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übernehme, zum Geschrei aller frei schreienden, oft sehr beengt handelnden Männer und zum Kummer einiger Idealmenschen, die mich nun für verloren geben. Ich habe die Sache als ein provisorisches Amt übernommen, weil die Herrn des Raths behaupteten, sie hätten ausschließend zu mir das größte Vertrauen, daß ich es im rechten Sinne verwalten würde. Nur darum habe ich mich ihm unterzogen, weil mir die redlichste Gesinnung der Bürgermeister dabei bewußt war, weil ich die Nothwendigkeit der Censur in dem gegenwärtigen Augenblick für Frankfurt anerkenne, und weil drittens nach meiner Ueberzeugung es jezt ein großes Glück ist, wenn die Hunderte von politischen Querköpfen einmal einige Zeit schweigen lernen, um desto mehr Zeit zum Denken und zum Thun und Handeln zu finden, jeder an seiner Stelle, was bei diesen politischen Saalbadern meist ganz außer Gewohnheit zu kommen scheint. Ueberzeugt, daß gegenwärtig die babylonische Sprachenverwirrung einen sehr hohen Grad erreicht hat, hielt ich es für meine Schuldigkeit, nicht zurückzutreten von einem öffentlichen Posten, den mir das Vertrauen der Obern übertrug, das ich selbst durch mehrmalige Ablehnung nicht zurückweisen konnte. Ich sagte dem würdigen Bürgermeister Meßler, ich gäbe mich durchaus nicht mit Politicis ab, und in der That bis dahin habe ich nicht einmal eine einzige Zeitung gelesen. Gerade das sei ihm besonders erwünscht, war seine Antwort. Er kam endlich selbst zu mir ins Haus, um zulezt meine Zusage mitzunehmen. Angenehm ist es mir, daß die hiesigen Buchhändler, denen die ganze Maßregel im höchsten Grade zuwider ist und zuwider sein muß, doch sagen, daß die Wahl des Censors sie einigermaßen aussöhne. Auch ist meine Instruction von

solcher Art, daß der gesunde Menschenverstand allerdings sehr damit zufrieden sein kann.“

Doch genug von dieser Zeitangelegenheit, von der ich hoffe und wünsche, daß sie nur eine provisorische und vorübergehende sein möge und den Bösen, aber nicht den Schwachen und den Guten zum Nachtheil gereiche, zumal da nach meiner Ansicht alle hemmenden Mittel das Fehlerhafte weniger hindern, als die Förderung und Unterstüßung des Guten selbst, welche ohne Weiteres dem Schlimmen den Weg versperrt.'

„Uebrigens höre ich eben, daß man damit umgeht, mir für die Censorstelle einen angemessenen Gehalt auszuwerfen und mich dadurch zu binden, hier zu bleiben; deswegen wäre es mir lieb, wenn meine pecuniäre Stellung in Berlin so wäre, daß ich hier nicht in das unangenehme Verhältniß einer Mäkelei geriethe, was mir verhaßt ist. Denn steigert man hier mein Einkommen, so wird man es von vielen Seiten für undankbar ansehn, wenn ich gehe, und für unklug. Die Veranlassung dazu hat Augusts Mutter gegeben, welche sehr besorgt für meine Wohlfahrt ist und dem Bürgermeister, ihrem Freunde, von den Vorschlägen aus Berlin gesprochen hat."

Wenige Tage nachdem er diesen Brief abgesandt hatte, erhielt er, während bisher die Unterhandlungen nur durch Mittelspersonen geführt waren, den Ruf zu den angegebenen Stellungen direct von den Ministern von Altenstein und von Bohen. Nach nochmaliger reiflicher Ueberlegung der Sache sandte er an dieselben Mitte December seine Zusage unter den angegebenen Bedingungen. Indessen verzog sich die Entscheidung auffallend lange. Wohl mochte dies zum Theil darin seinen Grund haben, daß im Anfang des folgenden Jahres

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die Entlassung der Minister von Böhen und von Humboldt stattfand. Für Ritter war natürlich diese Zeit der Ungewißheit sehr peinigend. Die Hauptsache ist mir jetzt,“ schreibt er Ende Januar an seinen Bruder,,,meine Angelegenheit mit Berlin. Noch immer schwebt die Entscheidung zwischen Himmel und Erde. und das Beste thun. Mein Verstand weiß nicht zu wählen. Doch wiederhole ich Dir von Neuem, daß es mir nicht sowohl um die Stelle in Berlin, sondern um die Art einer freiern geistigen Wirksamkeit in meinem beschränkten Fache und um Muße zu thun ist, um für das Ganzè wirksam zu werden durch meine angefangenen litterarischen Arbeiten. Allerdings erkenne ich mit dem innigsten Dank gegen die Vorsehung es an, daß mir aus dieser ernsten Arbeit ein Segen hervorgewachsen ist, den ich nicht zu ahuden vermochte, und ein unverdienter Beifall mancher der edelsten Zeitgenossen, der mich darum erquickt, weil ich auf diesem Wege hoffen kann, nun noch nützlich fortzuschreiten und für die Wunder der heiligen Natur und Gotteswelt auch in den Köpfen der Gebildeten und Wissenschaftsmänner, die oft blind an ihr vorüberziehn, ein Fünkchen zu erwecken, das erwärmend für die Wissenswelt werden könnte.“

Der Himmel wird sich meiner erbarmen

In der Zwischenzeit ist nun hier in Frankfurt von mehreren Seiten her die Nachricht meines Rufs nach Berlin und meine Annahme als bestimmt ausgesprengt worden, wodurch ich in manche Verlegenheit gerathen bin. Aus meiner schönen Wohnung bin ich nun schon vertrieben. Denn da ich die Wohnung nur bis zum ersten Juli gemiethet habe, und jezt es thöricht gewesen wäre, sie noch auf ein Jahr zu miethen, so

kamen bald Liebhaber und steigerten die Miethe, so daß wir verdrängt sind. Dann wurde ich durch so viel Abrathende bestürmt, in der gegenwärtigen Zeit nicht nach Berlin zu gehen, daß ich mir wirklich kaum zu helfen wüßte, hätte ich nicht eben ein tieferes Vertrauen zu meinem Vaterlande und zu denen, die sein Bestes leiten. Zu gleicher Zeit machten die Lehrer am Gymnasium, meine Collegen, eine sehr liebevolle und freundschaftliche Bittschrift an Rath und Consistorium, indem sie darauf antrugen, Alles zu thun, um mich hier der Anstalt zu erhalten, meinen Gehalt zu erhöhen auf jede Art und die Zahl meiner Stunden zu vermindern, deren Arbeit sie dann auf einige Jahre unter sich vertheilen wollten, damit mir die Zeit würde, meine Arbeiten zu vollenden u. s. w. Bürgermeister Mezler, voll Freundschaft und Güte zu mir, Senator Thomas, Guaita, Savigny's Schwager u. A. haben mir seitdem zugesetzt und den Auftrag gehabt, meinen Gehalt so weit zu erhöhen und auch andere Wünsche zu erfülLen. Ich konnte nichts Anderes sagen, als daß mir der ganze Wirkungskreis, nämlich die Stellung am Gymnasium, nicht zusage, daß ich aber sonst nichts verlangen könne, auf jeden Fall aber erst die Antwort von Berlin auf meine gethanen Vorschläge abwarten müsse. Ich wolle keinen Schritt thun, bevor ich sie nicht in Kenntniß gesetzt habe, doch scheine es mir, als gehe die Sache mit meiner Anstellung in Berlin rückwärts. So stehen die Hauptpunkte! Die Entscheidung wird mir unstreitig außerordentlich schwer werden, da die Wagschaalen von beiden Seiten sich so seltsam ausgleichen. Doch muß ich es wünschen, daß bald die Entscheidung möglich wird: denn an Ruhe ist für mich bis dahin nicht zu denken.

Seltsame Verwirrung der menschlichen Schicksale! Das Papier ist zu schwach und arm, um Dir nur den hundertsten Theil davon anzudeuten. Ein Hauptmagnet nach Berlin ist mir Deine Liebe, und auch meine Lilli sagt Dir durch mich, sie sei in Allem mit Dir einverstanden, und würde an Dir eine große Stütze haben. Mehr nicht in dieser Eile."

Indessen kam seine Angelegenheit in Berlin endlich zum Abschluß, und er erhielt das entscheidende Rescript, nachdem es noch den schleppenden Gang durch alle Instanzen gemacht hatte, gegen Ende Februar. Es erfüllte ihn mit der größten Freude. ,,Nur in größter Eile sage ich Euch," schreibt er seinen Brüdern,,, daß nach langem Zaudern, Bangen und Harren das Schicksal nun für mich entschieden hat, und daß ich der frohen Hoffnung entgegen sehe mit Euch, Ihr Geliebten, in treuer Bruderliebe und im vertrautesten Wechselleben meinem weitern Ziele entgegen zu gehen. Dank dem Himmel für seine unverdiente Gnade, die mir von Neuem zu Theil geworden; was ich menschlicher Weise nie zu denken wagte, ist mir geworden, ein würdiger Wirkungskreis mit Muße zur Vollendung begonnener Arbeiten, mit Sicherung des Lebens für mich und meine Geliebte, im Vaterlande, im Kreise edler Menschen, im Verein mit Brüdern, die mir nächst der lieben Schwester die liebsten Menschen auf Erden sind. Vor einigen Tagen erhielt ich das entscheidende Rescript, worin mir die Stelle vom 1. April an zugesagt wird, daß mir aber das halbe Jahr frei bleibt, die Berufsarbeiten an Kriegsschule und Universität erst im Herbst beginnen und daß mir 300 Thaler als Reisekosten angewiesen sein sollen.“

,,Diese Erfüllung meines größten Wunsches, Muße und Zeit zur Vorbereitung auf den neuen Posten macht mich sehr

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