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Der Riñihue-See in Chile und die tiefe Passsenkung der Andes bei demselben.

Von Wilhelm Frick 1).

(Mit Karte, s. Tafel 3.)

Seit einigen Jahren waren unbestimmte Nachrichten in Umlauf, dass der Valdivia- oder Callecalle-Fluss seinen Ur

1) Dieser Aufsatz ist die von Herrn Frick selbst besorgte, von uns nur in einigen unwesentlichen Sätzen abgekürzte und durch spätere Briefe Frick's ergänzte Übersetzung seines offiziellen Berichtes an den Präsidenten von Chile. Der Bericht hatte den Zweck, eine Expedition zur Untersuchung des Riñihue-Passes zu veranlassen, auch hat Frick durch Anknüpfung von Verbindungen mit den Kaziken der dabei in Betracht kommenden Indianer-Stämme einer solchen Expedition bereits Vorschub geleistet, aber die Regierung scheint dem Projekt bis jetzt keine Aufmerksamkeit geschenkt zu haben.

Es könnte allerdings auf den ersten Blick unglaublich erscheinen, dass eine vollständige Wasserverbindung zwischen dem Valdivia-Fluss und den Pampas quer durch die Andes existiren soll, allein auch frühere Nachrichten deuten auf eine solche oder doch wenigstens auf eine sehr bedeutende Passsenkung der Cordilleren in jener Gegend hin. So liest man in des alten Thomas Falkner Beschreibung von Patagonien (Deutsche Ausgabe, Gotha 1775, S. 101): ,,Unter den Flüssen, welche sich auf der nördlichen Seite des Rio negro in denselben ergiessen, ist ein langer, breiter und tiefer, der aus einem grossen See entspringt, der beinahe 12 Meilen lang, fast rund ist und Huechum lavquen oder Grenz-See genannt wird. Dieser See ist etwa 2 Tagereisen von Valdivia entfernt und entsteht aus Bächen, Quellen und Flüssen, die von den Cordilleras herabkommen. Ausser dem Fluss, den dieser See nach Osten und Süden sendet und der einen Theil des Rio negro ausmacht, soll noch ein anderer aus ihm hervorkommen, der nach Westen gehen und bei Valdivia eine Kommunikation mit der Südsee haben soll; weil ich aber dieses Vorgeben nicht genug untersucht habe, so kann ich auch die Wahrheit desselben nicht bekräftigen." Villarino, der 1783 den Catapuliche genannten Quellarm des Rio negro bis 39° 33' S. Br. hinauffuhr, setzt die Mündung eines aus dem Huechum-See kommenden gleichnamigen Flusses in den Catapulchi in 39° 40' S. Br. und erfuhr von Pehuenchen aus der Gegend des See's, dass derselbe inmitten der dort sehr niedrigen Cordillere liege, Valdivia davon nur 2 bis 3 Tagereisen entfernt sei und dass sie mit den Bewohnern auf der Westseite des Gebirges in Verbindung ständen. Den Zusammenhang des HuechumSee's mit dem Fluss von Valdivia bestritten sie, aber jener beträchtliche Fluss sei allerdings nur 1 Tagereise entfernt und ein ausgedehntes Thal scheine sich als ununterbrochene Öffnung durch das Gebirge hinzuziehen bis an die Küsten des Stillen Oceans, obwohl nördlich und südlich schneebedeckte Berge es begrenzten. Villarino selbst beabsichtigte, nach Valdivia hinüberzugehen, wurde aber durch sein unkluges Einmischen in die Streitigkeiten der Indianer daran verhindert. Nicht weit südlich von dem Riñihue-See befinden sich andere bedeutende Einsenkungen des Gebirges; so lesen wir bei Gilliss (U. S. Naval Astronomical expedition, I, p.14):,,Wenn man sich auf die Nachricht verlassen kann, nähern sich einige Zuflüsse des Rio negro bis auf 1 oder 2 Engl. Meilen dem Ranco-See und der Bergzug, welcher die Wasserscheide zwischen dem Atlantischen und Grossen Ocean bildet, ist kaum mehr als eine Hügelkette", und bekannt ist die Senkung, welche den See Todos los Santos birgt.

Müssen wir die Richtigkeit von Frick's nur auf Aussagen von Indianern beruhenden Darstellung, besonders was den angeblichen Ursprung des Rio de Valdivia auf den Pampas im Osten der Cordilleren betrifft, vorläufig dahin gestellt sein lassen, so kann man doch an der Existenz eines tiefen, leicht zu passirenden Einschnittes quer durch die Andes östlich vom Riñihue - See kaum zweifeln und schon diese Entdeckung ist sowohl geographisch von hohem Interesse als praktisch von möglicher Weise bedeutenden Folgen. Von dem Riñihue - Pass wusste man, wie auch noch Martin de Moussy in seinem neuen, fleissig gearbeiteten Werke über die Argentinische Konföderation bezeugt, bisher gar Nichts. Die See'n von Pirehueico und Lacar (Lajara) finden wir

aus dem

sprung in den Pampas von Buenos-Aires nimmt: ein Mal sprach man von einem Versuch, den Herr Wilhelm Döll machen wollte, die Cordillere zu durchschiffen; ein ander Mal wurde eine kurze Nachricht mitgetheilt, die Herr Hieronymus Agüero über den See von Riñihue unser Fluss von Valdivia fliesst und die Erzreichthümer gegeben, die man dort vermuthet, und worin es in Bezug auf die Wasserverbindung mit der anderen Seite heisst, wie folgt:,,Ausserdem ist der See noch nicht von civilisirten Personen befahren worden, man weiss, dass man auf einem der beiden Flüsse, die in ihn einmünden, bis nach Panguipulli gelangen kann, aber es bleibt noch zu versuchen, ob man den anderen bis zum Neltume-See befahren und von hier einen anderen Fluss verfolgen kann, bis man ins Argentinische Gebiet hinaus kommt, wie Eingeborne jener Gegenden gethan haben sollen." Obgleich es auf den ersten Blick sehr unwahrscheinlich aussieht, dass ein Fluss, die Cordillere durchschneidend, von den Pampas von Buenos Aires nach dem Stillen Ocean fliessen könne, so

zwar durch Wasserläufe mit dem Riñihue-See verbunden auf Claude Gay's Karte (1836) und nach dieser auch auf der zu Gilliss' Werk gehörigen angedeutet, diese ganze See'nkette wird aber hier als zwischen den westlichen Vorbergen der Andes gelegen dargestellt und weit östlich davon der Übergang über das Gebirge als Boquete de Riñihue angegeben. Diese ganze Darstellung beruhte zudem auf so zweifelhaften Angaben, dass Major B. Philippi auf seiner Karte von Valdivia vom Jahre 1846 und Dr. R. A. Philippi auf der in den ,,Geogr. Mitth." publicirten die beiden See'n Pirehueico und Lacar wieder fortliessen, obgleich sie über jene Gegend besser informirt waren als Gay, denn sie zeichnen den Fluss von Valdivia der Wahrheit gemäss als dem RiñihueSee entströmend, während ihn Gay aus dem Panguipulli-See herauskommen lässt. Eine nähere Untersuchung des Passes ist dringend zu wünschen.

Über die Aufnahme des Riňihue-See's, der hier zum ersten Mal in richtigerer Gestalt erscheint, giebt Frick selbst in dem Berichte Aufschluss, die Übersichtsskizze soll dagegen nur eine ungefähre Vorstellung von der Lage jener See'n geben, wie sie sich Frick nach den Beschreibungen der Indianer gebildet, und er bemerkt in dem die Skizze begleitenden Brief ausdrücklich, dass die Form der See'n mit Ausnahme des von Riñihue durchaus imaginär sei.

Was die im Text angeführten Längenmaasse betrifft, so ist 1 Chilenische Legua = 36 cuadras, 1 cuadra 150 varas, 1 vara = 3 pies oder Fuss. Nach dem Gesetz vom 29. Januar 1848 wird die vara zu 0,836 und die cuadra zu 125,39 Meter angenommen, genauer ist die cuadra 125,386 und die legua = 4513,892 Meter.

In Bezug auf die Orthographie ist zu bemerken, dass auszusprechen ist:

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gue wie ge

c vor e u. i eben so

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V wie w

g vor e u. i wie ch,

sonst wie im Deutschen gui wie gi

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hielten wir es doch nicht für fabelhaft, denn ausserdem, dass bekanntlich das Niveau der Pampas am Fuss der Cordillere viel höher ist als das der Ebenen auf der Chilenischen Seite, so wussten wir schon von einem anderen Flusse (dem von Huampoe, der in den Villarica-See fällt) mit einiger Gewissheit oder wenigstens Wahrscheinlichkeit, dass er in den Pampas entspringt und schiffbar ist, wenn auch nicht in seinem ganzen Laufe, doch wenigstens einige Leguas 1). So geschah es, dass zur Zeit, als die Zeitungen Chile's sich mit dem von Herrn Wheelwright vorgeschlagenen Projekt der Trans-Andinischen Eisenbahn beschäftigten und ich selbst die Aufmerksamkeit auf den Pass der Cordillere von Villarica lenkte (in einem Artikel, der, vom 18. Juni 1860 datirt, im,,Ferrocarril" und,,Mercurio" veröffentlicht wurde), ich Herrn Agüero bat, er möchte so viel als möglich Nachrichten über die Wasserverbindung mit der anderen Seite sammeln und bekannt machen. Bald nachher berichtete mir ein Herr aus dem Inneren, mit dem ich in Dienstangelegenheiten zu thun hatte, von einer Reise, die von den Pampas her in einem Fahrzeuge gemacht worden, jedoch konnte er mir nicht die Personen nennen, noch die Zeit angeben, in der sie Statt fand, und eben so wenig andere Einzelnheiten, und als ich mit verschiedenen hiesigen Leuten Unterhaltung über dieses Ereigniss anspann, ward mir gesagt, ein Herr, der ein grosses Gut in der Nähe jener Cordilleren besitzt, habe herausgebracht, dass Alles falsch sei. Da andererseits auch Herr Agüero nicht die geringste Notiz mittheilte, so war es natürlich, dass ein Gegenstand, der eine reine Erfindung schien, gänzlich in Vergessenheit gerieth. So war lange Zeit verflossen, als unerwarteter Weise am 11. Februar 1862, da ich mich auf der Reise nach Chanco (etwa 16 Leguas östlich von Valdivia) befand, einer meiner Begleiter, Don Romualdo Patiño, der wie viele der dortigen Einwohner die Cordillere durchkreuzt hatte, mir erzählte, dass vor wenigen Jahren der verstorbene Kazike Paulino Patiño von Futron (oder Futronhue beim Ranco-See), der im Hause des Vaters des Erklärenden auferzogen worden und dessen Vor- und Zunamen angenommen hatte, die Reise durch die Cordillere von der anderen Seite her im Winter und zu Schiff (Fahrzeug) gemacht habe. Da Don Romualdo sich der Einzelnheiten nicht erinnerte, auch nicht mit dem Kaziken selbst gesprochen, sondern es nur von Anderen gehört hatte, so fragte ich die Übrigen der Begleitung, ob sie mir nicht Jemand nennen könnten, der es vom Kaziken selbst erfahren. Darauf erklärten sie nach einiger Überlegung, dass ein Bewohner von Quilguilto

1) 8. den Bericht, den ich unterm 7. November 1854 die Ehre gehabt habe Sr. Excellenz dem Hrn. Präsidenten Montt vorzulegen, über die Öffnung der Cordillere der Villarica gegenüber.

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(das auf der anderen Seite des Quinchilca - Flusses und etwa 3 Leguas vom Orte Quinchilca liegt), Namens Manuel Ovalle, einige sichere Kenntniss haben könne, denn er habe dem Kaziken ein Pferd verschafft, um nach seiner Ortschaft zurückzukehren. Ich liess mich zum genannten Ovalle führen, der denn in Gegenwart von Don Toribio Obando, nachdem er von diesem seinem Freunde den Zweck unseres Besuches erfahren, die folgende Erzählung abgab: Vor fünf Jahren passirte der Kazike Paulino Patiño von Futron mit dem Indier Canín Amoyao von Panguipulli den Pass von Ranco, da sie von den Indiern auf der anderen Seite zu einem Überfall in Patagonien aufgefordert waren. Es fiel auf seinen Theil eine Menge Vieh, allein auf der Rückkehr zerstreute es sich, und da er den Pass von Ranco durch den Schnee geschlossen fand denn es war im August und die Cordillere von Ranco bleibt bis Oktober geschlossen -, so setzte er seinen Weg bis an den See von Nontúe fort, der in den Pampas liegt, traf dort den Indier Cancho von Panguipulli, der mit Leanca, einem Indier von Riñihue, zu Wasser dorthin gekommen war, und so kehrten alle vier in der Canoa zurück, von Pirehueico an, welches an demselben See von Nontúe liegt, bis nach dem See von Riñihue. Die Fahrt dauerte drei Tage auf einem ruhigen, tiefen Fluss, breit wie ein See, stellenweis so, dass man kaum das entgegengesetzte Ufer erkennen konnte, ohne alle Strömung oder Wasserfälle, überall mit Strand (oder flachen Ufern), wo man landen kann und wo die Reisenden übernachteten."

Diese Erzählung erfuhr Ovalle vom Kaziken selbst, der von Riñihue zu Fuss kam und darauf seine Reise bis Futron auf dem Pferde fortsetzte, das Ovalle ihm verschaffte. Von keinem der Begleiter des Kaziken konnte mir Ovalle den Aufenthaltsort angeben. Nach ihm verkehren die Indier beständig in Canoa mit der anderen Seite; ihre Canoa ist gross und sicher, etwa 9 Varas lang, mit Steuer und zwei Rudern, und er hatte sogar sagen hören, dass die Indier Pferde zu Boot mitzunehmen pflegen, indem sie ihnen. die Füsse binden und sie bei Nacht an den Strand setzen. Der Wasserfall, von dem man redet, ist nach Ovalle der von Gicho (wird ausgesprochen beinahe wie Nicho oder Ngicho) zwischen dem See von Riñihue und San Pedro und hat nach dem Ausdruck eines Bekannten von Ovalle (Juan Carrasco) zwei Lassos Höhe.

Es wäre sehr interessant gewesen, die Bestätigung der Erzählung Ovalle's durch irgend eine andere Person zu erhalten, aber es gab in jener Gegend Niemand weiter als einen Indier von Riñihue, Santos Quithulef, von dem man einige Nachricht erwarten durfte. Wir trafen ihn in dem Ort Puante und er ward von einem der Anwesenden in seiner Sprache befragt, allein es war klar zu erkennen,

dass er die Wahrheit zu verbergen trachtete, und das Einzige, was man aus ihm herausbrachte, war, dass wirklich der Fluss von Valdivia seinen Ursprung auf der anderen Seite nehme, dass aber der Fluss, der aus dem See von Nontúe komme, nicht in den See von Riñihue, sondern in den von Panguipulli falle und wegen seiner starken Strömung nicht befahren werden könne und dass aus dem Panguipulli-See ein anderer Fluss in den Riñihue-See gehe. Da ich sah, dass es mir nicht möglich war, mehr Angaben zu erhalten, so unternahm ich meine Rückreise nach Valdivia, aber der Zufall wollte, dass ich unterwegs mit Don Manuel Valverde zusammenkam, der vor fünf Jahren Subdelegado von Arique gewesen, und da ich Voraussetzte, dass er einige Kenntniss von der Reise des Kaziken Patiño haben müsse, so fragte ich ihn, ob er davon hätte reden hören, worauf er mir berichtete, dass er Befehl gehabt hätte, den Kaziken und seine Reisegefährten der Intendencia zuzuschicken, um von denselben Nachricht zu erhalten über einen Malon (Überfall) der Pehuenchen, den man befürchtete, dass er aber weder von Cancho noch von den anderen beiden Indiern den Aufenthaltsort hätte erfahren können und nur mit dem Kaziken gesprochen hätte, der ihm erzählte, dass sie die ganze Reise von den Pampas bis Riñihue zu Boote gemacht und nur an Einem Punkte einen kleinen Wasserfall oder eine Stromschnelle angetroffen hätten. Die Einzelnheiten der Reise konnte mir Herr Valverde nicht mittheilen.

In Valdivia angekommen brachte ich sogleich die erhaltenen Nachrichten zur Kenntniss des Herrn Intendenten. Dieser willigte ein, dass ich eine Expedition zur Untersuchung des See's von Riñihue unternähme, obgleich er mir mehrmals seine Besorgniss wegen der Indier bekundete, die am Ufer desselben See's vor wenigen Jahren beinahe dem Don Jerónimo Agüero und Don Antonio Vio das Leben nahmen.

Wir ge

Einige Tage nachher befand ich mich unterwegs, begleitet von Herrn Heinrich Lagrèze, einem der Ingenieure, die mir bei den Wegearbeiten gedient hatten. langten den ersten Tag, den 20. Februar, bis Quinchilca, etwa 12 Leguas von Valdivia bei der Vereinigung des wasserreichen Quinchilca-Flusses mit dem Callecalle (auch Fluss von San Pedro und weiter oberhalb Rio de los liruelos genannt). In der schönen Niederung des Quinchilea-Flusses ritten wir am folgenden Morgen weiter, um den Richter des Distriktes aufzusuchen, trafen denselben in Cochui, und während er versprach, den Indier Montoya, der mir als Ruderer dringend empfohlen war, beizuschaffen, liess ich mich selbst nach Quilquilto zum Indier - Kapitän Julian Arango führen, der uns nothwendig war, um mit den Indiern zu verhandeln. Als er die Ursache unseres unerPetermann's Geogr. Mittheilungen. 1864, Heft II.

warteten Besuches erfuhr und ich ihm sagte, er möchte sich fertig machen, um früh am Morgen auszurücken, wir hätten vor, in der Canoa der Indier von Riñihue den ganzen See zu befahren und wo möglich den in denselben einmündenden Fluss bis nach den Pampas zu verfolgen, da machte er ein langes Gesicht und bezeigte eben keine grosse Lust, uns zu begleiten. Erst als er vernommen, dass der Intendent es befohlen habe, entschloss er sich zur Mitreise. Mit Sonnenuntergang kehrte ich sehr zufrieden nach Cochui zurück. Es wehte Südwind, der Tag war wunderschön gewesen, der Himmel heiter ohne eine einzige Wolke, Alles war vorbereitet, um ganz früh die Reise fortzusetzen, und schon bildete ich mir ein, binnen vier Tagen in den Pampas zu sein. Allein es waren uns noch andere Geduldsproben vorbehalten. Am anderen Morgen hatte ein heftiger Nord- oder Nordwestwind dichte Wolken zusammengehäuft und einige Tropfen kündigten die Nähe des Regens an. Der Kapitän Arango kam erst spät an und nur mit Einem Pferde, so dass Don Enrique Lagrèze sich genöthigt sah, das Pferd zu besteigen, auf dem er gekommen. Glücklicher Weise jedoch konnte in Puante ein anderes gemiethet werden und eben so ein zweiter Ruderer, Andres Solis, der auch die Indische Sprache verstand, und endlich konnten wir alle vereint, Lagrèze, ich, Arango, Montoya und Solis, die Reise in Gesellschaft des Richters fortsetzen, der uns bis Huidif, dem letzten Potrero nach Riñihue hin, begleitete. Sobald wir die Niederung des Quinchilca - Flusses verliessen und auf die Höhe kamen, welche eine fast ununterbrochene Ebene bis zum See von Riñihue bildet, fanden wir den Weg so sehr verwachsen, dass wir fortwährend auf die Zweige und Quilas (Art Bambusrohr) aufpassen und uns bücken oder den Körper auf die Seite biegen mussten. Wir waren indess schon auf schlechteren Wegen gereist und zu unserem Glück fing es erst zu regnen an, als wir schon die grossen Quemas (Waldbrände) erreicht hatten, die inmitten jener Waldungen liegen und wo wir schneller reiten konnten. Bei unserer Annäherung an Huidif hörte der Regen sogar auf. Wir hatten uns nicht bloss mit kleinem Silber versehen, sondern auch mit Tabak, Ají (Spanischem Pfeffer), Glasperlen, Tüchern und anderen Artikeln, die uns besser als das Silber dienen sollten, um von den Indiern die nöthigen Lebensmittel zu kaufen, wie auch ihre Dienstleistungen zu bezahlen; auch hatten wir Kaffee und Zucker mit, Brod und geröstetes Mehl, ein wenig Chokolade, Lichte u. s. w., ja sogar verschiedene Arzneimittel, aber das Nothwendigste. hatten wir vergessen: das Salz. Dieses findet man nicht immer bei den Indiern vor, wir waren daher sehr froh, einen Stein Salz bei dem Vaquero (Kuhhirt) von Huidif, wo man mit der Käsebereitung beschäftigt war, zu erlan

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gen. Das Haus oder die Hütte liegt sehr malerisch auf einem kleinen Hügel, der sich vereinzelt über den Wald und die kleinen Pampas (Grasfluren), die ihn umgeben, erhebt, so dass man von dort aus einen überraschenden Anblick geniesst: gegenüber (fast in NO.) und in etwa 2 Leguas Entfernung erhebt sich der Berg Tralcan, der mehr durch seine Form als durch seine Höhe einen majestätischen Eindruck macht. Obgleich man sagt, dass auf seinem Gipfel der Schnee bis Dezember liegen zu bleiben pflegt, wird er doch meinem Dafürhalten nach nicht über 5000 Fuss Höhe haben können, und es giebt Berge in der Provinz, die wie der Vulkan von Villarica sicherlich 15.000 Fuss erreichen. Rechts vom Tralcan (welcher Name ,,Donnerer" zu bedeuten scheint) ziehen sich die Verzweigungen der Cordillere hin, welche den See von Riñihue einschliessen, mit ihren bizarren und ungewöhnlichen Formen und zur Linken (in N. oder fast NNW.) die Berge von San Pedro in vielleicht 3 oder 4 Leguas Entfernung, während sich nach Westen und Süden die waldbedeckten Ebenen ausbreiten, durch die wir so eben gekommen. Augenblicklich war übrigens von dieser Aussicht fast Nichts zu sehen, denn Alles war in Wolken und Nebel gehüllt, die nur den unteren Theil des Tralcan unterscheiden liessen. Am Fuss dieses Berges geht der Weg vorbei, der nach dem See führt, von dem uns noch beinahe 3 Leguas dicht geschlossenen und schwer zu passirenden Waldes trennten.

Wir erkannten endlich an einem sanften Niedergange, dass das ersehnte Ziel unserer Reise schon nahe war, und gleich darauf erblickten wir zwischen den Zweigen das Licht, das von den krystallhellen Gewässern des nie zuvor erforschten See's zurückgeworfen wurde. Alsbald traten wir an derselben Stelle auf den Strand hinaus, wo ihn der zierliche Bach von Comohue begrüsst. Die Zeit war schon sehr vorgerückt, ein heftiger Regen drohte, und da wir noch mehr als Legua nach den Häusern von Riñihue, welche eine in den See vorspringende Bergspitze verdeckte, zurückzulegen hatten, so hielten wir uns nicht damit auf, das neue Schauspiel zu bewundern, sondern ritten am Ufer entlang bis zu jener vorspringenden Spitze, wo der Weg zwischen dem Walde hinauf führt, um wieder auf einer Lichtung von einigen 8 oder mehr Cuadern herauszukommen, die, mit etlichen Apfel-Bäumen bestanden, am Abhange der Berge und etwa 100 bis 400 Fuss über dem See sich hinzieht. Hier bemerkten wir 4 IndierWohnungen, die einzigen, die sich in den ausgedehnten Umgebungen des See's vorfinden. Im ersten Hause, dem wir uns näherten, war kein Platz für uns; wir ritten 2 Cuadern höher hinauf, wo ein anderes mittelmässiges Blockhaus neben einem kleinen Häuschen von wenig

mehr als 4 Varas Länge und etwa 3 Varas Breite stand, beide Mariano Calfu gehörig, für den ich eine Empfehlung von seinem Freunde Toribio Obando mitbrachte. Unglücklicher Weise war er jedoch in Panguipulli, ein wüthender Regenguss brach über uns herein, zwischen den Frauen vom Hause und Arango wurden lange Redensarten gewechselt, wovon wir nicht ein Wort verstanden, und endlich ward entschieden, dass man uns das Häuschen für die Zeit vermiethen wollte, die wir es nöthig hätten. Wenige Minuten später waren wir, Lagrèze, Arango und ich, in unserem Palaste eingerichtet und trockneten unsere Kleider an einem tüchtigen Feuer.

Der 23. Februar war heiter und heiss. Auf der Reise schon hatten wir erfahren, dass die Canoa, die einzige, die es gab, in Gicho sich befand, d. h. an der Stelle, wo man überfährt, um nach Panguipulli zu gehen. Wir fanden keine Schwierigkeit, sie zu miethen, allein unser Unstern wollte, dass von den Indiern von Riñihue nur der zu Hause war, der uns am wenigsten nützen konnte, Domingo Colillanca, ein grosser, kräftiger Mann, aber ein arger Feigling, der aus Furcht vor den Indiern von Shos-huenco, durch deren Land wir, wie er sagte, passiren müssten, durchaus nicht zum Mitgehen zu bewegen war. Die Indier von Shos-huenco, sagte er, wären die muthigsten und verwegensten von allen, der Kazike Patiño hätte die Reise zu Fuss gemacht und so müssten wir sie auch machen, die Indier würden uns nicht hindurch lassen, sondern tödten, und er würde uns nicht begleiten. Bei alle dem willigte er ein, mit uns zu Pferde nach Gicho zu gehen, um die Canoa zu holen, während Don Enrique zurückblieb, um unsere Lebensmittel und Handels-Artikel zu bewachen. Wir kamen in etwa 2 Stunden nach Gicho und glücklicher Weise zu derselben Zeit, als ein Indier übersetzte; wäre es nicht so gewesen, so hätte einer von uns auf einem äusserst kleinen Flosse, das am Ufer lag, nach der anderen Seite überfahren müssen, um die Canoa zu holen, eine Verrichtung, die abgesehen von der Gefahr, mit der sie verknüpft gewesen wäre, uns lange aufgehalten hätte.

Der See verengt sich mehr und mehr gegen die Überfahrt hin, wo er bloss eine Cuadra breit ist, und sehr wenig weiter westlich ist eine niedrige kleine Insel von wenigen Varas Länge, welche den Punkt bezeichnet, wo er schon nicht mehr See, sondern Fluss ist, denn man bemerkt Strömung, welche auf der Südseite des nur wenig vom Ufer entfernten Inselchens ziemlich heftig ist und über eine von hartem Letten gebildete Bank hinweggeht. Die Augenblicke, die wir warten mussten, bis die Canoa frei wurde, benutzte ich, um den Fluss zu rekognosciren und eine Ansicht von dem Wenigen zu nehmen, was von den Umgebungen des See's zu sehen war, denn den ganzen

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Hintergrund hüllten Nebel und Regen ein, die bald auch meiner Arbeit ein Ziel setzten. Die Gefährten erwarteten mich schon am Strande sitzend und mit ihnen ein Indier von Panguipulli, Antonio, welcher so eben in der Canoa übergefahren war. Er hatte ein gutes Aussehen und sprach fertig Spanisch. Da sich Arango unwohl fühlte, wurde er in der Canoa zurückgebracht, während ich sehr wider meinen Willen auf meinem hufwunden Pferde den langen und rauhen Weg am Strande wieder zurücklegen musste, von Antonio gefolgt, der die übrigen Pferde vor sich her trieb. Wir kamen endlich alle gegen Sonnenuntergang in Riñihue an.

Jetzt, da wir ein Fahrzeug hatten, war das Wetter wieder schlecht geworden und blieb so. Unser kleines Boot kam mir prächtig vor; obgleich es wenig mehr als 6 Varas Bodenlänge hatte, so war es doch ziemlich breit und schwankte nicht so, wie Boote dieser Art zu thun pflegen, auch war seine Fahrt schneller, als ich erwartet hatte, aber da wir es genau untersuchten, machten wir eine Entdeckung, die uns mit Schrecken erfüllte und fast von der Schifffahrt zurückstehen liess. Der Boden war so abgenutzt, dass er sich bei dem geringsten Schlage, den er am Strande durch die unbedeutende Bewegung der Wellchen erhielt, sichtlich hob und durch eine Spalte Wasser eindringen liess. Ein starker Fusstritt oder ein Schlag auf einen Stein würde ihn durchlöchert haben. Es war Nichts weiter zu thun, als eine Art falschen Boden in Form eines Gitters von Stangen zu legen, welcher den eigentlichen Boden nicht bloss vor Tritten und Schlägen von innerhalb schützte, sondern auch erlaubte, unser Gepäck aufs Trockne zu legen. Mit Hülfe der Ruderer befestigte ich sodann Latten an den Seitenwänden des Fahrzeugs und auf denselben verschiedene Bänke, setzte am Hintertheil, das bis unten gespalten war, zwei Stücke ein, verfertigte ein Steuerruder und noch zwei neue Ruder und richtete unser ,,huampo" (Canoa) für vier Ruder ein, für den Fall, dass wir in Noth kommen sollten. Zu diesen Arbeiten verwendeten wir die regenlosen Augenblicke an den drei folgenden Tagen. Arango hatte sich unterdessen verschlimmert und bestand darauf, trotz des schlechten Wetters nach Hause geschafft zu werden, indem er sehr philosophisch sagte, dass seine Familie mehr Mühe haben würde, seinen Leichnam zu transportiren, nachdem er gestorben wäre. Wir waren nicht bloss seinet-, sondern auch unsertwegen in Besorgniss, wenn er etwa sein tolles Vorhaben ausführen sollte, denn wir konnten gewiss sein, dass die Indier von Panguipulli, dieselben, welche die Herren Agüero und Vio bei Gicho so übel zugerichtet hatten, von unserer Expedition schon wussten, und wenn ihr Kapitän, der für sie eine Respekts-Person und ihnen bekannt

ist, nicht in Riñihue blieb, leicht kommen konnten, um uns bei unserer Rückkehr aufzulauern und niederzumachen. Unser Hüttchen war zugleich Schlafzimmer, WaarenLaden, Esszimmer und Hospital, und während wir auf einer Seite des Feuers unser Essen zu uns nahmen, wirkten auf der anderen Seite bei dem Kranken, der auf einer Haut kauerte, die Brechmittel, die ich ihm eingegeben hatte. Am dritten Tage endlich fühlte er sich etwas besser und gab schon der Idee Raum, dass er mit dem Leben davon kommen könnte.

In der Nacht fing der ersehnte Südwind zu wehen an und der Himmel ward heiter. Der 27. Februar brach an, wie er nicht schöner hätte sein können. Wir frühstückten und beluden sogleich unser Schiff. Lebensmittel hatten wir für einige Tage, wie man sie sich selten auf dergleichen Expeditionen verschaffen kann: ein ausgeschlachtetes Schaf, ein gekochtes Huhn, Kartoffeln, Mais, geröstetes Mehl, Brod, Milch, Eier, Kaffee, Zucker u. s. w. Auch gab es schon Avellanas (Haselnüsse) im Walde, von denen wir auf der ersten Expedition, die ich mit Don Vicente Perez Rosales, damaligem Kolonisations-Agenten, nach dem See von Llanquihue unternommen, sehr gut gelebt hatten, als unsere Lebensmittel alle geworden waren.

Während unseres Aufenthalts in Riñihue hatte ein jeder von uns Antonio und Domingo in Betreff der Reise, die wir unternehmen wollten, befragt und die Verwirrung von erlogenen Nachrichten und Angaben, welche der Argwohn der Indier geschmiedet, war so gross, dass wir Nichts mehr hören wollten, entschlossen, zu Boote so weit vorzudringen, als wir könnten. Umsonst hatten wir die Ankunft von Pascual Amoyao, einem jungen Indier von Riñihue, erwartet, der uns in Puante versprochen hatte, zu uns zu stossen, wir bedeuteten daher Domingo, der vollkommen gut Spanisch redete, dass wir die Canoa nicht verlassen würden, und wenn es wirklich so wäre, wie er sagte, dass man den vom Panguipulli - See kommenden Fluss nicht hinauffahren könnte, uns mit der Beschiffung des See's begnügen wollten, und so beredeten wir ihn endlich, dass er sich mit uns einschiffte. Arango versprach, uns in Riñihue zu erwarten. Um den beiliegenden Plan des See's aufzunehmen, hatte ich eine Patentboussole und ein Log bei mir.

Wir fuhren vor 10 Uhr ab, und indem wir dem Ufer von Spitze zu Spitze folgten, gelangten wir um 2 Uhr Nachmittags nach dem niedlichen Hafen von Rimehue, wo wir landeten. Von dort nahm ich eine Ansicht des östlichen Theils des See's auf, welcher der schönste und interessanteste ist wegen der beiden schneebedeckten Vulkane, deren Gipfel nur etwas über 2 Leguas vom See entfernt sind und welche zwischen sich und dem hohen

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