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der griechischen Sprache ein. Im allgemeinen sind die Vertreter der letzteren Methode heute in der Überzahl und werden es auch trotz des frommen Wunsches, den Dettweiler bei Baumeister IV p. 17 ausspricht, meiner Ansicht nach voraussichtlich stets bleiben. Zwei Gründe gegen das erste Verfahren führt Dettweiler selbst an; der eine ist, dafs die rein induktive Methode im Anschlufs an die Originalschriftsteller besonders didaktisch geschulte Lehrer erfordert; der zweite, dafs in diesem Falle ein Lehrerwechsel in den ersten Jahren des griechischen Unterrichts nicht eintreten darf, zwei Erfordernisse, die das gewöhnliche Leben und die Praxis nicht immer erfüllen können. Er hätte noch andere Gründe vorbringen können, die dagegen sprechen. Vor allem die Schwierigkeit, die diese Methode auch den Schülern bereitet. Abgesehen davon, dafs sie eine Unterstützung durch Privatunterricht unmöglich macht und jedes längere Fehlen für das Fortkommen der Schüler verhängnisvoll werden läfst, belastet sie wenigstens im Anfang (im ersten halben Jahr) die Verstandes- und Gedächtnisthätigkeit in ganz hervorragender Weise, während man doch umgekehrt, mit dem Leichten beginnend, erst allmählich zum Schwierigen übergehen soll. Da müssen eine grofse, verwirrende Anzahl verschiedener grammatischer Erscheinungen nebeneinander beobachtet und zum Teil auch gelernt werden. Da kommen Dinge vor, die der Schüler trotz der grammatischen Schulung, die ihm ein dreijähriger Lateinunterricht bereits gebracht hat, noch nicht verstehen kann und die deshalb gerade bei dem gewissenhaften Teil der Schüler ein Gefühl der Unsicherheit hervorrufen. Da müssen schliefslich eine Masse Formen als Vokabeln gelernt werden, was sicher doch auch als eine Erhöhung der Schwierigkeit anzusehen ist. Im Grunde genommen haben auch viele Anhänger der rein induktiven Methode diese Nachteile eingesehen. Das beweist der Umstand, 1. dafs sie einen vorbereitenden Unterricht eingeführt haben, in dem die Hauptdeklinations- und -conjugationsformen an Einzelsätzen gelernt werden sollen, 2. dafs sie von der Forderung eines völlig unveränderten Urtextes abgesehen haben und 3. dafs sie sich gezwungen sahen, in ihrem Unterricht den rein grammatischen Dingen eine Reihe von besonderen Stunden zuzuweisen. Wenigstens schreibt Dr. A. Müller, ein begeisterter Anhänger der Methode Ahrens, nachdem er kurz zuvor gesagt hat, dafs die Lektüre anfangs nur langsam vorschreiten könne und keine Deklinations- und Conjugationsform ohne Analyse bleiben dürfe, in den Lehr- Pr. 40 pag. 107 folgendes: ,,Dahingegen ist es unerlässlich, im letzten Quartale des Schuljahres von den zur Verfügung stehenden sechs wöchentlichen Stunden zwei abzuzweigen, um in ihnen die grammatischen Regeln, welche bislang in bunter Reihenfolge gelernt sind, systematisch zu wiederholen." Richtig ist ja, und das ist auch durchaus

meine Meinung: man soll möglichst induktiv verfahren, denn was die Schüler sich selbst erarbeiten, besitzen sie; man soll das Übungsbuch in den Mittelpunkt des Unterrichts stellen und in jedem Falle nur so viel mitteilen, als zum Verständnis des Textes notwendig ist; man soll das Neue immer nur an Bekanntes anlehnen und keinen einmal geknüpften Faden abreifsen lassen; man soll schliefslich, nachdem eine gewisse Gruppe zusammengehöriger grammatischer Erscheinungen in der Lektüre beobachtet worden ist, das Ergebnis in einer abschliefsenden Regel zusammenfassen. Nur meine ich, man soll diese Methode nicht an einem Original- oder nur wenig veränderten Texte, sondern an einem systematisch geordneten Lesebuch anwenden, indem hier zwei Vorteile, Induktion und systematischer Aufbau, zusammentreffen. Allerdings verkenne ich nicht, dafs es sehr schwer ist, ein derartiges Übungsbuch zu verfassen; man wird, wie es auch Dettweiler Bachof gegenüber thut, diesen Büchern den Vorwurf einer gewissen Künstelei nicht ersparen können, aber ich meine, das sei noch das geringere Übel gegenüber den Nachteilen, welche die Vorlage von Urtexten mit sich bringt. In welcher Reihenfolge der Lehrstoff in den so gearbeiteten Lesebüchern den Schülern geboten wird, darauf kommt es im allgemeinen wenig an, wenn nur der Gesichtspunkt gewahrt wird, dafs ein ruhiges, gleichmäfsiges Fortschreiten vom Bekannten zum Unbekannten stattfindet. Doch soll man auch hier nicht ohne Not und genügende Gründe schon wegen der gleichmässigen Behandlung an allen Gymnasien von dem Herkommen abweichen, um nicht den Schülern den Übergang von einer Anstalt zur andern zu erschweren. So macht z. B. Dr. Schmidt in den Lehrproben Heft 43, S. 63 ff. den Vorschlag, die zweite (0) Deklination vor der ersten durchzunehmen; die Gründe, die er dafür anführt, sind zweifellos anzuerkennen. Auch andere, wie z. B. Curschmann in seinem Hilfsbüchlein für die Erlernung der griechischen Formenlehre, stellen die zweite vor die erste Deklination. Gleichwohl sind die Schwierigkeiten der ersten Deklination nicht so grofs, um eine Abänderung der historischen und grammatischen Reihenfolge zu rechtfertigen. Freilich mufs man auch hier im Anfang langsam und nur Schritt für Schritt vorgehen, etwa in folgender Weise:

1. Artikel, 2. Substantiva auf und zwar a) Oxytona, b) Paroxytona, 3. Substantiva mit à purum, 4. Substantiva mit à purum und a impurum, a) Properispomena, b) Proparoxytona. Der Grund zu dieser Anordnung liegt auf der Hand, insofern sich gerade an den Artikel die Oxytona auf in ihren Formen und ihrer Betonung am engsten anschliessen, alle übrigen die Kenntnis der vorhergehenden voraussetzen und stufenweise erweitern. Was allerdings die Maskulina der ersten Deklination betrifft, so bin auch ich dafür, dafs sie wegen ihrer abweichenden Genetivbildung und

nicht zum wenigsten, um ein gar zu langes Verweilen bei der ersten Deklination zu vermeiden, hinter die zweite eingeschoben und etwa zusammen mit den Feminina dieser in einem Paragraphen behandelt werden.

Viel mehr jedoch als bei der ersten und zweiten Deklination kommt es bei der dritten wegen der Verschiedenheit der Stämme auf eine bestimmte Reihenfolge der Darbietung an. Vier Gesichtspunkte müssen bei der Einteilung mafsgebend sein: 1. Beschaffenheit des Stammes, ob konsonantisch oder vokalisch, 2. Bildung des Nominativs, ob sigmatisch oder asigmatisch, 3. Bildung des Accusativs, ob auf a oder v, 4. Unregelmässigkeit in der Bildung des Nominativs oder eines andern Kasus. Allerdings fallen Nr. 1 und Nr. 3 nach Ausscheidung der oben (Seite 57) angeführten Fälle so ziemlich zusammen, wie ja auch aus demselben Grunde die Rücksicht auf den Vokativ wegfällt. Man beginnt natürlich mit dem Regelmäfsigen und darunter mit den am häufigsten vertretenen Stämmen und das sind eben die konsonantischen, Unter diesen aber bereiten die Gutturalund Labialstämme, einmal weil sie blofs eine Art der Nominativbildung zeigen, dann weil sie am besten einen Vergleich mit der lateinischen Deklination gestatten, die wenigsten Schwierigkeiten. An sie schliefsen sich sodann die Dentalstämme und zwar natürlich zunächst die an, welche ihren Nominativ sigmatisch, hierauf diejenigen, die ihn asigmatisch bilden. Reihenfolge der zu besprechenden Paradigmata etwa: λαμπάς, γίγας oder οδούς, ἡγεμών (mit kurzem Stammvokal), Ελλην oder λειμών (mit langem Stammvokal) und yέowv. Die Liquidastämme bieten, soweit sie regelmäfsig gebildet sind, wie z. B. gýtwo, in grammatischer Beziehung nichts Neues; sie können also leicht übergangen und für gelegentliche Erwähnung bei der Lektüre aufgespart werden. An dritter Stelle folgen hierauf die Substantiva, die nach Beschaffenheit ihrer Stämme gewissermafsen eine Zwischenstellung zwischen konsonantischer und vokalischer Deklination einnehmen, aber ersterer (mit ihrem Acc. auf a) näher stehen. Es sind dies 1) die Substantiva auf úg, deren ursprünglich vokalischer Stamm dadurch, dafs sich das v in Digamma verwandelt, zu einem konsonantischen wird, 2) die Substantiva elidierender Sigmastämme, bei denen umgekehrt der Wegfall des Sigma den konsonantischen Stamm in einen vokalischen verwandelt.1) An vierter Stelle

1) Waldeck, Lehrpr. 31, S. 85 spricht bei der Deklination dieser Substantiva seinen Schülern nur von einem auf & ausgehenden Stamme, um jede Weitläufigkeit und Erschwerung zu vermeiden. Ich kann mich nicht ganz damit einverstanden erklären und zwar einmal wegen der Maskulina (Eigennamen) auf ŋs. Wie soll sich nämlich der Schüler beispielsweise die Nominativbildung von Moyévns erklären, wenn er bei dem Neutrum yévos von dem Stamm yɛɛ ausgegangen ist? Aufserdem gestattet yévos, Stamm yevεs, eher einen Vergleich mit dem lateinischen genus generis.

schliefsen sich die Substantiva vokalischer Stämme an: a) derjenigen auf v nebst den Wörtern Boug und yoaus, b) der Doppelstämme -ε, wie πόλις.

Man könnte auch daran denken, die dritte Gruppe (Baotlevs, yέvos) hinter der vierten, der vokalischen Stämme, einzureihen, so dafs die Reihenfolge wäre: 1. konsonantische, 2. vokalische, 3. „gemischte" Stämme. Ich habe aber dies deshalb nicht gethan, weil ich den Schülern wohl die Endung wg in Baokéws mit dem Ausfall des Digamma erklären kann, bei nólɛws aber in dieser Beziehung in Verlegenheit gerate, wenn ich nicht auf das vorausgegangene Paoiléwg verweisen kann. Den Abschlufs in der Darbietung der Substantiva dritter Deklination bilden endlich diejenigen, deren Abwandlung Unregelmäfsigkeiten aufzuweisen hat. Hierher rechne ich auch die Deklination der Substantiva zarę usw.

Dal's diese Art der Behandlung der dritten Deklination ihre Gegner hat, verhehle ich mir nicht. So schreibt Waldeck a. d. a. O. pag. 86: „Auch die Einteilung in die vielen Klassen nach den Stammausgängen ist viel zu kompliziert und völlig zwecklos. Man gehe einfach von den regelmäfsigsten Beispielen wie ἐλπίς, ποιμήν, φύλαξ aus Unter der Hand mache

man auf die wichtigsten Lautgesetze aufmerksam . . . . Sitzt das Regelmäfsige fest, so reihe man nach und nach je nach dem Grade der Schwierigkeit das wichtigste Abweichende an usw.

Nun aber verstehe ich nicht recht, wie er unter der Hand auf die wichtigsten Lautgesetze aufmerksam machen, wie er nach und nach je nach der Schwierigkeit das wichtigste Abweichende anreihen will, ohne bei jedem einzelnen Worte auf die Beschaffenheit des Stammes zurückzugehen. Der Unterschied zwischen seinem und dem von mir befolgten, d. i. dem gewöhnlichen Verfahren, ist doch nur der, dafs er alles unter der Hand fertig zu bringen glaubt, während im andern Falle ein systematisches Vorwärtsgehen stattfindet. Übrigens täusche er sich nicht, die griechische Sprache will nicht nur gelernt, sie will auch bis zu einem gewissen Grade verstanden sein. Warum soll ich also den Schülern nicht manche Dinge sagen dürfen, die zwar an und für sich im Verhältnis zur Wissenschaft nur Brocken" sind, aber das Verständnis der Formen vermitteln und ihr Behalten erleichtern? Von der allergröfsten Wichtigkeit im griechischen Unterricht ist schliefslich die Behandlung des Verbums. Hier fragt es sich: 1. In welcher Reihenfolge soll die Konjugation des regelmäfsigen Verbums, für sich be

"

Dasselbe, was Waldeck will, wird erreicht, wenn man die Schüler nach erstmaliger Erklärung bei späteren Fragen nach dem Stamm, z. B. dem vou ooos, die Antwort geben läfst: boss bezw. boɛ. Auch in diesem Falle werden sie sich m. E. die Zwischenbildungen oɛoog usw. ersparen.

trachtet, gelehrt und 2. an welcher Stelle des Übungsbuches, ich meine, in welchem Verhältnis zur Deklination, die einzelnen zu lernenden Abschnitte eingeschoben werden?

Was die erste Frage betrifft, so hat man früher wohl allgemein zuerst das verbum purum non contractum vollständig lernen lassen und daran die Erlernung der übrigen Verba angeschlossen. Einen ganz anderen Weg dagegen schlägt z. B. heute Dr. A. Müller (siehe Lehrpr. 40, p. 101 ff.) ein. Er geht nämlich 1. statt von einem Verbum purum von toέzo aus; trennt 2. die Abwandlung von der Tempusbildung; wahrt 3. bei der Reihenfolge der einzelnen Tempora nicht die herkömmliche Ordnung, sondern unterscheidet und behandelt darnach nacheinander 1. eine Flexion mit Flexionsvokal (z. B. Präsens Futurum), 2. eine solche ohne Flexionsvokal (Perfect med. und pass. und Aorist pass.), 3. eine gemischte Flexion (Perfect und Plusqu. act.). Ohne Zweifel hat dieses Verfahren seine Vorteile, aber ob diese so bedeutend sind, um die herkömmliche Ordnung der Darbietung umzustofsen, dürfte doch noch eine grofse Frage sein. Nach wie vor werden m. E. auch die meisten Lehrer des Griechischen zunächst von einem verbum purum non contractum ausgehen und daran zu gleicher Zeit Tempusbildung und Abwandlung lernen lassen, denn dafs durch diese Verbindung die Schwierigkeit der Konjugation allzusehr erhöht werde, ist eben nur die Behauptung eines Mannes, der in leicht verzeihlicher Weise zur Empfehlung seiner Ansicht das herkömmliche Verfahren heruntersetzt. An das verbum purum non contractum schliefse man der steigenden Schwierigkeit entsprechend an 1. die verba dentalia; da sich ihre Konjugation nur wenig von derjenigen der verba pura unterscheidet, 2. die übrigen verba muta mit der Konjugation der starken Aoriste, 3. die verba liquida und 4. zum Schlufs die verba pura contracta und solche, die in Augment oder Reduplikation oder Tempusbildung Unregelmässigkeiten zeigen. Erst von dem Augenblick an, da man die verba dentalia lernen läfst, ist eine Unterscheidung zwischen Präsensund Verbalstamm geboten, vorher nicht. Statt einer Einteilung in vier Klassen spreche man nur von einer solchen in zwei: erweiterte und unerweiterte Klasse.1) Da die Schüler lernen, dafs die abgeleiteten Zeiten von dem Verbalstamm gebildet werden, so mufs man auch bei den Formen Leiyo und qesoμaι von einem Verbalstamme λɛл und qɛvy ausgehen, während man die Aoriste puyor und nor von einem verkürzten Stamme gebildet sein läfst. Zusammenfassende, Schritt für Schritt zu erweiternde Regeln müssen

1) Der Vergleich mit Substantiven beispielsweise von ἐλπίζω mit ἐλπίς, φυλάττω mit qúlas zeigt, dafs die Verba auf einen dentalen, die Verba auf TT einen gutturalen Charakter haben.

Fries u. Menge, Lehrproben und Lehrgänge. Heft LXII.

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