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kommen läfst, mit seinem Lehrgange viele Schüler auf einen falschen Bildungsweg lockt und die Schüler der oberen Klassen überbürdet.

2. Das Reformgymnasium wird die von ihm erhofften Vorteile nicht bieten, weil es trotz aller Nützlichkeitsbestrebungen weder die vermeintlich nötige Erleichterung der Berufswahl und die Entlastung der gelehrten Berufsarten gewähren kann, noch eine erhebliche Ersparnis in Aussicht stellt. Die grofse Mehrzahl der Anwesenden zollte dem Redner lebhaften Beifall, weil er vielfach das ausgesprochen hatte, was die Freunde des humanistischen Gymnasiums denken und fühlen.

Direktor Dr. Reinhardt aus Frankfurt a. M. war zugegen und ergriff das Wort zu lebhafter Gegenrede, um nachzuweisen, dafs der Vortragende mehrfach von falschen Voraussetzungen ausgegangen sei. Aber die Zeit war zu einer tiefer gehenden Erörterung zu kurz, und da es bekannt war, dafs in der pädagogischen Sektion der Philologenversammlung dasselbe Thema behandelt werden würde, so wurde ein weiteres Eingehen auf die bezügliche Sitzung der pädagogischen Sektion verschoben. Diese fand am Donnerstag dem 28. September 1899 statt. Da anzunehmen ist, dafs diese Verhandlungen viele interessieren, so glaube ich sie möglichst ausführlich wiedergeben zu sollen. 1) Vorher aber schiebe ich eine Uebersicht über die verschiedenen in Frage kommenden Schulsysteme ein, weil mancher Leser sie doch nicht gegenwärtig haben dürfte; s. S. 8 u. 9.

Zuerst erhielt das Wort zum Vortrage Dr. Schlee, Realgymnasialdirektor aus Altona, auf den das sogenannte „, Altonaer System" (siehe Übersicht unter C) zurückgeht.

Redner will von der Stellung der Reformschule zum gesamten Sprachunterricht reden. Er dürfe sagen, die bisher erreichten Erfolge seien gut. Die Lehrer, welche in Tertia unterrichteten, seien in der Regel erfreut über die Wirkung des vorher erteilten französischen Unterrichtes. Der lateinische Unterricht könne gleich mehr wissenschaftlich gegeben werden, nicht rein mechanisch.

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Ich weifs es wohl" so ungefähr fährt er fort die meisten sehen in unserem System den Versuch, dem altsprachlichen Unterrichte seine feste Grundlage zu nehmen. Das ist ein Irrtum. Freilich sehen wir nicht mehr das Ideal unserer Bildung im altklassischen Altertume, sondern vielmehr in der Ausbildung derjenigen Eigenschaften, die unserem Volke von Gott gegeben sind. Aber wenn die Reformschule auch auf diesem

1) Ein Stenograph war nicht zur Hand, und die Herren sprachen grofsenteils frei. Daher hielt ich es für geboten, einen möglichst ausführlichen Auszug niederzuschreiben, damit das Vorgetragene nicht für weitere Kreise verloren ginge.

Grunde steht, so tritt sie doch nicht in Gegensatz zu den berechtigten Ansprüchen des Gymnasiums. Für die Reform - Realgymnasien ist der Beweis erbracht und die Schulverwaltung hat es seit zehn Jahren öffentlich anerkannt dafs ihre Leistungen nicht hinter denen der anderen Realgymnasien zurückbleiben. Auch Tacitus und Horaz werden mit gutem Erfolge gelesen. Nur dadurch unterscheiden wir uns, dafs wir das Erlernen der Anfangsgründe des Latein nicht unfähigen Kindern in den untersten Klassen aufdrängen. Freilich gerade dies erregt grofsen Widerspruch, indem man sich dabei auf die ,sprachlich-logische Schulung bezieht, wie man heute statt,formaler Bildung' sagt. Diese soll gerade durch den frühen und langjährigen Betrieb der lateinischen Grammatik vermittelt werden. Gemeint ist doch die Entwickelung und Bildung der geistigen Kraft. Aber diese ist nicht gleichbedeutend mit Kenntnis und Übung in den Sprachformen. Sprachlich-logische Schulung beruht nicht ausschliefslich auf Erlernung der Grammatik, sondern ebenso auf Lektüre und Verständnis des Inhalts derselben. Auch darf man nicht glauben, dafs die Ausdrucksformen der lateinischen Sprache logischer seien als etwa die der deutschen. Sprachformen sind nie ein adäquater Ausdruck der logischen Verhältnisse. Nun ist ja immerhin der grammatische Unterricht recht fruchtbar für die Formung des Geistes; aber er begründet nicht eine allgemeine formale oder logische Bildung, sondern nur Sicherheit in dem Verständnisse und dem Gebrauche der Sprache. Die Klarheit über grammatische Begriffe schafft nicht Klarheit der Anschauungen auf anderen Gebieten. Aufserdem behilft sich der grammatische Unterricht, besonders im Anfange, vielfach mit schiefen und unzureichenden Regeln. So ist denn auch der syntaktische Unterricht in keiner einzigen lateinischen Grammatik in ein rationelles System gebracht. worden. Man überschätze also auch diesen grammatischen Unterricht nicht! Die Grammatik ist nur um der Sprache willen zu treiben, nicht die Sprache um der Grammatik willen. Ich will nicht leugnen, dafs der lateinische Unterricht, wie er bisher getrieben wurde, Erfolge gehabt habe; aber das liegt nicht daran, dafs es sich gerade um Latein handelte, sondern dafs auf dieses Gebiet der gröfste Fleifs sowohl der Schüler wie der Lehrer gewendet wurde, und dafs dieser Unterricht gerade einen festen Lehrgang durch die ganze Anstalt hindurch hat. Auch will ich nicht sagen, dafs der grammatische Unterricht entbehrlich sei; die Grammatik ist die elementare Wissenschaft der Sprache und muls deshalb auch ferner die Führung im Sprachunterrichte haben. Je wissenschaftlicher sie betrieben wird, desto besser ist es. Die Wortkunde mufs von der Grundbedeutung ausgehen und etymologische Zusammenstellungen vornehmen; die Syntax mufs induktiv und vergleichend behandelt, dann aber möglichst bald nach einem rationellen

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Französisch

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Geschichte u. Erdk.

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Rechnen u. Mathem.

5

Physik.

Chemie

Schreiben.

Zeichnen

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2 19

3. Realschule

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28

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Naturbeschreibung.

2 16

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System zusammengefasst werden. Das alles aber ist nur bei einem späteren Anfange des lateinischen Unterrichtes möglich. Das lateinische Extemporale kann die Reformanstalt gerade so gut leisten wie das alte Realgymnasium. Aber nach meiner Ansicht liegt das lateinische Extemporale aufserhalb der Aufgabe der höchsten Stufe. Ist das Übersetzen ins Latein nur ein Mittel für den Sprechunterricht, so kann es nicht als Zielleistung hingestellt werden. An Zeit für diese Übungen fehlt es ja dem Reformgymnasium weniger als den alten Gymnasien, aber sie beeinträchtigen die Lektüre. Gerade diese giebt zur sprachlich-logischen Schulung fortwährend Gelegenheit. Ich erinnere an die andere Einkleidung eines Gedankens überhaupt, Anwendung abweichender Konstruktionen, Vertauschung von Substantivum und Attribut, z. B. impares liberti, die geringere Stellung der Freigelassenen, Verschiedenheit des logischen Prädikates, z. B. non ignotas artes conseruerunt, die Kriegskunst des Gegners war ihnen nicht unbekannt. Das sind nur formale Dinge, aber sie führen in das Verständnis des Zusammenhangs und des Inhalts und sind nicht ein blofses Kramen mit Worten.

Das grammatische Verständnis überhaupt mufs durch den deutschen Unterricht begründet werden. Bei der Muttersprache wird der Schüler durch das Sprachgefühl geleitet und hat intuitiv die Sprachformen bereits inne. Im Deutschen mufs der grammatische Unterricht im Zusammenhang erteilt werden und den Unterricht in den fremden Sprachen vorbereiten, wenn natürlich auch nachher durch den Vergleich mit fremden Sprachen die Erkenntnis der eigenen Sprache noch vertieft wird. Schon bis Ende der Quarta kann so in methodischem Fortschritt zu einer mit einer vollständigen Satzlehre abschliefsenden systematischen Übersicht gelangt werden. Auf Grund derselben kann man dann in Tertia die Syntax gleich mit der Einübung der Formenlehre verbinden.

Die neueren Sprachen sollen keineswegs die alten verdrängen oder auch nur teilweise ersetzen. Sie werden gelehrt, damit sie richtig verstanden und gebraucht werden können. Den Unterricht in den neueren Sprachen hat man früher anähnlichen wollen dem Unterrichte in der lateinischen Sprache. Jetzt will man die Grammatik beiseite lassen. Das geht nicht. Giebt man den Schülern nicht die Erklärung der Formen von vornherein, so kommen sie nie zu einer klaren Einsicht in dieselben. Auch ist die Benutzung eines technisch-naturgeschichtlichen Lesebuchs in den Realanstalten verkehrt. Es müssen hier im wesentlichen dieselben Schriftsteller gelesen werden wie im Gymnasium. Ist in den Unterklassen ein guter grammatischer Grund gelegt, dann kann der Lehrer in den oberen Klassen seine Lektüre ebenso behandeln wie der Lehrer des Deutschen die deutsche Lektüre, natürlich unter Anwendung der bezüglichen Fremdsprache.

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