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So blieb die Lage eines breiten Passats über Europa etwa 2 Wochen herrschend mit schwachem Luftzuge, strenger Kälte, hohem Luftdrucke, geringer Dampfmenge, heiterem Himmel und bei mässiger Schneedecke. 'Indessen darf man nicht völlige Stätigkeit der beiden neben einander liegenden und in entgegengesetzten Richtungen wehenden Ströme sich denken, sondern indem beide nach rechts drängen, wie auch jeder Fluss thut, fluktuiren sie einigermaassen, indem bald der eine, bald der andere rechtsseitlich vordringt. Diess ist an den Zwischengrenzen am besten wahrnehmbar. So geschah es, dass das nördlichste Europa schon nach einigen Tagen wieder frei wurde vom Polarstrom und vom Äquatorialstrom wieder eingenommen war. Offenbar erfolgte am 4. Januar ein Vorrücken des letzteren und in Folge davon eine Verschiebung des ersteren nach Südost hin; damals erfuhr auch die Stadt Algier ihren kältesten Tag, es werden hier 4° gemeldet mit Schneefall, N. und NW., Barom. 770.

Am 6. Januar war der Stand der Meteoration über Europa etwa folgendermaassen vertheilt: im Westen hatte Nairn 5,7°, SSO., Barometer 769, Greenwich -6,6°, Barom. 768, Brest -1,5°, SO., Bordeaux -5,6°, Bar. 765, Bilbao 1,1°, OSO., Madrid 1,5°, NNO., Cadiz 9o, OSO., in der Mitte Leipzig -13,0°, O., Barom. 774, Wien —7,0°, Barom. 767, Bern -11,3°, SO., Livorno -1,3°, ONO., Barom. 767, Neapel 2,2°, N., Heiterkeit, im Osten Nikolajew -13°, Moskau? -, dagegen finden wir im nördlichsten Europa weit mildere Temperatur und den Äquatorialstrom, in Haparanda -1°; WSW., Kopenhagen -0,5 ̊, WNW., Petersburg -6,3°, NW., Barom. 763.

Am 8. Januar zeigten sich selbst bis zur Mitte Deutschlands die Vorboten einer eintretenden Umsetzung der Passate, der Äquatorialstrom schwankte nach rechts, jedoch bald wieder zurück, in Göttingen erschien an jenem Tage am früher heiteren Himmel Gewölk, das entschieden aus Westen herzog; aber der Polarstrom hielt Stand, noch an demselben Tage verschwanden die Wolken, der Polarstrom drang sogar nun noch weiter nordwärts als früher, denn zwei Tage nachher finden wir ihn auch in Haparanda mit -11,1°, N. und hohem Barometer, 771.

Ein abermaliger Versuch des ,,Südwesters", nach rechts zu rücken und den ,,Nordoster" zu verdrängen, machte sich bemerklich am 14. Januar; in Göttingen (dem Beobachtungsorte des Verfassers) erschienen am Morgen cirri, langsam, aber entschieden von West herziehend, während unten Ost blieb, in London fiel Regen, auch in Brest, Paris und noch südlicher war der früher heitere Himmel getrübt, obgleich unten der kalte östliche Luftzug beharrte, also wieder längs der breiten Zwischengrenze; aber weiter nach Südosten hin blieb ausser der Kälte auch die Heiterkeit,

so in Leipzig -15°, Bern -12°, Toulon -0,8°, ONO. Damit war im hohen Norden wirklich entschieden Gebiet gewonnen vom Anti-Passat, es war erhöhte Temperatur eingetreten mit W. und WNW., in Haparanda 4,0° (vielleicht -4°), Barom. 775, in Petersburg -2,2°, Barom. 764, Stockholm 3,0°, SW., Barom. 777, Riga 1° (und nun vergleiche man damit gleichzeitig Florenz -4,5°, Turin -10,0°). Sehr bald aber wurde wieder die Zwischengrenze nordwärts geschoben (man kann diess Wechselspiel der beiden Passate wohl bezeichnen als ein abwechselndes Aktiv- und Passivwerden, die seitliche Bewegung ist pendelartig und wohl verdienen die kurzen Vor- und Zurückschiebungen einen besonderen Ausdruck, vielleicht die ,,pendulirende Verschiebung der Zwischengrenze", zum Unterschiede von einem,,vollständigen Passatwechsel", wahrscheinlich findet auf der Zwischengrenze diess Penduliren immer Statt; dadurch ist mancher Wettervorgang erklärlich). In Göttingen war das erwähnte Cirrus-Gewölk schon am Mittag wieder verschwunden und es herrschte. wieder der heitere O. und SO. mit -9°, auch in London stellte sich der Frost wieder ein. Strenge Kälte wird auch berichtet aus Pesth, Bucharest, Konstantinopel und Athen.

2. Der vollständige Passatwechsel trat einige Tage später ein, was Göttingen betrifft, am 19. Januar Mittags, der Himmel trübte sich rasch im ganzen Umfange, bei milder werdender ruhiger Luft -0,5°, die Fahne drehte sich langsam aus ONO. über SO. nach SSW., aber das Barometer hielt sich noch mehrere Tage hoch, bis zum 22., dann erst fiel es und die Temperatur erreichte 7° R. Die Theorie muss erwarten, dass, da nun der Südweststrom rechtswärts sich verschob, auch die Umsetzung der meteorischen Zustände in solcher Richtung, also nach Südost hin erfolgen musste und aus dem Überblicke sich ergeben werde. Diess verfehlt auch nicht, in solcher Weise sich zu bewähren. Schon am 17. Januar sehen wir die ersten Vorboten der Umsetzung in Paris, wo cirri gemeldet werden bei -2,8° und OSO., Barom. 767, Haparanda hatte -5,1°, S., Barometer 768, Petersburg hatte nur noch -3,9°, N., Bar. 776, Kopenhagen noch -5,4°; aber am 18. Januar hatte Petersburg schon 1,8°, NW., Nairn 1,4°, WSW., Paris 2,0°, SO. mit Trübe, auch in Schleswig begann Thauwetter schon an diesem Tage; am 19. Januar, wie gesagt, erreichte die mildere und feuchte Luft auch Göttingen (Leipzig hatte noch -10°), am 20. Frankfurt a. M. (Leipzig hatte nun -1,3°, SW., aber Bern noch -11,3°, SSO., Barom. 773, Livorno noch -1,2°, ONO., Barom. 773, Neapel 1,6°, NNO., Barom. 770); am 21. bestand noch niedrige Temperatur, nahe unter Frost, in Strassburg und Montpellier mit Wind aus NO., O. und SO., auch Leipzig hatte noch -2,8°, Barom. 773, Wien -6,0°, Barom. 776, Florenz -4°,

Turin —8°, Rom 0,0°, N., Neapel 2,0°, ONO., Barom. 770 (als gleichzeitig Petersburg -4° mit W. hatte); am 22. sehen wir Leipzig frei mit 1,6° und fallendem Barometer, 767 1), auch Strassburg hatte nun Thauwetter, 1,6° bei S W., aber Bern noch -8,2°, Barom. 769 und Heiterkeit, Wien noch -6,7°, Barom. 772 (als gleichzeitig Petersburg -3,9°, SW., Barometer 751 hatte); selbst am 23. sind Wien und Bern noch nicht frei (auch Konstantinopel hatte an diesem Tage noch -0,5°); erst am 24. erfolgt diess für Bern 0,7°, SSW., Barom. noch 767, und dann auch für Wien (und zwar während nun im höchsten Norden, zu Haparanda, schon wieder ein anderer Polarstrom zum Vorschein zu kommen beginnt, mit -9,0°, aber Barom. noch 743, also hinter oder zur linken Seite des vorrückenden Äquatorialstroms, gleichsam wie in dem sich umdrehenden Rade eine fernere Speiche). Das südliche Frankreich war zur Zeit kühler als das nördliche, Montpellier hatte nur 2,4°, Havre aber 7,0; offenbar geschah das weitere Zurück weichen des Polarstroms im südlichen Deutschland langsam, er blieb hartnäckig über Neapel, Madrid, Lissabon; noch am 26. hatte Rom nur 0,9° mit N., bis zum 28. blieb hier Kälte (auch damals noch in Konstantinopel), jedoch am 28. finden wir in Rom 8,0° mit S., aber Alicante scheint damals noch unter dem Nordoststrom gewesen zu sein. Leider fehlen die Angaben, um die linke Grenze dieses Luftstroms noch

1) Das Sinken des Barometers folgte überall erst einige Tage später dem Eintreten des neuen Luftstroms.

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weiter in ihrem Zurück weichen zu verfolgen, indessen Zeitungsberichte melden von einer ungewöhnlich strengen Kälte bis zur Eisbildung in Ägypten und in Syrien etwa zu dieser Zeit oder in der ersten Woche des Februars.

3. Nach einer Herrschaft des warmen Südweststroms, die im nördlichen Deutschland etwa 10 Tage währte, stellte sich hier am 31. Januar aufs Neue Kälte ein, aber in geringerem Grade und auch auf kürzere Zeit. Wenn man nun Anfangs vermuthen durfte, dass hier abermals eine Rückkehr, also ein wiederholtes aktives rechtsseitiges Vorrücken desselben Passatstroms, der so lange über Europa Stand gehalten hatte, zu Grunde liege, so lehrt doch der genauere Überblick, dass in diesem Falle umgekehrt von der anderen Seite, von Nordwest her ein zweiter Passatstrom herankam, also passiv und geschoben von einem zweiten hinter ihm, d. i. an seiner rechten Seite, liegenden Anti-Passatstrom. Dieser zweite Passat war weit schmäler (etwa um die Hälfte) als der erste (vielleicht schon deshalb weniger kalt und kürzer verweilend) und bald kam der dahinter liegende, ihn schiebende Anti-Passat ebenfalls zum Vorschein und trat an dessen Stelle.

Wie die neue Kälte, Windrichtung und Barometerstand diess Mal nach der linken Seite des Polarstroms vorrückten, welcher aber wieder sich darstellte als in der Richtung von NO. nach SW. wehend und in der Gestalt wie ein sich drehender Flügel einer Windmühle nach links, nach Südost hin sich bewegte, wird anschaulich durch folgendes Schema:

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Wien.

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1,1° SO., Barom. 768 4,80 W., Barom. 763 0,5 W. 761 2,9 W. -4,0 SO. 772-4,1 NW.

3,2

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757 775

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-6,5 SO.

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-7,4 SW.

-9,6 SO.

-7,2 SW.

-6,6 -2,1 SW.

Hieraus ersieht man unzweifelhaft, dass das Eintreten strengerer Kälte (welche in Haparanda schon am 24. Januar bestand) in Petersburg am 29. Januar begann (aber noch nicht in Nairn war sie zu bemerken, das doch nur 30 Geogr. Meilen südlicher liegt, an der Ostküste Schottlands), dass sie seitlich vorrückend erschien am 30. in Moskau, Kopenhagen, Warschau, Paris, Wien, Bern, am

1,6 N.

2,2 NO. -11,0 NO. -10,0 NW. 7,6 NW. 5,0 0,0 SW.

-

Moskau.

- 6,5° SW.

3,0 NW. 5,8 W. -19,2 N. -14,2

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31. in Odessa, dass ein bedeutendes Steigen des Barometers sich in gleicher Richtung bewegte, nachweislich in Kopenhagen, Paris, Wien, Bern, und dass die Windrichtung damit übereinstimmte (in diesem Falle musste längs der linken, passiv vorrückenden Grenze des Polarstroms die Drehung der Fahne in der ungewöhnlichen Weise, von SW. über SO. nach NO., erfolgen). Auch hier lässt sich

ungefähr die Breite des Polarstroms erkennen, sie war weit schmäler als die des ersten, reichte etwa von Petersburg nach Wien, d. i. von 59° N. bis 49° N., 10 Breitengrade 150 Geogr. Meilen, also etwa um die Hälfte schmäler als die Breite des früheren kälteren. Auch der dazwischen liegende zweite Äquatorial- oder Anti-Polarstrom lässt sich einigermaassen seiner Breite nach bestimmen, denn als dessen rechte, vordringende Grenze Bern erreicht hatte, erschien dessen linke Grenze bei Haparanda, d. i. wieder etwa (von 66° N. bis 46° N.) 20 Breitengrade 300 Geogr. Meilen, also beinahe so breit wie der erste Passat war auch dieser Anti-Passat. Endlich ersieht man, wie rasch schon nach 2 Tagen diesem passiven Polarstrom an dessen rechter Seite ein zweiter Anti-Polarstrom nachrückend folgte; der letztere erschien in Petersburg am 31. Januar, in Moskau am 1. Februar, in Odessa am 2. oder 3. Februar (die Drehung des Rades geschah also diess Mal sehr rasch).

§. 3.

=

Wer die oben gegebene Darlegung mit einiger Aufmerksamkeit verfolgt hat, wird zugeben, dass im Monat Januar 1864 die Wetter - Bewegung über Europa für ihre nähere Untersuchung oder Analyse ganz besonders günstige Gelegenheit darbot. Wir finden dann die dabei in Anwendung gezogene geographische Vorstellung für die Erklärung der meteorischen Vorgänge jener Tage im weiteren Umfange Europa's nicht versagend, nämlich dass um den Winterkälte - Pol in der Mitte des polarischen Asiens ein Windsystem sich dreht, strahlenförmig oder gleichsam wie ein Rad mit mehreren Speichen von verschiedener Breite, welche den von dort herkommenden und den dorthin ziehenden Luftströmen entsprechen. In jenem Monate erschienen über Europa von diesen Luftströmen vier, das Rad drehte sich Anfangs (hier an der Südwestseite des ganzen östlichen Wettersystems) von Südost nach Nordwest, so dass über Europa lange ein breiter Passatstrom zu stehen kam, schwankte dann in kurzen Sätzen einige Mal zurück und wieder vor, wurde aber schliesslich zurückgedreht, von Nordwest nach Südost, womit ein Anti-Passat und dann ein zweiter Passat über Europa hin geführt wurden. Da die einzelnen neben einander liegenden grossen Luftströme in regelmässiger Abwechselung zu je zwei ganz entgegengesetzte physikalische Eigenschaften besitzen, je nachdem sie vom Kältepol herkommen oder dorthin gehen, so werden durch das Drehen dieses Rades kontrastirende meteorische Zustände in kürzerer oder längerer Zeit über einen Ort hinweggeführt, wahrscheinlich aber besitzen die breiteren Ströme, ceteris paribus, in höherem Grade ihre charakteristischen Eigenschaften als die schmäleren. Der Gewinn ist vorzugsweise hoch zu achten, dass es diess Mal möglich

gewesen ist, die beiden Grenzen und also die Breite von zwei Passaten und von einem Anti-Passat wenigstens annähernd zu bestimmen, was bisher noch niemals für Europa versucht worden war, so viel dem Verfasser bekannt ist (wohl aber ist schon früher bei einem in Nord-Amerika geographisch beschriebenen Polarstrome, dort von Nordwest her gerichtet, eine solche Bestimmung thunlich gewesen 1)).

Die Aussichten auf eine vollständigere geographische Auffassung gleichzeitiger Meteorations - Verhältnisse auf der Grundlage des tellurischen Windsystems, wenigstens auf der nördlichen Halbkugel, sind in der neuesten Zeit rasch nahe gerückt. Von selbst tritt der Wunsch hervor, dass das zu sammelnde Beobachtungs- Material noch Ergänzung finden möge nach einigen wichtigen Seiten hin, wenn auch nur an einzelnen Orten, nur hinreichend, um die dortige Anwesenheit eines oder des anderen fundamentalen Luftstroms ersehen zu können. Als solche Orte kann man bezeichnen: im nördlichen Skandinavien etwa Hammerfest, Drontheim, Bergen, weiter westlich die Färöer und Reykiavig auf Island, nach Osten hin Archangel und die Strecke östlich von Petersburg, Nowgorod und Moskau nach Jakuzk hin. Da nun bald eine Telegraphen - Linie bis zur Ostküste Sibiriens am Amur-Flusse sich erstrecken wird, so eröffnet sich in der That die Aussicht auf grosse meteorologische Belehrungen, indem zu hoffen ist, dass vielleicht sogar die Reihenfolge der grossen Luftströme erkannt werde, wie sie strahlenförmig den Winter-Pol bei Jakuzk umkreisen und wie sie sich verschieben und vielleicht auch sich vergrössern und verkleinern. Auch für Europa ist noch eine Ausdehnung der meteorologischen Übersicht im Südosten wünschenswerth, z. B. nach Konstantinopel, Trapezunt, Smyrna, Athen, Aleppo, Alexandria, Tripolis. Sogar für die Mitte Europa's fehlt noch in Deutschland eine übersichtliche Vereinigung oder wenigstens systematische Sammlung der täglich aufgenommenen Beobachtungen, welche hier so zahlreich und so umsichtig angestellt vorhanden sind wie kaum in irgend einem anderen Lande auf der Erdkugel. Endlich muss noch als ein besonders wichtiger meteorologischer Beobachtungsort bezeichnet werden im Atlantischen Ocean die Azoren, denn diese Inseln liegen ziemlich in der Mitte zwischen den beiden geographischen Windsystemen unserer nördlichen Halbkugel, dem Ameri

1) S.,,Beiträge zur Geo-Physik" u. s. w. 1863, Heft I, SS. 83 und 85. Auch findet man in dieser Zeitschrift, 1861, Heft II, und im Appendix der,,Klimatographischen Übersicht der Erde" 1862, S. 677, schon eine geographisch - meteorologische Beobachtung eines Wechsels der beiden Passate in Europa im Januar 1861, welcher demjenigen des Jahres 1864 ganz analog sich verhaltend sich erweist und dessen Gestaltung überhaupt zuerst den Verfasser hingewiesen hat nach dem richtigen Windpole wie auf die richtige Lage und die Art der Umsetzung der beiden Passate. (Jener Appendix bildet eigentlich das erste Heft der ,,Beiträge zur Geo-Physik".)

kanischen und dem Europo-Asiatischen, d. i. ziemlich gleich entfernt vom westlichen und vom östlichen WinterkältePol, da wo der rückkehrende und herabgestiegene Passat oder Anti-Passat sich theilt, nach Europa als Südwest weiter zieht, aber nach Nord-Amerika als Südost, wohin auch der Polarstrom als Nordwest kommt (diess gilt wenigstens für die untere Schicht der Atmosphäre); also etwa in diesem Trennungswinkel liegen die Azoren (vielleicht steht damit in Verbindung die Häufigkeit der Stürme eben nördlich von dieser Stelle, obwohl zu erinnern ist, dass im Sommer nur ein einfacher Kälte- und Wind-Pol angenommen wird im Circumpolar- Meere, im Umfange des Erdpols selbst, aber die Stürme ereignen sich auch vorzugsweise nur im Winter).

Das

Eine Bemerkung für die Theorie der Stürme. eben Vorgetragene, die Anwendung des erkannten geographischen Windsystems, die Untersuchungen und Befunde über die Vertheilung und das Verhalten der fundamentalen atmosphärischen Ströme, und die angedeuteten ferneren Aufgaben und Mittel beziehen sich nicht allein auf die eigentlichen sogenannten Witterungs-Verhältnisse, sondern sie haben gleiche Bedeutung für das eben jetzt so ersehnte und erstrebte Verständniss der Stürme. Dieselben grossen Luftströme, welche den Wettervorgängen zu Grunde liegen, sind auch die wirkenden Faktoren bei den Stürmen; was wir an Kenntniss gewinnen in Bezug auf das Wetter, das kommt auch der Theorie der Stürme zu Gute. Auch die Richtung der im westlichen Europa so gefürchteten Südwestoder Weststürme unserer Winter ist dieselbe, wie wir sie eben in Beispielen ruhig strömender Anti-Passate geographisch überblickt haben. Die Stürme dringen gleichfalls nach dem Winterkälte-Pole, aber in ungewöhnlicher Eile, vermuthlich weil dort zur Zeit grösserer Bedarf an Luft ist, indem sie ja überhaupt zur Kompensation der von dort mit dem Passat fortziehenden oder fortgezogen werdenden, d. i. aspirirten, Luft dorthin dringen. Der Grund eines ungewöhnlich grossen Luftbedarfs am KältePol ist darin zu vermuthen, dass ein Polarstrom eiliger nach den südlichen Zonen hin aspirirt worden ist, und der Grund hiervon kann sein eine Zunahme an Wärme am südlichen Ort, aber auch eine Zunahme an Kälte (durch Ausstrahlung bei heiterem Himmel und bei Calme) im nördlichen kältesten Gebiete. Letzteres ist im Winter das Wahrscheinlichere und vielleicht giebt es und findet man dereinst für jeden Südweststurm Europa's den korrespondirenden Nordoststurm in Asien, um so mehr, da bereits erwiesen ist, dass im nördlichen Theile des grossen Kontinents Asien (wie auch in Nord-Amerika), im Gegensatz zum Verhalten auf den beiden Oceanen gleicher Breitengrade, der Polarstrom an Häufigkeit oder Dauer den Anti

Polarstrom überwiegt und dass hier eben im Winter die Polarströme stürmisch vorkommend sich verhalten.

Die Richtung der Winterstürme in Europa ist in der That meistens WSW., wenn auch mit manchen lokalen und momentanen Schwankungen, und fast regelmässig mit am Ende eintretendem Nordwest, mit welchem auch einige Erniedrigung der Temperatur und einige Erhöhung des Luftdrucks einzutreten pflegen. Der Verfasser dieser gelegentlichen Äusserungen über die Stürme will nicht den Untersuchungen ausgezeichneter Forscher vorgreifen, welche schon lange den Stürmen ein spezielles Studium gewidmet haben, allein unterstützt durch eine erworbene Übung in geographischer Auffassung der meteorischen Thatsachen und auf ein danach erkanntes tellurisches System wagt er zu äussern, dass er bis jetzt in Europa noch keinen Cyklon unter den ihm bekannt gewordenen Beschreibungen von Winterstürmen, wie sie drei oder vier Mal in jedem Jahre vorzukommen pflegen, hat finden oder erkennen können (obgleich unzweifelhaft im Sommer kleinere oder grössere Wirbelwinde und Wirbelstürme, mit elektrischen Vorgängen verbunden, auch in Europa nicht verkannt werden können).

Will man die so gefährlichen Winterstürme Europa's vorauszusehen möglich machen, so muss man sie nicht als Cyklonen sich vorstellen und erwarten, sondern in der beschriebenen, mit Thatsachen belegten geraden Gestalt, als einen von Westen sehr eilig nach dem Kälte-Pol hinziehenden breiten Luftstrom, den gewöhnlichen Anti-Passat, welcher sehr wahrscheinlich längs seiner Mittellinie den geringsten Luftdruck hat und welcher nach seiner rechten Seite, aktiv vorzurücken pflegt. Ein solcher Sturm ist deshalb zu erwarten an einem Orte, wenn hier das Barometer rasch fällt, weil der Südweststrom mit seinem ungewöhnlich geringen Luftdruck schon nahe an der Nordwestseite des betreffenden Ortes vorhanden ist, und ein ungewöhnlich niedriger Barometerstand wird dadurch sein Verkündiger, dass die leichtere heran kommende Luft schon seitlich auf die benachbarten Barometer einwirkt 1). Daraus würde die Regel zu folgern sein, einen kommenden Sturm schon als im Nordwesten vorhanden zu denken und mit seiner rechten Seite wahrscheinlich vorrückend zu erwarten, also in solcher Richtung danach auszuschauen 2).

1) Die Behauptung mag gewagt werden, was die Ursache des so geringen Luftdrucks im stürmischen Anti-Passat betrifft, dass diese in der Geschwindigkeit des Strömens liegt. Bei West-Indischen und Ost-Indischen Cyklonen wurde mit jedem Stoss das Barometer erniedrigt.

2) Wirklich pflegt ein Wintersturm in London um Einen Tag früher zu rasen als im nördlichen Deutschland, vielleicht ist er aber noch einen Tag früher in Schottland und Nord-Irland. Der oben erwähnte sehr heftige Sturm in der ersten Woche des Dezembers 1863 erschien z. B. als Weststurm in London am 2., in Paris (und auch in Göttingen) am 3., in Toulon am 4.; wenn er danach für einen Cyklon erklärt worden ist, dessen Centrum vom Norden Frankreichs nach Süden gezogen sei, so muss uns diess als irrig erscheinen.

Ein Zug nach dem Gebirge Bator auf der Insel Bali. Von H. Zollinger 1).

I. Abschnitt: Die Insel Bali; Reise nach dem Bator-Gebirge.

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Frühere und jetzige Kenntniss von Bali. Die Insel Bali war den früheren Besitzern Java's, der alten OstIndischen Kompagnie, verhältnissmässig besser bekannt als den späteren oder vielmehr der Verkehr mit derselben war lebhafter als in neuerer Zeit. Den Beweis würden wir schon in den Werken von Valentyn und Rumphius finden, da z. B. der Letztere eine grosse Zahl Bali'scher Pflanzennamen aufgenommen hat. Vor dem 19. Jahrhundert waren es vorzüglich Soldaten, die auf Bali angeworben und gekauft wurden, und Sklaven in grosser Menge, besonders Frauen, die in Europäischen Häusern sehr gesucht waren. Noch heut zu Tage heisst eine Gegend mit Dorf zu Batavia ,,das Bali'sche Dorf oder die Bali'sche Vorstadt". Das hat Alles längst aufgehört und mit den vielen politischen Umgestaltungen, welche die Revolution auch für Java und die Indischen Besitzungen überhaupt nach sich zog, traten die Beziehungen zu Bali fast gänzlich in den Hintergrund. Die Hauptaufgabe Hollands war die Erhaltung und dann die Wiedergewinnung seiner Kolonien. Erst in neuester Zeit ist die Aufmerksamkeit wieder auf die schöne und merkwürdige Insel gerichtet worden, nachdem verschiedene Ursachen nach einander drei Feldzüge dorthin veranlasst hatten. Vorzüglich war es der mit unerhörter Frechheit getriebene Strandraub, der mit zu den Hauptursachen zählte, um so mehr, als die Bali'schen Fürsten demselben durch Verträge feierlich entsagt hatten, ihn aber eher ermuthigten als unterdrückten. Wiewohl ich hier eine allgemeine Übersicht voraussenden muss, kann ich mich doch in geschichtliches Detail nicht einlassen und muss mich auf das beschränken, was zum Verständniss meiner Erzählung unumgänglich nothwendig ist. Das Resultat des letzten Feldzuges von 1849 war, dass sämmtliche Fürsten ein Bündniss mit der Holländischen Regierung eingingen, dem Strandraub und Sklavenhandel entsagten und dass eins der Reiche in Nordwesten, Buliling nämlich, unmittelbares Holländisches Gebiet wurde durch das Recht der Eroberung.

1) Bei Übersendung seines im Jahrgang 1858 der,,Geogr. Mitth." (SS. 56-63) abgedruckten Aufsatzes über den Indischen Archipel im Allgemeinen schrieb uns H. Zollinger, es sei jener Aufsatz gleichsam eine Einleitung zu spezielleren Darstellungen, die er von Zeit zu Zeit auszuarbeiten gedächte. Leider ereilte der Tod den um die Erforschung des Indischen Archipels so verdienten Gelehrten schon am 19. Mai 1859, so dass ihm nur eine der beabsichtigten Arbeiten abzuschliessen vergönnt war, die vorliegende Beschreibung des Bator-Gebirges und seiner Reise dahin im Jahre 1857. Wir verdanken die Übermittelung des Manuskriptes Herrn Dr. E. Stoehr in Zürich, welcher bei seiner Anwesenheit in Java im Jahre 1858 eine Reise nach Bali mit Herrn Waanders verabredet hatte, an der auch Zollinger abermals Theil nehmen wollte; das Projekt zerschlug sich aber durch verschiedene verzögernde Umstände und endlich durch die ersten Regungen des später ausgebrochenen, bald jedoch niedergeschlagenen Aufstandes. Eine ProfilAnsicht des Bator-Gebirges nach Zollinger's Messungen und Zeichnung befindet sich auf Tafel 3 des Jahrganges 1858 der,,Geogr. Mittheilungen", die Höhe des Bator-See's ist dort aber fälschlich zu 3435 statt 3235 Fuss angegeben. A. P.

Petermann's Geogr. Mittheilungen. 1864, Heft IV.

Ein zweites in Südwesten, Djembrana, stellte sich selbst freiwillig ins gleiche Verhältniss, vorzüglich um seinen nachbarlichen Drängern zu entgehen. Die mannigfaltigen Unterhandlungen, Kriegszüge und seitherigen friedlichen Beziehungen haben dann auch eine Kenntniss der Insel Bali gewährt, wie sie früher unmöglich war, die immer aber noch weit entfernt ist, vollständig zu sein. Wir haben jetzt zahlreiche Mittheilungen über die Insel von dem früheren Kommissär der Regierung, Koopman, von selbst, von Herrn Baron van Hoëvell (in seiner unvollendeten Reise über Java und Bali, worin der Verfasser recht lebendig erzählt, allein offenbar viel zu viel Vertrauen auf die Wahrhaftigkeit so wie auf die Kenntniss und Einsicht seines einen Gewährsmannes setzt), dann von Friedrich, dem Assistent-Residenten Waanders zu Buliling, dem Kapitän de Seyff u. A. Von grosser Bedeutung sind besonders die Abhandlungen des Herrn Friedrich, der als ausgezeichneter Indo-Orientalist (Schüler Lassen's) von der Regierung nach Bali gesendet wurde, um dort die Ethnographie im weitesten Umfange (Geschichte, Religion, Literatur, Sprache u. s. w.) zu seinem Studium zu machen. Ein Autor hat versucht, ein Gesammtbild der Insel zu entwerfen: Lauts, ,,Die Insel Bali und die Balinesen", Amsterdam 1848, 8° mit einer Karte. Viele geschichtliche Nachrichten aus früherer Zeit sind sehr werthvoll, aber die Behandlung der Gegenwart verräth nur zu sehr die literarische Kompilation und den Mangel an eigener Anschauung.

Die beste erschienene Karte dürfte jetzt die im Atlas von Melvill van Carnbée publicirte sein. Der nautische Theil und die Umrisse, Hauptorte in der Nähe der Küste, dürften wenig zu wünschen übrig lassen, dagegen das Innere um so mehr, da besonders die centralen und westlichen Theile fast unbrauchbar sind.

Ich selbst habe Bali zum ersten Mal 1845 als Begleiter des Herrn Kommissär Major besucht und die Insel an Bord des Bromo umschifft; 1846 machte ich dann den ganzen Feldzug in Buliling mit, ging dann nach Lombok und kehrte über Bali nach Java zurück. Später hat der jetzige Kommissär Bosch wiederholt die Güte gehabt, mich auf seinen Besuchen zu Buliling und Djembrana mitzunehmen, und der letzte Zug daselbst war der nach dem BatorGebirge, wozu mich der in Buliling residirende AssistentResident, Herr van Bloemen-Waanders, freundlichst einlud. Dieser Zug ist es insbesondere, mit dem ich mich hier beschäftigen werde nach einem kurzen Blicke auf den gegenwärtigen Zustand der Insel.

Allgemeine Beschreibung der Insel. Die Insel Bali, die erste der Kleinen Sunda-Inseln im Osten von Java, hat nach Melvill eine Oberfläche von 104 Quadrat-Meilen. Im Ganzen genommen ist sie etwas weiter nach Süden gerückt als Java; die Längenachse ihrer Gebirge geht in der Richtung von OSO. nach WNW., inzwischen so, dass die einzelnen Gruppen wieder Abweichungen zeigen. Wir

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