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riesigen periodischen Heuschreckenschwärme, welche die Landplage der Deutschen Landbauer in Süd-Russland und West-Texas sind, ein bedenkliches Zeichen, weil sie lange Trockenheits-Perioden anzeigen. Auch dort verschwindet wie uns Humboldt anschaulich schildert unter der lange andauernden Trockenheit aller Pflanzen wuchs und die Winde wirbeln schwarze Staubwolken in die Höhe wie in SüdRussland und West - Texas. Auch dort giebt es wenig Küstenflüsse und Baumwuchs, sogar noch weniger als in den beiden genannten Ländern. Auch dort arten fast alle dahin verpflanzten veredelten Kulturpflanzen und Hausthiere, so weit sie überhaupt noch gedeihen wollen, aus, wodurch ein rationeller Ackerbau unmöglich wird.

Und doch ist Texas noch mehr von der Natur begünstigt als Süd-Russland und die La Plata-Staaten. Seine Prairien sind weniger ausgedehnt. Es kann sich wenigstens noch der schon erwähnten Feuchtigkeits- Perioden rühmen und es ist möglich, in allen seinen einigermaassen bewässerten Gebirgslandschaften ganz herrliche Weizenernten zu erzielen, wenn man im Dezember säet, wenn keine Spätfröste eintreten und der Frühjahrsregen vor und nicht während der Blüthezeit fällt. Es kann jeden beliebigen Bedarf an Nutzholz billig von Florida und Ost-Texas beziehen. Es wird endlich für mehrere zukünftige Welthandelsstrassen der nothwendige Durchgangsbezirk werden und bleiben. Von New Orleans, Memphis und St. Louis nach dem Meerbusen von Kalifornien werden in nicht langer Zeit wichtige Eisenbahnen führen, welche durch Texas gehen werden. Von Galveston nach dem oberen Red River, von der Matagorda-Bai nach Neu-Mexiko, von der Rio Grande - Mündung nach El Paso einerseits, nach den Mexikanischen Staaten Sonora, Sinaloa und Durango andererseits werden belebte Eisenbahnstrassen entstehen. Der Rio Grande dürfte dereinst kanalisirt werden und zwar durch die Wüste hindurch, welche Bolsom de Maximi heisst, und dieser Kanal wird nicht nur den oberen und unteren Lauf des Stromes in eine ununterbrochene Schifffahrt vereinigen (dieselbe ist jetzt durch einen 500 Meilen langen mittleren Lauf zwischen unzugänglichen Felsengebirgen und viele Stromschnellen unterbrochen), sondern auch ein jetzt wüstes Landgebiet von der Grösse Bayerns reich zu bewässern erlauben. Von dieser Veränderung muss auch Texas grossen Nutzen ziehen.

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zona und Neu-Mexiko sind mit Goldquarz und Goldsand reich bedacht. Chihuahua und die Guadalupe-Gebirge von Texas sind ungemein silberreich. Das beste magnetische Eisenerz ist in Nuevo Leon und Coahuila fast mühelos zu gewinnen. Die Sierra Madre hat unerschöpfliche Wälder bis dicht an den 32. Grad nordwärts; Texas wird grosse Steinkohlenschätze liefern. Diese Überfülle von Naturschätzen wird durch Eisenbahnen und Kanäle für den Welthandel erschliessbar werden und neben einer ungeheueren Ausfuhr von Rohprodukten die Möglichkeit von industrieller Verarbeitung eines Theiles derselben gewähren. Die zahlreichen Wasserkräfte auf den Gebirgsabhängen des nördlichen Mexiko und nordwestlichen Texas werden zur Anlegung von Schmelzwerken, Marmorschleifereien, Baumwollspinnereien einladen und diess wird weitere Industrien im Gefolge haben. Kurz, das ganze Flussgebiet des Rio Grande wird dereinst eine sehr dichte Bevölkerung und somit einen hohen Kulturgrad erlangen.

Der Rio Grande ist der Amerikanische Nil. Wie dieser fliesst er überall durch eine Wüste, welche allein durch ihn anbaufähig und bewohnbar wird, und ergiesst sich in den hintersten Winkel eines für den Welthandel wichtigen Binnenmeeres. Wie dieser hat er Hindernisse für die Schifffahrt gerade auf seinem mittleren Laufe, seine unbekannten Regionen und periodische Überschwemmungen. Wie dieser nimmt er wenig Nebenflüsse und dabei keinen einzigen schiffbaren auf und verliert durch Verdunstung je länger je mehr von seiner Wassermasse. Wie dieser vermag er durch menschliche Industrie zur befruchtenden Ader für weite Landstrecken umgeschaffen und der Hebel höchster Geistesbildung zu werden. Endlich münden beide unter fast derselben geographischen Breite. Aber die Unterschiede sind alle zu Gunsten des Rio Grande. Er fliesst von Norden nach Süden, hat also einen längeren Hochwasserstand vom Spätherbst bis fast in den Hochsommer. Er ist in nicht sehr grosser Entfernung von anbauwürdigen, ja reichen Landschaften eingeschlossen, nach welchen von ihm aus Eisenbahnen über ein sanft ansteigendes Terrain höchst billig gebaut werden können, und die Erzreichthümer dieser noch jungfräulichen Länder können und müssen die unerschöpflichen Mittel zur Herstellung dieser und anderer Verkehrsstrassen auf beiden Ufern gewähren, so wie zur Verbindung jeder Art Industrie mit Ackerbau und Viehzucht, also aller nöthigen Grundlagen höchster Geistesentwickelung für eine sehr ansehnliche Bevölkerung. Er fliesst endlich durch Amerika, jener durch Afrika ein Unterschied, dessen weit reichende Bedeutung nicht weiter auseinandergesetzt zu werden braucht.

ww.

Die Schwedische Expedition nach Spitzbergen, 1861.

VI. Geographische Beschreibung der nordöstlichen Theile von Spitzbergen und der Hinlopen - Strasse. Von A. E. Nordenskjöld 1).

(Mit Karte, s. Tafel 6.)

Es lag mit in dem ursprünglichen Plane der Schwedischen wissenschaftlichen Expedition nach Spitzbergen im Jahre 1861, dass einige der Theilnehmer während des Sommers auf dem Polareise so weit wie möglich gegen Norden vorzudringen suchen sollten. Bald musste gleichwohl dieser Plan wegfallen, weil das von uns benutzte Fahrzeug, der Schooner Äolus, schon im Anfange unseres Aufenthaltes an der nördlichen Küste Spitzbergens von hohem, undurchdringlichen Treibeise eingeschlossen wurde. Dadurch wurden alle längeren Ausflüge von dem Fahrzeuge ganz unmöglich gemacht, und als endlich nach dem Verlauf mehrerer Wochen das Eis sich vertheilte, war schon ein so grosser Theil des in diesen hohen Breiten so kurzen Sommers verflossen, dass ein eigensinniges Festhalten an der zuvor beabsichtigten Eisfahrt ganz zwecklos gewesen sein würde. Daher widmeten denn während des noch übrigen Theiles des Sommers die für die Eisreise bestimmten Mitglieder der Expedition ihre Kräfte geographischen und geognostischen Untersuchungen des Nordostlandes und der Hinlopen - Strasse. Die Resultate dieser Untersuchungen,

so weit dieselben auf mir beruhen, werden hier in der Form einer geographischen und geologischen, von einer Karte begleiteten Beschreibung über die von uns besuchten Gegenden mitgetheilt.

Diese Karte gründet sich theils auf Parry's bekannte Karte, theils auf Mittheilungen der übrigen Theilnehmer an der Expedition, besonders von Carl Chydenius, vornehmlich aber auf Beobachtungen, welche O. Torell und ich auf den Bootfahrten gemacht haben, die wir in der Gesellschaft des berühmten arktischen Reisenden, des Dänen Petersen, und von vier Bootsleuten begleitet längs den auf der Karte gezeichneten Küsten unternommen haben.

Auf diesen Fahrten so wie überhaupt auf der ganzen Spitzbergen'schen Reise benutzte ich jede Gelegenheit, die sich mir darbot, jeden heiteren Tag, jede wolkenfreie Nacht zur Anstellung geographischer Ortsbestimmungen. Auf dem Theile von Spitzbergen, welchen die beigefügte Karte umfasst, sind also 28 Punkte hinsichtlich ihrer Lage astronomisch bestimmt und diese Ortsbestimmungen bilden die eigentliche Basis der Karte. Von diesen astronomisch be

1). Aus dem Schwedischen der Kongl. Svenska Vetenskaps-Akademiens Handlingar, Bd. 4, Nr. 7, übersetzt von C. F. Frisch.

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Die Tafel-Insel (Taffel-ö), nach Winkelmessungen
Der höchste Gipfel auf Parry Insel, nach
Winkelmessungen

Der höchste Gipfel auf Marten Insel, nach
Winkelmessungen

Die nördliche Spitze von Phipps Insel, nach
Winkelmessungen

Die südöstliche Spitze von Martens Insel, nach
Winkelmessungen

Die Karte umfasst, wie ein Blick auf dieselbe lehrt, vornehmlich die Küstenstrecken des nördlichen und nordwestlichen Theiles des Nordostlandes und den grössten Theil der Hinlopen-Strasse.

Die Hinlopen - Strasse bildet eine von NW. nach SO. zwischen dem eigentlichen Lande Spitzbergen und dem Nordostlande sich erstreckende ziemlich breite Meerenge, welche die Meere an den nördlichen und östlichen Küsten Spitzbergens mit einander verbindet. Heftige Ströme und

1) Siehe,,Geogr. Mittheil." 1864, Heft I, S. 15.

Stürme, welche auf der Eigenschaft der Meerenge als eines Verbindungskanales zwischen dem östlichen und westlichen Eismeere beruhen, herrschen dort fast immer und machen die Schifffahrt in der Strasse gefährlicher als in irgend einem anderen Theile des Spitzbergen'schen Meeres. Daher wird dieselbe auch selten von den Norwegischen Walross-Jägern besucht und selten oder niemals ist sie so eisfrei, dass man ungehindert hindurchsegeln kann. Wenigstens ist ein solches Unternehmen noch keinem einzigen Norwegischen Walross-Jäger gelungen, welches ein bisher unerreichtes Ziel ihres Ehrgeizes zu sein scheint. Mancher von ihnen rühmt sich zwar, dass er rund um Spitzbergen gesegelt ist; bei näherer Nachfrage aber findet man bald, dass sie darunter nichts Anderes verstehen, als dass sie zu verschiedenen Zeiten bis an dieselbe Stelle in der Strasse vorgedrungen sind, das eine Mal von Norden her, das zweite Mal von Süden. Im Jahre 1861 war der südliche Theil der Strasse, etwa bis an die Süd-WaygatsInseln, noch am 14. Juli mit festem Eise bedeckt, und als dieses Eis später im Sommer durch Sturm und Strömung zerstreut wurde, nahm Treibeis, welches östliche Winde in dem südlichen Theile der Strasse angehäuft hatten, die Stelle desselben ein. Vergeblich versuchte daher einer der kühnsten Spitzbergen-Fahrer, ein alter Schiffer aus Hammerfest, in den ersten Tagen des September 1861, da man an der nördlichen Küste nicht einmal gegen Norden Eis sehen konnte, durch diese gefährliche und launenhafte Meerenge zu segeln. In dem südlichen Theile derselben stiess er auf undurchdringliches Treibeis und war genöthigt umzukehren.

Die arktische Natur tritt an den von uns besuchten Gegenden Spitzbergens nirgends so prachtvoll und grossartig auf als in dem südlich von der Wahlenberg Bucht und der Lomme-Bai belegenen Theile der Hinlopen-Strasse. Die Meerenge, die hier ziemlich breit ist, wird zu beiden Seiten von hohen, bis an das Meeresgestade herabreichenden Fjellen umgeben, welche entweder aus Hyperit bestehen und dann oft senkrecht ins Meer hinabstürzen oder aus horizontalen, ebenfalls am Meere plötzlich abgeschnittenen Kalklagern, oben bedeckt mit einer mächtigen schwarzen Hyperit-Schicht. Dieses bis an das Meeresufer herabgehende, unten grauweisse, oben schwarze Fjell-Band wird nur von grossen, in die Thäler und Bergklüfte eindringenden Jökeln unterbrochen, von deren senkrecht gegen das Meer abfallendem Rande stets ungeheuere Eisstücke mit starkem Geräusch und Getöse herunterstürzen. Einige dieser Berge dürften eine besondere Erwähnung verdienen.

Wenn man in die südliche Hälfte der Strasse einsegelt, so ziehen gleich zwei Berge die Aufmerksamkeit des Reisenden auf sich, nämlich Lovén Berg an dem westlichen

und Angelin Berg gegenüber am östlichen Gestade. Jeder dieser Berge ist bemerkenswerth wegen seines Reichthums an Versteinerungen und besteht, gleich einer Menge anderer Berge an der Strasse, unter anderen auch der ganzen Küstenstrecke zwischen dem Angelin Berge und der Wahlenberg Bucht, aus grauen, oft stark kieselhaltigen Kalk- und Sandsteinlagern, welche oben mit einer hohen, schwarzen, ebenfalls horizontalen Schicht bedeckt sind, auf welcher man hie und da wiederum denselben grauen Kalk wie am Fusse des Berges antrifft. Das dem Meere zunächst gelegene Plateau des Lovén Berges liegt zwischen 1700 und 1800 Fuss über dem Meere, der höchste Gipfel desselben aber ist bedeutend höher und zwar 2500 Fuss nach Abschätzung von Chydenius, der diesen Berg bestiegen hat. Angelin Berg ist bei weitem niedriger, sein dem Meeresufer zunächst gelegenes Plateau vielleicht nur 900 bis 1000 Fuss. Im Norden vom Lovén Berg beginnt die Hyperitmasse sich immer mehr und mehr zu senken, bis sie endlich etwas südlich von Duym-Point die Meeresfläche erreicht. Ein mächtiges Fjell an dieser Spitze besteht ausschliesslich aus Hyperit und nördlicher, zwischen DuymPoint und Kap Fanshaw, bildet diese Steinart einen etwa 1000 Fuss hohen, gegen das Meer ganz senkrecht herabstürzenden, in unzählige Klüfte und kolossale frei stehende Säulen zersplitterten Berg, bewohnt von einer unglaublichen Menge Alken und Fischmeven, welche hier zahlreicher vorkommen als an irgend einer anderen Stelle auf Spitzbergen. Im Norden dieses Alken-Fjelles erhebt sich die schwarze Hyperitmasse von Neuem, so dass der Fuss der hohen Berge, welche das Kap Fanshaw bilden, aus anderen Bergarten, wie Kalk- und Sandsteinlagern, besteht.

Die Hyperitberge sind entweder abgerundet oder stürzen, wie das oben beschriebene Alken-Fjell, ganz schroff gegen das Meer ab, die Seiten der Kalkberge dagegen bilden einen einzigen grossen Trümmerhaufen von herabgestürzten Steinen, an welchem man nur mit Schwierigkeit hinaufklettern kann, nicht ohne Gefahr vor den stets von der Bergspitze herabrollenden Steinen und Felsstücken. An der Grenze zwischen dem Jökel und dem Fjell, zwischen dem Eis- und Steinberge, findet man doch beinahe immer einen Weg, der leichter zu betreten und auch weniger gefährlich ist, um auf den Gipfel des Berges zu gelangen oder richtiger auf das zusammenhängende, nur in der Nähe des Meeres von Jökeln zerschnittene Berg- oder Eisplateau, aus welchem das Innere des Landes besteht. Auf einer Höhe von 500 bis 1000 Fuss trifft man noch keinen sogenannten ewigen Schnee, sondern während des letzteren Theiles des Sommers schneefreie Ebenen an, auf denen hie und da verkrüppelte Exemplare der in der hoch-arktischen Zone vorkommenden Pflanzen stehen. Erst in einer Höhe von

1500 bis 2000 Fuss scheint eine beständige Schneeregion zu beginnen. Chydenius, der eine Fusswanderung in das Innere des Landes von den Bergen im Süden des LovénBerges an die südliche Bucht der Lomme-Bai gemacht hat, beschreibt die von ihm besuchte Gegend als ein zusammenhängendes, mit losem Schnee bedecktes Eisplateau, aus welchem sich keine Berggipfel erheben, wohl aber einige 100 bis 150 Fuss hohe, von Nord nach Süd sich erstreckende Eiswälle. Diese von keinen tieferen Thälern unterbrochene Eisebene bildet deutlich den eigentlichen Firn und die Quelle der zahlreichen in das Meer mündenden Jökel.

Im Norden der Lomme-Bai und der Wahlenberg-Bucht sind die Ufer zu beiden Seiten der in diesen Gegenden sehr schmalen Strasse ganz niedrig. Das westliche Ufer besteht aus einem ungeheueren, vom Eiskap bis an den Hecla-Hook sich erstreckenden Jökel, der nur in der Mitte von einigen wenig bedeutenden schwarzen Bergmassen unterbrochen ist. Das östliche Ufer wird gebildet von einer niedrigen, kahlen und öden Kalkrehde, welche an Vegetation ärmer und dürftiger ist als selbst die nördlichen Granitfelsen der Sieben Inseln. Ältere Holländische Karten haben hier eine lange, durch einen schmalen Sund von dem eigentlichen Nordost - Lande getrennte Insel, die NordostInsel genannt. Von dem Sunde, welcher diese NordostInsel von dem Nordost-Lande trennen sollte, ist wenigstens jetzt keine Spur mehr vorhanden, wohl aber konnte Chydenius, der während seiner Rekognoscirung für die Gradmessung auch in diesen Gegenden etwas tiefer in das Land eindrang, bemerken, wie die Kalkberge, welche die alte Nordost-Insel bilden, sich erst langsam zu einem 1000 bis 1500 Fuss hohen Bergkamm erheben und sich darauf von Neuem zu einem nur ein Paar hundert Fuss über das Meer sich hebenden, fast von der Lady Franklin - Bucht bis an die Wahlenberg - Bucht sich erstreckenden, mit Eis bedeckten Thale senken. Dieses Thal, welches leider Niemand von uns Gelegenheit hatte vollständig zu untersuchen, ist nicht sehr breit und seine nordöstliche Seite wird nach Chydenius begrenzt von einer senkrechten, 1500 bis 2000 Fuss hohen Eiswand oder mit Eis bekleideten Bergwand, welche die Grenze des hohen Eisplateau's zu sein scheint, welches das ganze Innere des Nordost-Landes bildet.

Drei Fjorde dringen aus dem von uns besuchten Theile der Strasse tief hinein in Neu-Friesland und in das Nordost-Land.

Der nördlichste derselben, Murchison - Bucht, ist an der Ostseite der Strasse zwischen der sogenannten NordostInsel und der Grossen Stein - Insel (Stora Sten-ö). Durch einen niedrigen Isthmus wird dieser Fjord von Lady Franklin - Fjord getrennt und die Grosse Stein - Insel ist also Petermann's Geogr. Mittheilungen. 1864, Heft IV.

keine Insel, wie ältere Karten angeben, sondern nur eine Halbinsel. Das nördliche, in drei Spitzen auslaufende Ufer des Fjordes besteht aus ziemlich hohen und steilen Bergen, nach Malmgren's Beobachtungen merkwürdig als die einzigen mit Gewissheit bekannten Brutstellen der schönen schneeweissen Meven-Art Spitzbergens, Larus eburneus, oder der Elfenbein- oder Eismeve. Auch der östliche Strand des Fjordes besteht aus hohen Bergen, der südliche Strand dagegen und die vielen kleinen Inseln in der Bucht bestehen aus niedrigen, ganz zertrümmerten Kalkfelsen von gleicher Formation und gleichem traurigen Aussehen wie die Felsen an der Nordost-Insel. Auf einem zwischen der WalfischInsel (Hval-ö) und der Dépôt-Insel belegenen Holme in dieser Bucht ist eine alte Russenhütte, auf einem zweiten ein schön verziertes Russenkreuz, auf einem dritten Überreste eines Walfisch - Skelettes und endlich auf der Insel, bei welcher während unserer Anwesenheit der Schooner vor Anker lag (Dépôt-Insel), ein von uns aus Steinen errichtetes kleines Denkmal. Noch in der Mitte des Juli lag von der Walfisch-Insel bis in das Innere der Bucht festes Eis, nach einigen Tagen wurde jedoch dieses Eis so schwach und löcherig, dass man nicht ohne Gefahr hinübergehen konnte, und als etwas später im Sommer der Schooner die Bucht von Neuem besuchte, war diese völlig eisfrei.

Südlicher, ungefähr in der Mitte der Strasse, dringt die Wahlenberg - Bucht tief in das Nordost - Land ein. Diese Bucht wird an der Südseite begrenzt von recht hohen, gegen das Meer schroff abfallenden Bergen von gleicher Formation und gleichem Aussehen wie Lovén- und Angelin - Berge, der nördliche Strand dagegen ist bedeckt von ungeheueren, nicht wie gewöhnlich am Meere scharf abgeschnittenen, sondern in konische Spitzen oder Zacken zersplitterten Jökeln. In dem nordwestlichen Winkel der Bucht liegt eine ziemlich grosse Insel, die Hyperit-Insel, und eine andere Insel von ungefähr gleicher Grösse befindet sich in der Mitte der Mündung der Bucht. Die erstgenannte dieser Inseln, die Hyperit - Insel, besteht, wie schon ihr Name andeutet, ganz und gar aus HyperitFelsen, welche am westlichen Ufer der Insel senkrecht ins Meer stürzen und die ganz verschiedenartigen Kalkbildungen am nördlichen und südlichen Ufer der Bucht trennen. Die letzterwähnte Insel ist niedrig und unansehnlich, vielleicht auch auf der Karte unrichtig gezeichnet, da ich keine Gelegenheit hatte, durch ganz zuverlässige Winkelmessungen ihre Lage zu bestimmen. Die ganze Bucht war noch am 12. Juli mit festem Eise bedeckt, aber eisfrei, als der Schooner dieselbe etwas später im Sommer besuchte.

Gegenüber, an der anderen Seite der Strasse, drängt sich die Lomme-Bai tief in den unter dem Namen Neu Friesland bekannten Theil von Spitzbergen hinein. Viel

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leicht der stattlichste Jökel des Landes,,,der Veteran", wurde von Chydenius im Hintergrunde der langen schmalen Bucht, die im Süden den eigentlichen Fjord fortsetzt, angetroffen. An dem nordwestlichen Strande trifft man ebenfalls einen stattlichen, weit an der anderen Seite des Eiskaps fortgesetzten Jökel, am südlichen Strande dagegen ein weites, mit Jökel-Flüssen und Lagunen erfülltes Tiefland. Übrigens ist dieser schöne Fjord begrenzt von hohen Fjellen, welche sich am östlichen Ufer in terrassenförmigen Absätzen an das Meer hinabsenken, am westlichen dagegen ganz schroff herabstürzen. Eine einzige niedrige Insel, an deren südlichem Ufer nach Chydenius ein kolossaler Riesentopf von dem Wasser oder Eise in den Felsen gedrechselt ist, liegt in der Mitte des Fjordes. Parry hat dieselbe Foot - Insel benannt. Das ganze Innere des Fjordes bis zu dieser Insel war bei Torell's und meinem ersten Besuche hierselbst am 20. Juli mit festem Eise bedeckt; als wir dagegen zu Ende des August den Ort von Neuem besuchten, war im Wasser kein anderes Eis zu sehen als hie und da ein von einem Jökel herabgestürzter Eisberg.

Im Süden dieses Fjordes müsste die Meerenge münden, die im Jahre 1860 von Norwegischen Spitzbergen-Fahrern entdeckt worden ist und welche im Norden des WalterTymens - Fjordes den Stor- Fjord mit der Hinlopen - Strasse verbinden soll. Wir suchten gleichwohl diese Meerenge vergeblich, wahrscheinlich konnten wir wegen des Eises nicht so weit gegen Süden vordringen, dass wir ihre Mündung erreichten.

Gleich im Westen der Hinlopen - Strasse liegt endlich der Fjord, in welchem unser Fahrzeug so lange von Eis eingeschlossen lag, nämlich Sorge - Bai oder, wie er auf Holländischen Karten genannt wird, Treurenberg-Bai. Die Sorge - Bai ist eine 1 (Schwedische) Meile tiefe, sich von Nord nach Süd erstreckende Meeresbucht, die im Osten begrenzt wird vom Hecla - Hook, im Süden von einem nunmehr zurückgehenden Jökel, welcher grosse SchlammMoränen vor sich her geschoben hat und weiter im Inneren des Landes von hohen Berggipfeln begrenzt wird. Der ganze westliche Strand bildet zunächst am Meere ein weites, zu Ende des Juni noch mit Eis bedecktes, vor der Mitte des Juli aber fast ganz schneefreies Tiefland, welches im Norden mit der nördlichsten Spitze des eigentlichen Spitzbergen, Verlegen-Hook, endigt und im Westen von einem ungefähr 14 bis 2 Meile vom Strande hinstreichenden, steilen, aus Glimmerschiefer bestehenden Bergkamm begrenzt wird. Die Mitte der Bucht ist gleichsam zugeschnürt von zwei Spitzen, welche beide, jede auf ihre Art, merkwürdig sind. An der östlichen derselben erwartete die Hecla, das Fahrzeug Parry's, die Rückkehr der bekannten, auf das Polareis ausgesendeten Expedition. Die meisten magneti

schen Beobachtungen auf dieser berühmten Reise sind dort angestellt und Überreste der von Parry auf Point Crozier errichteten Flaggenstange sind noch jetzt vorhanden, am westlichen Strande dagegen erinnert eine Menge Holländischer Gräber an den Anlass zu dem unheimlichen Namen dieser Bucht. Unser Fahrzeug warf am 6. Juni am Strande dieser Grabspitze Anker und wurde gleich darauf dort ganz plötzlich von Treibeis vollkommen eingeschlossen, und dieses nicht zum ersten Mal. Dasselbe Fahrzeug hatte nämlich in den beiden vorhergehenden Sommern ungefähr um dieselbe Zeit des Jahres diesen Hafen besucht und war beide Male mehrere Wochen lang in demselben von Treibeis eingesperrt worden. Diese anmerkungswerthen Thatsachen haben die Besatzungen der Fahrzeuge in einem grossen, auf dem Gipfel des Hügels errichteten, mit passenden Inschriften versehenen hölzernen Kreuze zu verewigen gesucht. Der Ort wurde daher von uns oft Äoli Kors (Kreuz) genannt.

Sowohl bei Äoli Kreuz oder dem Grabhügel als auch in der kleinen, Hecla-Cove benannten Bucht im Süden des Point Crozier giebt es gute Ankerplätze selbst für ziemlich grosse Fahrzeuge, dennoch aber würde der von einem der Mitglieder der Expedition für diesen Fjord vorgeschlagene Name,,Mäusefalle" sehr angemessen und passend sein. Auch wenn ein vollständiger östlicher oder südlicher Sturm in der Strasse tobt, herrscht schon in der Mitte der Bucht eine vollkommene Stille und kaum scheinen rein nördliche Winde im Stande zu sein, ihre Luftpartikeln in eine stärkere Bewegung zu versetzen. Vor dem Winde ist hier also keine Gefahr, desto mehr aber vor dem Eise. Der Fjord kann in der einen Stunde ganz eisfrei und in der anderen dermaassen angefüllt sein von Treibeis, welches Strom und Sturm aus dem nördlichen Eismeere dorthin getrieben haben, dass nicht einmal ein Boot sich hindurchzwängen kann. Wenn der Fjord eisfrei ist, so sammelt sich das Eis gern bei dem äusserst treffend benannten Verlegen - Hook und hindert also die Fahrzeuge, gegen Westen zu segeln; nach Osten hin aber ist der Rückweg stets gesperrt, denn die Strasse ist in ihrer ganzen Länge niemals offen, d. h. frei von Eis oder Treibeis, und gewöhnlich weht dort ein so starker, mit dichtem Nebel verbundener südöstlicher Sturm, dass es schon mit sehr grosser Gefahr verbunden ist, wenn ein Fahrzeug nur quer hinüber segeln will. Man kann mehrere Wochen lang bei Äoli Kreuz klares und schönes Sonnenscheinwetter haben, während 1⁄2 Meile nördlicher in der Mündung der Strasse fast ohne Unterbrechung Nebel und Sturm herrschen; daher ist auch der Horizont in dieser Richtung, während der Himmel übrigens ganz klar und wolkenfrei ist, fast immer begrenzt von dicken dunklen Wolkenmassen,

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