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Gerhard Rohlfs' Reise von Algier gegen Timbuktu hin.

I. Abschnitt: Von Algier über Laghuat bis Abiod Sidi Scheich, August bis Oktober 1863.

Die schweren Opfer, welche die Erforschung von InnerAfrika im vergangenen Jahre abermals gefordert hat, der noch frische Schmerz über den Tod des tüchtigen Steudner, welcher dem tückischen Klima der wasserreichen HeidenLänder weit südlich von Darfur erlag, und des kühnen, energisch vorwärts dringenden v. Beurmann, der an der Westgrenze des mohammedanischen Wadai hingemordet wurde, lassen nur mit Bangen an das Schicksal der muthigen Männer denken, die, von mächtigem Forscherdrange beseelt, trotz aller warnenden Beispiele in die gelichtete Reihe der Afrikanischen Reisenden eintreten, um an der grössten geographischen Aufgabe der Gegenwart mitzuarbeiten. Immer nur Einzelnen unter Vielen ist es gelungen, ein bedeutenderes Stück des grossen Afrikanischen Kontinentes der Wissenschaft zu erobern, bei weitem die Meisten wurden nach kurzem Kampfe zurückgeschlagen oder büssten ihre edle Kühnheit mit dem Tode und selbst die wenigen Auserwählten konnten selten das zuerst erstrebte Ziel erreichen, fast immer wurden sie nach anderen Gegenden verschlagen. Handelt es sich nun vollends um eine Reise nach Timbuktu, so werden die Besorgnisse. noch durch den gefahrdrohenden Umstand erhöht, dass sich jene berühmte Stadt gegenwärtig in der Gewalt des fanatischen Hadj Omar, des erbitterten Franzosen-Feindes, befinden soll, von welchem einem aus Algerien kommenden Europäer das Schlimmste bevorsteht. War es doch schon vordem ein waghalsiges Unternehmen, die Stadt zu betreten. Der ritterliche Major Laing, der einzige Europäer, der von Norden her nach Timbuktu gelangt ist, nachdem er unterwegs von Tuareg angefallen und beinahe erschlagen worden, musste, von den Fulbe ausgewiesen, die Stadt schon nach kurzem Aufenthalt (18. August bis 22. September 1826) wieder verlassen und fiel wenige Tage darauf durch die Hand des ihn Geleitenden; welchen ernsten Gefahren von Seite derselben Fulbe aber Dr. Barth ausgesetzt war, so lange er in Timbuktu weilte, ist aus seinem Werke hinlänglich bekannt.

Wir können daher unseren wackeren Deutschen Landsmann, Herrn Gerhard Rohlfs aus Vegesack, nur mit bangen Gefühlen auf seinem gefahrvollen Wege nach Timbuktu begleiten; ob er einer der wenigen Auserwählten sein. wird? ob er zurück weichen muss oder gar die schon ohnehin so grosse Zahl der Opfer vermehren wird? Diess liegt in Petermann's Geogr. Mittheilungen. 1864, Heft 1.

der Hand der Vorsehung. Kühn und doch besonnen zugleich schreitet er vorwärts. Schon ein Mal war er dem Tode nahe, als er in der Marokkanischen Sahara von seinem Führer meuchelmörderisch im Schlafe überfallen und mit Wunden bedeckt hülflos liegen blieb, bis nach mehreren Tagen barmherzige Marabuts ihn retteten, die gekommen waren, den vermeintlich Todten zu beerdigen. Noch ist sein linker Oberarm, dessen Knochen damals durch einen Schuss zerschmettert wurde, nicht vollständig geheilt, aber Muth und Selbstvertrauen sind geblieben und die überstandenen Gefahren werden seine Vorsicht erhöhen. Ein langer Aufenthalt in Marokko und Algerien, die Reise durch die Marokkanische Sahara im J. 1862 1) haben ihn mit dem Orientalischen Leben, mit Sprache und Sitte vertraut gemacht, er ist kein Neuling, Erfahrungen aller Art, Gewöhnung an Strapazen, Ungemach und Entbehrungen sind seine wichtigen Bundesgenossen und die rühmliche Munificenz des Senats der Freien Stadt Bremen hat es ihm möglich gemacht, sich gut auszurüsten. Sein Unternehmen ist daher, so weit seine Persönlichkeit in Betracht kommt, nicht ohne Aussicht auf Erfolg: möchte es ihm gelingen, die schwierige Aufgabe durchzuführen, als erster Europäer von Algerien über Timbuktu nach dem Senegal sich durchzuschlagen und nicht nur den Preis, den die Geographische Gesellschaft zu Paris auf diese That gesetzt, zu erringen, sondern vor Allem den daran geknüpften hohen Ruhm zu erkämpfen!

Gerhard Rohlfs hat im August 1863 von Algier aus seine Reise nach Timbuktu angetreten, die letzten uns zugekommenen Nachrichten datiren vom 19. Oktober aus Abiod Sidi Scheich südlich von Geryville, wo er bei längerem Aufenthalt seine Ausrüstung vervollständigte. Bis dahin hat er nicht Gelegenheit gehabt, neuen Boden zu betreten, aber sein Tagebuch enthält doch schon Manches von Interesse, sowohl über Land und Leute im westlichen Theile der Algerischen Sahara als über seine eigenen Verhältnisse und Aussichten in Bezug auf die bevorstehende grosse Reise. Wir drucken daher das Tagebuch, so weit es uns bis jetzt zugegangen ist, mit wenigen Kürzungen hier ab. Karavanserail Ain - Aissera, den 29. August 1863. So bin ich denn unterwegs und schon über 200 Kilometer

1) Siehe,,Geogr. Mitth." 1863, SS. 361-370.

1

von Algier entfernt. Ich fange mein eigentliches Tagebuch noch nicht an, da diese Gegend eben so wie die BeniMzab, die ich noch durchlaufen werde, hinlänglich durch Französische Reisende bekannt sind, sondern will nur Einzelnes erzählen. Den letzten Abend in Algier sprach ich noch mit Herrn Berbrugger, er meinte, es müsste mich Jemand bei Martimprey angeschwärzt haben, sonst könne er es sich nicht erklären, dass mich derselbe ohne Staatsunterstützung ziehen lasse. Doch es ist mir so fast eben so lieb, mein Verdienst wird um so grösser sein, und wenn ich mit vielem Gepäck die Strasse gezogen wäre, auf der ja vorher Major Laing umgekommen ist, so stände mir vielleicht ein gleiches Schicksal bevor; unscheinbar aber, wie ich reise, glaube ich Nichts zu befürchten zu haben. Der Weg bis Boghar über Blidah und Medeah ist sehr schön, immer bewaldetes Gebirge. Medeah, dem Umfang nach so gross wie Milianah, liegt sehr hoch und es war denn auch recht frisch, als ich am Morgen nach meiner Ankunft um 5 Uhr aufwachte, das Thermometer zeigte 13° R. Ich stellte mich mit einem Empfehlungsbriefe dem General vor, der mich sehr zuvorkommend empfing und mir einen Empfehlungsbrief an den Commandant supérieur in Laghuat schrieb. Boghar, ein alter kleiner Arabischer Ksar (aus Steinen gebautes Städtchen oder Dorf), das hoch oben auf einer Bergkuppe liegt, hat sich recht durch die Franzosen gehoben, wegen seiner vortheilhaften Lage hat es beständige militärische Besatzung und so sieht man jetzt über den alten grauen Arabischen Mauern schöne Europäische Häuser hervorragen. Die Gegend ist schrecklich öde, über Boghar hinaus gegen Süden fängt die Kleine Wüste an, die in jeder Beziehung einförmiger und unfruchtbarer als die Grosse ist, eben so ist sie, weil aus einem Hochplateau bestehend, bedeutend ärmer an Wasser. Die Grosse Wüste nimmt, wenn man von Algier aus südwärts geht, mit Laghuat ihren Anfang.

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Die Leute wissen nicht, was sie aus mir machen sollen. In Blidah war ich im Hôtel Périgord abgestiegen, und als ich mich Abends zu Tische setzte, kam die Wirthin und fing folgendes Gespräch mit mir an: „Pardon, der Herr ist dem Aussehen nach doch kein wirklicher Araber?" ,,In der That, nein." Warum haben Sie denn Ihre Haare abgeschoren und tragen Araber - Tracht?" ,,Weil mir das wegen des Klima's besser gefällt." ,,Der Herr sind der Aussprache nach Engländer." ,,Um Verzeihung, nein." -,,Da weiss ich wirklich nicht, wenn Sie kein Franzose sind, wer Sie sind." ,Wünschen Sie meinen Pass zu sehen, Madame?" ,,Mein Gott, nein, Sie sind aber jedenfalls ein Engländer." Damit ging sie hinweg. Unterwegs hielten mich die Franzosen oft für einen Spahi, die Araber für einen Türken, ich lasse sie bei ihrem Glauben. Die Wirthin einer kleinen Zwischen

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station meinte, ich sei ein Missionär, der auszöge, die Mohammedaner und Heiden zu bekehren, und stellte sich deshalb sehr fromm.

Hospital von Laghuat, den 4. September. Von Medeah bis Laghuat sind es 18 Etapen und ausser den Dörfern Boghar und Djelfa hat man ungefähr alle 40 Kilometer ein Karavanserail und zwischen den Karavanserails Posten, die von Spahis, welche den Courierdienst versehen, besetzt sind. In dem Karavanserail, in welchem ich gestern logirte, feierte man die Hochzeit der Tochter. Der Mann aus Djelfa hatte zufällig erfahren, dass ich Afrika-Reisender sei, was mir denn die Ehre verschaffte, zum Abendessen eingeladen zu werden. Da gab es Wild, als Rebhühner, Hasen, Kaninchen u. s. w., in Menge, aber ausser einem aus Djelfa beigeschafften Salat nichts Vegetabilisches. Es war also ein förmliches Fleischgerichtsmahl, denn ausser dem Wilde trug man natürlich auch Ochsenfleisch, Hammelbraten, Hühner und Enten auf; nur beim Nachtisch waren Früchte aus Laghuat reichlich vertreten.

Heute Morgen endlich sah ich den Palmenwald von Laghuat vor mir, eine grosse herrliche Oase, obgleich die Palmen noch nicht das üppige Grün haben, wie in den südlicheren Oasen, die ich voriges Jahr durchreiste. Ich verirrte mich Anfangs in den Gartenstrassen, welche wie in allen Wüsten-Oasen von hohen Thonmauern eingefasst sind, gelangte aber doch endlich zur Stadt selbst. Der Kommandant empfing mich auf die zuvorkommendste Art und gab mir die Versicherung, mich mit Empfehlungsbriefen, einem Führer und Maulthier versehen zu wollen, so weit die Französische Autorität reiche. Ich sagte ihm, dass ich diess nur bis Abiod Sidi Scheich wünsche, wohin ich zunächst mich begeben wolle. Sodann bat ich ihn um Erlaubniss, auf einige Tage ins Hospital treten zu dürfen, und auch diese Bitte wurde sofort gewährt. Ich bin nämlich von Djelfa an zu Fuss gegangen, da mir das Reiten zu theuer kam; war es nun von der Anstrengung oder der Hitze, am zweiten Tag schwoll mein linker Oberarm bedeutend an. Ich wusste, was das zu bedeuten hatte, nämlich dass eine der Wunden wieder aufbrechen würde; diess wird mir wohl noch oft passiren, ich sehe aber, dass es nicht gefährlich ist. Gestern hatte sich Eiter an der unteren Oberarm-Wunde angesammelt, ich machte einen Einstich und hatte diesen Morgen die Freude, den Arm in seinem natürlichen Zustand zu sehen, ausgenommen, dass die Wunde noch stark eitert.

War ich schon in Geryville gut aufgenommen, so war ich es hier noch weit besser; dort musste ich mit allen Leuten in Einem Zimmer sein, weil keine Offizierzimmer vorhanden waren, hier dagegen habe ich mein eigenes Zimmer, eigene Bedienung und gute Kost. Ich denke in einigen Tagen wieder hergestellt zu sein. Das Hospital

liegt auf einem Felsen und ich übersehe von meinem Zimmer einen grossen Theil der Stadt so wie fast die ganze Oase. Das Haus des Gouverneurs, am grossen Platze gelegen, ist sehr schön, das Empfangszimmer fürstlich; Laghuat ist aber auch ein wichtiger Ort und wird, wenn erst weiter gegen Süden Garnisonen verlegt werden (unterworfen ist das Land bis Uargla, Metlili und Golea), Sitz eines Generals werden.

Tadjmut, den 13. September. Gestern habe ich Laghuat verlassen und bin nun auf dem Wege nach Abiod Sidi Scheich. Nach viertägigem Aufenthalt im Hospital blieb ich noch drei Tage in Laghuat, um eine Karawane abzuwarten. Gestern bin ich denn auch in Begleitung einer solchen aufgebrochen, obgleich ich eben so gut allein hätte reisen können, weil man hier, wo die ganze Gegend den Franzosen unterworfen ist, noch Nichts zu befürchten hat. Der Kommandant von Laghuat hat sich äusserst liebenswürdig gegen mich benommen und mir einen Empfehlungsbrief an den Marabut von Ain-Mahdy geschrieben, wohin ich morgen komme (heute halte ich Ruhetag, da ich so langsam wie möglich reise, theils um meine Kräfte zu schonen, theils um Bekanntschaften anzuknüpfen, die mir später vielleicht von grossem Nutzen sein können). Dieser Marabut ist ein sehr einflussreicher Mann, der grosse Güter, unter Anderem Haus und Hof in Ain-Salah besitzt. Der Kommandant schrieb ihm, mir einen Empfehlungsbrief für Ain-Salah auszufertigen, was mir von grossem Nutzen sein würde, da die nach Timbuktu bestimmten Karawanen von Tunis, Tripoli, Tuggurt, Tuat, Tafilet u. s. w. dort zusammentreffen. In Ain-Mahdy werde ich wohl einige Tage bleiben und dann über Tadjruna nach Abiod Sidi Scheich gehen.

Obgleich ich jetzt sehr langsam reise, werde ich doch vielleicht meine Reise schneller beendigen, als ich berechnet habe, denn später werde ich mich freiwillig nirgends lange aufhalten, wenn nicht Gewalt oder Umstände mich zwingen, sondern sobald ich die nöthigen Renseignements genommen, weiter eilen, um möglichst bald in Bakel einzutreffen. Ich werde diess schon deshalb thun, um wo möglich Konkurrenten zuvorzukommen, denn ich glaube stark, dass sich irgend ein Franzose aufmachen wird, um von Algerien über Land nach dem Senegal vorzudringen. Man sprach in Algier von einem Geometer, der die Absicht habe, sich dem zu unterziehen. Es bot sich mir selbst noch am letzten Tage in Algier ein Architekt, der bei den Hafenbauten beschäftigt war, zur Begleitung an unter der Bedingung, dass er die Hälfte der ausgesetzten Prämie bekomme, der Mann sprach aber kein Wort Arabisch und hatte von solchen Reisen überhaupt die sonderbarsten Begriffe.

Der Weg von Laghuat bis Tadjmut ist entsetzlich öde

und einförmig, immer kahle Berge und steinige Ebenen, Wo nur Halfa (Stipa tenacissima) und Schih (Artemisia odorata) fortkommen. Um so lachender und erfreulicher erscheint Einem dann die Oase, wenn man von Weitem die hohen Palmwipfel und unter ihnen das üppige Grün der Feigen, Aprikosen, Mandeln, Pfirsiche u. s. w. wahrnimmt. Tadjmut ist ein Dörfchen von 60 Häusern, amphitheatralisch an einem Berge hinaufgebaut, während die Gärten sich am Fusse in einem Halbmond herumziehen. Ich fand beim Kaid eine offene Aufnahme und für den, der sich über Schmutz u. s. w. hinwegsetzen kann, war auch das Essen nicht übel. Ich hielt mich hauptsächlich an den grossen Obstkorb voll Trauben, Feigen und Pfirsiche, den mir der Kaid zwei Mal des Tags zuschickte. Auch mit Kaffee bewirthete er mich, die Freude an dem guten Geschmack desselben wurde aber einigermaassen gedämpft, wenn ich daran dachte, dass er den Zucker jedes Mal aus seinem nicht eben zu sauberen Taschentuche herauswickelte. Sein Sohn brachte gesottene Eier abgeschält in der Hand und legte sie in Ermangelung eines Tisches vor uns auf den Teppich, auf dem vielleicht kurz vorher Einer mit seinen ungewaschenen Füssen umhergelaufen war. Über dergleichen Kleinigkeiten muss man sich hinwegzusetzen wissen, so Etwas kommt alle Tage vor. Im Ganzen war der Kaid Aïssa (Jesus auf Deutsch) ein sehr gastfreundlicher und, wie alle Kaids, die Franzosen liebender Mann.

Ain-Mahdy, den 14. Septbr. Gegen 10 Uhr Morgens bin ich hier eingetroffen, Ain-Mahdy ist nicht weit von Tadjmut entfernt. Es liegt ebenfalls auf einer kleinen Anhöhe, um welche sich die Oase herumzieht. Das Haus der Schürfa1) und die Moschee sehen recht stattlich aus. Hier wohnen nämlich nicht Marabuts (Abkömmlinge der Jünger des Propheten oder eines hervorragenden Heiligen), sondern, wie ich gestern erfuhr, Schürfa (Abkömmlinge des Propheten), zugleich ersehe ich auch, dass der Empfehlungsbrief nicht an den einflussreichen Scherif gerichtet ist, sondern an den Kadi. Diess Versehen ist wahrscheinlich auf dem Bureau arabe geschehen, ob absichtlich, weiss ich nicht, doch schien sich der Chef des Bureau etwas piquirt zu fühlen, dass ich ausschliesslich die Dienste des Commandant supérieur in Anspruch nahm. Meine Aufnahme beim Kaid lässt übrigens bis jetzt Nichts zu wünschen übrig.

Ain-Mahdy, den 15. Septbr. So eben komme ich vom Scherif zurück, der im Sommer ein Landhaus ausserhalb der Stadt bewohnt; er ist Mulatte, noch jung und fängt an, sich zu civilisiren, er ist im Besitz eines Wagens. Seinem Vater hat er in einer Kobba (Dom) im Ksar

1) Plural von Scherif.

ein sehenswerthes Grabmal bauen lassen, zu dem jetzt

eifrig gewallfahrtet wird.

Ain-Mahdy, etwa so gross wie Tadjmut, ist für eine Araber-Stadt gut befestigt, denn die krenelirte Ringmauer ist, wie auch die meisten Häuser, von Steinen aufgeführt. Es hatte seiner Zeit einen harten Angriff Abd-el-Kader's auszuhalten, der sich des dem Scherif gehörigen Landhauses bemächtigte und das Wasser, welches von dort aus die Stadt versorgt, abschnitt. Er beschoss die Stadt auch mit Kanonen, konnte derselben aber doch nicht Herr werden. Mit dem Falle Abd-el-Kader's und nach der Einnahme von Laghuat erkannten die Bewohner von Ain-Mahdy freiwillig die Französische Herrschaft an, das Beste, was sie thun konnten. Die Bewohner zeichnen sich durch Reinlichkeit aus und ihre Gesichtszüge sind schöner als bei den Bewohnern der umliegenden Ksar. Morgen werde ich den Djebel Amur betreten, wo der erste Ksar, den ich antreffe, Reischach) heisst.

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Reischach, den 18. Septbr. In Ain-Mahdy habe ich dennoch zwei Empfehlungsbriefe erhalten, einen für Timimun und einen anderen an einen Tuareg - Häuptling. Der Weg hierher ist entsetzlich oder vielmehr es existirt gar kein Weg, man hat eine Kette des Djebel Amur zu übersteigen, wo die Maulthiere kaum fortkommen können. Reischach ist eine schöne Oase, wegen der bedeutenden Höhe hat sie zwar keine Datteln, aber Trauben, Pfirsiche und Feigen sind im Überfluss vorhanden und ich schwelge alle Tage in diesem herrlichen Obste. In Tadjmut und Ain-Mahdy fängt man an, Baumwolle zu ziehen, die, wie ich mich selbst überzeugt habe, ausgezeichnet geräth, hier gedeiht sie wegen des kalten Klima's nicht, dagegen zieht man hier ausgezeichnete Kartoffeln. Reischach ist ferner berühmt wegen der Schönheit seiner Frauen und ihrer Leichtsinnigkeit, die wohl daher rühren mag, dass früher ein Bureau arabe hier bestand.

Tauielah, den 19. Septbr. Ich muss mich, nach der Kälte zu urtheilen, beinahe 1500 Meter über dem Meeresspiegel befinden. Mein Thermometer erreicht nie mehr als 20° des Nachmittags und die Nächte sind ordentlich kalt. Hier muss das Klima dem in Nord-Deutschland ähnlich sein, nur dass die intensive Hitze der Juli- und Augustsonne noch Feigen und Pfirsiche zur Reife bringt. Wein wird wenig mehr gezogen, die Kartoffeln, und der Mais gedeihen als zweite Ernte ausgezeichnet. Die Oase hat ein blühendes Aussehen und wird durch zwei starke Quellen reichlich ernährt, der Ort selbst sieht aber armselig aus, die Häuser sind roh und schlecht gebaut.

Der Kaid empfing mich wie gewöhnlich zuvorkommend, einige Bewohner aber, die meine Europäische Reisetasche

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auffallend fanden, schienen ihm Zweifel an meiner DeutschTürkischen Herkunft einzuflössen und trotz meines Empfehlungsbriefes verlangte er meine,,Karta" zu sehen, wie die Eingebornen eine Art Passkarte nennen, welche das Bureau arabe ihnen im Reisefall ausstellt. Ich glaubte Anfangs, er wolle scherzen, und erklärte ihm, ich besässe keinen Pass, da ich aber sah, dass er es ernstlich und amtlich meinte, präsentirte ich ihm mein gestempeltes Hospital-Billet von Laghuat. Sobald er den blauen kaiserlichen Adler sah, fand er sich vollkommen beruhigt und die Grösse des Zettels und die vielen gedruckten Linien schienen ihm noch einmal so viel Respekt einzuflössen als eine gewöhnliche Passkarte.

Rassul, den 25. Septbr.

Von Reischach bis hierher bin ich mit einer Karawane der Uled-Sidi-Scheich gereist und habe die Dörfer Homeida und Boalam ') passirt, ohne jedoch einzukehren, weil die Karawane immer in den Duar anhielt, die hier sämmtlich von den Marabuts der Uled-SidiScheich bewohnt sind. Ihre Zelte zeichnen sich dadurch

aus, dass oben auf der Spitze drei Straussenfederbüsche angebracht sind, etwa in der Art, wie man sie auf Wappenhelmen sieht. Erblickt man von Weitem die drei Federbüsche, so kann man sicher sein, dass die Zelte den Uled-Sidi-Scheich angehören. Es ist diess der verbreitetste Stamm in diesem Theil der Wüste, ihre Duar erstrecken sich bis weit südlich von Golea hinaus. Ihr angestammter Herrscher ist Sidi Sliman - ben - Hamsa, dessen Vater sich den Franzosen freiwillig unterwarf und die BaschaghaWürde empfing. Sidi Sliman-ben-Hamsa residirt als echter Wüstensohn bald hier, bald da in seinem grossen Zelt, für den Augenblick ist er in Abiod Sidi Scheich, einer kleinen Stadt, wo seine Vorfahren begraben liegen und wo sie eine Sauija gegründet haben. Übermorgen werde ich bei

ihm sein.

Arba-taschtani, den 2. Oktober. Durch die Umstände gezwungen musste ich länger, als ich wollte, in Rassul bleiben. Auf dem Wege fand ich in Keragheda keinen Menschen, der mich bis hierher geleiten wollte, die gesammte männliche Bevölkerung, mit Ausnahme eines Greises und eines eben erst gekauften, aus dem Sudan gekommenen Sklaven, war auf Reisen, ich sah mich also genöthigt, wieder nach Rassul zurückzukehren und daselbst eine Karawane abzuwarten. Ich logirte mich wieder beim Kaid ein, der mich gleich Anfangs gut aufgenommen hatte, obgleich ich nicht an ihn empfohlen war. Vorgestern fand ich endlich Gelegenheit, mit einer Karawane abzureisen, aber kaum aus den Thoren überfiel uns ein so gewaltiger Regen, dass ich nochmals umgekehrt sein würde, wenn

1) El H'amouïda und Bou A'lam in Daumas',,Le Sahara Algérien". A. P.

ich allein gewesen wäre. Dabei war es so kalt, dass mein Thermometer auf 13° C. sank. Endlich erreichten wir gegen 2 Uhr Nachmittags Keragheda. Um mich zu er'wärmen, war ich abgestiegen, aber alle meine Kleider waren triefend nass, und als die Leute noch weiter ziehen wollten, widersetzte ich mich entschieden; da auch keine Aussicht war, dass der wolkenbruchähnliche Regen nachliess, so gaben sie nach und wir vertheilten uns in die verschiedenen Häuser und Zelte. Keragheda ist ein zerstörtes Dorf, aus drei den Einfall drohenden Häusern und neun zerrissenen Zelten bestehend. Ich wurde beim Kaid, der Bu-kabodja (Vater der Melonen) hiess, einlogirt. Er hatte sein Zelt in der Mitte des Stromes aufgeschlagen, der fast das ganze Jahr hindurch ohne Wasser ist, gegen Abend jedoch schwoll er an, das Wasser trat in der Nacht bis an unser Zelt und ich fürchtete alle Augenblicke, dass es ins Zelt selbst eindringen werde, doch verlief es sich bis zum Morgen wieder, da schon am Abend der Regen aufgehört hatte. Wir waren die ganze Nacht auf einer kleinen Insel von 20 Fuss Durchmesser gewesen.

Am Abend langten wir in Arba-taschtani an, das nur eine halbe Tagereise von Abiod Sidi Scheich entfernt ist, und ich würde schon heute dahin aufgebrochen sein, wenn mich nicht meine linke grosse Zehe an jeder Bewegung verhinderte. Ob der Regen oder die Kälte die Schuld trägt, genug, sie ist angeschwollen und verursachte mir gestern einen solchen Schmerz, dass ich, der ich doch eine gute Portion Schmerzen ertragen kann, mich kaum zu retten wusste. Die Leute wollten Henna auflegen, Zehe mit Feuer brennen oder sie in heisses Wasser stecken, ich liess mich aber auf alles diess nicht ein, sondern bereitete mir etwas Eau sédative d'après Raspail und heute ist es bedeutend besser. Ich denke morgen in Abiod Sidi Scheich zu sein und werde von dort einen Boten mit diesen Zeilen nach Geryville schicken, das 2 nördlich von hier liegt.

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die

Tagereisen

Abiod Sidi Scheich, den 5. Oktober. So eben bin ich hier angekommen. Sidi Sliman ist nicht hier, er kehrt erst heute Abend zurück, daher weiss ich noch nicht, wann ich weiter reisen werde. Hier liegt die Grosse Wüste vor mir, der erste Schritt nach Timbuktu hin ist also gethan. Welche Freude, wenn ich als erster Europäer von Algerien aus nach dem Senegal komme! So viele Schwierigkeiten mir bevorstehen, ich werde sie überwinden. Mein Fuss bessert sich auch bedeutend, doch wird mir das Gehen noch ein wenig schwer.

In Arba ward ich recht gastfreundlich vom Kaid bewirthet, jedoch habe ich auf seinem Teppich eine Legion Läuse aufgerafft, welche die schon vorhandenen verstärkten; ich habe ihnen jedoch einen argen Streich gespielt, indem ich die Taschen und Nähte mit Kampfer einrieb.

Gestern Abend kam ein ungeheurer schwarzer Skorpion auf mich losgerückt, ich hatte fast Angst, als ich ihn mit meinem Stock durchbohrte und er seinen krummen Schwanzstachel in denselben trieb. Da er so ungewöhnlich gross war, maass ich ihn und fand seine Länge zu 8,4 Centimeter. Die Leute betrachteten es als eine glückliche Vorbedeutung, dass ich ihn getödtet hatte.

Ich habe mich hier noch nicht umgesehen, sondern warte die Rückkehr Sidi Sliman's ab, so viel kann ich jedoch sagen, dass Abiod Sidi Scheich aus zwei grösseren und drei kleineren, auf Steinwurf-Weite von einander liegenden Dörfern besteht. Von Gärten ist kaum eine Spur vorhanden, da das Wasser mangelt, nur einige hundert Palmen beleben die Scene etwas. Die Umgegend ist flach und steinicht. Im Norden sieht man die Gebirgszüge von Arba, nach Süden zu eine endlose Ebene.

Den 15. Oktober. Ich bin vollkommen wohl und hinlänglich kräftig, um die Reise zu unternehmen, aber mein Aufbruch von hier hat sich verzögert. Sidi Slimanben-Hamsa, der heute Morgen über Geryville nach seinem Duar abgereist ist, hatte mir Empfehlungsbriefe selbst bis Timbuktu versprochen. Da ich nun schon bezweifelte, dass er Verbindung mit dieser Stadt habe, so fragte ich ihn denn, an wen er mich adressiren wolle. Er erwiderte:,,An den Scheich", ohne jedoch den Namen desselben zu wissen. Als er am folgenden Tage den Namen Ahmed -el - Bakay von mir hörte, sagte er, dass er mir an diesen Mann, welcher Dr. Barth's Beschützer in Timbuktu war, einen Empfehlungsbrief geben wolle. Unglücklicher Weise lebt aber El-Bakay gar nicht mehr, sondern ist voriges Jahr von Hadj Omar, der sich Timbuktu's bemächtigt hat, getödtet worden; so berichteten wenigstens die Draui. Sidi Sliman ist Araber im echten Sinne des Wortes, lügenhaft, prahlerisch und geldgierig. So stieg er denn auch heute Morgen zu Pferde, ohne mir nur einen einzigen von den vielen versprochenen Empfehlungsbriefen gegeben zu haben, und als ich ihn danach fragte, schlug er sich vor die Stirn und erwiderte, es ganz vergessen zu haben. Schon darauf vorbereitet, hatte ich indess einen Brief an den Kommandanten von Geryville geschrieben, um ihn durch diesen zu zwingen, mir wenigstens Empfehlungen für Tuat und Gurara zu schreiben, allwo er Besitzungen hat. Gestern war ich mit ihm auf der Jagd, wo mit Falken einige Hasen und kleine Wüstenrebhühner erlegt wurden, die Sache war aber langweilig und auch anstrengend für mich, denn mein Pferd ich ritt das des Kaid, seines Oheims ging zwei Mal mit mir durch. Später wollte Sidi Sliman mir zeigen, dass er auch ackern könne, und stellte sich an einen Pflug, ich sah aber bald, dass diese Arbeit ihm eben so ungewohnt war als mir; ein vornehmer Araber will aber Alles können und wissen. Ich bewohne jetzt seine

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