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ämter, in den Rath der Städte und in die höchsten Reichs- und Landesgerichte; 3) durch die Praris der geistlichen Gerichte; 4) durch das Entstehen einer populären Literatur des Röm. R., welche dasselbe in den Kreisen der nichtgelehrten Geschäftsmänner einbürgern half (wie z. B. Ulrich Tenglers Laienspiegel, Seb. Brants Klag= spiegel). Einen geseglichen Ausdruck fand die unmittelbare Gültig= keit des Röm. R. für Deutschland in der Kammergerichtsordnung von 1495. § 3.

§ 14. C. Die Reform und Blüthe der Rechtswissenschaft im 16. u. 17. Jahrhundert.

I. Die Wiederbelebung der klassischen Studien bewirkte allmälig auch einen unvergleichlichen Aufschwung der Jurisprudenz, brachte eine neue Methode zur Herrschaft und führte zu einer gründlicheren und geschmackvolleren Behandlung des Röm. R., welche jezt erst ein eigentlich wissenschaftliches Gepräge erhielt. Man fing jezt an, das Röm. R. um seiner selbst willen, als Theil des klassischen Alterthumes, ohne unmittelbare Rücksicht auf die praktische Anwendung, historisch, kritisch und eregetisch zu bearbeiten, und suchte in den Geist der klassischen Röm. Juristen einzudringen, indem man zur Erklärung der Just. R-bücher die klassische Literatur überhaupt und insbesondere die Ueberbleibsel der vorjustinianischen Jurisprudenz heranzog. Vorläufer der neueren Richtung sind Andreas Alciatus in Italien 1550 und Ulrich Zasius in Deutschland (Stadtschreiber und Professor in Freiburg), geb. 1461 † 1535.

II. Ihre vollendete Ausbildung erhielt die neue Methode durch die Französische Schule, in welcher die romanistische Jurisprudenz ihren Höhepunkt erreicht und welche eine zweite Epoche der Geschichte des Röm. R. in der Neuzeit begründet. Die beiden Koryphäen dieser Schule find: 1) Jacobus Cujacius (Cujas), geb. 1522 † 1590 als Prof. zu Bourges, der größte Ereget der R-quellen und bahnbrechend für die kritische und historische Behandlung des Röm. R. Seine Hauptwerke find: Observationes et emendationes in 28 Büchern, ferner Commentare zu den Digestenfragmenten des Africanus, Papinianus, Paulus. Ausgg. der Opera omnia, Paris. 1658. X vol. Neap. 1722 u. 1757. XI vol. Venet. 1758. XI vol. fol. 2) Hugo Donellus (Doneau), geb. 1527, Prof. zu Bourges, Heidelberg, Leyden, Altdorf, † 1591, vielfach wissenschaftlicher Gegner des Vorigen, Schöpfer der R-systematik durch seine Commentarii iuris civilis, aber auch in der Eregese sehr hervorragend. Opera omnia, Flor. 1762. XII vol. fol. Ferner sind hervorzuheben: 3) Franc. Duarenus, geb. 15091559, Lehrer des Letteren. 4) Franc. Hotomanus (Hotman), geb. 1524 † 1590 zu Basel, gelehrter, philologisch und antiquarisch gebildeter Jurist. 5) Barn. Brissonius, geb. 15311591, hervorragender Lerikograph und R-historiker, mehr antiquarischer Richtung. 6) Jac. Gothofredus (Godefroy),

geb. 15871652, R-historiker von staunenswerther Gelehrsamkeit, obwohl mehr Philolog und Antiquar, als Jurist. (Vgl. § 7. I. § 9. IV. A. b.)

III. Die Methode der Franz. Schule trieb im 17. u. 18. Jahrh. in den Niederlanden eine Nachblüthe. Die sog. Holländische Schule der eleganten Jurisprudenz" pflegte mit Vorliebe die philologische und antiquarische Seite der R-wissenschaft und zeichnete sich aus durch sorgfältige Verwerthung der klassischen Literatur für die Kritik und Eregese der R-quellen und für die Geschichte des Röm. R., wobei sie sich allerdings mitunter in Mikrologie verirrt. Die Häupter dieser Schule, welche ebenso durch Scharfsinn, wie durch umfassende auf die Quellen verwendete Gelehrsamkeit hervorragen, find: 1) Gerhard Noodt, geb. 1647 † 1725 als Prof. in Leyden, ausgezeichnet durch gedrängte Kürze der Darstellung. (Sog.,,holländischer Cujacius".) 2) Ant. Schulting, geb. 1659 † 1734. (Vgl. § 8. V. D.) 3) Cornel. v. Bynkershoek, geb. 1673 † 1743 als Präs. d. Großen Rathes, auf den verschiedensten R-gebieten ein vorzüglicher Forscher.

IV. Als namhafte Vertreter der neuen wissenschaftlichen Richtung sind noch hervorzuheben: a. In Italien: Ant. Faber, geb. 1557 1624 als Senatspräf. und Gouverneur von Savoyen, ein hochbegabter und gelehrter, aber das Röm. R. mit allzugroßer, fast sprüchwörtlich gewordener, Kühnheit behandelnder Jurist. b. Jn Spanien: die durch Gründlichkeit ihrer Forschungen und vielseitige

häufig zur Schau getragene — humanistische Bildung ausgezeichneten R-lehrer an der Universität zu Salamanca: Ramos del Manzano, geb. 1605 † 1683, Suarez de Mendoza † 1681, Fernandez de Retes, geb. 1620 † 1678. c. In Deutschland: Hub. Giphanius (Giffen), geb. 1534 † 1609, persönlicher Gegner des Donellus in Altdorf, unter den Deutschen Juristen der bedeutendste Vertreter der neueren Schule, vorzüglich in der Eregese. (Sog. ,,deutscher Cujacius".) Aus dem 18. Jahrh.: Joh. Gottl. Heineccius, geb. 16811741, ein gründlich gelehrter Kenner des Röm. wie des Deutschen R. von umfassender allgemeiner Bildung, welcher sich um die Geschichte des Röm. R. verdient gemacht hat.

§ 15. D. Die Deutschen Praktiker.

1. Von dem Aufschwunge der R-wissenschaft und der Vertiefung des R-studiums durch die Franz. Schule und deren Nachfolger blieb Deutschland so gut wie unberührt. Die neue Methode vermochte nicht zur Geltung zu gelangen, vielmehr ließ man sich bei der Behandlung des R. nach wie vor von dem Ansehen der Commentatoren (§ 12. III.) beherrschen. Der überlieferte R-stoff wurde lediglich für die unmittelbare praktische Anwendung in Compendien, Commentaren, Controversensammlungen u. dgl. zu einem usus modernus Pandectarum (iurisprudentia forensis) verarbeitet, in welchem Röm. und

Germanische R-institute, ältere und moderne R-ideen unkritisch zu= sammengeworfen waren. Gleichzeitig mit dieser geistlosen praktischen Jurisprudenz herrschte ein rationalistisches Natur-R. (§ 2. II.), welches mit seinen willkürlichen R-construktionen eine richtige Auffassung des positiven R. und eine lebendige Anschauung der R-verhältnisse verhinderte. Wenngleich die herrschende Jurisprudenz einen wissenschaftlichen Charakter nicht hatte, so läßt sich troßdem dieser praktischen Richtung das Verdienst nicht absprechen, daß sie 1) als Gegengewicht der von der Franz. und Holl. Schule befolgten Methode, der Gefahr einer Verirrung der R-wissenschaft in bloße unpraktische philologische, antiquarische und rechtshistorische Gelehrsamkeit vorbeugte, und daß sie 2) das Röm. R. troh vieler Irrthümer und Mißverständnisse zu einem für die Gegenwart praktisch brauchbaren gemeinen R. zu gestalten sich erfolgreich bestrebte.

II. Als die bedeutendsten unter diesen Praktikern sind hervor= zuheben: Brunnemann (1608-72), Bened. Carpzow (1595-1666), als Civilist und Criminalist von einem beispiellosen Ansehen und Einflusse auf die Praxis, Lauterbach (1618-78), Schilter (1632-1705), Struve (1619-92), Stryk (1640-1710), Wernher (1675-1742), Leyser (1683-1752), Hommel (1722— 1781).

§ 16. E. Die historische Rechtsschule.

I. Der seit dem Ende des 18. Jahrh. eintretende Aufschwung der philologischen und historischen Studien übte auch einen belebenden Einfluß auf die R-wissenschaft. Nachdem schon Hugo (17641844) der geistlosen praktischen Richtung nachdrücklichst seine historisch-systematische Methode entgegengestellt und die wissenschaftliche Bearbeitung des Röm. R. um seiner selbst willen gefordert hatte, wurde der Bann der handwerksmäßigen und mechanischen, die Jurisprudenz einer völligen Stagnation entgegenführenden Behandlung des R. gebrochen durch das epochemachende Werk von Friedr. Carl v. Savigny, geb. 1779, bis 1842 Prof. in Berlin, gest. 1861 als Staatsminister a. D., der größte Jurist der Neuzeit und während langer Zeit als die erste Autorität in der R-wissenschaft allgemein anerkannt über das,,R. des Besizes" (1803) und die von ihm (1814) gegründete historische R-schule, welche das Röm. R. in seiner Reinheit und seinem eigenen Geiste zu erfassen suchte. Die Bestrebungen der historischen Schule waren entsprechend ihrem Prinzip, daß das R. jedes Volkes aus seiner Nationalität geflossen und geschichtlich geworden sei — darauf gerichtet, das Röm. R. auf dem Wege der historischen Forschung zu ergründen, sowie ferner das positive R. als einen aus den Lebensverhältnissen erwachsenen und ihnen adäquaten Organismus zu begreifen. Diese noch gegenwärtig herrschende Methode der historischen Schule, deren Gründung als die 3. Epoche des Röm. R. in der Neuzeit zu bezeichnen ist, hat nicht

allein die Kritik und Eregese der R-quellen und die R-geschichte, sondern vor Allem auch die Systematik des Röm. R. auf eine früher unerreichte Höhe erhoben.

II. Als hervorragende Vertreter dieser Schule, welche durch grundlegende Arbeiten und durch Lehre die romanistische Jurisprudenz gefördert haben, sind zu nennen: 1) Christ. Gottl. Haubold (1766-1824), dessen Wirksamkeit zum Theil noch vor die Gründung der historischen Schule fällt, zugleich Theoretiker und Praktiker, ein durch eminente Gelehrsamkeit ausgezeichneter Quellenforscher, Rhistoriker und Sammler. 2) Joh. Christ. Hasse (1779-1830). 3) G. Friedr. Puchta (1798–1846), als R-historiker, namentlich aber als Dogmatiker durch scharfe Formulirung und präcise Entwickelung der R-begriffe, sowie durch geistvolle und formvollendete Darstellung hervorragend. 4) C. F. Mühlenbruch (1785-1843). 5) H. Ed. Dirksen (1790-1868), R-historiker, Lerikograph und eigenartiger Quellenkritiker. 6) Fr. Ludw. v. Keller (1799-1860), als R-historiker bedeutend vornehmlich durch seine bahnbrechende Bearbeitung des Röm. Civilprozesses, als Dogmatiker und in der Quelleneregese durch Scharfsinn und praktischen Blick hervorragend. 7) Fr. Ad. v. Vangerow (1808-70). 8) Ed. Böcking (1802— 70), ausgezeichnet durch umfangreiche philologische Gelehrsamkeit und sowohl als Quellenherausgeber durch kritische Sorgfalt, wie als Bearbeiter des klassischen Röm. R. durch Originalität und Tiefe der Auffassung hervorragend. 9) C. Georg v. Wächter (1797-1880), vorzugsweise R-dogmatiker einer mehr praktischen Richtung, durch die umfassende Verwerthung eindringender und gründlicher Forschungen für die Gestaltung des praktischen R-lebens um die wissenschaftliche Vertiefung und den vielseitigen Ausbau des heutigen R. verdient.

Das Römische Privatrecht.

Erster Theil.

Begründung und Ausübung der Rechte.

Erstes Kapitel. Entstehung und Endigung der Rechte.

§ 17. (§7.) I. Im Allgemeinen.

[B. J. § 100. 101. P. § 198. Schi. II. § 93. 96. 97. Ku. § 445-448.]

I. Jedes R. sett voraus ein R-subjekt, d. i. eine der rechtl. Herrschaft fähige Person, ein R-objekt, d. i. einen der rechtl. Unterwerfung fähigen Gegenstand, und eine rechtsbegründende Thatsache, d. i. einen äußeren Vorgang, durch welchen zufolge einer bestehenden R-regel das R-obj. zum R-subj. in Beziehung gebracht, der Willensherrsch. desselben unterworfen wird. Ein R. entsteht (wird einer Person erworben) mit der Unterwerfung des R-obj. unter die rechtl. Herrsch. eines R-subj., es endigt (geht der Person verloren) mit dem Eintritt einer Thatsache, welche die lettere zerstört.

Totum autem ius consistit aut in adquirendo aut in conservando aut in minuendo: aut enim hoc agitur, quemadmodum quid cuiusque fiat, aut quemadmodum quis rem vel ius suum conservet, aut quomodo alienet aut amittat. Ulpian. 1. ult. D. de legib. 1, 3.

II. Aller R-erwerb ist entweder ein ursprünglicher und unmittelbarer (originärer), d. h. das betr. R. entsteht überhaupt erst als ein neues in der Person des Erwerbers, z. B. Eigenthumserwerb durch Occupation, Ersizung; oder ein abgeleiteter (derivativer), d. h. das R. besteht bereits in der Person eines Andern, von welchem es auf den Erwerber übertragen wird, z. B. Tradition. (In gleicher Weise verhält es sich bei dem Verlust eines R.) Denjenigen R-erwerb, bei welchem ein bereits bestehendes R. ohne Veränderung seines Inhaltes von der Person des bisherigen Berechtigten (auctor) unmittelbar auf ein anderes Subjekt kraft einer juristischen Beziehung zwischen beiden übergeht, welcher also selbst durch das frühere R. bedingt ist, nennt man Succession und unterscheidet, je nachdem dieselbe ein einzelnes Vermögens-R. od. die Gesammtheit der Verm.-Rechte eines Andern, als Einheit, zum Gegenstande hat, Singular- und Universalsucc. (§ 6. I. c. § 77. I.)

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