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ersten Mal bei seiner Quelle (bei Az Gebrei), dann zwischen Kohein und Adiabo bei Arakebu am nördlichen Fuss von Medebei Tabor, zum dritten Mal bei Mai Daro; wir traten an seine Ufer zum vierten Mal bei Elit und zum fünften Mal bei Kassala und sowohl die geographische Konfiguration des Bodens als die Aussagen aller Eingebornen bewiesen uns, dass wir es immer mit einem und demselben Flusse zu thun hatten 1).

Der Mareb ist seinem Abessinischen Laufe nach längst bekannt. Seine Quelle befindet sich etwas über dem Dorfe Az Gebrei (unweit von Adi Baro) im Hamasen. Nachdem er als Bach seine Matten durchzogen, fällt er eine halbe Stunde östlich vom Dorfe in einen Abgrund oder besser gesagt: während er in seinem ersten Anfang die Ebene durchfliesst, gelingt es ihm hier, sich ein tieferes Thal zu bilden, und dann erst tritt er charakteristisch in die Geographie des Landes ein. Die Abessinier sind also nicht im Unrecht, wenn sie diesen Punkt, wo er als Wasserfall in sein eigenes Thal sich stürzt, Ain Mareb nennen, da er erst hier selbstständig auftritt. Der Name Mareb gebührt ihm von hier bis wo er, zwischen dem Dembelas und Adiabo sich hinauszwängend, Abessinien verlässt. Sein Name, der,,Sonnenuntergang" bezeichnet (vom Äthiopischen Verbum áraba, occidit sol), deutet auf seinen endgültigen Lauf und beweist, dass die Abessinier ihn nicht misskannten. Wie er nun um sich selber eine Spirale bildet, die sich erst bei Gundet aufwickelt, brauchen wir nicht zu beschreiben, da ihn schon die Portugiesischen Missionäre bestimmt haben. Er gräbt sich ein sehr tiefes Thal und trennt so von seiner Quelle an das nördlichere Hamasen vom Gau Loggon; dann sich eher südlich wendend schneidet er das südliche Hamasen und das sich ihm anschliessende Sarae von dem Gau Saher und ihrer Fortsetzung, dem Okulekusei, ab, und wo er, sich wieder nach Westen und Nordwesten wendend, auf sich selbst zurückkehrt, trennt er das Sarae und seinen Ausläufer, die Qolla Sarae, von dem Tigré und seiner nordwestlichen Fortsetzung, dem Shiré und Adiabo. Man kann diese erste Partie seinen Oberlauf nennen; seine Grenze ist zwischen Kohein und Adiabo. Bis hierher gehört er zu Hoch-Abessinien und

1) Zur Orientirung s. die Karte von Ost-Afrika im Ergänzungsband I der,,Geogr. Mitth." Die Quelle des Mareb liegt südlich von Zasaga, von da läuft der Fluss nach Süd mit geringer Ausweichung nach Ost, so dass er sich westlich vom 39. Meridian östl. v. Gr. hält, bis er unter 141 N. Br. sich nach Westen wendet. Diese westliche Richtung behält er durch den Distrikt Gundet, wo ihn Heuglin und Steudner überschritten, bei, indem er sich etwas südlich von 14° N. Br. hält, durchschneidet dann diesen Parallel, sich nach Norden wendend, unter 38° 26′ Östl. L. v. Gr. bei Arakebu, geht nordwestlich bis Mai Daro (14° 57′ N. Br. und 37° 42' Östl. L.), beschreibt sodann einen Bogen nach Süden, durchschneidet den 15. Parallel unter 37° 12' Östl. L. und geht bei Elit (Illiht der Karte) vorüber westnordwestlich nach Kassala. A. P.

trennt scharf und tief sich ein wühlend seine Ufergebiete, er ist so lange ein Waldstrom und ein eigentlicher Fluss, denn so lange hat er beständig fliessendes oberflächliches Wasser. Wir fanden ihn bei Arakebu nur den fünften Theil seines Bettes mit Wasser füllend, nur in der Regenzeit nimmt er seine ganze Breite ein.

Von Arakebu nordwärts gehend verändert der Mareb seinen Gebirgscharakter; er tritt in das Land der Kunáma ein, und da hier das Hochgebirge entschieden gegen Norden abfällt, so nähert sich der Mareb immer mehr dem Niveau seines Uferlandes, er verliert sein Thal und anstatt das Land durchbrechend konsequent zum Barka abzufallen, wendet er sich gegen Westen und sucht sich langsam einen Weg ins Niederland. Wir nennen nun seinen Mittellauf die Strecke, so lange er im Lande der Kunáma bleibt, also von unterhalb Arakebu bis etwas unter Elit; so lange heisst er Sona. Auch sein Flusscharakter wird im Mittellauf ein ganz anderer, er ist nicht mehr der Abessinische Waldstrom, wird aber auch nicht Torrent in der Weise des Anseba oder des Barka, wo ausser der Regenzeit der Wasserstrom unterirdisch in dem Sandbett sich fortzieht und man überall im ersteren etwa 6 Fuss, im letzteren durchschnittlich 20 Fuss unter der Oberfläche Wasser findet, sondern bildet ein Mittelding. Abgesehen von der Regenzeit, wo er natürlich regelmässiger Fluss wird, also vom Juli bis September, zeigt er sich als Torrent, in einer Weise aber, dass das Sandbett hie und da von Teichen unterbrochen wird, wo das Wasser für kurze Zeit an die Oberfläche hinausquillt. Daher rührt die Sage, die schon auf des Jesuiten Lobo Karte sich findet, der Mareb verliere sich im Lande der Shángalla (Kunáma), um später wieder zum Vorschein zu kommen. Diese Sage, die richtig verstanden nicht unwahr ist, blieb falsch, so lange man sich unter dem Mareb einen Fluss im Europäischen Sinne des Wortes vorstellte, wo also der Wasserstrom unter irgend einem Felsen durch verschwinden konnte. Der richtige Sinn der Sage, wie wir ihn durch eigene Anschauung erkannten, ist, dass der Mareb in seinem Mittellaufe nicht mehr einen kontinuirlichen Fluss bilden kann: 1) weil ihm seine Uferländer, die weniger Regen haben als das Abessinisische Hochland, nicht mehr so viel Wasser zuführen, 2) weil die grössere Hitze mehr Wasser verdunstet, 3) weil die wasserdichte Thonschicht tiefer liegt als im eigentlichen Abessinien. So würde er zu einem Torrent, wie es der Anseba und Barka auch sind, da aber das Land der Kunáma eine viel festere Bodengestaltung hat als die Tiefländer des Anseba und Barka, die meist aus Granitschutt bestehen, so kann er sich kein so regelmässiges Bett graben; oft treten Felsen hemmend in den Weg oder schief entgegenliegende Schieferlager treiben das Wasser

an die Oberfläche, ohne ihm das Weiterfliessen zu gestatten, ganz nach Art Artesischer Brunnen, und so finden sich sehr häufig Quellteiche lebendigen Wassers, welche die Monotonie des trockenen Sandbettes erfreulich unterbrechen.

Diese Eigenschaft theilt der Mareb natürlich auch mit seinen Zuflüssen von der linken Seite, da sie geologisch ihm gleichgestellt sind. Alle die Zuflüsse, die wir von Adiabo bis Mai Daro überschritten, sind solche Halb-Torrente, in denen sich von Zeit zu Zeit grosse oder kleine Teiche mit perennirendem Wasser finden. Sie haben alle ein sehr unbedeutendes Bett, da sie von Westen nach Osten gehen, während der Boden von Süden nach Norden abfällt, und da der Thonschiefer ihnen nicht erlaubt, sich nach Belieben auszudehnen. Dieser Reichthum an Teichen macht das Land der Kunáma sehr wasserreich, weil an solchen Stellen oft ein sehr grosses Wasserquantum an den Tag tritt. Von Medebei Tabor bis Mai Daro soll der Mareb ein sehr sandiges offenes Bett haben, ohne von Felsen viel unterbrochen zu sein oder wie im Oberlauf viel Geröll zu führen; doch treten schon hie und da Teiche an die Oberfläche. Bei Mai Daro fanden wir ihn als Torrent mit untiefem Wasserspiegel und eben so bei Elit. Die Teiche sind aber auf dieser Strecke sehr häufig und bedeutend gross und man bringt daraus grosse Fische bis nach Kassala auf den Markt.

Es ist natürlich, dass der Mareb grosse Biegungen macht, da er sich nicht nach Belieben durch den Schiefer Bahn brechen kann, sondern ihm nachgeben muss; er ist auch darin ganz verschieden von dem Anseba, der leicht die Granitberge durchbricht. Wo er aber als Unterlauf unter dem Namen Gash in die freie Ebene von Taka hinaustritt, wird er regelmässiger und verändert von Neuem seinen Charakter. Bevor wir ihn nun weiter verfolgen wollen, müssen wir einige Worte über die Identität des Mareb mit dem Gash einschalten.

In einer früheren, von Hrn. Malte - Brun publicirten Arbeit haben wir die Identität a priori behauptet aus Gründen, die auch jetzt noch gelten. Wie nämlich aus Hrn. Petermann's Karte ersichtlich ist, waren die Geographen über diesen Punkt gar nicht einig; die einen liessen ihn sogar in der Nähe von Dorkutan in den Takkazé fallen. Ich kann mir diese Angabe nur daraus erklären, dass der Mareb unter Mai Daro wirklich bedeutend nach Süden sich wendet und ihre Gewährsleute Abessinier waren. Die meisten aber brachten ihn nach Taka hinunter. Ich schloss mich dieser Ansicht aus folgenden Gründen an. Die grossen Ströme von Nord-Abessinien sind der Anseba und der Barka, deren Quelle und Lauf weithin uns bekannt sind, und dann der Atbara, dessen östlicher Zufluss der Takkazé ist. Petermann's Geogr. Mittheilungen. 1864, Heft IV.

Woher sollte der Gash kommen, den wir schon damals, aus dem Lande der Kunáma tretend, kannten, so räsonnirten wir. Seit dieser Zeit nun haben wir den Mareb bis Mai Daro als einen Fluss konstatirt und hier unter dem Namen Sona passirt. Wir sehen ihn von da südlich nach Anal sich wenden; wir finden den Sona von Neuem an Eimasa und an Elit vorüberziehend, wo er zum Gash wird. Die Identität kann also kaum angefochten werden. Zudem sind nun die Kunáma oder Bazen selbst gewiss die besten Kenner ihres Flusses und alle ohne Ausnahme erklärten sie, der Sona von Mai Daro und Elit sei derselbe Strom. Auch die Algeden bewiesen den Zusammenhang, indem sie oft von Elit den Strom hinaufgehend die Dörfer von Mai Daro verwüstet haben. Eben so haben die Soldaten von Adiabo den Mareb hinabziehend die Hadendoa bei Elit überfallen.

Eine andere Frage ist, bis wohin sich der Unterlauf des Mareb fortziehe. Der Mareb heisst von Elit abwärts Gash (nicht Qash, da das Arabische q Nichts mit dem Namen zu thun hat). Aus dem abschüssigen Bergland der Kunáma tritt er in die grosse Ebene Taka, der er so nothwendig ist wie der Nil Ägypten. Sein Unterlauf durchströmt nun ein Flachland, das wohl als Anschwemmung von ihm selbst gebildet worden ist, denn das Land Taka zeigt sich als eine dem Gash flach anliegende steinlose Ebene. Einzelne Berge freilich springen hie und da hervor und unterbrechen die Einförmigkeit, aber als blosse Ausnahmen bilden sie keine Gebirgslandschaft mehr. Der Gash verliert daher auch seinen früheren Charakter, er wird nach und nach förmlich Torrent; in der Ebene strömt er nur in der Regenzeit überirdisch. Die Teiche verschwinden; in der trockenen Zeit findet man untief unter dem Sande eine reichliche unterirdische Strömung. Er tritt schon bei Kassala sehr nahe an den Atbara hinan und es fragt sich, was bei seiner beständigen Neigung gegen Westen die Vereinigung so lange hindere und ob er sich überhaupt mit ihm vereinige.

Es war Herrn A. de Courval's Verdienst, zuerst erkannt zu haben, dass der Gash, wie er sich ausdrückt, in einem Arme in den Atbara münde; aber er hätte genauer genommen sagen können, dass er wenigstens darein münden könne. Der Gash geht nämlich von Kassala an Ebrét vorbei in das Gebiet der Hadendoa nordwärts, parallel mit dem Atbara, kaum 15 Stunden von ihm entfernt. Seinen natürlichen Lauf unterbrechen zwei Umstände, vorerst die von der Natur gebildete Wüste El Hauédé, dann die Kunst des Menschen.

Wir müssen uns vorstellen, dass der Gash in alter Zeit direkt dem Atbara zufloss, sich aber nach und nach durch Ablagerung den Weg dahin versperrte und vor dem

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gegen Westen von ihm selbst angelegten Damm rechts abweichen musste. Je weiter die Ablagerung ging, um so mehr verlängert sich der Damm zwischen beiden Flüssen und dieser Damm ist die Hauédé, die sich immer mehr ausstreckt, so dass es am Ende dem Gash unmöglich werden muss, sich dem Atbara wieder zu nähern. Von Kassala nordwärts ist nämlich das rechte Ufer höher als das linke; so ist es möglich, das linke Ufer durch Hindernisse unter Wasser zu setzen, während das rechte Ufer schon zu hoch liegt. Der bedeutende Schlamm des Gash hat daher das linke Ufer durch viele Jahrhunderte beständig erhöht, bis endlich das angesetzte Land so hoch zu liegen kam, dass es für das Wasser nicht mehr erreichbar war. So entstand die fruchtbare, aber wasserlose Steppe Hauédé, die, wenn sie Regen erhält, üppiges Gras erzeugt.

Die Kunst ferner, die den Gash zur Bewässerung des Landes benutzt, vertheilt seine Wassermasse und hindert ihr Weiterkommen. Er wird auf seinem linken Ufer durch künstliche Dämme zur Überschwemmung gebracht und die Breite der überschwemmten Ebene fanden wir durchschnittlich 1 Stunden. Seine Anwohner sind die Hallenga, die Segolab und die Hadendoa, im Verein mit den gemischten Einwohnern von Kassala. Unter Aufsicht der Regierung errichten sie dem ganzen Laufe nach von oberhalb Kassala an künstliche Stromwehren (Djisr), die den Wasserstrom hemmend ihn auf das flache Land ableiten. Diess geschieht vom Monat August an, wo der Strom regelmässig zu fliessen anfängt, und er bedeckt das Land zwei Monate lang. Im November pflanzen die Leute ihre Durra und schon im Februar findet die Ernte Statt. Der Gash macht also das Land Taka zu einem ungemein fruchtbaren

Strich. Er wird von oberhalb Kassala (Hellet Sherif) bis Umberéb gegenüber Báluk zur Kultur benutzt, so weit reicht also der Winterstrom in gewöhnlichen Jahren, und man muss sich verwundern, dass er bei der Ableitung so weit hin gelangen kann. In Jahren aber, wo in Abessinien sehr viel Regen fällt, ist es ihm trotz Allem doch noch möglich, sich bis zum Atbara Bahn zu brechen; doch ist diess seit 20 Jahren nicht mehr vorgekommen und wird immer seltener werden. Den 16. August 1862 überschritt ich auf der Rückreise von Berber nach Kassala ein kleines Sandbett (Chor) in der Ebene Suané bei Umm Handel, etwas nördlich von dem Punkte, den Herr v. Courval als Mündung bezeichnet. Diesen Ort heissen die Hadendoa Gash-da (Gasch-Mund) und bezeugen so durch das lebendige Wort den Ursprung. Als ferneres Zeugniss stehen hier einige Tamarisken, die am Gash von Kassala häufig, sonst nirgends in der Umgegend vorkommen und deren Samen nur der Wasserstrom herbeiführen konnte. Es thut Nichts zur Sache, dass das Sandbett sehr klein ist, da es der Fluss nur sehr selten erneuert und bei der Ableitung nie eine grosse Wassermasse hierher gelangen kann. So darf der Gash kaum als ein Zufluss des Atbara angesehen werden, da er ihm nur ausnahmsweise Wasser zuführt und jedenfalls in sehr geringer Quantität. Sein Nutzen bleibt ganz der Landschaft Taka, die er wohl 30 Stunden lang befruchtet 1).

1) Die Mündung des Gash-Bettes in den Atbara liegt hiernach in 17° 9' N. Br. Der bei Tokar nahe dem Rothen Meere versiegende Fluss ist nicht der Gash, wie Einige früher annahmen, sondern nach Munzinger der Barka, mit dem sich nach Heuglin ein vom Djebel Orbay Langay oder Langheb herabkommender Chor vereinigt. A. P.

Ein geographischer Überblick der Wetter-Bewegung des Januars 1864 in Europa. Mit einer Bemerkung zur Theorie der Stürme.

Wenn

§. 1.

Von A. Mühry.

man Anwendung macht von der Vorstellung eines östlichen Wind-Pols, als zusammenfallend mit einem östlichen Winterkälte-Pole, in der Mitte des polarischen Kontinents von Asien, wenn man ferner demzufolge die Lage der mit ihren meteorischen Eigenschaften unter sich kontrastirenden Passate und Anti-Passate dahin wie nach einem Central-Gebiete gerichtet sich denkt und dann durch deren wechselndes, als Wirkung der Erdrotation immer nach rechts drängendes, seitliches Vorrücken die zeitweise vorkommenden grossen Wechsel der Witterung in den ver

schiedenen Erdstrichen der extratropischen Breiten erklärt, so findet man sowohl mit solcher Vorstellung eine unzweifelhaft richtige Deutung der im Laufe des Januars 1864 über Europa vorgekommenen Wetter-Bewegungen, wie auch in diesem Falle aufs Neue und in vorzüglicher Weise eine Bestätigung des angedeuteten geographischen Windsystems auf der nördlichen Halbkugel selbst. Diess durch Komposition der beobachteten Thatsachen darzulegen, soll hier versucht werden 1).

1) Die Belege sind genommen aus den regelmässigen Beobachtungen, für deren tägliche Mittheilung man in neuester Zeit mehreren Tages

Der damalige allgemeine Vorgang in der Atmosphäre über Europa war in seinen Hauptzügen folgender. Nachdem den ganzen Dezember 1863 hindurch über Europa ein südwestlicher Luftstrom oder ein Anti - Passat herrschend gewesen war, mit ungewöhnlicher Wärme, niedrigem Barometerstande, hohem Saturations-Stande, Trübe und Regen, auch mit sehr heftigen Stürmen, zumal vom 2. bis 4. Dezember, erschien mit dem Anfange des Januars das Gegentheil der genannten Erscheinungen, ein nordöstlicher Luftstrom oder ein Passat, sehr schwach wehend, mit strenger Kälte, hohem Luftdruck, Heiterkeit und Trockenheit, und zwar vorrückend mit der rechten Seite seiner zwischen NO. und SW. gerichteten Strömung, also von Südost nach Nordwest hin pendelartig sich bewegend. Gegen 3 Wochen lang befanden sich damals das südliche und das mittlere Europa unter jenem Passat oder Polarstrom, welcher aktiv vordringend den ihm zur rechten Seite liegenden, zur Zeit schwächeren oder passiv sich verhaltenden Anti-Passat oder Äquatorial- oder Antipolar-Strom fortgeschoben hatte und so erhielt. Der letztere blieb im nördlichsten Theile Europa's bestehen mit seiner höheren Temperatur und den anderen Eigenschaften (wie auch im südöstlichen Theile Europa's ein anderer Anti-Passatstrom sich andeutete) und etwas nach der Mitte des Monats wurde er wieder aktiv, drängte nach seiner rechten Seite hin und schob den Polarstrom langsam zurück von Nordwest nach Südost, wohin auch eben so allmählich wärmere Temperatur sich verbreitete. Am Ende des Monats erschien dann noch ein Mal im mittleren Europa Kälte u. s. w. mit einem Polarstrom, jedoch diess Mal von der anderen Seite, auch von Nordwest her seitlich vorrückend oder in diesem Falle passiv, fortgeschoben; er war auch von geringerer Breite und weniger kalt als der frühere, also ein zwischen zwei Südwestströmen passiv nach seiner linken Seite, nach Südost hin sich bewegender Nordoststrom.

Es kommt nun darauf an, nachzuweisen, dass die Vertheilung und die Umsetzung der meteorischen Verhältnisse in Europa in der eben angegebenen Weise sich ereignet haben, nämlich mit dem gleichsam pendelartigen, langsamen Vor- und Zurückschwanken von zwei (ja in diesem Falle wahrscheinlich von vier, je zu zwei) unter einander scharf kontrastirenden Passatströmen, diesen fundamentalen Strömen der Atmosphäre, welche nach unserer Vorstellung ihren Wind-Pol in der Mitte Nord-Asiens haben, diesen strahlenförmig umkreisen und nun gleichsam wie die

blättern Dank wissen muss als Vermittlern der von den Meteorologischen Central-Anstalten ihnen dargebotenen Befunde. Namentlich sind anzuführen: die,,Hamburger Börsenhalle" und,,Neue Hamburger Nachrichten", die,,Augsb. Allg. Zeitung", die Englische,,Times", das Russische,,Journal de St.-Pétersbourg", das Französische,,Bulletin international de l'observatoire de Paris".

Speichen eines Rades erscheinen, welches sich bald nach der einen, bald nach der anderen Seite dreht. Es sind besonders drei Zeitpunkte mit entschieden eintretender Wetterwende zu unterscheiden:

1. Zu Anfange des Januars rasches Eintreten von Kälte, das war aktives rechtsseitiges Vorrücken des Nordost- oder Polarstroms (also Hinaufschieben des Südwestoder Anti-Polarstroms), von Südost nach Nordwest hin pendulirend.

2. Bald nach der Mitte des Monats Aufhören der Kältezeit, das war Wiederherstellung oder aktives rechtsseitiges Vorrücken des Südwest- oder Anti-Polarstroms (also Hinunterschieben des Nordoststroms), in der entgegengesetzten Richtung, nach Südost hin pendulirend.

3. Gegen Ende des Monats abermaliges Erscheinen eines Polarstroms, das war aber diess Mal passiver Art, er kam von der anderen Seite, von Nordwest her, war auch weit schmaler, also indem er innerhalb zweier Antipolar- oder Südwestströme, welche aktiv nach Südost hin vorrückten, mitgeführt wurde.

§. 2.

1. Wie gesagt, am Anfange des Januars verbreitete sich rasch Kälte über Europa von Südost nach Nordwest hin, etwa bis Petersburg, Stockholm und Nairn in Schottland (58° N.), aber weiter nördlich, in Haparanda (66° N.) in Lappland, blieben die Eigenschaften des Südweststroms erhalten. Am 30. Dezember sehen wir noch den ganzen mittleren Gürtel Europa's unter einem milden Südweststrome mit niedrigem Barometer u. s. w., aber im südlichen Europa scheint gleichzeitig schon ein Nordoststrom vorhanden zu sein, aus Rom wurde schon das Weihnachten als ungewöhnlich kalt gemeldet, Florenz hatte am 30. Dezember nur 2,8° R., Baromet. 763, das hoch liegende Madrid nur 0,6° mit Ostwind, Barom. 774; auch in Palma und in San Fernando bei Cadiz waren NNO. und ONO. mit 8,6° und 5,6° bei hohem Barometer 768 und 769. Dagegen war am genannten Tage in Wien noch 4,5° bei niedrigem Baromet., 752 1), in Leipzig —0,6°, Barom. 758, in Strassburg 3,6° mit W., in Nairn 2,6° mit WSW., jedoch in Petersburg war damals Kälte, -10° mit NW., freilich wegen der Nähe des Äquatorialstroms mit niedrigem Barometer, 749.

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Am 31. Dezember finden wir die Kälte von Südost

1) Die Barometer - Angaben nach Millimetern sind immer reducirt auf die Meeresgleiche, die Thermometergrade sind nach Réaumur's Skale gegeben; die Aufnahme der Meteore erfolgte des Morgens um 8 oder 9 Uhr; erklärlicher Weise ist die Windrichtung, weil sie momentan nach der Fahne bestimmt worden ist, nicht immer an jedem einzelnen Orte die eigentliche Stromrichtung angebend, überhaupt dürfen einzelne lokale und oft nur momentane Abweichungen die Auffassung des weiten Ganzen nicht beirren..

her vorrückend, wie wenn mit der rechten Seite ein breiter Gürtel sich vorschiebt; in Turin waren nun 0,4°, in Wien -2,0° mit NW., Barometer 763, in Strassburg 1,7° mit NO., in Leipzig -6,3°, Barom. 768, dabei Nebel; auch im westlichsten Europa zeigte sich dasselbe Vorrücken und ist hier besser nachzuweisen, in Madrid waren 0,9° mit NO., Barom. 767, in Besançon 0,9° mit SO., Barom. 763, in Avignon und Marseille NO. (am Tage zuvor NW.), in Bordeaux 0,8° mit O. und Trübe; dagegen weiter nördlich war es wärmer, in Rochefort 5,4° mit S., Barom. 758, in Brest 9,7° mit SSW., Barom. 752, in Havre 1,5° mit O. und Nebel, Barom. 752, in Paris 1,2° mit SSW. und Nebel, in Greenwich 0,9°, Barom. 759, Nebel, in Nairn -0,5° mit S.

Am 1. Januar kam die östliche Strömung nach Göttingen, Brüssel (-1,3° mit NO., Barom. 759), Greenwich (0,6° mit ONO., Barom. 759), Nairn (-0,8° mit ONO., Barom. 767), Kopenhagen (-4° mit ONO., Barom. 769), in Libau waren -7,2° mit NNO., Petersburg -8,7° mit N., Stockholm -8,7°, Barom. 766, Moskau -10°, dagegen Haparanda hatte nur -1,4°.

Am 2. Januar drangen Kälte und schwererer Luftdruck ferner nordwestwärts vor, Paris hatte nun -4,3°, das Barometer stieg auf 770 mit NO. und heiterem Himmel, Greenwich hatte -1,2° mit NO. und Barom. 774, Nairn -3,5 mit ONO., Barom. 774. Wir erkennen nun in der That Europa von einem breiten Nordoststrome überweht, aber mit Ausnahme des nördlichsten und des südlichsten Theiles dieses westlichen Anhanges von Asien, hier sind die beiden seitlichen Grenzen des Passatstroms zu bemerken. Die Richtung war auch im nördlichen Theile noch eine nordöstliche, wenigstens ONO., obwohl erklärlicher Weise die Lage des Winterkälte-Pols, etwa zwischen 60° und 70° N., bewirken muss, dass unter den daher kommenden wie dahin gehenden Strömen, welche ihn strahlenförmig umgeben, eine Änderung der Richtung aus der Reihenfolge hervorgeht; im südöstlichen Europa muss daher die Richtung eines Passatstroms schon entschiedener nordöstlich sein, im nordwestlichen Europa aber der östlichen sich nähern; dasselbe gilt analog für die Richtung der Anti-Passatströme. Am genannten Tage finden wir ausserhalb des kalten Polarstroms geblieben Haparanda (vielleicht auch Archangel, Hammerfest, Drontheim?) und auch im Süden Neapel (6°, SW.), Palermo (8,3°, SW. mit niedrigem Barometer, 755), Alicante (8,7°), Palma (9,2°, NW., Barom. 759), so dass man sogar wagen kann, ungefähr die Breite eines Polarstroms oder Passats zu bestimmen; im vorliegenden Falle reichte sie etwa von Nairn bis Palermo, von 58° bis 38° N., das wären 20 Breitengrade = 300 Geogr. Meilen (z. B. am 6. Januar hatte Petersburg

-6°, NW. und Nairn -5,7°, SSO., aber Leipzig -13°, 0., Bern -11°, SO., Livorno -1,3°, ONO., Neapel 2,2°, N., auch Palma, Alicante und Cadiz hatten NO., aber Palermo, wenigstens am folgenden Tage, 2,9°, WSW.); diese Breite ist eher zu schmal als zu gross angenommen.

Es ist wohl hinreichend deutlich, dass die Kälte und überhaupt die ganze Östlichkeit und Kontinentalität der meteorischen Zustände damals wirklich längs einer langen Linie von Südost nach Nordwest hin vorrückte, das heisst, sie beruhte auf einem aktiven Polarstrome. Die Geschwindigkeit, mit welcher diess geschah, lässt sich ungefähr daraus ermessen, dass diese Linie, um von Wien nach Nairn zu rücken, etwa 2 Tage bedurfte. Die Richtung des ganzen Stroms lässt sich ungefähr an der vorrückenden rechten Seite oder nördlichen Zwischengrenze erkennen, welche freilich weder als schroff trennend noch streng gerade, sondern eher als allmählich übergehend und Kurven bildend gedacht werden muss, sie scheint z. B. ein Mal von Petersburg nach Bordeaux verlaufend, d. i. NO., auf dem Globus gesehen. Beachtenswerth ist, was die Zwischengrenze betrifft, dass längs derselben, also zwischen zwei unter sich kontrastirenden Passatströmen, ein breiter Strich mit Zeichen des Übergangs wahrnehmbar ist, erfüllt mit Nebel, Wolken oder Niederschlägen, als Regen und Schnee; vermuthlich und meistens nachweisbar befindet sich hier auch eine Ausgleichung der extremen Barometerstände, indem der niedrigste Luftdruck längs der Mittellinie eines Südweststroms verläuft, dagegen der höchste längs der Mittellinie eines Nordoststroms, so dass parallel streichen ein Barometer-Thal und ein Barometer-Höhenzug und zwischen beiden ein Übergang. Diese Vertheilung gilt auch für die Temperatur, es scheint, dass die strengste Kälte, ceteris paribus, längs der Mittellinie eines Polarstroms sich hält, weil zu beiden Seiten wärmere Ströme angrenzen, demnach muss ein schmaler Polarstrom weniger Kälte haben, und dasselbe ist in umgekehrter Weise auf die milde Temperatur der Anti - Polarströme anzuwenden. Auch das Drehen der Windfahne, von SW. über W., NW. nach NO. hin erfolgend, ist in mehreren Angaben wahrnehmbar, wie es in diesem Falle, wo der Nordost - Passat nach seiner rechten Seite hin an die Stelle des Südwest - Passats trat, die Theorie verlangt 1) (so dass nicht etwa ein Drehen der beiden Ströme selbst in ihrer ganzen Breite, sondern nur etwa an einzelnen lokalen Theilen der Zwischengrenze, noch weniger aber ein senkrechtes Gegeneinanderwehen derselben, ein gegenseitiges Stauen, in der Vorstellung vom Wechsel der Passate Geltung haben darf).

1) Näheres hierüber findet sich in ,,Beiträge zur Geo-Physik und Klimatographie", 1863, Heft I, S. 46.

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