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Geographisches von Texas.

Von Dr. Ad. Douai (Hoboken im Staate New Jersey).

Obgleich Texas in neueren Zeiten von vielen Naturforschern bereist worden ist wir erwähnen hier bloss der Whipple'schen und Beale'schen Expeditionen, des Herrn Julius Fröbel und des Herzogs Paul von Württemberg - so sind doch manche wissenswerthe Thatsachen Betreffs der Geographie des Landes noch unbekannt in wissenschaftlichen Kreisen. Wir entsinnen uns wenigstens nicht, die nachfolgend hier mitgetheilten in wissenschaftlichen Quellenschriften erwähnt gefunden zu haben.

Eine solche Thatsache ist es, dass die Küste von Texas sich aus dem Golfe erhebt, und zwar in ziemlich rascher Weise. Seitdem die Deutschen Auswanderungs-Schiffe zuerst in den Häfen der Matagorda - Bai landeten (1845), sind alle diese Häfen stark versandet. Damals konnten noch Schiffe von 8 Fuss Tiefgang in den Hafen von Port Lavacca (welches die nördlichste Spitze dieser Bai ist) einlaufen, jetzt ist kaum Wasser genug für Schiffe von 4 bis 5 Fuss Tiefgang. Indianola, 10 Meilen südlicher, hat seinen Hafen, in welchem noch 1852 Dampfer von 8 Fuss Tiefgang anlegen konnten, seitdem so versanden sehen, dass der grösste Theil der Häuser 4 Meilen weiter hinab nach Powderhorn hat geschafft werden müssen. Und dasselbe gilt von allen Häfen nicht nur der Matagorda-Bai, sondern der ganzen Texanischen Küste mehr oder weniger. Den Hauptantheil der Schuld hieran trägt nun zwar allerdings der Wellenschlag des Meeres, welcher auf lange Strecken hin an der Küste Dünen von 50 Fuss Höhe angewaschen hat (an der Mexikanischen Küste, zwischen Vera - Cruz und Tampico, erreichen die Dünen von Flugsand sogar weit über 100 Fuss Höhe), denn das Meer vertieft sich nur höchst allmählich, bis auf 100 Meilen Entfernung von der Küste noch wühlen die hier sehr heftigen Stürme den Meeresgrund auf, und da die herrschende Windrichtung in 330 Tagen unter 365 eine südliche ist, so müssen fortwährend grosse Massen Sandes an die Küste gespült werden; allein es wirkt zur Versandung der Küste noch ein weiterer Grund mit.

In derselben Zeit, in welcher die Matagorda-Bai durchschnittlich 3 bis 4 Fuss Tiefe verloren hat, hat das Ufer derselben sich um 1 bis 2 Fuss gehoben. Dieses Ufer trägt alle Spuren, dass es vor noch nicht langer Zeit unter Wasser gestanden hat. Es besteht nicht wie die Dünen Petermann's Geogr. Mittheilungen. 1864, Heft IV.

der äusseren Küste weit vorwiegend aus losem Flugsand, sondern hauptsächlich aus den Gehäusen von Schalthieren, wie sie in brackischem Wasser leben, im Seewasser absterben und den Meeresgrund der Bai, untermischt mit feinem Sande, bedecken. Zu diesem, wie uns dünkt, unumstösslichen Beweise einer ansehnlichen Hebung der Küste in neuerer Zeit kommt noch ein weiterer. Reiseberichte aus den dreissiger Jahren dieses Jahrhunderts schildern die Küste an mehreren Binnenwässern als so flach, dass man aus geringer Entfernung nicht unterscheiden konnte, wo das grüne Meerwasser aufhörte und der Graswuchs der Küsten - Prairie begann. Solche Stellen giebt es jetzt unserer Erfahrung nach an der ganzen Küste der Binnenwässer nicht mehr, sondern überall an den Bai-Ufern hin besteht die Küste aus 6 bis 10 Fuss hohen Bänken, welche vorwiegend aus SchalthierÜberresten neueren Ursprungs sich zusammensetzen. Auch die Ufer der wenigen vorhandenen Küstenflüsschen nehmen an Höhe zu, seitdem Deutsche Einwohner mit dem Lande bekannt geworden sind.

Die

Da nun, wie neuere Untersuchungen des Naturforschers Agassiz beweisen, auch die Küste von Florida sich aus dem Meere hebt, so scheint die ganze nördliche Uferstrecke des Mexikanischen Meerbusens an derselben Emporbewegung Theil zu nehmen, wodurch dann die merkwürdige Gestaltung der Mississippi-Mündungen sich um so leichter erklären würde, denn der Mississippi ist vielleicht der einzige Strom in der Welt, welcher seine Mündung jedes Jahr weiter hinaus in das Meer verlegt, indem er sich auf beiden Seiten jedes seiner Arme Dämme aufschüttet. mitgeführte Masse seines Schlammes ist gewiss nicht beträchtlich grösser als beim Nil oder Ganges, welche ebenfalls in Binnenmeere münden wie er, und die Wassermasse nicht grösser als beim Maranhon und La Plata Flüssen, welche allesammt sich mit Bildung von Deltas begnügen, ohne noch nebenbei dem Meere neues Gebiet abspenstig zu machen. Nimmt man aber ein Heraussteigen der Küste aus dem Meere an den Mississippi - Mündungen an, so erklärt sich diese Dammbildung weit ins eigentliche Meer hinaus viel leichter.

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Es ist bekannt, dass Texas ein Stufenland ist, und zwar von einer höchst regelmässigen Bildung. Ein etwa 30 bis 40 (Englische) Meilen breiter Streifen Landes an

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der ganzen Küste hin, vom Rio Grande bis zum SabineFluss, ist eine vollkommene Ebene, so eben, dass bei starken Regengüssen das Wasser schwer abläuft und viele Tage lang den Boden bedeckt, um so mehr, als dieser stark thonhaltig (blauer Thon) und fast undurchlässig ist. An diese erste Stufe schliesst sich eine zweite, durchschnittlich 100 Meilen breite, der Küste gleichlaufende von wellenförmiger Oberfläche. Innerhalb dieses Gürtels erhebt sich der Boden ganz allmählich bis zu 4- oder 500 Fuss über dem Meere und es steigen die Hügel, welche zuerst sehr sanft abgedacht, also sehr ausgedehnt sind, von 50 bis zu 150 Fuss Höhe über der Thalsohle. Die beiden eben erwähnten Stufen sind weit vorwiegend Prairie-Land, nur die Flussthäler sind reich bewaldet, aber da die Flüsse (wie alle Steppenflüsse) tief eingeschnitten, die Flussthäler (Bottoms genannt) also in der Regel schmal sind, so ergiebt sich daraus eine arge Holzarmuth des Landes. Im Allgemeinen nimmt der Waldwuchs zu in dem Maasse, wie man von Westen nach Osten geht. Die ersten 100 bis 150 Meilen vom Rio Grande ostwärts sind fast völlige Wüste, Anfangs Sand-, dann Steinwüste, übergehend in steinharten Thonboden, der nach jedem grösseren Regengusse eine karge, bald wieder vertrocknende Pflanzendecke trägt. Sogenannte Chaparals, Gebüsche von Dorngewächsen, welche fast undurchdringlich sind, sind stellenweise inselartig über die unabsehbare Einöde verstreut. Dann folgt zwischen den Flüssen Nueces und Brazos ein Streifen Prairie-Landes, dessen tiefer gelegene Stellen mit MesquitoBäumen (eine Mimosen- oder Acacien - Art) und MesquitGras, die höher gelegenen mit Lebenseichen oder Posteichen licht bewachsen sind, so dass der Holzwuchs immer inselartig auftritt und die Holzarmuth überall fühlbar bleibt. Dann wechseln zwischen dem Brazos und Trinity grössere Eichenwälder mit noch umfänglicheren Prairien und zwischen dem Trinity und Sabine grössere Fichten wälder mit immer beschränkter auftretenden Prairien.

Die dritte Stufe ist von einem abschüssig aus dem Hügelgelände aufsteigenden Felsplateau erfüllt, welches mit der Küste fast gleichlaufend und an 200 Meilen breit ist. Es besteht aus Süsswasserkalk der Kreide-Formation, dessen fast wagrecht liegende Schichten mit Schichten von Thon oder Thonschiefer abwechseln. Am Fusse dieser schroffen Bergkette, welche fast überall sofort sich um weitere 200 Fuss erhebt und allmählich bis zu 1800 Fuss Höhe über dem Meeresspiegel ansteigt, entspringt eine grosse Zahl wasserreicher Flüsse, von denen viele sofort an der Quelle grössere Boote tragen könnten. Hierher gehören der San Marcos, der Geronimo, der Comal, die Medina, der Cibolo, der San Antonio, der Hondo, Secco und Frio, endlich der Nueces. Einige dieser und mehrere

kleinere hier nicht genannte Flüsse versinken bald ganz oder nur auf beträchtliche Strecken und fliessen unterirdisch weiter. Kein einziger der Texanischen Flüsse aber ist zur Schifffahrt brauchbar, den untersten Lauf ausgenommen; weiter hinauf verwehren Stromschnellen oder Wasserfälle oder, wie im Colorado 50 Meilen oberhalb der Mündung, ein „Raft" (eine Anschwemmung von Bäumen und Schlamm) die Beschiffung. Die kleineren, auf den untersten beiden Stufen entspringenden Flüsse vertrocknen fast alle während der trockenen Jahreszeit und bilden je eine trockene Rinne, in welcher an quelligen Stellen Wassertümpfel sich bilden, gefüllt mit einem thonigen trüben Wasser, welches oft genug ebenfalls versiegt. Die Wasser- . armuth geht überall mit dem Holzmangel Hand in Hand. Übrigens giebt es auf dem Plateau verhältnissmässig mehr Flüsse, welche obenein meist das ganze Jahr hindurch fliessen, und mehr Waldwuchs. Die grösseren, weiter von Nordwesten herkommenden Flüsse, der Trinity, der Brazos und seine Nebenflüsse, der Colorado in seinen beiden Hauptarmen, endlich die Guadalupe, haben dieses Plateau durchbrochen und sich tiefe Rinnsale hineingewühlt. Die Bergform der Kalkfelsen ist meist eine im Winkel von 45 Grad abgedachte, sargähnliche, oben mit schmalen, ebenen baumlosen Oberflächen; die Abhänge sind durchaus verwittert, mit Felstrümmern bedeckt, häufig mit Cactus und Agaven, seltener mit Ceder- oder Posteichengruppen bewachsen und mit dürftigem, wenn auch nahrhaftem, noch im trockenen Zustande nahrhaftem Grase. Die Quellen treten auf dem Plateau häufiger auf als auf den beiden niederen Stufen, doch herrscht, da die dürren Berge den grösseren Theil der Oberfläche bedecken, noch immer Wassermangel. Das Plateau senkt sich eben so sehr nach Nordosten hin, WO es unter dem Namen Cross Timbers sich bis an den Red River und jenseit, im Indianer-Territorium, in Kansas und Missouri, bis an den Iron mountain fortsetzt, als nach Südosten hin. Durch die sogenannten Guadalupe-Gebirge hängt es nach Nordwesten hinauf mit den Ausläufern der Sierra Madre zusammen, durch welche der Rio Grande auf 500 Meilen Länge seines mittleren Laufes und sein linker Nebenfluss, der Pecos, sich hindurchgebrochen haben. Zwischen diesen Guadalupe - Gebirgen im Westen und den Cross Timbers im Osten liegt eine vierte Stufe, eine Hochebene von 1700 Fuss durchschnittlicher Erhebung über der See, an 300 Meilen breit und nach Norden zu an 500 Meilen lang. Diese Ebene ist Anfangs noch mit Mesquit - Gras und Mesquit-Bäumen spärlich bewachsen, wird aber weiter nördlich zu einer völligen Sandwüste, der sogenannten Llano estacado, welche hin und wieder mit vulkanischen Kegeln oder nackten Felszügen, die von den GuadalupeBergen herablaufen, verziert ist. Bei einem Versuche, hier

Artesische Brunnen zu bohren, um das für eine nach dem Stillen Ocean hier durchzulegende Eisenbahn nöthige Wasser zu beschaffen, kam eine von der Unions - Regierung im Jahre 1855 ausgesandte Expedition unter Lieutenant Pope bis zu 400, ja an Einer Stelle bis zu 700 Fuss Tiefe, ohne einen Strahl Wassers höher als zu zwei Dritteln der Tiefe der Bohrlöcher steigen zu sehen. Der Versuch musste aufgegeben werden.

Der Wassermangel in Texas ist kein absoluter, nur ein relativer. Die Regenmenge beträgt in einem zwanzigjährigen Durchschnitte jährlich 10 Zoll am Rio Grande und steigt zu 35 Zoll am Sabine, ist aber zu ungleich vertheilt, um dem Lande zu Gute zu kommen. Die Regenzeit ist im Winter, in den Monaten Oktober bis Anfang März. Sie kommt mit dem Eintritt der Nordwinde, welche alsdann ein oder zwei Mal jeden Monat, in der Regel jedes Mal 3 Tage lang, wehen und die Wasserdünste in der Luft plötzlich verdichten, so dass ungeheuere Wassermassen auf ein Mal herabstürzen, die Flüsse in wenigen Stunden bis zu 60 Fuss steigen machen und im porösen Kalkgebirge rasch, auf den unteren Stufen des thonigen Bodens wegen langsam verdunsten. In den übrigen Monaten herrschen die Südwinde, welche auch die Zwischenräume zwischen den winterlichen Nordwinden ausfüllen, und so lange sie wehen, fällt kein Tropfen Regen - selbst Gewitter und Gewittergüsse sind höchst selten und am ehesten noch im Monat Mai zu erwarten.

Wir haben längst gelernt, im Mangel an Bäumen die Ursache des Regenmangels wasserarmer Länder zu erkennen. In Texas gewinnt diese Erklärung die vollste Bestätigung, indem die Regenmenge von Westen nach Osten mit dem Waldwuchs stetig zunimmt und indem die Gewitterregen, wenn sie ausnahmsweise auftreten, in der Regel dem Laufe der stark bewaldeten Flussthäler folgen und in denselben am stärksten auftreffen. Allein der Wassermangel in Texas bedarf noch einer besonderen Erklärung.

Die herrschenden Südsüdostwinde (offenbar ein äquatorialer Passat) kommen nach Texas über das Meer her und sind reich mit Feuchtigkeit geschwängert, von welcher ein ansehnlicher Theil in Gestalt von Thau niederfällt, der in den sechs Sommermonaten sehr reichlich, immer aber ohne vorherigen Nebel und erst bei Aufgang der Sonne fällt. Dass trotzdem die Luft immer höchst trocken und der Himmel fast fortwährend heiter ist, erklärt sich zum Theil aus der grossen Feuchtigkeits-Kapacität der Luft in einem subtropischen Klima. Es hindern keine Gebirge das Streichen dieser Feuchtigkeit tragenden Winde über das ganze Land und dennoch giebt es tiefer im Inneren Gebirge genug, an welchen ein viel grösserer Theil dieser Feuchtigkeit, als wirklich die Oberfläche erreicht, sich niederschlagen müsste,

wie man zu erwarten berechtigt ist. Hier liegt das Räthselhafte.

Ist vielleicht die Porosität dieser Kalkgebirge, welche stark von Höhlen zerklüftet sind, und die Abwechselung ihrer durchlässigen Felsenschichten mit undurchlässigen Thonschichten Schuld daran? Saugt vielleicht die schwammartige Natur derselben den Haupttheil der Luftfeuchtigkeit ein und lässt ihn bis zur nächst tieferen Thonschicht ins Innere hinabsinken, und wo diese Thonschichten selber durch vulkanische Einwirkung von Rissen durchklüftet sind, bis zu einer zweiten und dritten Thonschicht darunter und so fort? Fliesst also vielleicht die Hauptmasse der in den kühlen Felsklüften verdichteten Luftfeuchtigkeit unterirdisch ab, um an dem nächsten Gebirgsabsatz auf einer Thonschicht zu Tage zu treten oder aber bis unter das Meer zu strömen und dort als nutzlose Quellen zu münden? Diese Erklärung entspricht allerdings den Thatsachen. Es bleibt dabei nur Eines unaufgehellt, welches hier sofort in Betracht zu ziehen ist. Es giebt in Texas mehrjährige Perioden übermässiger Trockenheit, abwechselnd mit mehrjährigen Perioden, in welchen die Regenmenge auffällig stärker ist. Als die Deutsche Einwanderung ins Land kam, begann eine zehnjährige Periode grösserer Feuchtigkeit. Die Mexikanische Bevölkerung (Hispano-Amerikanischen Ursprungs), welche bis dahin Acker- und Gartenbau überall nur mit Hülfe künstlicher Bewässerung, also nur auf den sehr wenigen Stellen, wo dieselbe ohne grosse Kosten möglich war, betrieben hatte, pflegte damals zu sagen, dass die Anglo-Amerikaner und Deutschen diese ,,Verschlechterung des Klima's" mit sich gebracht hätten. Sie waren nicht wenig erstaunt, die Ackerbau - lustigen Deutschen an das Umbrechen und Bebauen der Prairie gehen zu sehen, und weissagten Nichts als Missernten. Allein diese traten nur stellenweise und selten ein. Die Prairie ergab fast eben so reiche Ernten als das Bottomland oder bewässerbare Gelände. Die Deutschen und Amerikaner konnten ihrerseits das Mexikanische ,,Vorurtheil" nicht begreifen, nach welchem das Land nur sehr wenig zum Ackerbau, desto mehr aber zur Viehzucht geeignet sein sollte. Die Feuchtigkeit nahm sichtlich zu. Es entstanden neue Quellen zu Hunderten, selbst auf der HochPrairie, meist aber in den Flussthälern, wenn der Fluss sein Bett so weit durch den Kalkfelsen durchgewaschen hatte, dass eine neue Thonschicht, auf welcher die Quellwässer zu Tage treten, blossgelegt wurde. Manche vordem den grössten Theil des Jahres trockene Rinnsale (trockene Creeks genannt) wurden zu ausdauernden Bächen und Flüssen und die vermehrte Wassermasse der Flüsse wusch den Kalkfelsen des Bodens nun um so rascher aus und deckte immer neue Quellen auf, welche den Wasserreichthum

ihrerseits vermehren halfen. Die Mexikaner selbst liessen ihre Bewässerungsgräben theilweise verfallen, da sie überflüssig geworden schienen. Die grössere Feuchtigkeit des Bodens begünstigte den Waldwuchs, welcher noch weiter befördert wurde dadurch, dass die riesigen Prairie-Feuer, welche vordem die Indianer Behufs ihrer Jagden, die Mexikaner zur Beförderung des jungen Grasnachwuchses vor Eintritt, der nassen Jahreszeit anzuzünden gewohnt gewesen waren, verboten und auf kleinere Maassstäbe beschränkt wurden. Es wuchsen also ganze Wälder an Stellen auf, wo sonst Prairie gewesen war, und der Verfasser kennt einen derselben von mehr als 1000 Quadrat-Meilen Umfang an dem Atascasa - Bache, welcher nur zwischen 20 und 30 Jahre Alter aufwies.

Allein die Mexikaner behielten mit ihrem,,Vorurtheile" schliesslich Recht, denn mit 1856 begann eine Periode der Trockenheit, welche 5 Jahre in grosser Strenge und in minderem Maasse bis heute anhielt. Es gab ganze grosse Bezirke, wo 1856 und 1857 15 Monate lang kein Tropfen Regen und so wenig Thau fiel, dass aller Graswuchs erstarb und verstäubte, alle Wälder und Bäume ganz oder grösstentheils verdorrten und abstarben, alle neuen Quellen versiegten und die stark vermehrten Viehheerden brüllend Hunderte von Meilen gebirgswärts zogen, um Wasser und Weide zu finden. In vielen Grafschaften gab es 5 Jahre lang keine Ernte. Wie sind diese wechselnden Perioden der Feuchtigkeit und Trockenheit zu erklären? In den letzteren wehen dieselben Winde wie in den ersteren, wirken die Gebirge Feuchtigkeit verdichtend wie in den ersteren, blasen die eben so wirkenden Nordwinde wie in den ersteren. Woher also der Unterschied?

Wir wollen eine Erklärung versuchen, welche uns wenigstens einer Prüfung mit Hülfe reichlicherer Quellen, als uns zu Gebote stehen, werth erscheint. Wir schicken voraus, dass wir die besonders von Maury verfochtene Ansicht nicht theilen können, nach welcher die nordpolaren Passatwinde an der Linie auf die südliche Erdhälfte und die süd-polaren auf die nördliche übergehen. Am Gürtel der Windstillen angelangt steigen die beiden polaren Luftströmungen allerdings in die Höhe, im Maasse, wie sie sich abwärmen; der Gürtel der Windstillen aber verdankt sein Dasein nicht bloss dem Umstande, dass an seinen beiden Grenzen die Passate die Oberfläche des Meeres (und des Landes) verlassen, sondern zugleich der Bildung einer,,stehenden Luftschicht" zwischen den schräg aufsteigenden Luftströmungen. Wir müssen uns diese Luftschicht von 10 bis 15 Geographischen Breitengraden Breite dadurch komprimirt denken, dass die beiden polaren Luftströmungen sich an einander aufstauen. Diese Kompression der stehenden Luftschicht verursacht in ihrer Rückwirkung

eine Umstülpung des nördlichen Passats nach Nordwesten, des südlichen nach Südwesten, also eine Rückkehr jedes Passats nach dem Pole zu, ohne die Linie kreuzen zu können. Nun scheint dieser Annahme allerdings der Umstand zu widersprechen, dass der Passatwind zuweilen über das Atlantische Meer ganze Wolken von VerbrennungsProdukten, Prairiestaub und Blüthenstaub von Pflanzen, welche in den Pampas und Llanos von Süd-Amerika ihren Ursprung finden, mit nach den Atlantischen Küsten von Europa bringt. Allein wenn die beiden polaren Passate sich regelmässig über der Linie kreuzten, so müssten jene Staubwolken, welche der Regen in Europa niederschlägt, eben so regelmässig sich niederschlagen, als sie sich in SüdAmerika alle Jahre regelmässig bilden; auch ist nicht abzusehen, wie die beiden Passate an einander vorbeikommen wollten. Wir halten also das Herüberwechseln eines südlichen Passates auf die nördliche Erdhälfte für eine ausnahmsweise Wirkung gestörter Luftströmungen. Nachdem wir diess vorausgeschickt haben, gehen wir weiter.

Die Stärke der polaren Luftströmungen wechselt mit dem Grade der Spannung zwischen den kalten Luftschichten der Polarkreise und den warmen des heissen Erdgürtels. In Jahrgängen, wo ein Polarkreis ungewöhnlich stark mit Eis heimgesucht ist, reichen die polaren Passate näher an den Äquator heran als in anderen, wo diess weniger der Fall ist. In dem Maasse, in welchem diess geschieht, vérgrössert sich die Kurve, in welcher jeder Strahl oder Streifen (wir wissen keinen besseren Ausdruck) des Passats nach dem Äquator und von da nach seinem Ausgangspunkte, dem Pole, sich zurückbegiebt. In dem Maasse aber, wie die Kurve sich erweitert, fällt ihr Rückweg in eine vom Hinwege weiter westlich liegende Gegend. Texas also, welches fast das ganze Jahr vom rückkehrenden (äquatorialen) Passate bestrichen wird, mag in manchen Jahrgängen ausschliesslich solche Streifen oder Strahlen desselben erhalten, welche auf ihrem Herwege vom Nordpol über lauter Meer gegangen, also stärker mit Feuchtigkeit gesättigt sind, in anderen Jahrgängen aber wieder solche Strahlen des Passatwindes, welche auf ihrem Wege äquatorwärts über lauter oder grösstentheils über Land gegangen sind, den Grosstheil ihres Feuchtigkeits-Gehaltes an dieses Land (die Atlantische Küstenabdachung von Nord-Amerika) abgegeben haben, hoch über dem Mexikanischen Meerbusen umlenken und auf das Flachland von Texas herabsinkend, wo keine gegenwirkende kühlere Luftströmung sie hindert, dort Trockenheit statt des ersehnten Regens spenden. Und da neuere Erfahrungen lehren, dass der nördliche Polarkreis in der Regel eine Reihe von sehr kalten Jahren, abwechselnd mit einer Reihe wärmerer Jahre, haben möge, so

wären damit die wechselnden Perioden der Trockenheit und Feuchtigkeit in Texas genügend erklärt.

Wenn unsere Erklärung richtig ist, so giebt es kein künstliches Mittel, um dem Wassermangel von Texas etwa durch Anpflanzung von Bäumen im Grossen und durch tiefe Drainirung und Auflockerung des Ackerbodens, welche diesem die Verdichtung grösserer Mengen von Luftfeuchtigkeit erlauben abzuhelfen. In den Perioden der Trockenheit enthält eben die darüber hinstreichende Luft zu wenig Feuchtigkeit überhaupt, wie sich schon daraus ergiebt, dass der Thau fast ganz aufhört und die Gebirgswässer versiegen. Und wenn diess richtig ist, so behalten die Mexikaner Recht und ihr angebliches Vorurtheil ist erprobte Weisheit, auf 180jährige Erfahrung gestützt. Alsdann ist Texas bloss in nassen Perioden zum Ackerbau geeignet, mit anderen Worten: der Ackerbau ist dort zu häufigen Missernten verdammt, weil man weder den Eintritt noch die Dauer einer nassen Periode vorausbestimmen kann. Viehzucht, besonders Schafzucht in den höher liegenden Gegenden, wäre die einzig berechtigte Erwerbsquelle der Bevölkerung eines Landes von der Grösse Deutschlands, allein Viehzucht im Grossen ist keine passende Grundlage für die höhere Civilisation, für wahrhaft menschenwürdige Bildung. Sie erlaubt nicht jene dichte Bevölkerung und jenen lebhaften Menschenverkehr, ohne welche Kunst und Wissenschaft, Schule und wahrhaftes Familienleben undenkbar sind. Sie befördert durch die von ihr gebotenen Arten der Beschäftigung nicht wenig die Rohheit und Fortschrittsträgheit und erhält die Menschen stabil und halbwild. Sie hat erfahrungsgemäss immer bedingt und scheint mit Nothwendigkeit zu bedingen eine aristokratische Verfassung der Gesellschaft und Vertheilung des Besitzes, weil sie ihren Mann bloss mit Hülfe grösseren Kapitals ernährt.

Aber ganz abgesehen davon, ob unsere Erklärung der Texanischen Trockenheits- Perioden vor der Wissenschaft Stich hält oder nicht, es bleibt die Thatsache, dass die Hispano-Amerikanische Bevölkerung in Jahrhunderte langer Erfahrung mit Ackerbau in Texas dahin gekommen ist, denselben nirgends zu wagen, wo künstliche Bewässerung schwer oder unmöglich ist. Es bleibt die Thatsache der vielfachen Missernten, welche das Deutsche Experiment in Texas erzielt hat; es bleiben zahlreiche untrügliche Zeichen, welche auf den Charakter vorwiegender Trockenheit des Landes deuten. Und alle diese Zeichen und Thatsachen warnen vor Deutschen Ackerbau - Kolonien in Texas, so einladend auch sonst das herrliche Klima, so lachend der fast stets heitere Himmel, so reich an Humus der Boden und so günstig für grossartige Deutsche Kolonisation die geographische und die voraussichtliche politische Lage des Landes sein mögen.

Und was von Texas gilt, das gilt von allen ausgedehnten Prairie-Landschaften der Welt, es gilt ganz besonders von den La Plata - Staaten, welche man neuerdings Behufs Deutscher Ansiedelung im Grossen empfohlen hat. Es wird eben eine grosse Prairie-Landschaft überall nur unter denselben Bedingungen wie in Texas entstehen. Sie wird nur in bedeutender Entfernung von Eruptiv-Gebirgen, also da entstehen, wo die ursprüngliche horizontale Lagerung der Sedimentschichten nur unbedeutend durch Hebung von innen oder Senkung nach innen verändert worden ist. Ihre felsige Unterlage werden also durchlässige Kalk- oder Sandsteinschichten, mehr oder weniger wechselnd mit undurchlässigen Schichten, bilden. Über sie hin werden auf Hunderte von Meilen Entfernung landeinwärts lediglich Passat - Winde in immer sich gleich bleibender Richtung wehen, welche an sich vorwiegend trocken sind und vieljährige Trockenheits-Perioden mit sich bringen. Auf ihren unteren Stufen werden äusserst wenige Quellen sich bilden, an den wenigsten Stellen Brunnen genügende Wasservorräthe liefern. Die Flüsse, welche nicht in der trockenen Jahreszeit versiegen sollen, müssen also weit her von den höheren Gebirgen kommen und die letzten Zuflüsse, welche sie aufnehmen, stammen vom Fusse der Gebirgsstufe ab. Solche durch einen tiefen Alluvial- und Diluvial - Boden strömende Flüsse, welche ihren Wasserreichthum während ihres mittleren und unteren Laufes durch Verdunstung grossentheils verlieren, müssen sehr tief eingewühlte Strombetten haben und der Unterschied zwischen ihrem höchsten Wasserstande in der Regenzeit und ihrem tiefsten kurz vor derselben muss überall höchst bedeutend sein. Damit ist gesagt, dass sie keinen bedeutenden Werth für die regelmässige Schifffahrt haben. Damit ist weiter gesagt, dass sie das Land entwässern, anstatt es zu bewässern, denn während der langen trockenen Jahreszeit drainiren sie es förmlich, oft bis zur Tiefe von 60 oder 80 Fuss. Daraus folgt, dass sie auch der künstlichen Bewässerung bedeutende Hindernisse entgegenstellen und dass Brunnen nur bei einer Tiefe von 60 bis 80 Fuss ausreichend und aushaltend Wasser liefern. Daraus folgt die Untauglichkeit aller Prairie- und Steppen - Landschaften zum Ackerbau im Grossen, ihre Benutzbarkeit bloss zur Viehzucht im Grossen, also ihre Ungeeignetheit zu Deutschen Kolonien, zu hoch civilisirten Staaten, zu demokratischen Gemeinwesen. Von den La Plata-Staaten gilt das eben Gesagte ganz besonders. Auch dort wohnt eine Hispano - Amerikanische eingeborne Bevölkerung, welche das Land bloss da anbaut, wo es ausnahmsweise künstlich unter Wasser gesetzt werden kann, welche unter den Cerealien höchstens Mais und daneben Spanischen Pfeffer baut, Pflanzen, denen lange Trockenheit weniger schadet. Auch dort finden sich jene

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