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Geschichte des Bayerischen Heeres. Im Auftrage des Kriegs-Ministeriums herausgegeben vom K. B. Kriegsarchiv. Zweiter Band. Zweiter Halbband. München, 1905, J. Lindauer sche Buchhandlung (Schöpping). Untertitel: Geschichte des kurbayerischen Heeres unter Kurfürst Max II. Emanuel (1680-1726) von Karl Staudinger, Oberst z. D. und Vorstand des K. Kriegsarchivs (Mit 8 Übersichtskarten). XII und S. 763-1348; dazu 44 S. Anlagen und 74 S. Namens-, Orts- und Sachverzeichnisse. Preis brosch.

15 M., geb. 17 M.

Die ersten beiden Bände ') dieses für die Bayerische Geschichte äufserst wichtigen Werkes sind bereits im vorigen Jahrgang unserer Blätter (1904) S. 645-647 besprochen worden. Auf diesen zweiten Halbband des zweiten Teiles durfte man von vornherein ganz besonders gespannt sein; umfafst die darin geschilderte Epoche der Kriegsgeschichte doch jene für Bayern so verhängnisvolle Zeit des Spanischen Erbfolgekrieges, der vor genau 200 Jahren soviel Unglück über unser engeres Vaterland gebracht hat. Da mag denn vor allem darauf hingewiesen werden, dafs jedem, der diesen Band genauer durcharbeitet, die Gestalt des Kurfürsten Max Emanuel in ganz anderem Lichte erscheinen wird, als er sonst vielfach beurteilt zu werden pflegt; man wird mit Befriedigung lesen, dafs eigentlich die Franzosen gröfstenteils an den Mifserfolgen der Jahre 1702-1704 die Schuld tragen, dafs Villars nirgends den guten Willen zeigte mit dem Kurfürsten einmütig zusammenzugehen, dafs vollends Tallard 1704 aus Frankreich ein Soldatenmaterial nach Deutschland führte, von dem Marschall Marsin selbst meinte, es sei nur geeignet die Spitäler zu füllen und eher eine Last als eine Hilfe; diese schmächtigen Bürschchen und erbärmlichen Freiwilligen hatten die Reihen der Armee nur gefüllt, weil man ihnen sagte, in Bayern sei,,etwas zu machen“. Mit Recht betont die vorliegende Darstellung am Schlusse: „Eines steht unbestritten fest: ein gewaltiger Kriegsfürst, ein Schlachtenheld ohne Furcht und Tadel, ein Abgott seiner Soldaten war mit Max Emanuel heimgegangen."

Dazu kommt noch ein weiterer Punkt, der das Studium dieses Bandes als besonders ertragreich erscheinen lässt. Während es bei den vorausgehenden Bänden neben den kriegerischen Ereignissen namentlich die Kulturgeschichte des Krieges war, die ihre Lektüre anziehend machte, kommen hier in erster Linie Kriegstaten zur Darstellung, welche nicht blofs teilweise auf dem Boden unseres Vaterlandes selbst sich abspielten sondern für das Schicksal desselben geradezu ausschlaggebend waren. Man wird mit Genugtuung hören,

1) In Anbetracht ihrer Bedeutung auch für die Schule sind dieselben inzwischen durch eine Entschliefsung des Kultusministeriums Nr. 26 728 vom 17. Januar den Rektoraten der hum. Gymnasien, Realgymnasien, Progymnasien und Realschulen, sowie den Direktoraten der Lehrerbildungsanstalten zur Anschaffung empfohlen worden.

dafs wir hier eine genaue, quellenmäfsige Schilderung der Überrumpelung von Ulm, der Einnahme von Passau, der Belagerung und Einnahme von Augsburg durch Max Emanuel, sodann des Feldzugs in Tirol erhalten, wobei auch der Rettung des Kurfürsten gedacht wird, indem eine glückliche Verkettung von Umständen, vor allem der Anschein glänzenderer Bekleidung das tötliche Geschofs gegen die Brust des voran reitenden Kammerherrn und Titularobristen Ferdinand Graf von Arco lenkte"; also von einem Opfertod Arcos, der in ,,wohlbedachter Absicht dem Kurfürsten zur Rechten ritt",1) kann nicht die Rede sein. Glanzpunkte der Darstellung aber sind die Schilderungen der Schlachten am Schellenberg bei Donauwörth und bei Höchstädt und Blindheim. Es mag darauf hingewiesen werden, dafs Tallard vereinzelt infolge seiner Kurzsichtigkeit unter einen feindlichen Reitertrupp geriet und gefangen genommen wurde, während die in Blindheim durch Übergabe in Gefangenschaft geratene Abteilung Franzosen unter Marquis de Blansac nur etwa 9000 Mann betrug.

Es ist schade, dafs nicht auch die Erhebung der bayerischen Bauern eine eingehendere Schilderung gefunden hat; allein da się ,,weder auf Befehl des rechtmäfsigen Kriegsherrn erfolgte, noch von Truppen der organisierten Armee unterstützt werden konnte, liegen ihre traurigen Ursachen sowohl als ihr das Menschengefühl tief empörender Verlauf aufserhalb des Rahmens der Darstellung."

Dagegen wird man vom Auftreten des Kurfürsten in den Niederlanden nach der Schlacht bei Höchstädt ein ganz anderes Bild bekommen, wenn man die einschlägigen Partien gelesen hat, namentlich aber enthält der X. Abschnitt: Anteil am Türkenkriege 1717-1718 wieder Glanzpunkte der Schilderung. Die bayerischen Truppen werden bezeichnet als ,,les plus belles troupes du Monde" und der Prinz Eugen von Savoyen stellt den Bayern auf dem Schlachtfeld von Belgrad das Zeugnis aus:,,Haben diese Bayern etwas anderes getan als sie zu tun gewohnt sind?"

Nach dem Gesagten braucht wohl kaum mehr eigens beigefügt zu werden, dafs sich dieser Band ganz besonders zur Einstellung in die Lehrerbibliotheken und zur Belebung des Geschichtsunterrichtes empfiehlt. Die Beigabe von 8 Übersichtskarten wird dem besonderen Entgegenkommen des Kriegsministeriums und seines topopraphischen Bureaus verdankt.

München.

Dr. J. Melber.

Schenk-Koch, Lehrbuch der Geschichte. III. Teil: Quarta: Geschichte der Griechen und Römer bis zur Zeit Christi. Mit 4 Geschichtskarten. Leipzig und Berlin, Teubner, 1904. Gbd. Über das Verhältnis dieser Umarbeitung zu der ersten Auflage (s. Jahrgang 1899 dieser Blätter, S. 753 ff.) spricht sich der neue Verfasser (Dr. Julius Koch, Dirigent" des Realgymnasiums in

1) So Winter, Lehrb. der deutschen und bayerischen Geschichte II, S. 28. Blätter f. d. Gymnasialschulw IXL. Jahrg.

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aus.

Grunewald-Berlin, Verfasser der römischen Geschichte in der Sammlung Göschen) in dem etwas weitläufigen Vorwort S. III-VIII Auffallen mufs dabei die Bemerkung des Verfassers, er wisse nicht, warum die Beziehungen des Verlages zu den nächsten Fortsetzern und Neubearbeitern des von Schenk unvollendet hinterlassenen Lehrgebäudes (Wolf und Pomtow),,bei der vorliegenden Ausgabe nicht fortgesetzt wurden". Beachtenswert ist weiter und zu billigen, dafs die bisherige Zweiteilung des Buches in eine Ausgabe für Gymnasien und eine solche für Realanstalten nunmehr wegfallen soll. Mehr Widerspruch wird das Verfahren finden, in der Zeittafel schon auf der Unterstufe (oder Mittelstufe) des Geschichtsunterrichtes die synchronistische Anordnung durchzuführen. So sind denn die Ereignisse hier nebeneinander unter drei Rubriken aufgeführt: 1. Griechen, 2. Römer, 3. Fremde Völker. Infolgedessen steht beispielsweise der Jugurthinische Krieg unter der Überschrift,,Römer", der Zusammenstofs zwischen Cimbern und Römern unter der Rubrik Fremde Völker", der Tod des jüngeren Cyrus unter ,,Griechen", Artaxerxes aber unter den ,,fremden Völkern". Auch der Verzicht auf Quantitätsbezeichnungen, welche nach der Ansicht des Verfassers ,,einer höheren Schule nicht ganz würdig“ sind, ist nicht zu billigen. Es ist keine Herabsetzung des Quartaners, wenn man ihm Decelea vorschreibt. In allen übrigen Punkten darf die Neubearbeitung als eine Verbesserung bezeichnet werden. Geschmacklose Ausdrücke, wie sie in der 1. Auflage nicht ganz fehlten, sind ausgemerzt, auch die Sklaven einstweilen neben den Knechten wieder eingesetzt; zahlreiche Anmerkungen sind gestrichen oder mit dem Text vereinigt worden. Dadurch und durch engeren Druck ist der Umfang des Buches etwas verringert: 76 Seiten statt 85 Seiten der ersten Auflage. (Das Lehrbuch von Vogel hat 116, Winters Kurzer Lehrgang 160 Seiten; freilich behandeln diese Lehrbücher auch die Zeit nach Augustus auf einigen Seiten.) In der Sprache findet sich noch manches Schwanken zwischen mehr kindlicher Ausdrucksweise (wunderschöner Tempel) und gedankenschweren Sätzen, wie in dem nun hinzugekommenen Schlussabschnitt: ,,Es gab unzählige Religionen, aber keine Religion" usw. Auch der Schlufssatz von § 23 ist für Quartaner zu schwer und die Unterscheidung von Sabinern, Sabellern und Samniten wird zu mancher Verwirrung führen. In der Erklärung herrscht noch nicht Folgerichtigkeit; deutsche Wörter wie Vorherrschaft (Hegemonie durfte den Schülern wohl auch zugemutet werden) sind erklärt; während Demokratie und Aristokratie, auch Hermenfrevel und Fouragieren als bekannt vorausgesetzt werden. In der Schreibung der griechischen und lateinischen Eigennamen (Korsica S. 41 ist wohl ein Versehen) sowie in der Setzung der grofsen Anfangsbuchstaben hat auch dieses Buch einen Mittelweg eingeschlagen. Im ganzen darf gesagt werden, dafs das Lehrbuch in seiner Neubearbeitung durch Koch ein brauchbares Lehrmittel geworden ist.

Zweibrücken.

H. Stich.

Dr. M. Spanier, Hans Thoma und seine Kunst für das Volk. Mit 37 Abbildungen. Verlag von Breitkopf und Härtel, Leipzig. 66 S. Geb. 2 M.

Der Verfasser bietet uns in seinem Buche eine treffliche Anleitung, Thomasche Werke sehen und deuten zu lernen. Er hat den Plan des Buches mit Thoma besprochen, der Meister hat die einzelnen Kapitel gleich nach ihrem Entstehen gelesen, man darf also sicher sein, dals Thomas leise sprechende Kunst in diesem Buche nicht falsch verstanden und gedeutet ist. Der Verfasser hofft, dafs ,,Lehrer, die mit ihren Schülern, Mütter, die mit ihren Kindern die Bilder besehen wollen, in dem Texte eine genügende Anleitung finden werden". Ich wünsche dem Verfasser, dafs besonders Lehrer diese Anleitung in seinem Buche suchen und, eingedenk des Wortes: Quo semel est imbuta recens servabit odorem testa diu, das Buch durch Schülerbibliotheken den jungen Leuten zugänglich machen. Schlichte, tiefe, deutsche Kunst wie die Ludwig Richters, Moriz von Schwinds und Hans Thomas macht junge Herzen gegen die künstlerischen Krankheitserreger unserer Zeit widerstandsfähig. Die Therapie ist billig: ein paar alte oder neue Reproduktionen Richterscher, Schwindscher, Thomascher Werke, das besprochene Buch als Leitfaden, sind jeder Mittelschule erschwinglich.

Lic. Dr. Eugen Kretzer, Joseph Arthur Graf von Gobineau. Sein Leben und sein Werk. Leipzig 1902, Hermann Seemann Nachfolger. 264 S. Geb. 4 M. (Männer der Zeit. Lebensbilder hervorragender Persönlichkeiten der Gegenwart und der jüngsten Vergangenheit. Bd. XI.)

Von Gobineaus Werken war bis in die letzten Jahre nur La Renaissance durch eine Übersetzung von Prof. Dr. Ludwig Schemann in Freiburg i. B. weiteren Kreisen bekannt geworden. Sein Hauptwerk,,,Die Grundlage von allem, was er aufser demselben vorher und nachher geschaffen hat", der Essai sur l'inégalité des races humaines, der in den Jahren 1853 und 1855 erschienen und dem König Georg V. von Hannover gewidmet ist, wurde und wird erst allmählich durch die Schemannsche Übersetzung, die 1898 bis 1901 in Stuttgart bei Fr. Frommann erschienen ist, bekannt. Er stellt darin folgende Hypothese auf:,,Die unverkennbar und unleugbar seit unvordenklichen Zeiten vorhandene Ungleichheit der Menschen ergibt sich aus der sie restlos erklärenden Tatsache, dafs die Menschen nicht einer, sondern verschiedenen untereinander höchst ungleichen Rassen, Urtypen, angehören, und dafs die in historischer Zeit auf den Schauplätzen der Weltgeschichte lebenden und handelnden Akteurs derselben überwiegend und in der Mehrzahl Mischlinge sind und Mischlingen jener Urtypen entstammen. Und diese wechselseitige Einwirkung der sich mischenden Rassen aufeinander ist . . . das Phänomen, welches

allem Werden und Vergehen der Völker und ihrer Kultur zugrunde liegt. . .

Alle Zivilisation stammt von der weifsen Rasse, aller Verfall der Zivilisationen von der Mischung derselben mit niederen Rassen (zunächst mit den tiefer stehenden Urtypen, dem gelben und dem schwarzen). Überall, wo die Weifsen, vor allem wo die Arier auftreten, begründen sie Kultur. Nach ihrer durch Vermischung mit den Gelben und Schwarzen erfolgten Degeneration verfällt auch die von ihnen gegründete Zivilisation."

Gobineaus Hypothese und

Gobineau selbst, der seinen Namen als Diminutiv von Gauvain Gawein erklärt und mit Stolz sein Geschlecht auf einen Normannen Ottar Jarl zurückführt, werden in unserer Zeit, wo ein wenigstens in seinem europäischen Kerne weifses Volk einem gelben in schwerem Kampfe gegenübersteht, die Teilnahme weiterer Kreise erregen.

Kretzer führt den Leser mit der Begeisterung eines Jüngers durch das Leben des Gelehrten und in sein Werk.

München.

Dr. Ludwig Kemmer.

Konrad Kretschmer, Historische Geographie von Mitteleuropa. München u. Berlin, Oldenburg, 1904. 650 S. M. 15.-.

Wilhelm Götz, Historische Geographie. Beispiele und Grundlinien. Leipzig u. Wien, Deuticke, 1904. IX, 294 S. M. 10.50. Bodo Knüll, Historische Geographie im Mittelalter. Breslau, Hirt, 1903. VIII, 240 S. M. 4.-.

Die historische Geographie war trotz des gewaltigen Aufschwungs, den die junge Wissenschaft der Erdkunde im 19. Jahrhundert nahm, bisher immer noch etwas zu kurz gekommen. Erst die allerneueste Zeit hat sich vor allem unter dem gewichtigen Einflufs Ratzels diesem Wissenszweige mit gröfserer Energie zugewandt und ihm die beherrschende Stellung zugewiesen, die ihm gewifs auch mit Recht gebührt. Aber obwohl wir jüngst noch mit einer Weltgeschichte beschenkt wurden, in der nicht nur die Entwicklung der Kultur, sondern selbst politische Ereignisse im wesentlichen als Folgen geographischer Verhältnisse dargestellt wurden, fehlte es doch noch an Handbüchern, welche die Ergebnisse der kleineren Einzeluntersuchungen über die Veränderung des Aussehens der Erdoberfläche zusammengefafst hätten. Weder für Europa noch für Deutschland, nicht für eine kürzere Epoche, geschweige denn für die ganze geschichtliche Zeit existierte ein derartiges Sammelwerk. Da mufs man es dankbar begrüfsen, dafs ungefähr gleichzeitig eine ganze Reihe solcher Arbeiten erschienen sind. Während für den Nordwesten der Balkanhalbinsel Jov. Cvijić, für Frankreich P. Vidal de la Blache historischgeographische Werke lieferten, erschienen für Deutschland Bodo Knülls Historische Geographie im Mittelalter, für Mitteleuropa

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