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senden nach der Rückkehr von der Reise in Zanzibar in grosser Eile entworfen, ist aber bis auf Weiteres wichtig genug, weil sie uns den gänzlich neuen Weg von der Küste bei Wanga nach Dschagga zeigt und auf astronomischen Breitenbestimmungen und mittelst Zeitübertragung von Wanga aus berechneten Längen in Baramu und Kisuani, ferner am Südsee des Jipe-See's, in Usanga, Aruscha, Mossi, Uru, Endara u. s. w. beruht. Über den grossen Werth dieser Kartenskizze, ihr Verhältniss zu den Forschungen der Missionäre und den Kalkulationen W. D. Cooley's so wie die wissenschaftlichen Grundlagen ihres Entwurfs hat

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Die Sibirische Expedition der Kaiserl. Russischen Geographischen Gesellschaft.
Bericht über die Arbeiten der mathematisch-geographischen Abtheilung von L. Schwarz.
Nach dem Russischen bearbeitet von J. Spörer.

(Schluss 1).)

Reise des Fähnrichs Kryshin im J. 1858. Die Reise des Hrn. Kryshin von Tunka aus nach Norden längs der Russisch - Chinesischen Grenze hat unsere Kunde von diesen Gegenden durch neues geographisches Material wesentlich bereichert. Das Irkut-Thal, in dem die Festung Tunka liegt, war in seinen unteren Theilen bereits genau bekannt, zahlreiche topographische Aufnahmen vermittelten einen deutlichen Begriff vom Hauptflusse sowohl wie von mehreren Zuflüssen, besonders den südlichen. Es war diess zum Theil durch den Umstand bedingt, dass die Poststrasse von Irkutsk nach Kiachta Anfangs nach Tunka, von dort nach Süden über den Fluss Sonn-Murinn zu den Quellbächen der Dshida und das Thal der Dshida hinunter bis zu deren Einmündung in die Sselenga ging. Ein zweiter Weg führt von dem Dorfe Tibelti aus nach Süden und schliesst sich der ehemalgien Poststrasse am Oberlaufe der Dshida an. Ein dritter Weg führt aus Irkutsk zum Dorfe Kultuk und von da südlich, am Quellgebiete des Temnik vorüber, ins Thal der Dshida. Ein vierter Weg führt von Kultuk aus längs des Südufers des Baikal-See's zur Station Chara-Murin; von hier aus biegt er nach Süden und vereinigt sich mit dem vorigen bei der Station Ssneshnaja.

Das obere Irkut-Thal war theilweise schon früher besucht worden. Der bequeme Weg aus dem Thale des Irkut nach Westen zum Grenzposten Chandinskij und von hier nach Süden über die Grenzgebirge zur Hochfläche des Kossogol, die abgeschlossene Lage der am Kossogol

1) Den Anfang dieses Aufsatzes siehe im vorigen Heft, S. 408 nebst Karte (Tafel 14).

lebenden Uränchen (richtiger Urän-Chai) hinsichtlich ihrer Chinesischen Grenznachbarn mussten nothwendig zu lebhaftem Handelsverkehr zwischen der Burätischen und Russischen Bevölkerung im Irkut-Thale und den Uränchen am Kossogol führen. Auch begann derselbe sogleich, als die Russen diese Gegend besetzt hatten, beschränkte sich aber auf den schmalen Grenzstreifen. Bis auf die Gegenwart, wo die Beziehungen zwischen Russland und China freundschaftlicher geworden denn je zuvor, war der hier angegebene Weg keine gewöhnliche Handelsstrasse. Das kann aber nicht als Beweis gelten für seine natürlichen Schwierigkeiten, da es hinlänglich bekannt ist, dass die gegenwärtigen Wege von Nertschinsk nach Zizikar und von Kiachta nach Urga von den Chinesischen Beamten absichtlich durch weniger bevölkerte Gegenden geführt worden sind. Die Absicht der Chinesen war, jede Annäherung zwischen Russland und China möglichst zu erschweren, da eine vollkommene Grenzsperre sich als unausführbar herausstellte. Nur daraus erklärt sich der Umstand, dass die Russische Karawane aus Urga nach Peking nicht auf der Strasse längs des Kerulen geht, einer Strasse, auf welcher der Kaiser Kanchi ein Heer gegen den Mongolen-Fürsten Galdan führte. Wenn eine ganze Armee auf dieser Strasse hinlänglich Wasser und Fütterung für Kameele und Pferde finden konnte, so kann die kleine Karawane der Mission gewiss nicht auf derselben am Nothwendigen Mangel leiden.

Bis zum Jahre 1727, in welchem Graf Ssawa Wladislawitsch die Russische Grenze vom Vereinigungspunkte der Schilka und der Argunj bis nach Schabin-Dabagg im Westen fixirte, stand am Ufer des Kossogol eine kleine Festung mit

einer Besatzung von Kosaken; an diesem Posten vorbei, längs der Ufer des Kossogol, zog sich die Handelsstrasse nach Inner-Asien hin. Dass die Grenze 1727 weiter nach Norden gerückt wurde, an die Wasserscheide zwischen dem Irkut und dem Kossogol und an den Munku-Ssardyk hin, dass in Folge dessen der Posten am Kossogol eingezogen ward, beweist, mit welch' eifersüchtigem Scharfblicke die Chinesische Regierung damals den Einfluss Russlands auf die an China grenzenden Gebiete überwachte. Als zu Anfang der Regierung Katharina's II. Missverständnisse befürchten liessen, dass es zum Bruche zwischen Russland und China kommen könnte, legte der Russische Historiograph Müller der Regierung ein Mémoire vor, in welchem er vorschlug, aufs Neue die Ebene des Kossogol zu besetzen. Er wies die strategische und kommerzielle Wichtigkeit dieser Gegend nach und deutete die Wege an, welche von hier sowohl nach China wie nach Inner - Asien führen. Seine Auffassung hat, wie es scheint, im letzten Jahrzehnt grössere Tragweite erhalten. Herr Permikin, ein Beamter des Ministeriums des Hofes, war von Petersburg aus nach Tunka geschickt worden, um im Tunkinskischen Kreise nach Nephrit zu suchen, dessen grüne Farbe zu Mosaik - Arbeiten vonnöthen war. Während seiner Nachsuchungen, die von glänzendem Erfolge gekrönt waren, durchforschte Herr Permikin sehr ausführlich das gesammte Gebiet der Oberläufe des Irkut, des Kitoi, der Belaja und der Oka und veröffentlichte die Resultate seiner Forschungen. Auf seinen Reisen hatte Herr Permikin oft Gelegenheit, mit den Uränchen zusammenzutreffen und sie genauer kennen zu lernen. Bald beschränkte er seine Ausflüge nicht mehr auf das Russische Gebiet. Von 1855 bis 1856 unternahm er in der Rolle des Kaufmanns einen längeren Abstecher ins Land der Uränchen. Die von Herrn Permikin gesammelten geographischen Daten sind ungemein interessant, aber wichtiger als diese sind die Beobachtungen, die sich auf die Lebensweise der Uränchen und Darchaten, auf ihr Verhältniss zu der Chinesischen Regierung so wie zu ihrer unmittelbaren Obrigkeit beziehen. Herr Permikin behauptete unter Anderem, dass die Uränchen und Darchaten Russische Unterthanen zu werden wünschten. Der damalige General - Gouverneur, Graf Murawjoff Amurskij, legte letzterem Umstande eine solche Wichtigkeit bei, dass er 1857 den Oberst Budogosski, Chef des Generalstabes in Irkutsk, beauftragte, sich an Ort und Stelle zu begeben und genauere Erkundigungen einzuziehen. Der Auftrag ward noch im Sommer desselben Jahres ausgeführt. Oberst Budogosski bestätigte im Allgemeinen die von Herrn Permikin eingesammelten Nachrichten, fand indess, dass der Wunsch der Uränchen und Darchaten, in Russische Unterthanenschaft zu treten, noch nicht deutlich genug von ihnen ausgesprochen sei. Petermann's Geogr. Mittheilungen. 1864, Heft XII.

Er begab sich von den Ufern der Oka zu dem ErgikTargak-Taiga. Das Thal der Tissa hinaufgehend gelangte er durch den Pass, welcher auf Klaproth's Karte von Central-Asien,,Passage oriental du Ergik-Targak-Taiga" genannt wird, zum See Karabuluk. 1859 kam Radde auf seiner Reise im Tunkinskischen Kreise nach dem Okinskischen Grenzposten und machte von da aus einen Ausflug zum Graphit-Bergwerke des Herrn Alibert am Butogol und südlich auf die Hochebene des Kossogol, von wo aus er den Munku-Ssardyk bestieg.

Vom Okinskischen Grenzposten bis zum Minussinskischen Kreise war der ganze Landstrich noch gänzlich unbekannt. Goldsucher aus Nishne-Udinsk waren durch die Uda- und Birjussa - Thäler bis zu dem Grenzgebirge vorgedrungen; Goldsucher aus dem Minussinskischen Kreise gingen am Amylj hinauf ins Quellgebiet des Flusses und gelangten über den Ergik-Targak-Taiga zu dem Oberlauf des Ssisti - Kem. Aber diese Leute haben Nichts für die Geographie der Gegend gethan; alle Karten dieses Landstrichs sind zum grössten Theil auf Chinesische Quellen begründet, welche Klaproth in seiner „,Carte de l'Asie centrale" bearbeitet hat, ferner auf die Berichte der GrenzKommissäre und des Revisors Pestereff, die Klaproth gleichfalls benutzte. Herrn Kryshin kommt unstreitig das Verdienst zu, die erste Marschroute durch dieses ungastliche Gebiet geführt zu haben, und zwar eine Marschroute, die in Folge hinlänglich genau ermittelter astronomischer Ortsbestimmungen bequem in die Karte eingetragen werden kann. Welche Berichtigungen auf den Karten vorzunehmen sind, erhellt schon daraus, dass die Länge des Udinskischen Vorpostens, der fast auf der Mitte der von Herrn Kryshin zurückgelegten Wegstrecke liegt, von den Angaben Klaproth's fast um 2° abweicht; um so viel nämlich liegt der Vorposten östlicher.

1. Von der Festung Tunka über den Butogol zum Okinskischen Grenzposten. Das Wiesenland am Irkut erstreckt sich nur wenig über den Chandinskischen Posten hinaus, bis zum Bugutu, der auf dem Munku-Ssardyk entspringt und den letzten bedeutenderen rechten Quell - Zufluss des Irkut bildet. Bis hierher gehen zugleich die BurätenJurten, die so zahlreich im Irkut-Thale sind, besonders in der Umgegend von Tunka. Der Feldbau hört schon früher auf, die Borochtoiskischen See'n können ziemlich genau als äusserste Westgrenze des im Irkut - Thale noch möglichen Getreidebaues angenommen werden. Von dem Bugutu aus steigt das Terrain ungemein rasch nach Westen zu. Der See Iltschir, der äusserste Punkt des Quellgebiets des Irkut, ist kaum 70 Werst vom Chandinskischen Grenzposten entfernt; der Irkut hat auf dieser Strecke ein Gefälle von 2500 F. An seinem linken Ufer erhebt sich der 58

Nuku-Daban (7.000 F.), von Süden her schliesst sich ihm der kolossale Munku-Ssardyk (11.400 F.) an. Nördlich vom Irkut streichen die Tunkinskischen Alpen (5.000 bis 6.000 F. mittlerer Erhebung); noch weiter nördlich, ihnen parallel, erhebt sich die Kitoi'sche Gebirgskette, welche Herr Permikin nach Augenmaass für noch höher hält. Nach Norden und NW. ist das mittlere Irkut - Becken vollständig von Bergmassen eingeschlossen und erscheint als weite Thalmulde. Nach Süden zu erheben sich die Berge nicht so steil, der Boden steigt sanfter an, erreicht indess schliesslich dieselbe, wenn nicht noch eine bedeutendere, mittlere

Die gesammte Hochfläche des Kossogol mit einem Areal von fast 4.000 Q.-Werst liegt mehr als 5.500 F. über dem Meeresspiegel und die westlichsten Ausläufer des Chamar - Daban, dessen höchste Gipfel 6.800 F. hoch sind, erheben sich noch, wenn auch in Form von Hügeln, über den Spiegel des See's. Daraus geht hervor, dass die mittlere Erhebung des Terrains südlich vom Irkut-Thale 6.000 F. erreicht. Von dem Vereinigungspunkte des tschorny (Schwarzen) und des bely (Weissen) Irkut an strömt der Fluss fast genau nach Osten. Auf das erste bedeutende Hinderniss stösst er in der Nähe der Bystraja, die sich von rechts her in ihn ergiesst. Hier zwingt ihn ein nördlich streichender Zweig des Chamar - Daban zu langen, scharf gebogenen Windungen. Nach diesen Windungen geht er aus der östlichen Richtung in die nordöstliche Richtung über, die von den im Osten lagernden Granitmassen des Baikal - Gebirges bestimmt wird. Endlich schlägt der Fluss eine rein nördliche Richtung ein, gleich der Angara.

Aus dem Irkut-Thale führt ein einziger, ungemein beschwerlicher Pass über den Nuku-Daban ins obere Thal der Oka, welche nur bis zum Okinskischen Grenzposten bewohnt ist. Von ihm an breitet sich thalabwärts zu beiden Seiten des Flusses ein wüstes Bergland aus auf eine Länge von 200 Werst. Anbau wird erst wieder möglich von da an, wo die grosse Poststrasse die Oka schneidet. Aus dem dicht bevölkerten und vortrefflich angebauten unteren Theile des Oka-Thales führt nicht einmal ein Fusspfad stromaufwärts durch die Bergwüste am mittleren Laufe. Von den obersten Theilen des Oka-Gebiets aus kann man das Graphit-Bergwerk des Herrn Alibert erreichen und von hier aus auf der Winterbahn an die Angara gelangen, doch ist der Weg so beschwerlich, dass auf ihm kein Verkehr zwischen den Thälern der Angara und der Oka Statt findet. Herr Kryshin nahm den Theil des Weges von der Oka zum Graphit- Bergwerk auf. Zuerst geht man das Thal des Kaschtak hinauf, der sich rechts her in die Oka ergiesst, bis zu seiner Quelle, dann, einen sumpfigen Bergrücken überschreitend, geht man zum Tagarchai, einem QuellZufluss des Kitoi; von hier aus gelangt man durch schwer

zu passirende Sümpfe zum Oberlaufe des Butogol, eines Zuflusses der Belaja; hier auf dem Berge gleichen Namens liegt das Graphit-Bergwerk.

Die Bergmasse des Butogol stellt eine Gipfelgruppe der Kitoiskischen Alpenkette dar. Das Kreuz auf der höchsten Spitze erhebt sich gegen 8.160 F. über den Meeresspiegel. Der Schacht liegt südlich vom Kreuze auf einem kuppelförmigen Berge, dessen absolute Höhe 7.160 F. beträgt; er ist nur 210 F. tief geführt.

Nachdem Herr Kryshin auf dem Butogol die Zeit und die Pol-Höhe bestimmt hatte, kehrte er auf demselben Wege ins Oka-Thal zurück. Es erweiterte sich schon vom Norinchoroiskischen Grenzposten an, an Stelle der waldlosen, dicht mit Renthier-Flechte überzogenen Ebenen des Oberlaufes breiteten sich üppige Wiesen aus, auf denen BurätenJurten hingestreut lagen. Die Thalwände erheben sich noch immer hoch und steil, auf der rechten Uferseite sind sie bereits mit Nadelholz bestanden, während die linke Uferseite fortdauernd nacktes Gestein zeigt.

2.

Vom Okinskischen Grensposten zu den Uränchen am Bei-Kem. - Vom Okinskischen Grenzposten aus sollte Herr Kryshin eine Exkursion nach dem Süden machen, den ErgikTargak - Taiga überschreiten und so weit vorgehen, als es ihm die Uränchen gestatten würden. Der Oberst Budogosski hatte das Jahr vorher auf seinem Wege zu den Uränchen überall freundliche Aufnahme gefunden, Herr Kryshin brauchte daher kein entschieden feindseliges Benehmen von Seiten der Bevölkerung zu befürchten. Da der GeneralGouverneur die Erlaubniss ertheilt hatte, auch auf Chinesischem Gebiete Forschungen anzustellen, so musste man die Gunst der Umstände benutzen, um Mittheilungen über die oberen Quell-Zuflüsse des Bei-Kem einzusammeln. Es kam nur noch darauf an, Führer aufzutreiben. Bald waren zwei wegkundige Karagassen gefunden. Von ihnen erfuhr Herr Kryshin, dass der Weg längs des Nordfusses des Ergik-Targak-Taiga nach Westen hin ungemein beschwerlich sei und dass er, um zu dem Udinskischen Vorposten zu gelangen, einen weiten Bogen nach Norden oder nach Süden machen müsse. Selbstverständlich wählte Herr Kryshin den südlichen Umweg.

Den 5. Juli trat er vom Okinskischen Wachtposten aus seine Reise an. Die Karagassen hielten Anfangs den Weg an der Ssenza ein, welche sich oberhalb des Wachtpostens in die Oka ergiesst. An den unteren Theilen des Flusses breitet sich schöner Wiesengrund aus und man trifft häufig auf Buräten - Jurten; die Thalwände erscheinen steil, die Höhen sind mit Nadelholz bestanden. Bald veränderte sich das Landschaftsbild, das Fluss-Thal verengte sich, auf den Höhen rechts und links verschwand der Waldwuchs und zeigte sich nur noch an den Gehängen und auf dem Thal

grunde. Hier machte sich eine eigenthümliche Erscheinung bemerklich. Die Ufer - Berge der Ssenza, die von Westen nach Osten strömt, waren an ihren Südhängen nackt, auf ihren Nordhängen dagegen zeigten sie überall Wald- und Graswuchs. Die gleiche Erscheinung wiederholte sich selbst an den unbedeutendsten Bergen. Da wo die drei Flüsse, welche die Ssenza bilden, sich vereinigen, wird die Vegetation noch ärmlicher. Am Urdugol, an dem hinaufgehend Herr Kryshin zu den Bergen der Wasserscheide gelangte, wuchs nur an einzelnen Stellen kümmerliches Gras, die unabsehbaren Tundren waren mit verkrüppelten Lärchen, hie und da mit missgestalteten Cedern und mit kolossalen Felsstücken bedeckt. Bevor er den Pass erreicht hatte, stellte Herr Kryshin im Urdugol-Thale eine barometrische Messung an, dieselbe ergab 5.770 F. über dem Meeresspiegel. Auf der Höhe des Passes (über 6.000 F.) hört jeder Baumwuchs auf, Moose und Flechten überziehen den steinigen Boden, in den Schluchten rings umher starrt ewiger Schnee; über den rasch hinströmenden Gletscherbächen wölben sich tief herabhängend Dächer aus durchscheinendem Eise, das die ganze Breite der Schluchten erfüllt, unter denselben tobt das Wasser wie in einer mächtigen Röhre, deren Durchmesser 2 bis 7 F. beträgt; man kann gefahrlos, selbst mit Packpferden, über die Eisdächer reiten.

Vom Passe aus steigt man im Zickzack an der furchtbar steilen Thalwand zum Isyk-Ssuk (Heisses Wasser) hinunter. In seinem engen Thale stösst man häufig auf kohlensaure Quellen, an vielen Stellen sprudeln sie unmittelbar aus dem Gestein hervor, an anderen verrathen ihr ehemaliges Dasein thurmartige haushohe Ablagerungen, wahrscheinlich Niederschläge aus kohlensaurem Kalk. Herr Kryshin folgte dem Thale des Isyk-Ssuk bis zur Mündung der Tarpa, welche sich links her in denselben ergiesst. Die kohlensauren Quellen des Tarpa-Thales sind weithin berühmt, sie werden nicht bloss von den Russischen, sondern auch von den Chinesischen Grenznachbarn eifrig besucht, Leute aus fernen Gegenden suchen sie auf. Die Mineralwasser an der Tarpa liegen nach den barometrischen Messungen des Herrn Kryshin 5650 F. über dem Meeresspiegel. Aus dem Tarpa-Thale führt der Weg zuerst in ein 5 Werst langes Querthal und aus diesem über eine Bergkette zu einem der Quell-Zuflüsse des Ssoruk. Isyk-Ssuk und Ssoruk sind die äussersten östlichen Quell - Flüsse des ChamsaraKem. Über ihr Quell-Geäder erfuhr Herr Kryshin Folgendes. Der Isyk-Ssuk ergiesst sich, nachdem er links die Tarpa und den Schan, rechts den Ussje aufgenommen, links her in den Shoigon, den dritten Quell-Fluss des Chamsara-Kem. Der Shoigon nimmt in seinem oberen Laufe den Arek auf, dessen Quell-Bäche in derselben Gegend entspringen, aus welcher die des Dshumbuluk herabkommen, der 5 Werst

unterhalb des Okinskischen Wachtpostens sich in die Oka ergiesst. Die äusserste Quelle des Isyk-Ssuk liegt in der Nähe der Stelle, wo der südlichste der drei Quell-Flüsse der Ssenza, entspringt. Ein Quell-Fluss der Tarpa hat seinen Anfang auf demselben Berge, aus dem die Tissa hervorkommt, ein anderer ist den Oberläufen des Bei - Kem und des Ssoruk benachbart. Der Lauf des Doi-Kem, eines linken Zuflusses des Ssoruk, führt unmittelbar an dem QuellGebiete des Bei-Kem vorüber. Demselben folgend gelangte Herr Kryshin aus dem Quell-Gebiete des Ssoruk in das des Bei-Kem und überschritt die Oberläufe der rechten Zuflüsse desselben. Weiter in westlicher Richtung vorgehend gelangte er zum Assass, so wird nämlich der Doro - Kem genannt, bevor er den Dudshi-Nor durchströmt hat. Der Oberlauf des Assass liegt 6.600 F. über dem Meeresspiegel. Von den Quellen der Ssenza bis hierher beobachtete Herr Kryshin nur selten eine bedeutend niedrigere Bodenerhebung.

Der auf dieser Höhe zurückgelegte Weg beträgt gegen 75 bis 80 Werst, doch wird die Breite der ganzen Hochlandsmasse wohl kaum 50 Werst betragen. Die Hauptrichtung der Flüsse, welche von ihren beiden Hängen herabkommen, steht senkrecht zum Meridian; der Ergik-TargakTaiga trifft in rechtem Winkel auf den östlichen Sajan, der die Zwillings - Quellströme des Jenissei, den Bei-Kem und den Chua-Kem, scheidet. Wir besitzen nicht hinlänglich genaue Kunde davon, ob der Ergik-Targak-Taiga von den Oberläufen des Dshumbuluk und Shoigon an aus seiner nördlichen Richtung in eine nordöstliche übergeht, wie unsere Karten angeben, oder ob er seine nördliche Richtung einhält und auf dem Parallel des Udinskischen Vorpostens von einer Gebirgskette durchkreuzt wird, die dem östlichen Sajan parallel streicht. Die Karagassen und Uränchen konnten Herrn Kryshin darüber keine Auskunft geben. Erst nach Eintragung der Marschroute in die Karte nach den astronomisch bestimmten Punkten stellte es sich klar heraus, dass der Ergik-Targak-Taiga zwischen der Oka und dem Bei-Kem sich von Norden nach Süden erstreckt, die Oberflächen-Gestalt des Terrains giebt davon keine Vorstellung. Die ganze Gegend ist ein Hochplateau, auf dem nicht eine einzige Bergkette emporragt, nach der die Richtung der Erhebungsachse bestimmt werden könnte. Zu Seiten des engen Weges dehnen sich hohe, breite, steil abstürzende Bergmassen aus mit leicht gewölbter Oberfläche, ihre senkrechte Erhebung erscheint unbedeutend verglichen mit ihrer Ausdehnung nach Länge und Breite. Die Gegend ist wild, öde und wirkt niederdrückend auf die Stimmung des Reisenden. Man sieht Nichts als schwarze nackte Felsen, schmutzig-weissen Schnee und graue Renthier-Flechten, welche in dicken Schichten die Steintrümmer überziehen. Hie und da trifft der Blick auf ein Paar Lärchenbäume

mit vertrockneten Wipfeln und auf wüstes Cederngestrüpp. Selbst in diesen Einöden stösst man auf vereinzelte Jurten der Uränchen, welche sich hier mit der Jagd auf Hirsche beschäftigen.

Vom Assass aus setzte Herr Kryshin seinen Weg weiter nach Westen fort und überschritt den Ulugg-Basch, der sich in den Bei-Kem ergiesst, dann ging es allmählich abwärts ins Thal des Bei-Kem, den er endlich 14. (26.) Juli erreichte; aber auch hier befand er sich noch 3.100 F. über der Meeresfläche. Die Gegend am Ober- und Mittellauf des UluggBasch zeigt dieselbe armselige Vegetation wie das Thal der Ssenza, aber dann begann die Landschaft plötzlich im üppigsten Pflanzengrün aufzuleben. Kiefern, die Herr Kryshin zum letzten Male am Irkut beim Turanskischen Posten gesehen hatte, zeigten sich wieder beim Übergang aus dem Thale des Ssernigoi über einen niedrigen Bergrücken in die weite fruchtbare Ebene des Bei-Kem. Hier trat Herrn Kryshin der üppigste Graswuchs entgegen, die höchsten Grasstengel überragten Ross und Reiter.

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3. Im Lande der Uränchen. An der Stelle, wo Herr Kryshin den Bei-Kem erreichte, bildet der Fluss eine grosse Insel. Fast der Mitte der Insel gegenüber mündet ein Flüsschen, das aus einem See kommt und auf halbem Laufe rechts her einen Bach aufnimmt; zwischen diesem Bache und dem Bei-Kem liegt der grosse Uränchische Kurenj (Tempeldorf). Er wird von kleinen, viereckigen, hölzernen Häusern gebildet, welche dicht neben einander stehen, jedes von einem Zaun aus dünnen Stangen umgeben. In jedem Kurenj befindet sich ein Tempel, Dazän genannt, in dem die Uränchen zugleich ihre Kostbarkeiten aufbewahren. Übrigens wird der Kurenj nur im Winter bewohnt, den Sommer über nomadisiren die Uränchen in seiner Nähe und wohnen unter Filz-Jurten. Jeder Stamm besitzt nur Einen Kurenj. Man zählt im Ganzen 6 Uränchen-Stämme. Der erste derselben bewohnt die Ufer des Kossogol, der zweite das obere Gebiet der Sselenga, die übrigen wohnen am Bei-Kem, an den unteren Theilen des Chua - Kem und längs des Ulu - Kem. Unter den letzteren leben die Darchaten, welche dem Kutuchtu in Urga unterthan sind. Durch sie werden die Uränchen in östliche und westliche geschieden. Ihr Gebiet umfasst die Quell-Zuflüsse des Chua-Kem (Schischkit, Uru, Tengiss) und die Querkette, welche den östlichen Sajan mit den Bergen der Wasserscheide dieser Flüsse verbindet. Die Darchaten werden von drei Lamas und den Ältesten der Geschlechter regiert, ihre Sprache ist Mongolisch; am Schischkit liegt ihr grosser und reicher Kurenj.

Die Uränchen sind rechtschaffen und friedlich, die Darchaten berüchtigte Diebe und Zänker. Sie machen die Vermittler bei den Handelsgeschäften der Uränchen am Kos

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Die Uränchen (richtiger Urän-Chai oder Uläng - Chai) zerfallen der Lebensweise nach in Hirsch-Uränchen, die in den grasarmen, aber wildreichen Gegenden an der Grenze als Jäger ihr einsames Leben armselig hinbringen; es sind die Stämme Akt- Dshet, Chara - Dshet und Choiek, und in viehweidende Uränchen, deren Gebiet die üppigen Grasflächen an den Stromläufen umfasst; es sind die AktDodot und die Chara-Dodot. Jeder der Stämme wird von einem Häuptling-Danaïn-in patriarchalisch-despotischer Weise regiert. Den Danaïn wählt die Chinesische Regierung, der Sohn folgt dem Vater nur in dem Falle, wenn er von ihr zum Nachfolger ernannt worden ist. Dagegen greifen die Chinesischen Beamten, welche in Ulässutai residiren, nicht in die Regierungsthätigkeit des Danaïn ein. Die Häuptlinge sind verpflichtet, ein Mal im Jahre in Ulässutai zu erscheinen und den Tribut, der zu drei Zobelfellen für die Seele berechnet wird, einzuliefern, wogegen sie Ehrengeschenke aus dem Schatze des Bogdy-Chan erhalten. Da ihnen die Grenzvertheidigung übertragen ist, so haben sie nach Ulässutai über Alles zu berichten, was an der Grenze vorgeht. In Folge der schwierigen Kommunikation zwischen den entlegenen Grenzstrichen und dem eigentlichen China treffen die Berichte nicht immer rechtzeitig ein. Am Kossogol übrigens, von wo aus man rasch und bequem nach China gelangen kann und wo sich seit dem Auftreten der Russen ein regelmässiger Handelsverkehr zwischen ihnen und den Grenz-Stämmen entwickelt hat, ist von der Chinesischen Regierung ein besonderer Beamter (Tussulaktschi) eingesetzt worden, der die Grenze zu überwachen hat und dem die Danaïns untergeordnet sind.

Gleichen Rang mit den Danaïns nehmen ihrer Geltung nach die Priester (Lamas) ein. Der Oberpriester, ChambaLama, ist immer ein Bruder, Sohn oder nächster Verwandter des Danaïn. Als Herr Kryshin ins Land kam, war ChambaLama im Dazän am Bei-Kem ein bedeutender Mann, Schuban-Kelym, der ältere Bruder des Danaïn Saidypa. SchubanKelym übte einen mächtigen Einfluss auf die 4 Stämme der West-Uränchen aus. Unter dieser viehzüchtenden Völkerschaft giebt es einige reiche Heerden - Besitzer, deren Vermögen aus mehr als 1.000 Stück Vieh besteht; die

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