelnen Sätzen, sei es in zusammenhängenden Stücken, kurz in allerlei Variation. Nur so sind wir dessen sicher, dafs schon von Sexta ab der Aufgabe des Themas entsprechend ein einheitliches, auf Konzentration beruhendes Lehrverfahren eingeschlagen wird. In der Herstellung solcher Einheitlichkeit wird dem Bedürfnis nach Vereinfachung ganz naturgemäfs Rechnung getragen.

Quinta.

Der Inhalt des Lateinunterrichts und die Geschichtserzählungen des deutschen Unterrichts bilden in dieser Klasse den Mittelpunkt der altklassischen Gedankenkreise. Das deutsche Lesebuch, die Diktate des Lehrers und das lateinische Methodenbuch mögen fern von zersplitterndem Vielerlei für die feste Aneignung eines engbegrenzten, aber gut gewählten Vorrates von Sage und Sagengeschichte sorgen. Ostermann-Müllers Buch ist auf dem rechten Wege, bietet aber noch zu viele und im Einzelnen zwecklose Stücke. Sammlung thut hier vor allem not. Schade, dafs das deutsche Lesebuch

in seiner poetischen Abteilung zu wenig auf diese Gedankenkreise der Klasse Rücksicht nimmt. Aus dem Inhalt der lateinischen Lesestücke erweitere der Quintaner sein selbstangelegtes, nach sachlichen Gruppen geordnetes Vokabelbuch; an den inhaltlich wertvollen Stücken lerne der Schüler dieser Klasse die weiteren Unterschiede lateinischer Darstellungsweise von der deutschen mit sicher geschultem Ohr auffassen, durch planmäfsige Zergliederung und Zerlegung verwickelterer Satzgebilde in deren einfachste Elemente und durch variierenden Wiederaufbau auch mit Zunge und Feder lateinisch sich ausdrücken. Die Vereinfachung des Unterrichts, die Vertiefung in inhaltlich bleibend wertvolle Gedankenkreise erfordert dringend die Beseitigung jedes inhaltlichen Vielerleis und die Gruppierung aller methodischen Übungen, so derer im Übersetzen ins Deutsche wie derer im Übersetzen ins Lateinische um ein und denselben Inhalt. Nur so sind wir eines sicheren Besitzes aus altklassischen Gebieten sicher. Aber der Lehrer des Lateinischen und des Deutschen in V vergesse nicht, dafs die Kunst der Interpretation schon in VI anfangen, sich in V fortsetzen muss. Keiner seiner Lektürestoffe darf nur formalen Zwecken dienen, seine Auslegung ist es, die dem Gegenstande seinen historischen und ethischen Wert giebt. Es ist durchaus richtig, was Lehrpläne S. 41 f. über diesen Zweig der Lehrerarbeit gesagt ist, auch dies, dafs S. 42 auf den engen Zusammenhang des deutschen Lesebuchs mit den biographischen Aufgaben hingewiesen ist. Leben erzeugt sich nur am Leben", sagt Jean Paul, Begeisterung für alles Grofse in Welt und Leben erweckt sich in der Kinderseele nur durch das intensive Interesse für stark entwickelte Persönlichkeiten. Der Lehrer kann dieses persönliche Moment nicht stark genug hervortreten lassen. Wie in VI ist das vaterländische Interesse nicht nur neben, sondern parallel, in enger Beziehung mit den altklassischen Gedankenkreisen zu pflegen. Den unterrichtlichen Mittelpunkt bildet im Verein mit dem deutschen Lesebuch der geographische Unterricht der Klasse. Das Lesebuch enthält ja Schilderungen von Deutschlands Land und Leuten, aber es möchte auf den ungeahnten Aufschwung der letzten Jahrzehnte kräftiger hingewiesen werden. Wer gewisse Teile unseres Vaterlandes heute nach 20-30 Jahren wieder bereist, erkennt sie kaum wieder. Von diesem Aufschwung in Verkehr, Industrie, kurz in Werken der Kultur liest man im jetzigen Lesebuch zu wenig. Es sei nur an die köstlichen Schilderungen des früheren Unterstaatssekretärs im Postamt Fischer, Wanderungen durch Deutschland" erinnert.

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Mit der deutschen Ortskunde verbindet sich sehr natürlich die Kenntnis deutscher Sage (z. B. Vogesen Walter und Hildegunde, Rhein - Nibelungen, die See - Gudrun) und denkwürdiger Geschichtsthatsachen, wie

sie dem Schüler durch Prosaaufsätze und die Lieder des Lesebuchs nahe geführt werden. Die deutsche Heldensage kann doch unschwer mit der griechischen verglichen werden, und für die an die Ortskunde angeschlossenen vaterländischen Geschichten in Erzählung und Lied giebt es doch nur das eine Band, das sie mit den altklassischen Thatsachenreihen zusammenfügt, nämlich das ethische, die Hingabe der ganzen Persönlichkeit an den Dienst fürs Vaterland, das Eintreten einer Persönlichkeit nicht für die eigenen, kleinen Interessen, sondern für die einer Gesamtheit. Hier liegt endlich auch der Faden zur Anknüpfung an den Religionsunterricht bereit. Jesu Persönlichkeit ist das Ideal solcher Hingabe an einen höheren Willen, den Willen Gottes, alles, sein Thun und Kämpfen, erklärt sich aus dem „Gehorsam bis zum Tode am Kreuze". So sollen auch wir werden. Aus solchen Gesichtspunkten inneren Zusammenhanges verstehen sich Lesestücke im deutschen Lesebuch wie „Luthers Leben", und manches Lied mag die Knaben der Klasse Dinge und Vorkommnisse ihrer Umgebung und ihres eigenen Erlebens im Lichte des Christentums schauen lassen.

Quarta.

Der Hinzutritt der alten Geschichte zu den Unterrichtsfächern dieser Klasse weist darauf hin, einmal organisatorisch dem Ordinarius den Unterricht im Lateinischen, Deutschen und der Geschichte, am besten auch in der Religion zu übertragen, dem entsprechend innerlich für die Verwebung der Gedankenkreise aus den genannten Fächern Sorge zu tragen; selbst für den geographischen Unterricht liegt Lehrpläne S. 44 (IV) ein deutlicher Hinweis auf eine Unterrichtseinrichtung im Sinne der Konzentration. Den Brennpunkt bildet jetzt wieder zunächst das Interesse an der alten Geschichte; dies wird um so intensiver zu stärken sein, als es nachhaltig bis zur IIA wirken soll. Aber diese Nachhaltigkeit lässt sich nur durch die Festigkeit des inneren Zusammenhangs erreichen; fehlt in IV dichter innerer Zusammenhang, herrschen hier die Multa, so wundern wir uns über die Verflüchtigung des Interesses in den Klassen IIIB-IIB in keiner Weise.

Greift alles richtig ineinander, so ist dem geschichtlichen Unterricht so gut wie dem geschichtlichen Interesse durch die Unterrichtsorganisation beider Vorklassen vorgearbeitet. Auf die orientalischen Völker kann im Religionsunterricht, soweit es nötig und möglich ist, ein Blick geworfen werden. Für das eigentliche Geschichtspensum der IV ist es notwendig, einmal der Geographie der alten Welt in den Grundzügen nicht zu vergessen. Parallel mit dem geographischen Pensum der Klasse ist auf die Gruppierung der alten Welt um das Mittelmeer einzugehen, das Mittelmeer ist als grofse Verkehrsstrafse von Volk zu Volk begreiflich zu machen.

Das deutsche Lesebuch könnte wohl eine diesbezügliche Schilderung bieten. Viele Thatsachen der alten Geschichte werden erst durch den Hinweis auf den Zusammenhang des Meeres mit den wichtigsten Lebensfragen der Völker richtig verstanden. Eine festbegrenzte Anzahl von Zahlen mufs durch methodische Übungen zu sicherem Besitz gebracht werden, die kindliche Vorstellung mufs erst an die Entwickelung menschlicher Ereignisse in ausgedehnten Zeiträumen gewöhnt werden. In bezug auf die Herzensstellung, den inneren Anteil des Geschichtslehrers der IV an seinem Lehrstoff siehe die zutreffenden Bemerkungen S. 42 der Lehrpläne. Kein Alter ist, wie die Erfahrung vielfältig lehrt, gerade geschichtlichen Ereignissen und geschichtlichen Helden gegenüber so begeisterungsfähig als das des Quartaners. Das deutsche Lesebuch ergänze durch gute Geschichtsbilder und durch die Schilderung tüchtiger Männer das Wort des Lehrers und die summarische Erzählung des Geschichtslehrbuches. Hopf - Paulsieks Darbietungen sind meist wohl geeignet; dafs auch Gedichte sich mit der Geschichtserzählung verbinden lassen, versteht sich von selbst. Fast ist die Auswahl des für die Förderung des geschichtlichen Interesses Dargebotenen im Hopf-Paulsiek zu reich. Indes schadet es nichts, wenn nur durch die vereinigten Hilfsmittel des Geschichts- und des deutschen Unterrichts das sittliche Urteil in die richtigen Wege geleitet, wenn nur auch das vaterländische Empfinden in der Seele des Quartaners erregt wird. Nirgends so sicher als am Leben des Alcibiades läfst sich zeigen, dafs die gröfste geistige Fähigkeit (Genialität) ohne sittliche Kraft nichts von bleibendem Werte schafft. Wiederum an den Heldenthaten der griechischen Befreiungskriege versteht der Knabe Lieder wie: „Sohn, da hast du meinen Speer", „Ich hab' mich ergeben", begreift er auch die Thatsachen unserer Befreiungskriege und unserer jüngeren vaterländischen Geschichte, ja er würdigt sie um so mehr, wenn er in Griechenland fast noch während der Befreiungskämpfe die Zwietracht lodern sieht, dagegen unsere deutsche Einheit durch das Blut der Brüder aus Nord und Süd gekittet weiss.

Mit der Geschichte steht die biographische Neposlektion im passenden Zusammenhang. Gegen die Bearbeitung der Neposbiographieen ist im allgemeinen nichts einzuwenden, auch gegen die im Ostermann-Müller nicht. Man kann den Ausschlufs ungeeigneter, weil dem Gesichtskreise der Jugend ferner liegender Lebensbilder ebenso billigen wie die Aufnahme neuer, selbstbearbeiteter Bilder hervorragender Geschichtshelden, nur bleibt das eine wunderbar, dafs das Lebensbild Alexanders des Grofsen im ganzen Rahmen des Gymnasialunterrichts keine Stelle finden kann. Abgesehen also von der Wahl dieses oder jenes biographischen Bildes ist der Schwerpunkt der Sache darin zu suchen, ob von IV an der Sprach- und Lektüreunterricht

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