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Gebirgszuge, der die Nordostseite des See's bildet und ihn von dem von Panguipulli trennt, die Öffnung lassen, durch welche der beide See'n verbindende Shos - huenco - Fluss läuft. Die Höhe dieser beiden Berge wird auf ungefähr 9000 Fuss geschätzt werden können. Einer von ihnen führt unter den Indiern den Namen Quethopillan, was sagen will,abgestumpfter Vulkan", und ist derselbe, der gewöhnlich Vulkan von Riñihue genannt wird. Der Name ,,Quethopillan", der verschiedenen Vulkanen gegeben wird, könnte glauben machen, dass der Krater eingefallen sei, wie es nach Aussage eines Augenzeugen bei einem grossen Ausbruche des Vulkans von Calbuco im J. 1834 oder 1835 in einer Nacht des Monats August geschah; allein das ist nicht der Fall, im Gegentheil ist der Krater vollkommen wohl gebildet, und da sein westlicher Rand etwas niedriger ist, so kann man ein wenig hineinschauen und sieht, dass er ganz mit Schnee angefüllt ist. Wie sie uns versicherten, haben ihn weder die ältesten Indier noch ihre Eltern brennen gesehen. Der andere,,Vulkan", der in der That kein Vulkan zu sein scheint, wird nach meiner Schätzung nicht mehr als Legua in fast nördlicher Richtung entfernt sein und hat keinen Krater, sondern eine Spitze. Von seinem Gipfel etwa 1000 Fuss abwärts zieht sich von seinem nördlichen Abfall schräg herunter nach Süden zu ein ungeheuerer Kamm schwarzer Felsen, welche an ihrem unteren Theile eine lichte Ziegelfarbe annehmen. Wundersam stechen von diesem Grunde verschiedene kleine Schneeflecken ab, von denen einer durch seine Herzform unsere Aufmerksamkeit auf sich zog, während zur rechten oder Südseite des Kammes eine tiefe, ganz mit Schnee angefüllte Schlucht sich herabzuziehen scheint. Wo der Kamm zu Ende geht, bemerkten wir eine horizontale und sehr gerade Linie quer über den ganzen Berg gezogen, der von der Linie aufwärts eine hellere Färbung zeigte. Ein gutes Fernrohr, das ich bei mir hatte, erklärte uns diese sonderbare Erscheinung; die Linie war nichts Anderes als die Grenze der Waldungen; von ihr aufwärts liessen sich nur eine Menge Büsche oder einzelner Bäumchen erkennen, die, wie es schien, zwischen Steinen und Felsen verstreut waren. Wenn die Sonne im Norden stand und ihre Strahlen von der Seite her auf den Schnee des Quethopillan fielen, bemerkte man auf demselben eine röthliche Färbung, an zwei Stellen aber, an denen er bis zur Waldregion herunterreicht, erscheint er zerklüftet oder gefurcht und bei seitlicher Beleuchtung von hellgrünlicher Farbe. Unzweifelhaft werden es Gletscher sein. Nur einen von diesen sieht man vom Hafen von Rimehue aus, der andere ist durch einen Bergzug verdeckt, allein man sieht ihn von der vorspringenden Spitze aus, die sich zwischen Rinihue und Rimehue befindet.

Das ebene Land, das der Shos-huenco-Fluss durchläuft und das die Indier ,,huapi de las chauras" nennen, scheint von vulkanischen Gesteinen gebildet zu sein und wie fast kein Zweifel darüber bleiben kann, dass vor Alters der Esmeralda- oder Todos Santos-See ein Theil des See's von Llanquihue war, von dem er durch die Eruption des Vulkans von Osorno und vielleicht auch des von Calbuco getrennt wurde, eben so muss auch der aufmerksame Beobachter sich zu der Ansicht hinneigen, dass der See von Riñihue in früheren Zeiten einen Theil des PanguipulliSee's ausmachte und von ihm durch die Ausbrüche des Vulkans von Riñihue getrennt wurde. Eine genaue Erforschung jener so sehr interessanten Gegenden wird vielleicht darthun, dass der Begleiter des genannten Vulkans ein zerstörter Vulkan ist, wie es seine Gestalt zu sagen scheint, und dass seine Trümmer zum grossen Theil jene Strecke des ehemaligen See's ausgefüllt haben. Claude Gay sagt in seiner Geschichte Chile's, unser CallecalleFluss komme aus dem See von Huanehue, welcher identisch mit dem von Panguipulli ist, wie denn auch der Ausfluss des Calafquen in den See von Panguipulli den Namen ,,Fluss von Huanehue" führt. Dieser Umstand und die von

den Indiern dem Don Jeronimo Agüero mitgetheilte Überlieferung von einem volkreichen Orte, der durch einen vulkanischen Ausbruch zerstört wurde '), haben mich auf den Gedanken gebracht, dass die Trennung beider See'n vielleicht erst nach der Eroberung geschehen, denn vor dieser Trennung würde der Riñihue-See in der That See von Huanehue gewesen sein.

Während ich mit Zeichnen und Winkelmessen beschäftigt war, hatte der Wind zugenommen und wehte sehr heftig dem See entlang, welcher unruhig wurde und an der nächsten Felsenspitze, die wir umfahren mussten, um ans Ende des See's zu gelangen, eine ungestüme Brandung bildete. Zudem protestirte Domingo dagegen, dass wir über jene Spitze hinausgingen, denn sie wäre die Grenze der Ländereien der Indier von Shos-huenco und hinter ihr hätten sie einen Potrerillo (kleinen Weideplatz) mit Pferden, den sie oft besuchten, und sogar vor einem Jahre erst wären sie nach demselben Orte Rimehue, wo wir uns jetzt befanden, gekommen, um ihm 8 Stück Vieh zu stehlen. Er bezeichnete mir als nächstes Ziel der Reise einen kleinen, von hier aus kaum zu unterscheidenden Strand am entgegengesetzten Seeufer, wo die Berge aufhörten, indem er sagte, dass jener Strand den Indiern von Pangui

1) Agüero sagt:,,Es verdient auch die Ebene Untersuchung, welche sich am Fuss des Vulkans befindet, wo früher ein volkreicher Ort existirt haben muss, der durch irgend einen vulkanischen Ausbruch zerstört wurde, denn man erkennt noch einen Begräbnissplatz und die Lava bedeckt das Übrige. Es ist nicht möglich zu glauben, dass es die Indier gewesen sind" u. s. w.

pulli gehörte, dass wir da gut ans Land steigen könnten und dass die Indier von Shos-huenco wahrscheinlich nicht dorthin kämen, da der Fluss dazwischen wäre. Aber um nach jenem Strande zu gelangen, mussten wir quer über den See gehen und somit voraussichtlich mehr als 1 Stunden unser gebrechliches Fahrzeug den Wellen preisgeben. Wir beschlossen, ein wenig zu warten, denn wir wussten, dass am Nachmittage der Wind abzunehmen pflegt. Um 42 Uhr glaubten wir wirklich eine Verringerung des Wellenganges zu bemerken, und da die Zeit schon drängte, fassten wir einen halb verzweifelten Entschluss und wenige Minuten später tanzte unsere kleine Canoa wie toll. Unwillkürlich dachte ich an andere ähnliche Lagen, aus denen ich glücklich mit dem Leben davon gekommen war, wie an den Schiffbruch, den ich mit den Herren Don Vicente Perez Rosales und Don Francisco Geisse bei Nacht im See von Llanquihue erlitten, und an die seltsame Wanderung, die wir in der Dunkelheit durch die Wellen des wild gewordenen See's unternahmen, bis an den Gürtel im Wasser und die Äste überkletternd, welche die Bäume über dasselbe ausstreckten. Auch konnte ich bei der offenbaren Gefahr nicht umhin, mir zu sagen, dass es eine Tollheit war, zu der uns die Begeisterung für eine grosse Entdeckung hingerissen, und dass, wenn etwa nach Valdivia die Nachricht gelangen sollte, dass wir elendiglich umgekommen, man uns nicht einmal bedauern würde. Doch allmählich, da wir sahen, dass die Canoa das Stampfen aushielt, ohne auseinanderzugehen oder mehr zu lecken, und auch der Wind sich legte, kehrte uns der Muth zurück und schon dachten wir nicht mehr an Gefahren, als bei Annäherung an den Strand, welcher den See gegen Osten begrenzt, eine Menge liegender und von der Zeit gebleichter Baumstämme, welche oberhalb des Strandes am Waldrande zu sehen waren, den Ruderern grossen Schreck verursachten, da sie sich einbildeten, es sei einer von jenen Fenzen (Einfriedigungen), die man hier Cercos de renti nennt, und sicherlich lägen in geringer Entfernung dahinter Indier - Wohnungen. Die Spitzen der Vulkane sahen wir so nahe, dass es schien, als könnte sie eine Büchsenkugel erreichen, doch bald wurden sie vom Walde verdeckt, und als die Gegenstände am Ufer schon besser unterschieden werden konnten, erkannten wir, dass der vermeintliche Zaun nichts Anderes war als Bäume, welche die Winterstürme in beträchtlicher Höhe über dem gegenwärtigen Niveau des See's angehäuft hatten. Wir konnten uns Anfangs nicht überreden, dass der Wellenschlag so hoch hinaufzureichen vermöchte, allein auf der Rückreise bemerkten wir an den Felsen der vorspringenden Spitzen horizontale Linien, die offenbar den Winterwasserstand des See's bezeichneten und bis Vara über dem

jetzigen Niveau sich befanden. Diess ist auch leicht zu begreifen, wenn man erwägt, dass in diesem Behälter, der in Gicho nur einen engen Ausfluss hat, sich alle Gewässer vereinigen, welche in die See'n von Calafquen, Panguipulli, Neltume und Nontúe fallen, und ohne Zweifel wird durch die wüthenden Nordwestwinde, welche die ganze Länge des See's von mehr als 5 Leguas frei durchstreichen, das Niveau am äussersten Ende, wo ausserdem der Wellenschlag ähnlich dem des Meeres sein muss, noch viel mehr erhöht.

Unser Wegweiser Domingo zeigte mir ein Fleckchen am Strande, wo es wenige und kleine Steine gab. Dort wurde gelandet, als sich die Sonne schon hinter den Bergen verbarg, weshalb ich mich sehr beeilte, die Umrisse der Berge zu zeichnen und mit Hülfe von Don Enrique verschiedene Kompass-Peilungen zu nehmen, die mir für die Anfertigung des Plans wichtig waren; am nächsten Morgen würde ich des Nebels wegen, der bis spät alle Berge bedeckte, nicht haben beobachten können. Inzwischen hatten die Ruderer das Feuer im Walde etwa 50 Varas vom Strande angemacht, um den Indiern von Shos-huenco unser Nachtquartier nicht zu verrathen; in geringem Abstande vom Feuer hatten Lagrèze und ich uns ein prächtiges Bett auf einer Unterlage von Zweigen bereitet, und nachdem wir zu Abend gegessen, gedachten wir trefflich zu schlafen. Die Besorgniss vor einem möglichen Überfall der Indier liess jedoch keinen ruhigen Schlaf zu, denn unsere Ruderer hatten eine mit Löchern versehene Ruderschaufel, wie sie die Indier zu machen pflegen, um sie an eine Stange zu binden, und einen frisch abgeschnittenen Knüppel gefunden, so dass sie sich entschlossen, auf dem nassen Strande dicht neben der Canoa sich niederzulegen, um diese zu hüten, und Domingo, noch furchtsamer gemacht, uns einzureden suchte, die Shoshuenco - Indier müssten schon Nachricht von unserer Reise haben und würden sicherlich den Versuch machen, uns den Rückweg abzuschneiden. Von den Indiern von Panguipulli hatten wir Nichts zu befürchten, eben so wohl wegen der Entfernung und der ungeheueren Berge, die uns von ihnen trennten, als auch weil Domingo Neffe des Kaziken Aillapan war; es waren einzig und allein die von Shos-huenco, die gefürchtet wurden. Da uns jedoch Domingo kurz zuvor erzählt hatte, dass die von Panguipulli schon daran gedacht hätten, alle Shos-huenco-Indier, die einige 30 oder 40 zählen, todt zu schlagen, um sich von ihren fortwährenden Diebstählen zu befreien, und dass sich diese letzthin sogar mehr nach dem Inneren der Cordillere zurückgezogen, so schien es mir durchaus unwahrscheinlich, dass ihnen Nachricht von unserer Expedition sollte zugekommen sein, und deswegen beunruhigten mich die Be

sorgnisse von Domingo, Solis und Montoya wenig, dessen ungeachtet schien es uns gerathener, uns angekleidet und mit den Revolvern, im Gürtel niederzulegen. Vielleicht waren auch die Gemüther durch ein Ereigniss, das kurz vorher Statt gefunden hatte, empfänglicher für die Furcht gemacht worden. Es ertönte plötzlich ein schrecklicher Lärm, wie ihn etwa eine Legion Teufel hervorbringen könnte, die durch den dichten Wald brächen. Im ersten Augenblick verursachte er uns Schrecken, weil wir nicht begriffen, woher er kommen könnte, allein gleich darauf sahen wir ein, dass es einer von jenen Bergstürzen gewesen, die so häufig in diesen Cordilleren sind. Zweifelsohne verharrten wir unter dem Eindrucke, den diese ungewöhnliche Erscheinung hervorbrachte, und um denselben zu erhalten, trugen sicherlich die beiden grossen Wasserfälle bei, welche wir in etwa einer Seemeile Abstand erblickten und welche auf dem Plane angedeutet sind, denn das Geräusch, welches sie verursachten, hörte man während der Nacht so stark, dass wir schwerlich die Indier gemerkt hätten, wenn sie gekommen wären, um uns zu überfallen.

Kaum war die Annäherung des Tages zu merken, als ein starker Pfiff, der nahe bei uns ertönte, uns vom Bett aufspringen machte. Einer der Ruderer war aufgestanden und hatte sich dieses wirksamen Mittels bedient, uns zu wecken. Wie hätten sie die Sitten der wilden Indier jener Gegenden nicht kennen sollen! Diese pflegen sich Nachmittags schlafen zu legen, stehen um Mitternacht auf, die Frauen machen ihnen dann das Essen zurecht und vor Tagesanbruch rücken jene aus auf ihre Malones oder Überfälle oder sie erwarten sie mit der Lanze in der Hand, denn nie können sie sicher sein, wenigstens wenn sie einige Stück Vieh oder sonstige Gegenstände besitzen, welche die Habsucht der Nachbarn reizen können.

Da die Nacht ohne einen Vorfall vorübergegangen war, schien uns unsere Besorgniss schon ungegründet, allein wie wir später in Riñihue erfuhren, waren wir in Wirklichkeit sehr gefährdet gewesen. Während ich in Gicho mit meiner Zeichnung und den Winkelmessungen beschäftigt war, hatte ich nicht bemerkt, dass sich bei Antonio noch ein anderer Indier befand, der nach Panguipulli zurückkehrte. Dieser fragte den Domingo, warum er käme, die Canoa abzuholen, und als ihm Domingo antwortete, die Spanier da (wir) wollten den „lafquen" (See) beschiffen, sagte er: ,, Weisst Du nicht, dass der Kazike nicht will, dass auf dem See verkehrt wird, und dass der öffentliche Weg über Panguipulli führt? Zudem sind gegenwärtig drei Indier von Shos-huenco in Panguipulli und werden es sehr übel nehmen." Arango, der oft in Panguipulli gewesen, berichtete uns, dass die Indier von Shos-huenco des Morgens in ihren Canoas von dort abzufahren pflegten und dann am

folgenden Tage früh nach Shos-huenco kämen. Es ist klar, dass der kleine Indier von Panguipulli gewiss keine Zeit verlor, den drei Shos - huencanern die grosse Neuigkeit mitzutheilen, und dass diese in den vier Tagen, die bis zu jener Nacht der Befürchtungen verstrichen, überflüssig Zeit hatten, ihre ganze Bevölkerung zu alarmiren und bis an die Grenze ihres Landes mit dem von Riñihue vorzudringen.

Ein ausgezeichneter Kaffee mit Milch und Eiern stärkte Körper und Geist und bald darauf spotteten wir in unserer kleinen Canoa der Nachstellungen der Indier. In einer Viertelstunde gelangten wir an den Fluss von Shoshuenco, das Ende jenes Strandes, dem wir den Namen ,,playa del temor" (Strand der Furcht) gaben. Wir strengten die Ruder an, um hinaufzukommen, indem wir eine kleine Rückströmung benutzten, aber als wir an die Strömung gelangten, sahen wir uns gezwungen, dieselbe schräg zu durchschneiden, wie es der Brauch ist, um eine grosse Steinbank zu erreichen, die sich auf der anderen Seite des Flusses befindet. Als wir in die Wirbel geriethen, welche die Strömung bildet und die man eine gute Strecke in den See hinein verfolgen kann, stiessen die Ruderer ein Geschrei aus, wir kamen jedoch ohne Unfall hindurch. Montoya, der oftmals Reisen zu Boot von Quinchilca nach Valdivia gemacht hatte, kannte diese Strudel, die, wenn sie die Canoas oder Boote erfassen, dieselben oft so lange herumdrehen, dass die Mannschaft wie betrunken wird; ein Mal sogar war Montoya ins Wasser gefallen und der Strudel hatte ihn hinunter gezogen, da er aber ein guter Schwimmer ist, kam er an einer anderen Stelle wieder empor. Wir stiegen ans Land und durchwanderten die über 2 Cuadras lange und fast eben so breite Bank zwischen dem Fluss und dem See, dessen Wellen sie im Winter ganz bedecken müssen. Ausser der Strömung, die wir eben durchfahren hatten, gab es noch eine andere, gleich einer Stromschnelle, an der Biegung, die der Fluss 2 Cuadras weiter oben macht. Der übrige Theil des Flusses, der im Mittel 50 Varas breit sein mag und eine grosse Wassermenge führt, fliesst ruhig und das wenige, das wir jenseit der Stromschnelle sehen konnten, hatte sogar dieselbe grünliche Farbe wie der See und zeigte keine Strömung. Es ist leicht zu denken, mit welchem Bedauern wir unserer Neugier Zügel anlegen mussten. Ein gutes Boot würde, glaube ich, mit Rudern durch die Rückströmungen hinaufkommen, jedwedes Fahrzeug aber liesse sich an einem guten Tau mit Leichtigkeit hinaufziehen. Zu unserem Glücke jedoch hatten wir nur eine sehr schwache Schnur, die die uns Nichts nützte; ich sage: zu unserem Glücke, denn wenn die Ruderer nicht absichtlich alle Lassos in Riñihue zurückgelassen hätten, so würden wir, wie

ich nicht bezweifle, auf den bedenklichen Zustand des Bodens unserer Canoa keine Rücksicht genommen haben, beim ersten Schlage gegen einen Stein wäre er aber unfehlbar aufgerissen und hätte uns den Indiern oder einem schlimmeren Tode überliefert, denn der Weg am Ufer des See's entlang war auf beiden Seiten von vielen fast senkrecht ins Wasser abfallenden Felsspitzen unterbrochen, die nicht einmal für Katzen einen Durchgang gestatteten, und wie hätten wir jene ungeheueren Waldgebirge ohne Weg durchkreuzen sollen? Der lügenhaften Erzählungen der Indier in Riñihue über die Unmöglichkeit, den Fluss von Shos-huenco hinauf zu fahren, seine Wasserfälle u. s. w. waren so viele gewesen, dass selbst Arango gemeint hatte, wir hätten die Expedition verfehlt und hätten sie von Panguipulli aus unternehmen müssen, und als wir nun an der Mündung des Flusses schon zwei Stromschnellen antrafen, die wir für das Vorspiel der Wasserfälle nahmen, blieb uns kein Zweifel übrig, dass wir uns unnützer Weise Gefahr aussetzen würden, wenn wir uns anstrengten, den Fluss hinauf zu fahren.

Wie gross war nun unser Verdruss, als wir, nach Valdivia zurückgekehrt, nicht bloss von Don Jerónimo Agüero erfuhren, dass Cancho und Catriñil (oder Cathigil), der Sohn des Kaziken Aillapan, ihm versichert hätten, dass man den Fluss bis zum See von Panguipulli hinauf fahren könnte, sondern auch Montoya, der einige Tage später ankam, uns berichtete, ihm habe Pascual Amoyao gesagt, dass, hätten wir den Fluss aufwärts verfolgt, wir nach dem anderen See gekommen wären, denn nur an Einer Stelle hätten wir aus der Canoa aussteigen und sie hinaufziehen müssen! Aber wohl erwogen, erscheint es mir doch besser, dass wir diess nicht wussten, denn die Wahrscheinlichkeit ist wie tausend gegen eins, dass wir nicht gut bei dem Geschäft gefahren wären.

Als wir auf der Steinbank umhergingen, sahen wir in geringem Abstande einen der Wasserfälle, die so viel Lärm machten. Weissen Bändern gleich durchkreuzten seine verschiedenen Verzweigungen einen Felsen von 30 bis 40 Varas Höhe. Die Versuchung war gross, diese und andere Wunder des See's mehr in der Nähe zu beschauen, allein da wir die Gewissheit erhalten hatten, dass kein anderer Fluss in denselben einmündete als der, welcher von Panguipulli kommt, und den hinauf zu fahren wir nicht für möglich hielten, so bestand das grösste Interesse, das uns übrig blieb, in der Aufnahme des Plans vom See, und da die Messungen von Rimehue aus des Windes und Wellenschlages wegen untauglich ausgefallen waren, durften wir die Ruhe nicht unbenutzt lassen, in der sich der See jetzt befand. Diese Ruhe des Wassers erlaubte es, die Messung der langen Linie von der Playa del

temor zwischen dem Inselchen Copiuhuelpe und dem kleinen Campana- (Glocken-) Berge hindurch bis zu der zwischen Riñihue und Rimehue hervorspringenden Spitze sehr zufrieden stellend auszuführen; vermittelst dieser Linie und der Winkelmessungen an beiden Enden derselben konnte ich den Plan berichtigen. Die Fahrt bis zur genannten vorspringenden Spitze war die köstlichste, die man sich denken kann. Der See war wie ein Spiegel, dessen Glätte nur dann und wann durch eine leichte kleine Brise unterbrochen wurde, welche von den Bergen herabkam. Die Wolken zertheilten sich nach und nach und enthüllten zuerst den niedlichen, kleinen, wie gedrechselt aussehenden Campana-Berg (von 400 bis 500 Fuss Höhe), darauf die Reihe grosser zerrissener Felsen, welche den seltsamen Kamm des ,,Maltusado" bilden (welchen Namen Lagrèze mit grossem Beifall Aller jenem sonderbaren Berge gab), und die übrigen hohen Waldgebirge, welche den See einschliessen, wie auch den noch fernen Tralcan und zuletzt die prachtvollen Vulkane, während sich der Himmel mit einem reinen Dunkelblau färbte, dessen Widerschein sich mit der eigenthümlichen Smaragdfarbe des See's vermischte.

Wir kamen um Mittag nach dem Ende der langen Linie, dort hielten uns die Beobachtungen einige Stunden auf und unterdessen fing der Wind mit solcher Macht zu wehen an, dass wir mit einiger Mühe und unter entsetzlichem Schaukeln nur bis zur Playa de Coñico gelangen konnten. Nachdem wir noch einige Stunden gewartet hatten, beruhigte sich der See ein wenig und erlaubte uns, noch bei Sonnenschein den Ort Riñihue zu erreichen, von dem wir ausgefahren waren. Da uns noch übrig blieb, die Bucht von Comohue aufzunehmen, beschlossen wir, am Strande zu übernachten, wo wir ohne die geringste Besorgniss ausruhen konnten.

Arango fanden wir besser und im Stande zu reisen. Es war nicht bloss ein Verwandter von ihm gekommen, ihn abzuholen, sondern auch ein Moceton (Diener) vom Kaziken von Panguipulli, der sich angeblich nach seiner Gesundheit erkundigen, in Wahrheit aber den Zweck unserer Reise auskundschaften sollte. Wir fertigten ihn am folgenden Tage mit einer höflichen Entschuldigung an den Kaziken ab, dass wir die Reise ohne seine Erlaubniss gemacht, da wir dieselbe wegen der Krankheit des Kapitän nicht hätten erbitten können, und begleiteten die Bestellung mit einer Stange Tabak, einem Buch Rauch- (oder Cigarren-) Papier, einem Feuerzeug, einem Säckchen Ají und vielen Anerbietungen, auch gaben wir dem Moceton Tabak, Cigarren, eine Packnadel und ein gutes Frühstück mit Kaffee, so dass er sehr dankbar wegging und Arango uns versicherte, der Kazike würde sehr befriedigt und unser Freund sein.

Dieser Abschied fand am Comohue Statt, von wo wir nach beendigter Messung etwa um Mittag abreisten, der Bote nach Panguipulli, Domingo mit dem Jungen, der unsere Pferde gebracht hatte, nach Riñihue in der Canoa, wobei ihm sein Poncho als Segel diente, und wir nach Cochui. Meine Absicht war gewesen, in der Canoa die Messung bis Gicho fortzusetzen und von dort am Nordufer, welcher Theil auf dem Plane nicht sehr genau ist, zurückzufahren, allein von früh an blies der Südwind so heftig, dass daran nicht zu denken war. Mit Bedauern musste ich auch von der Idee, nach Panguipulli zu gehen und jenen See zu beschiffen, abstehen, denn es konnte mich Niemand begleiten. Arango war noch krank und wünschte nach Hause zu kommen, Solis und Montoya wollten das gute Wetter zu ihren kleinen Ernten benutzen und Lagrèze musste ebenfalls umkehren.

Wir gelangten bei Sonnenschein nach Cochui, übernachteten dort unter einem Birnbaum, um am folgenden Tage zeitiger aufbrechen zu können, und gelangten so am 2. März nach Valdivia. Was ich nachträglich noch über die Wasserverbindung des Riñihue-See's mit den Pampas in Erfahrung bringen konnte, stelle ich hier zusammen. In einem Verhör, das der Richter von Quinchilca mit Pascual Amoyao veranstaltete, gestand dieser, dass sie in der That in Canoa von Riñihue bis nach den Pampas gingen, dass es nur eine Enge zwischen Felsen gäbe, dass man aber hindurch könne, dass sie, die Indier, es verheimlicht hätten, weil, wenn ein Mal ein Spanier passirt wäre, alle würden der grossen Bequemlichkeit wegen hindurch wollen.

Julian Arango hatte mir mitgetheilt, dass Canín Amoyao, Indier von Riñihue (nicht von Panguipulli) und Reisegefährte des Kaziken Patiño, bei seinem Bruder Sebastian Arango in Valdivia wäre. Ich hoffte von Canín die Bestätigung der von Ovalle und Valverde gegebenen Nachrichten zu hören, aber er war nicht dazu aufgelegt, die Wahrheit zu sagen, und ausserdem verstand und sprach er das Spanische nicht gut oder stellte sich wenigstens, als verstehe er mich nicht. So geschah es, dass er bloss gestand, mit dem verstorbenen Paulino Patiño in den Pampas ein halbes Jahr umhergestreift und bis an den LimaiFluss, d. i. der Rio Negro, gekommen zu sein; auf der Rückkehr hätten sie den Pass von Ranco des Schnee's wegen nicht passiren können und hätten den Weg bis an den See von Nontúe fortgesetzt, wo sie Cancho trafen. Unter dessen Führung wären sie zu Fuss, durch Quilaund Colihue-Gebüsche sich durchhauend, stets dem Ufer des Flusses entlang gegangen, der vom Nontúe-See in den von Neltume und aus diesem in den von Panguipulli fällt und der eben dieser Fluss von Valdivia ist, wobei

sie viele Felsen (Steine) und Bäche, aber keinen Berg passirten; nur den See von Neltume hätten sie in Canoa befahren, denn die Flüsse könnten ihrer starken Strömung wegen nicht befahren werden; Leanca sei nicht mit ihnen gekommen.

Schon in Riñihue hatte uns Arango bemerklich gemacht, wie offenbar die Lügen der Indier seien, wenn sie sagten, dass Patiño und seine Gefährten an verschiedenen Punkten übergesetzt, übrigens aber zu Fuss gegangen wären, denn nach der eigenen Angabe der Indier gäbe es keine Bewohner an jenen Orten: wie konnten sie also eine Canoa antreffen? Wie konnten sie eine solche in Neltume antreffen, wo ebenfalls keine Bewohner sind? Kurze Zeit nach der Vernehmung Canín's kam Luis Silva, ein Bruder des Richters von Quinchilca, um mir in dessen Auftrage zu sagen, dass, als Canín Amoyao dort angekommen sei, Don Manuel Silva ihn nach der Reise befragt, die er mit Patiño gemacht, und ihm, als er leugnen wollte, gedroht habe, und alsdann habe Canín gestanden, dass er die ganze Reise von den Pampas bis Riñihue zu Wasser gemacht und dass sie nur an Einer Stelle hätten ans Land steigen und die Canoa an einem Lasso hinunterlassen müssen. Ferner habe ich mit ziemlicher Zuverlässigkeit Folgendes erkundet, was die früher angeführten Aussagen zum Theil berichtigt. Unser Valdivia- oder Callecalle-Fluss entspringt bei Neltume aus dem See von Pirehueico und führt dort den Namen Caillitue, vereinigt sich mit dem Ausfluss des See's von Panguipulli und fällt, wie auf der Karte angegeben, als Fluss von Shos-huenco in den See von Riñihue, aus dem er dann als Fluss von Valdivia herauskommt. Der See von Pirehueico und der von Neltume sind ein und derselbe, an dem diesseitigen Ende heisst er Neltume, an dem jenseitigen Pirehueico und mit dem letzteren befindet er sich schon in den Pampas. Er soll doppelt so lang sein als der See von Riñihue, d. h. 10 bis 12 Leguas lang. Dagegen ist der See von Nontúe nicht, wie wir früher verstanden hatten, identisch mit dem von Pirehueico, sondern er soll nur mittelst eines kurzen Flusses Huahuüm (spr. Ua-uüm), der vielleicht noch durch einen kleineren See geht, mit dem Pirehueico in Verbindung stehen. Der See von Nontúe heisst auch Lacar und soll etwa die auf der Karte angegebene Form haben. An der engen Stelle in der Mitte ist die Überfahrt, die im Indischen,,Nontúe" heisst. Die Herren Muhm, welche vor mehreren Jahren eine Reise nach den Pampas ausgeführt haben, behaupteten der Aussage des Indiers Remigio Amoyao zuwider, der Huahuüm-Fluss gehe in den Lacar-See hinein, woraus natürlich gefolgert werden musste, dass der Pirehueico zwei Abflüsse nach entgegengesetzten Seiten und der Lacar seinen Abfluss nach dem Rio Negro habe. Es

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