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Die vorliegende Schrift ist aus einem Vortrag entstanden, den der wohlbekannte Herausgeber des Griech. Neuen Testaments im August des Jahres 1903 in Barmen gehalten hat. Sie enthält eine Fülle interessanter Angaben aus der Geschichte und über die Beschaffenheit des Textus Receptus d. h. der Gestalt des griechischen Textes, die seit der Mitte des 16. Jahrhunderts bis zur Gegenwart am weitesten verbreitet, lange Zeit sogar allein herrschend war. Die Britische Bibelgesellschaft hat allein mehr als 400000 Exemplare des N. T.s mit diesem Text gedruckt. Nach langen Verhandlungen hat sie aber jetzt beschlossen diesen Text aufzugeben sowohl für ihre griechischen Ausgaben als auch als Grundlage der Übersetzungen in fremde Sprachen. Nestle selbst ist beauftragt die erste Ausgabe der Neubearbeitung, der der Text des Stuttgarter N. T.s zugrunde liegen soll, vorzubereiten.1) Somit kann Nestle mit Recht von ,,dem letzten Jahr des Textus Receptus" reden. Wer sich in irgend welcher Weise mit dem Urtext des N. T.s beschäftigt oder für die Geschichte des gedruckten Textes Interesse hat, wird in dem Schriftchen, das von einer staunenswerten Kenntnis der ganzen umfangreichen Literatur zeugt, reiche Anregung und Belehrung finden. Namentlich möchte ich auch für die Schülerbibliothek höherer Klassen, in denen das N. T. im Urtext gelesen wird, die Anschaffung des Schriftchens warm empfehlen.

München.

Otto Stählin.

Griechische Schnadahüpfeln. Proben zwiesprachiger Umdichtung von J. M. Stowasser. Wien und Leipzig, Karl Fromme, 1903. 1 M. 80 Pfg.

Beim Lesen des sonderbaren Titels und des Namens des Verfassers, der kein anderer als der Herausgeber des bekannten lateinischdeutschen Schulwörterbuches ist, wird jeder zunächst verwundert den Kopf schütteln; nur flüchtige Blicke in die 72 Seiten des Schriftchens mögen vielleicht den Glauben erwecken, man habe es hier mit einem Scherze, etwa einer philologischen Kneipzeitung zu tun, wenn man da deutsch (oder vielmehr in österreichisch-bayerischer Mundart) und griechisch liest vom,,Dianderl", dem ,,flachshaareten", vom „Nanderl" mit seinen ,,schneeweifse Zanderl" und ,,schneeweifse Knia -aba g'segn hab i's nia" usw., um zunächst nicht mehr zu verraten. Diese Verwunderung wird sich aber zur Bewunderung klären und steigern, wenn der Leser immer mehr entdeckt, dafs hier lachender Humor und ernste Wissenschaft einen Bund geschlossen, dem ein reizendes Kindlein entsprossen ist. Referent kann nur den guten Rat geben, das Büchlein selbst zur Hand zu nehmen und sich an der Gabe des ,,Wiener Schulfuchser", dem von Griechen stammenden und von ihm daraus geschaffenen und ,,mundgerecht gemachten" Liedchenstraufse zu erfreuen. Was die wissenschaftliche Arbeit dabei betrifft, so sind die leitenden Gedanken des Verfassers kurz angedeutet diese.

1) Die Ausgabe ist inzwischen erschienen.

Was Willamowitz im grofsen für die deutsche Übersetzungskunst neu geschaffen, will St. bei dem Kleinsten versuchen, den niedlichen Sächelchen der Anthologie. Dem Distichon entspricht in der Tektonik die volkstümliche Vierzeile; zu dieser Form führen auch ästhetisch-poetische Erwägungen, desgleichen zum Dialekt, nach dem die Gedichte der Anthologie förmlich ,,schreien". All dies wird in feiner Weise begründet. Die Umdichtungen selber gehen zunächst aus vom Deutschen, denen sich Übertragungen aus dem Griechischen anreihen, darunter direkte Nachdichtungen, wenn z. B. das,,Marterl" des Simonides für die Thermopylenkämpfer übertragen wird auf das,,Bauerngrab“ von Pinsdorf, wo 1626 viertausend Bauern erschlagen wurden, oder der ,,Löwe von Marathon" durch einen Löwen von Aspern ersetzt wird. Letztere Übertragungen sind Beispiele (aber nicht die einzigen) ernsten Inhalts, sonst überwiegt der Humor, wie er sich eben in den Schnadahüpfeln des bayerischen Stammes ausspricht, und der Verfasser zeigt sich als gründlicher Kenner nicht blofs der beiden Sprachformen, sondern auch des Volksgeistes. Die zwiesprachigen G'stanzeln beschränken sich auch nicht etwa auf das Thema vom ,,Buam" und ,,Deanderl", es kommen im Gegenteil auch die anderen Verhältnisse des Lebens zum Wort - wie? Dies in eine Auswahl von Proben hier darzutun, möchte Referent lieber unterlassen; davon möge sich jeder durch eigene Lektüre überzeugen und keiner wird das originelle Werk unbefriedigt aus der Hand legen, sondern sicherlich zur Erholung nach des Amtes Müh' und Plage noch des öfteren darnach greifen. Dafs das Ganze keine Profanation teurer Reste des Altertums ist, weifs St. gleichfalls bestens zu begründen und unsere Anzeige schliefse mit seinem Epilog an die P. T. Rezesenten : Seid's meintsweg'n, i gönn's enk, In da ganzn Welt z'haus; Netta oans: Macht's es bessa, Oda schweigt's enk brav aus! München.

Οὐ φθονέω, τὸν κόσμον ἐμοῦ μᾶλλον

συνιεῖτε·

ἓν μόνον ἢ νικᾶν μ' ἢ πρέπον εὔστομ ̓ ἔχειν.

Wismeyer.

L'Écho littéraire. Journal bi-mensuel destiné à l'étude de la langue française, fondé par Aug. Reitzel, publié par Aug. Reitzel et Annette Reitzel. XXIIe Année. No. 1-12. Heilbronn, E. Salzer, 1902. Abonnement: M. 4.- jährlich.

XXIIIe Année 1903. No. 1-6.

The Literary Echo. (Unterrichtsschrift für Deutsche). A Fortnightly Newspaper, intended for the Study of the English Language (founded by W. Weber) edit. by Dr. Th. Jaeger. Vth Year. No. 1-12. 1902. VIth Year, No. 1-6. 1903. Heilbronn, E. Salzer. Bezugspreis: M. 4.- jährlich.

Die vorliegenden Nummern dieser beiden Halbmonatsschriften, die für deutsche Leser zum Studium der beiden Fremdsprachen ge

schaffen sind, zeichnen sich von anderen ähnlichen Unternehmen durch ihren Inhalt vorteilhaft aus; für ihre praktische Brauchbarkeit mag auch der Umstand Zeugnis geben, dafs die eine schon im 24. Jahre, die andere im 7. ihres Erscheinens sich befindet.

Wenn sie auch naturgemäfs hauptsächlich denen dienen sollen, die bereits in einem Lebensberufe stehen um das in der Schule Gelernte nicht zu vergessen und auf angenehme Weise eine Weiterbildung zu ermöglichen, so stehen wir doch nicht an sie auch für unsere Schüler an Mittelschulen zu empfehlen, da sie durch ihre vielfachen Anregungen den regulären Unterricht zu unterstützen imstande sind, und für Feiertage und Ferien einen geeigneten Lektüre-Stoff bieten; dazu kommt die aufserordentliche Billigkeit der beiden Zeitschriften.

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Um ihre Leser anzuziehen, bieten sie neben den Stücken der betreffenden Nummer in dem ,,Supplément" gediegene Erzählungen moderner Autoren mit deutschen Erklärungen unter dem Text, die dann besonders als Buch gebunden werden können. Die vorliegenden Nummern bringen z. B.,,Petite Princesse" par Henry Gréville, von der beliebten Jugendschriftstellerin, und ,,De toute son âme" par René Bazin; in den englischen Nummern beispielsweise eine Erzählung von Bret Harte: "Dick Spindler's Family Christmas" und von George Eliot: "The Sad History of the Revd. Amos Barton"; oder von Rudyard Kipling: "The Tomb of his Ancestors". Man sieht, es sind die besten modernen Erzähler und die Auswahl ist frei von Anstöfsigem. Aufserdem werden als besondere Beigaben geboten (in kleinerem Formate) Anthologien der Herausgeber wie Histoire de France au XIXe siècle" und Histoire de la littérature française au XIXe siècle". Im einzelnen finden wir in den Nummern nach kurzen Erzählungen, Skizzen, Biographien literarischer Gröfsen Erörterung sprachlicher, grammatischer, lexikographischer Schwierigkeiten oder interessanter Punkte, die auch für den Fachmann manches Neue oder Auffallendes bieten, Stoff für Sprach- und für schriftliche Übungen, thèmes, exercices de lexicologie u. a. m. Die Artikel der englischen Abteilung nehmen besonders auf das Geschäftsleben und den modernen Verkehr Rücksicht durch Handelsbriefe und Korrespondenz; die ..thèmes" und ,, exercices" finden in der nächsten Nummer eine Übersetzung, so dafs der Autodidakt seine Sprachsicherheit selbst kontrollieren kann. Anweisungen zur erfolgreichen Benützung dieser Übungen sind angefügt.

Wir würden also besonders den Schülern, die bei einer Unterbrechung ihrer Studien sich weiterbilden möchten, diese Hefte in erster Linie empfehlen; aber auch in unseren Schülerbibliotheken der oberen Klassen wären sie am richtigen Platze.

Nürnberg.

Ackermann.

Camille Jullian: Vercingétorix. Für die Schule bearbeitet und mit Anmerkungen versehen von Dr. Hermann Sieglerschmidt, Professor an der Hauptkadettenanstalt. Mit 11 Karten und Plänen und 5 Illustrationen. Glogau, Karl Flemming, ohne Datum. Preis 2.40 M. 11 und 172 S.

Die von der Akademie mit dem Grand Prix Gobert ausgezeichnete Schrift Jullians wird jedermann mit Interesse lesen. Über ihren wissenschaftlichen Wert mafst sich Referent kein Urteil an, dasselbe einem Historiker von Fach überlassend. Hier steht die Verwendbarkeit des Buches als Klassenlektüre und in zweiter Linie die uns beschäftigende Ausgabe zur Diskussion.

Die Frage nach seiner Verwendbarkeit beim Klassenunterricht ist, abgesehen vielleicht von der Schulgattung, an welcher der Herausgeber tätig ist, zu verneinen. Für lateinlose Anstalten, denen (nach S. V),,dieses Werk wohl nicht besonders empfohlen zu werden braucht“, verbietet sich seine Einführung fast unbedingt, da es eine genaue Kenntnis von Caesar zur Voraussetzung hat. Die Gymnasien werden es auch kaum verwenden können, da zu einer vergleichenden Behandlung, Jullian neben Caesar, nirgends die Zeit ausreichen dürfte, ohne eine solche aber kein Grund ersichtlich ist, warum man dem Schüler denselben Stoff, den er in der lateinischen Darstellung kennen gelernt hat, noch einmal im französischen Gewande vorführen sollte. Das vom Herausgeber im Vorwort hierüber Gesagte vermag diese Bedenken nicht zu heben, vielmehr erscheint der Text zu einer Ausschlachtung, wie sie S. V empfohlen wird, entschieden viel zu gut.

Die von Dr. Sieglerschmidt besorgte Ausgabe ist gut gedruckt und hübsch gebunden. Die Illustrationen und Pläne sind meist eine willkommene Beigabe, doch leiden die beiden Karten am Ende des Buches, Gallia antiqua und Frankreich, an zu geringer Übersichtlichkeit; der Plan des modernen Paris (S. 118) ist für diesen Text wertlos.

Der Kommentar (unter dem Text) mufs als verunglückt bezeichnet werden. Hunderte von Stellen und Wörtern, die der Erklärung dringend bedürfen, sind übergangen. Ein Versuch, die etwa mangelnde oder ungenügende Kenntnis des Bellum Gallicum zu ersetzen oder zu ergänzen, ist kaum gemacht. Die wenigen Verweise auf Napoleon und von Goeler füllen diese Lücke nicht aus. Was soll in einem Schulbuche die Aufforderung, die Darstellung des Florus, Dio Cassius und Plutarch zu vergleichen (S. 157)? Der bei weitem gröfsere Teil des Kommentars ist so vollkommen entbehrlich, dafs man sich bei der Durchsicht dieser Ausgabe um 30 Jahre oder mehr zurückversetzt glaubt. Da haben wir z. B. Exkurse über die Aussprache, und zwar keineswegs nur von Eigennamen, diese fehlen vielmehr zuweilen, sondern von ganz alltäglichen Dingen, z. B. plus (12, 5 und 38, 4), ti (16. 1), Sybaris (24, 2) und blocus (88, 2) usw.; dann aber besonders eine Unmenge von Anmerkungen grammatischer, lexikalischer, synonymischer und etymologischer Natur. Von den etwa

330 Anmerkungen sind rund 220 diesen Dingen gewidmet; davon sind reichlich neun Zehntel ohne weiteres entbehrlich, da sie zur Erklärung des Textes nichts beitragen, vielmehr geeignet sind dem Leser die Freude und das Interesse an dem Gegenstande gründlich zu verderben. Dazu kommt eine Anzahl von Verstöfsen verschiedener Art. S. 88, 1 ist z. B. der im Buche noch wiederholt (so S. 99 und 148) vorkommende Ausdruck en contre-bas erklärt durch,,Terme d'architecture: de haut en bas"; usw.

Wunderbare Blüten treibt in diesem Buche die Etymologie: fourrage von farrago (63, 2); to drain zum deutschen Träne (ebenda); danger von damnum gerere (!) (65, 2); risque vom keltischen ricq (ebenda); répit von respirare (70, 1); gravir von graviter ire (77, 3); grimper von xoiuлTεv (ebenda); paraрet von лαоαл éτ аσμа (88, 7); ra in ravitaillerre (101, 2); carrefour von quadratum forum (113, 2); carrousel von carrus solis (146, 1) (!); usw. Die angegebenen keltischen Etymologieen vermag Referent nicht zu kontrollieren. Nach den eben angeführten Proben wird aber ein Zweifel an ihrer Zuverlässigkeit nicht unberechtigt erscheinen.

Auch die Anmerkungen erklärender Art sind keineswegs über alle Kritik erhaben. Manche sind wertlos, wie die zu S. 12, 2; oder entbehrlich, wie der letzte Teil von 43, 2, wo es geradezu erheiternd wirkt, den Herausgeber über die Hartnäckigkeit der Franzosen in bezug auf die ,,elsässische Frage" perorieren zu hören. Zuweilen begegnen Seltsamkeiten, so 21, 3 „Chérou ou Diou" als Kriegsgott der Germanen.

Der Herausgeber erklärt S. V, dafs er als Historiker nicht mit allen Ausführungen Jullians einverstanden sei. Zuweilen legt er seine abweichenden Ansichten in Anmerkungen dar, ein Verfahren, gegen das (unter Vorbehalt der Nachprüfung) kaum etwas einzuwenden ist. Dagegen mufs es als ungehörig bezeichnet werden, wenn diese abweichende Auffassung zu Änderungen am Texte Julli ans geführt hat, wie z. B. S. 108 und 109 unumwunden eingeräumt wird. Es ist dies eine Überschreitung der Befugnisse eines Herausgebers, die von keinem Standpunkte aus gebilligt werden kann.

Léon Levrault, La Satire (Evolution du genre). Paris, Paul Delaplane. 130 S. 0.75 Fr.

Das angenehm geschriebene, ohne gelehrte Prätentionen auftretende Bändchen zerlegt den Stoff in drei Kapitel von verschiedenem Umfang. Das erste behandelt auf 40 S. den Esprit satirique au moyen âge, wobei besonders die Fabliaux und der Roman de Renart eingehend besprochen werden. Das zweite Kapitel, überschrieben De la Pléiade à la Révolution, widmet seinem Gegenstand 60 S., auf denen neben du Bellay, Ronsard, der Satire Ménippée, Régnier, Boileau eine sehr grofse Anzahl von Namen

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